Pläne für die Erweiterung der Vega

Es ist in Europa (aber auch anderswo) Tradition, dass man sich schon vor dem Jungfernflug eines Trägers Gedanken über die Leistungssteigerung macht. Das war so bei der Europa, der Ariane 1 und Ariane 5 und natürlich gibt es auch Pläne bei der Vega.

Zuerst die offiziellen Pläne der ASI, die ja zu 65% das Programm finanziert. Das Naheliegende ist es, die Stufen zu verlängern. Eine P100 (mit 100 t Treibstoff) anstatt der P80 und eine Z40 anstatt der Z23 verspricht die Nutzlast auf 2.000 kg anzuheben, also um 33%, bei einer um 28% höheren Startmasse. Das ist bei einer schon durchoptimierten Rakete ist das kein Wunder.

Weitergehende Überlegungen wollen die letzte Stufe und das AVUM durch eine mit flüssigen Treibstoffen ersetzen. In Italien dachte man an eine LOX/Methan Stufe.

In Deutschland bekam man ja etwas Torschlusspanik. Hieß es doch früher, „Warum sollen wir bei der Vega mitmachen, gibt es doch preiswerte russische Raketen zuhauf?“, nun stellt sich plötzlich raus, dass sie nicht mehr preiswert sind und auch nicht mehr zuhauf, weil sie das Ende der Lagerdauer erreichen. Da gab man zwei Studien in den Auftrag VENUS und VENUS II. Das grundsätzliche Problem war aber, das Astrium Bremen wohl nicht eine Stufe konstruieren kann, die im Leergewicht so niedrig liegt, damit sie die Nutzlast anheben würde. Ergebnis von VENUS I: eine Stufe mit lagerfähigen Treibstoffen, konstruiert von Astrium Bremen senkt die Nutzlast der Vega ab, eine Stufe mit kryogenen Treibstoffen steigert sie leicht, aber ergibt einige Probleme hinsichtlich Stufenlänge und Unterbringung der Triebwerkdüse im Stufenadapter. Danach ging es nicht mehr um die Steigerung der Nutzlast und bei Venus II wurde nur noch eine sehr kleine Stufe untersucht die bei optimiertem Design (praktisch keine zylindrische Tankwand, Einhängen der Kugeltanks im Stufenadapter die Nutzlast um 160 bis 300 kg steigert. Nur um vom ukrainischen Triebwerk unabhängig zu sein, ist das eine teure Lösung, da kann man auch gleich die Triebwerkszahl, die man über die Einsatzdauer braucht, auf Vorrat kaufen. Bisher war jede europäische Rakete maximal 20 Jahre im Einsatz, man redet von drei Vega Starts durchschnittlich pro Jahr als gewünschter Startrate, da kann man 60 der Triebwerke kaufen und gut ist.

So, nach den offiziellen Plänen zu meinen Ideen für eine preiswerte Nutzlaststeigerung. Eine wurde schon von der ASI angedacht: Die zweite Stufe Z23 als Booster anflanschen. Der Hauptvorteil ist, dass man nichts entwickeln muss. Es sind zwei oder vier Booster denkbar. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Zefiro 23 Antriebe 25 Sekunden kürzer als die erste Stufe brennen. Die Spitzenbeschleunigung wird so nicht beeinflusst, sie sinkt sogar, da die Nutzlast höher ist und sie bei der dritten Stufe auftritt.

Eine zweite Möglichkeit ist es natürlich, auch die P80 Stufe als Booster zu verwenden. Bei einem Booster (asymmetrischer Schub, doch auch bei anderen Trägern wie der Atlas 501 oder dem STS üblich) resultiert eine sehr unangenehme Beschleunigungsspitze beim Brennschluss der ersten Stufe. Diese Lösung ist daher nicht so sinnvoll. Bei zwei Boostern ist der Schub der beiden Booster so hoch, dass man sie vor dem zentralen P80 zünden kann. Das reduziert die Beschleunigung und durch eine weitere Stufe werden auch höhere Orbits direkt ohne AVUM Zündung errreicht.

Eine weitere Möglichkeit ist der Zefiro 16 Antrieb. Für alle die nicht so ganz vertraut sind mit der Entwicklungsgeschichte der Vega sind: es war ursprünglich eine kleinere Version geplant und für die wurde von 1998 bis 1999 dreimal schon die damalige zweite Stufe Zefiro 16 erprobt. Mehr als diese drei Zündungen weist die Zefiro 23 auch nicht auf. Fügt man den Zefiro 16 zwischen Z23 und Z9A ein, so steigert dies die Nutzlast bei gleichzeitiger Reduktion der Spitzenbelastung. Als weiterer Vorteil (in den Tabellen nicht berücksichtigt) wären die Gravitationsverluste durch verkürzte Freiflugphasen erniedrigt.

Rakete: Vega

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
136106 1500 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 95796 7431 2746
2 25791 1845 2839
3 11485 915 2903
4 1044 494 3095

Rakete: Vega + 2 P80

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
330865 4667 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 191592 14862 2746
2 95796 7431 2746
3 25791 1845 2839
4 11485 915 2903
5 1044 494 3095

Rakete: Vega + 2 X Z23

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
188398 2210 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 147378 11121 2746
2 25791 1845 2839
3 11485 915 2903
4 1044 494 3095

Rakete: Vega + 2 X Z23 + Zefiro 16

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
206267 2769 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 147378 11121 2746
2 25791 1845 2839
3 17310 1310 2839
4 11485 915 2903
5 1044 494 3095

Rakete: Vega + 4 x Z23

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
240619 2849 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 198960 14811 2746
2 25791 1845 2839
3 11485 915 2903
4 1044 494 3095

Rakete: Vega + 4 x Z23 + Zefiro 16

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
258589 3509 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 198960 14811 2746
2 25791 1845 2839
3 17310 1310 2839
4 11485 915 2903
5 1044 494 3095

Rakete: Vega + P80

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
233123 2721 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 191592 14862 2746
2 25791 1845 2839
3 11485 915 2903
4 1044 494 3095

Rakete: Vega + Zefiro 16

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
153883 1967 490 8488 1767
Stufe Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 95796 7431 2746
2 25791 1845 2839
3 17310 1310 2839
4 11485 915 2903
5 1044 494 3095

 

Wie man an der Tabelle sieht, decken diese Kombinationen einen breiten Nutzlastbereich oberhalb der Vega (1500 kg in den Referenzorbit) ab. (1967 bis 4667 kg, also bis zur dreifachen Nutzlast).

Was sind die Nachteile? Nun die Zefiro 16 Varianten müssten die gesamte Qualifikation durchlaufen, das ist aber immer noch billiger als eine neue Stufe. Immerhin offeriert diese kleine Stufe schon 30% mehr Nutzlast. Die Z23 Booster Varianten haben den Nachteil, dass sie je zwei bzw. vier neue zweite Stufen erfordern, setzt man diese zu 25% der Fertigungskosten an, so erhöhen sie den Startpreis um 50 bzw. 100 %. Im ersten Fall korreliert dies noch mit der höheren Nutzlast, bei vier Boostern nicht mehr. Natürlich könnte der Preis pro Stufe durch höhere Stückzahl sinken, zumal die Vega ja sowieso an der Grenze ist, wo der Startpreis durch zu wenige Starts rapide ansteigt.

Bei den P80 Varianten ist nur die mit zwei P80 als erste Stufe interessant. Sie verdreifacht die Nutzlast, was aber sicher nicht mit den Fertigungskosten korreliert, das heißt, diese Variante wäre sicher interessant.

Die Frage ist natürlich, ob man es braucht. Bei den kleinen Trägern ist die Vega schon heute am oberen Limit. die Nutzlast von 1500 kg bezieht sich ja auf eine sonnensynchrone 700 km hohe Bahn. In einen LEO-Orbit sind es dann 2.400 kg. Das ist mehr als jeder der existierenden kleinen US-Träger. Die Minotaur 6 könnte etwas höher liegen, aber ob dieses Konzept jemals umgesetzt wird, ist fraglich. Auch bei den russischen Trägern ist nur die Dnepr höher, wobei dies aber nur für niedrige Orbits gilt. Als zweistufiger Träger nimmt die Nutzlast für sonnensynchrone Orbits stark ab und liegt beim Vega Referenzorbit bei nur 1.750 kg, also nur wenig oberhalb der Vega. In derselben Region liegt auch die indische PSLV. Bei noch höheren Umlaufbahnen liegen die Nutzlasten dann unter der der Vega.

So gesehen würde eine weiterentwickelte Vega eine hohe Nutzlast aufweisen, die noch kein derzeitiger Träger hat, was nicht ratsam ist, da potenzielle Kunden ihre Satelliten sicher so auslegen, dass es zwei Träger gibt die ihn starten können. Der jetzt beschlossene Satellit Biomass der ESA wird z.b. von der Vega und Rockot gestartet werden können. Natürlich könnte man wie beim zweiten Flug demonstriert ohne Probleme Doppelstarts durchführen. Das Aussetzen von Satelliten in unterschiedliche Orbits ist ja eine der besonderen Fähigkeiten der Vega. Doch gibt es nicht so viele Starts in diesem Segment und bei der Ariane 6 benutzt man ja genau das gegenteilige Argument man will mehr Einzelstarts um eine höhere Startrate und mehr Flexibilität zu bekommen.

Meine Meinung: Wir brauchen erst mal keine Erweiterung der Vega und wenn, dann wären wohl die Z23 Booster die einfachste und sinnvollste Lösung.

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