Subsynchrone, supersynchrone Orbits und die Proton

Am Montag startete eine Proton einen Satelliten in einen supersynchronen Orbit. Da ich mal vermute, das die meisten nichts mit dem Begriff anfangen können, denke ich ist es an der Zeit ihn zu erklären. Die super- und subsynchronen Orbits gab es sehr lange Zeit nur bei der Atlas. Es sind Übergangsbahnen zum GTO Orbit. In der Theorie ist die optimalste Strategie einen GTO Orbit zu erreichen, wenn man möglichst nahe der Erde in einer möglichst kurzen Zeit stark beschleunigt und eine Übergangsbahn erreicht, der erdfernster Punkt auf der Höhe des GEO ist. Dort nach 5 Stunden angekommen zirkularisiert eine Zündung die Bahn und baut die Inklination zum Äquator ab. Auch diese sollte möglichst kurz sein.

Wenn eine Stufe sehr lange arbeitet (das gilt auch für die Apogäumsmotoren von Satelliten die meist nur 400 bis 500 N Schub haben) ist es günstiger die einzelnen Manöver in mehrere Teilmanöver zu splitten um Gravitationsverluste zu verringern. Das ist bei der langen Brennzeit der Breeze M von 2.400 s der Fall. Daher hat diese 3-4 Zündungen um den GTO Orbit zu erreichen, der auch meist etwas anders ist als bei Ariane üblich. Umgekehrt startete die Luftwaffe mit der Titan 3+4 sehr viele Satelliten „off perigree“, also mit einem Perigäum nahe des Erdbodens. Das war möglich weil die Transtage Oberstufe gleich die Zirkularisierung durchführte.

Ein Subsynchroner GTO ist ist nun ein GTO dessen Apogäum unterhalt des GTO (also kleiner als 36000 km). Ein supersynchroner ist einer dessen Apogäums höher als GTO ist. (bis zu 70.000 km sind üblich). Beide haben ihre Ursache in der marktbeherrschenden Stellung von Ariane in den Neunzigern. Ein Kunde musste bei der Atlas immer einen festen Preis zahlen. Arianespace versuchte dagegen, Satelliten so zu kombinieren, dass die Nutzlast optimal ausgelastet wurde. Was machte nun der Kunde wenn sein Satellit etwas zu leicht oder etwas zu schwer für die Atlas war? War die Nutzlast zu schwer, so reichte es nicht für das Apogäum in der Höhe des GEO. In diesem Falle musste der Satellit mit seinen eigenem Treibstoff zuerst den Orbit anheben und erst dann konnte er ihn zirkularisieren. Das ist offensichtlich eine Lösung, sie reduziert aber die Lebensdauer des Satelliten. Doch welchen Sinn macht der supersynchrone Orbit? Nun klar wird dies bei den beiden Formeln die für Impulsmanöver gelten.

v = √(GM × ((2 ÷ x)-(1 ÷ Halbachse))

GM ist das Produkt aus Gravitationskonstante und Erdmasse

Halbachse ist der Halbe Durchmesser des ganzen Orbits (Apogäum + Perigäum / 2) berechnet vom Erdmittelpunkt aus

x ist der momentane Abstand,

Bei einem Standard GTO (186 x 35887 km) hat der Satellit bei x = 35887 km eine Geschwindigkeit von 1592,4 m/s, die Kreisbahngeschwindigkeit beträgt 3071,1 m/s. Der Satellit muss also um 1478,7 m/s schneller werden. Bei einem supersynchronen Orbit von 186 x 70000 km sind es an dieser Stelle 3739 m/s also eine geringere Differenz. Doch da es auch um den Bahnvektor geht, ist dies nicht direkt zu vergleichen. Bedeutender ist eine zweie Gleichung, denn der Satellit muss auch die Inklination angleichen. Dies sind beim Start vom CSG aus nur 5,2 Grad, wobei Ariane durch Anpassung der Aufstiegsbahn sogar auf 2 Grad erniedrigen kann und vom Cape Kennedy sind es 28,8 Grad (reduzierbar auf etwa 27 Grad). Beim Start vom Baikonur aus sind es dagegen 51,63 Grad, reduzierbar auf etwa 50 Grad. (siehe unten)

Eine Inklinationsänderung ist berechenbar nach:

vi = 2× sin(Winkel ÷ 2) × v

v ist die momentane Geschwindigkeit. Aufgrund der Multiplikation mit v ist es günstiger diese im Apogäum bei der niedrigsten Geschwindigkeit durchzuführen. typische vi für GTO Orbits sind:

Weltraumbahnhof Inklination vi
CSG 5,2 Grad 140,6 m/s
CCAF 28,8 Grad 742,2 m/s
Kosmodrom Baikonur 51,6 Grad 1299,1 m/s

Dies wird zur zeitgleich durchgeführten Anhebung des Apogäums durchgeführt, sodass die Geschwindigkeiten sich vektoriell addieren. Daher ist die Gesamtänderung nicht ganz so dramatisch. Die Gesamtgeschwindigkeit beträgt bei Standard GTO 1500 m/s beim Start vom CSG aus, 1800 m/s beim Start vom CCAF aus und 2100 m/s beim Start von Baikonur aus.

Von Bedeutung ist nun, dass bei einem supersynchronen Orbit die Geschwindigkeit im Apogäum geringer ist. Im obigen Fall mit 70.000 km Höhe sind es nur 909 m/s. Das bedeutet es wird weniger Treibstoff benötigt um die Inklination abzubauen. Zeitgleich hebt man das Perigäum auf 35587 m/s an. Dazu benötigt man eine Geschwindigkeitsänderung um 1019 m/s. In der Summe sind es dann 1290 m/s die benötigt werden (Baikonur, 51,5 Grad Anfangsorbit). Man hat dann eine Bahn von 35887 x 70000 km. Diese muss man dann noch mit einer weiteren Zündung in 35887 km Höhe zirkularisieren. Dazu braucht man weitere 414 m/s. In der Summe sind es dann 1704 m/s, also weniger als die 2100 m/s bei einem normalen GTO, aber mehr als die 1500 m/s die man bei einem Start vom CSG aus braucht.

Arianespace hat eine solche Marktdominanz, dass ILS mit der Breeze M normalerweise „energiekompatible“ Orbits anstrebt. Sprich: sie entlassen die Nutzlast nicht in einem 51,5 Grad geneigten GTO Orbit, da hier der Satellit 600 m/s mehr benötigt um die hohe Inklination abzubauen, was seine Lebensdauer sehr stark beschränken würde. Die ideale Lösung ist der obige supersynchrone Orbit. Nur dauert die Mission dann sehr lange. Die letzte Zündung im Apogäum erfolgt erst 9 Stunden nach dem Start. Bisher entließ die Breeze M die Nutzlast in Bahnen mit einem höheren Apogäum und einer erniedrigten, aber noch vorhandenen Inklination. Beim Start von Anik G1 waren es folgende Manöver

 

Manöver Perigäum Apogäum Inklination
Parkorbit nach erster Zündung 173 km 173 km 51,5 Grad
nach zweiter Zündung 270 km 5000 km 50,3 Grad
nach drittr Zündung 425 km 35799 km 49,1 Grad
nach vierrter Zündung 9138 m/s 35786 km 13,4 Grad

Greoundtrack Anik G1 StartDie dritte Zündung hebt das Perigäum an und senkt die Inklination ab. Es wird beides kombiniert, weil es energetisch ungünstiger ist die Manöver nacheinander durchzuführen. Es sind auch vier Manöver, obwohl zwei reichen würden (bei leichten Nutzlasten sind es sogar bis zu fünf), weil die lange Brennzeit der Breeze M sonst nicht nur Perigäum, sondern auch Apogäum anheben würde. Man erkennt das schon bei dem Perigäum das während der ersten Brennperiode um 100 km und bei der zweiten um 150 km anwuchs. Ein zweiter Punkt ist, dass die Breeze M der Proton aus der kleineren Breeze KM der Rockot entwickelt wurde. Dazu hat man einfach um die bisherige Stufe einen ringförmigen Zusatztank herumgebaut und dieser wird nach der dritten Zündung abgeworfen wird. Während des Betriebs ist das nicht möglich um eine Kollision zu vermeiden. Daher müssen die Manöver so aufgeteilt werden, dass so viele Zündungen nötig sind.

Das um den GTO zu erreichen zwei Zündungen nötig sind, hat ebenfalls mit dem Start im Norden zu tun. Energetisch günstig ist es das Aufweiten der Ellipse über dem Äquator durchzuführen, weil so automatisch die Inklination absinkt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Stufe aber noch über China. Auch alle folgenden Zündungen finden aus demselben Grund über dem Äquator statt. Man sieht dies am Groundtrack, wobei durch die langen Brennzeiten und hohe Geschwindigkeit im Apogäum schon 30 Grad vorher damit begonnen wird.

Lediglich beim Start in Äquatornähe kommt man mit nur einer Zündung aus. Schon beim Start von Cape Canaveral sind es zwei, wobei hier die Freiflugphase mit einer Viertelstunde aber deutlich kürzer ist. Also Folge kommt Ariane 5 mit einer Oberstufe aus, die nur einmal gezündet werden kann. Alle anderen Träger haben wiederzündbare Stufen.

10 thoughts on “Subsynchrone, supersynchrone Orbits und die Proton

  1. Hachja Bernd, Recherche ist manchmal nicht so deine Stärke oder? Der erste SSTO-Start der Proton war vor gut einem Jahr mit Intelsat-22 😉

  2. Wenn das seine Intention wäre würdest Du dich per Email melden und nicht nur in Erscheinung treten um zu korrigieren. Diskussion sieht anders aus. Das der Start nur ein Aufhänger ist um Grundlagen zu erklären und es unwesentlich ist ob es der erste oder zweite Einsatz ist, scheint Dir völlig egal zu sein.

  3. Konkret beschreibst du nur die Standardmission der Proton, zum SSTO fabulierst du ins blaue hinein…

    Interessant wäre sicherlich ein realer Vergleich von 9h-GTO und 15h-SSTO-Mission gewesen, aber dein ganzer Beitrag hier macht den Eindruck, als ob du dich exakt gar nicht mit deinem Aufhänger beschäftigt hättest. Von daher ist mein erster „hingerotzter“ Kommentar tatsächlich kein sinnvoller Diskussionsbeitrag, es schien mir nicht die Mühe wert zu sein

  4. Hab’s zwar noch nicht genau gelesen, aber ich finde die Sache mit den Orbits viel interessanter, als die Details darüber, welche Rakete aus welchem Grund genau in welchen Orbit zielt. Aber da Orbits ja auch Flugbahnen sind, hier mal ’ne etwas andere Frage dazu (deren Antwort wahrscheinlich auch einen eigenen Beitrag Wert ist):
    Was ist eigentlich das Besondere an diesen neuen Routen, womit die Sojus es jetzt schaft, innerhalb von 6 Stunden zur ISS zu kommen, während das gerade gestartete ATV laut heise online fast eine Woche braucht?
    Warum kann die Sojus das und die Ariane nicht? – Oder könnte die das auch wenn bestimmte Randbedingungen erfüllt sind? Bzw. was sind das überhaupt für Randbedingungen, die erfüllt sein müssen?

  5. Ach blub wie wäre es wenn Du das in dem Portal in dem Die arbeitest mal bringst? Dort habe ich noch gar nichts über die Grundlagen gefunden. Ein Vergleich lag mir fern, mir ging es vielmehr um die Erklärung der Bahnregimes.

    @Hans. Das ATV braucht so lange weils nicht eilt. Man hat genug Zeit erst mal das ATV im Orbit durchzuchecken und zu prüfen. Knackpunkt für die Dauer ist, dass die kürzeste Dauer nur dann erreicht wird, wenn die ISS genau beim Start die Basis passiert. Sie passiert zwar ein Startgebiet zweimal pro Tag aber meistens eben etwas links oder rechts. sodasss man die Ebene im Orbit verschieben muss, was Treibstoff kostet.

    Die USA haben vor 40 Jahren auch innerhalb von 8 Stunden angekoppelt, das hat nichts mit dem Träger zu tun.

  6. Zu dem langen Anflug des ATV….

    Ich denke man wollte das ATV möglichst früh starten, man braucht den Platz in der Halle um die nächste Ariane 5 für Satellitenstarts zu integrieren. ATV Ariane standen da Aufgrund von Verzögerungen schon eine Weile rum und hielten den Betrieb auf.

    Und ist der Docking-Adapter an Swesda inzwischen frei? Soweit ich es in Erinnerung habe befindet sich da noch (bis kurz vor dem eintreffen des ATV) eine Progress.

    Von daher kann man sich ruhig Zeit mit dem Anflug lassen und etwas Treibstoff sparen.

  7. Bahnmechanik ist nicht das Feld, in dem ich mich all zu gut auskenne. Da überlass ich das rechnen lieber den Leuten, die sich damit besser auskennen. Da gehörst du mit Sicherheit auch zu ;). Mich stört einfach nur, dass du hier nicht sauber recherchierst/formulierst.

    Noch so ein Beispiel:
    „Die ideale Lösung ist der obige supersynchrone Orbit. Nur dauert die Mission dann sehr lange. Die letzte Zündung im Apogäum erfolgt erst 9 Stunden nach dem Start.“
    9 Stunden dauert schon die Standard-GTO Mission, aber nicht die SSTO-Mission – die dauert nämlich gut 15 Stunden.

    Du kannst ja gerne einen Grundlagen-Artikel schreiben. Aber wenn du dir konkrete Beispielmissionen nimmst, könntest du die doch auch bitte korrekt darstellen. So ist das einfach nur ärgerlich, dass dein Text an Dingen krankt, die man in 10min eben nachgucken könnte.

    @fabian, du hast recht was die Progress angeht. Die M-19M dockt erst am 11. Juni ab nach Plan. Erst dann kann das ATV überhaupt wirklich zur ISS fliegen.In diesem Fall kommt noch dazu, dass M-19M eventuell beim Andocken einen der Laserreflektoren beschädigt haben könnte. Zwar unwahrscheinlich, aber man muss da ganz sicher gehen. Erst nachdem die Bilder der Progress vom abdocken genau ausgewertet sind, kann überhaupt die Freigabe fürs ATV erteilt werden.

  8. 9 Stunden sind es bei einem Standard supersynchronen Orbit (in einem Umlauf Anhebung des Apogäums). Die Proton Breeze M fährt aber nicht dieses Bahnregime, wie man es noch von der Proton Block DM kannte. Daher sind es in diesem Falle 15 Stunden. Das gilt aber nicht für den Allgemeinfall, wenn die Oberstufe schubsrtark genug ist und nicht auch noch einen Zusatztank zwischen den Zündungen abwerfen muss.

  9. Spannend ist es schon, dass es bei starker nötiger Inklinationsänderung offenbar besser ist, „erstmal am Ziel vorbeizufliegen“. Die Breeze könnte den Satelliten ja auch auf eine normale GTO-Bahn bringen, und dann den Rest des Treibstoffs nutzen, um das Perigäum anzuheben. Allerdings hat man dann die Oberstufe nach Brennschluss in einem Orbit, die eben immer wieder nahe zur GEO-Bahn führt, und da will man sie nicht. Also ist es schon besser, die Oberstufe in so einem SSTO-Orbit zurückzulassen. Am besten ist natürlich klassischer GTO mit niedrigem Perigäum, dann deorbitiert die Oberstufe relativ zügig.

    Kai

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