Lieber Herr Dudok,

Gestern fand ich in den Emails ein PDF eines Interviews von Evert Dudok, CEO von Astrium. Liest man sich das durch, dann fragt man sich willkürlich, ob der gute Mann eine Ahnung von Raumfahrt hat. Also hier meine kleinen Korrekturen:

Die Wiederzündbarkeit der ESC-B spielt in der Praxis keine Rolle. Die Ariane 5 Transporte gehen in den GTO und da braucht man nur eine Zündung. Die ESA wollte eine wiederzündbare Oberstufe für ATV und Planetenmissionen. Aber der ATV ist gestorben, und so viele Planetenmissionen gibt es nicht. (eigentlich nur JUICE). Ohne Wiederzündung schrumpft das Startfenster sicher zusammen, doch es geht auch ohne und wenn nicht, dann könnte man immer noch eine Losung wie bei Giotto anstreben, also zuerst einen GTO-Orbit und dort Zündung eines integrierten Antriebs.

Eine gemeinsame Oberstufe für Ariane 5 und 6 macht wenig Sinn. Zum einen, weil die beiden Raketen unterschiedlich groß sind. Die optimale Oberstufe richtet sich nach der Nutzlast und die soll bei der Ariane 6 ja halb so groß sein. Also würde das dann hohe Leergewicht einer für Ariane 5 konstruierten Stufe die Nutzlast absenken. Weiterhin ist die Ariane 6 noch nicht vollständig durchprojektiert. Doch wenn die Ariane 6 so gebaut wird, wie derzeit geplant, mit Feststoffantrieb, dann muss die Stufe sehr massiv sein, noch massiver als wie für die Ariane 5 das bedeutet, dass man bei der Ariane 5 Nutzlast verschenkt.

Die Oberstufe ist nicht Kernkompetenz in Deutschland. Die Brennkammer ist das weitgehend uninteressanteste Teil des Triebwerks, technisch nicht so anspruchsvoll wie das Treibstoffförderungssystem aus Turbinen und Turbopumpen. Vor allem nützt es nichts, ein Bauteil herzustellen: Deutschland hat kein schubstärkeres Triebwerk als das Aestus entwickelt. Alle LOX/LH2 Triebwerke stammen aus Frankreich oder werden dort integriert und getestet. Kernkompetenz ist für mich was anderes. Und bei der Oberstufe liegt die Kernkompetenz in Bremen? Selten so gelacht. Astrium Bremen hat mit der ESC-A die weltweit in 50 Jahren schlechteste jemals gebaute LOX/LH2 Oberstufe konstruiert mit einem Vollmasse/Leermasseverhältnis von 4,21 zu 1. Nur als Vergleich, die von Frankreich auf Basis desselben Triebwerks konstruierte H8 Oberstufe hatte anfangs eines von 7,73 zu 1, das später auf bei der H10 9,75 zu 1 gesteigert wurde. Und die ESC-B wird nicht besser sein. Die Literaturangaben sind leicht schwankend, aber 5,4 bis 5,7 zu 1 ist kein Ruhmesblatt. Wenn also die Kernkompetenz das Fertigen von Oberstufen aus Blei ist, dann hat Dudok recht.

Die Vega braucht keine deutsche Oberstufe. Studien des DLR und Astrium Bremen haben gezeigt, dass eine solche Oberstufe die Nutzlast senken oder nur leicht erhöhen wurde, und dies nur um ein Triebwerk aus der Ukraine einzusparen. Mann kann wie dies Lockheed-Martin bei den RD-180 tut, aber auch auf Vorrat kaufen. Die Vega ist auch so schon teuer genug. Wenn man das Triebwerk ersetzen will geht das auch mit zwei oder vier 500 N Satellitentriebwerken, die man bündelt ohne das AVUM konstruktiv durch eine neue Stufe zu ersetzen. So machen es Orbital und Lockheed Martin bei ihren Feststoffträgern. aber das wäre wohl nicht profitabel genug.

Zu den Orion Servicemodulen: Das ist wieder mal eine dieser ESA Entscheidungen. Anstatt einen ATV denn man hat, weiter zu bauen (für mindestens zwei gäbe es noch Bauteile) will man was Neues entwickeln. Das kostet mehr. Ich glaube nicht, dass die USA sich in einem Kernbereich ihrer Orion von Europa abhängig machen, es also mehr als diese zwei Module geben wird. Sonst hätten sie ja auch bei der ISS-Versorgung anstatt OSC und SpaceX Entwicklungsaufträge zu geben auch die Vorschläge ATV und HTV auf US-Trägern zu starten übernehmen können.

Hinsichtlich ATV Evolution: Das alles macht nur einen Sinn, wenn Europa einen eigenen bemannten Zugang will, denn ich nicht sehe. Auch sehe ich nicht, wie die Orion Servicemodule für dieses langfristige Ziel etwas bringen sollen. Es ist eher ein Rückschritt: Das ATV war ein autonomes Fahrzeug, ein Servicemodul ist ein Triebwerk mit Tanks, einigen Versorgungstanks für Flüssigkeiten und Gase und wird vollständig von der Kapsel gesteuert. Das nicht viel mehr als ein etwas sicherer Satellitenbus.

Zu Galileo: Wärt ihr preismäßig auch so leistungsfähig wie Dudok beim Redenschwingen gewesen, ihr hättet wohl den Auftrag bekommen….

Zu den Wissenschaftsmissionen: Astrium ist ja der einzige große Raumfahrtkonzern, den es noch in Europa gibt den es noch in Europa gibt. alle anderen sind nur noch mittelgroß oder klein. Das bei Wissenschaftsmissionen Astrium alle gewonnen hat, liegt eher daran, dass für Forschungsmissionen, die viele Neuentwicklungen erfordern, das Risiko für die kleineren zu groß ist oder irgendwo die Kompetenzen fehlen, da oft die Anforderungen an Positioniergenauigkeit, Lageregelung etc. um ein vielfaches höher als bei „normalen“ Satelliten sind. Zudem tendiert die ESA wie die NASA dazu die Firma zu beauftragen, die schon in der Vergangenheit Missionen erfolgreich durchführte. Selbst wenn man Solararrays nicht vollständig entfalten kann, was man beim zehnjährigen Jubiläum von Mars Express auch sagen sollte. Dadurch dauert auch die wissenschaftliche Mission viel länger. Die HRSC sollte ursprünglich in 2 Jahren mal den ganzen Mars kartieren, nun ist sie nach acht Jahren noch nicht fertig….

DEOS ist ein Beispiel für eine Mission, die man nicht braucht. Wir haben eine nationale Raumfahrtagentur mit geringem nationalen Budget und anstatt einen sinnvollen Satelliten zu entwickeln, vergibt die DLR einen Auftrag über 15 Millionen Euro für eine Missionsstudie um „unkooperative Satelliten“ zu warten. Wie soll die später finanziert werden? Selbst wenn, gibt es dafür Kunden die einen nicht mehr nutzbaren Satelliten noch einfangen lassen wollen? Wann immer etwas sich finanziell rechnet, entwickelt die Privatwirtschaft selbst etwas, und wenn das nicht der Fall ist, dann braucht es nicht die öffentliche Hand tun, vor allem wenn sie nur das Geld für die Studie, aber nicht für das Projekt hat.

One thought on “Lieber Herr Dudok,

  1. Viel wichtiger als etwas Sinnvolles zu tun, ist so zu tun als ob man etwas Sinnvolles tut. Das war schon in der DDR so, und wird sich wohl auch in absehbarer Zukunft nicht ändern.

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