Triergole Antriebe

In der Raketentechnik unterscheidet man zwischen Treibstoffen aus einer Komponente, mit zweien oder dreien. Als Komponente gilt dabei ein Treibstoff oder Oxydator in einem eigenen abgeschlossenen Behälter. So ist Aerozin, eine Mischung von UDMH und Hydrazin nur eine Komponente, weil es eine Treibstoffmischung ist. Auch feste Treibstoffe bestehen nur aus einer Komponente, obwohl die aus drei unterschiedlichen Materialien bestehen (einem Kunststoffbinder, Aluminium und Ammoniumperchlorat), wobei man allerdings sagen muss, das die Einteilung in diese drei Gruppen nur bei flüssigen Treibstoffen üblich ist.

Monergole Treibstoffe sind energiereiche Moleküle die man durch Katalysatoren oder Hitze leicht in energieärmere Produkte spalten kann, so Wasserstoffperoxid in Wasser und Sauerstoff oder Hydrazin in Ammoniak und Stickstoff.

Diergole Treibstoffe bestehen aus zwei Komponenten, zumeist einem Oxydator (Sauerstoff, Salpetersäure oder Stickstofftetroxyd) und einem Verbrennungsträger oder Brennstoff wie Kohlenwasserstoffe (Kerosin), Wasserstoff, Hydrazinderivate.

Bei einem triergolen Treibstoff gibt es dann zwei Oxydatoren mit einem Verbrennungsträger oder zwei Verbrennungsträger mit einem Oxydator. Zwei Oxydatoren wurden noch nicht untersucht, zumal die beiden potentesten, Fluor und Sauerstoff mischbar sind, man also nur einen Tank braucht (die Mischung wird als FLOX bezeichnet und für die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen vorgeschlagen).

Theoretisch untersucht sind triergole Antriebe auf Basis von LH2 und Kerosin und Sauerstoff als Oxydator. Da Kerosin und flüssiger Wasserstoff unterschiedliche Temperaturbereiche haben in denen sie flüssig sind, kann man sie nicht miteinander mischen und braucht getrennte Tanks

Betrachtet man nur den spezifischen Impuls, so ist die Sache einfach: reiner Wasserstoff hat den höchsten. Das sieht man auch an der unteren Grafik, die den spezifischen Vakuumimpuls („eingefrorenes Gelichgewicht“) eines Triebwerkes mit 0-100% Wasserstoffanteil eines RP-1/LH2 Gemisches aufführt. Auf der anderen Seite hat Wasserstoff auch einige Nachteile. Selbst wenn man die praktischen Probleme bei Triebwerken außen vorlässt und sich nur auf die physikalischen Eigenschaften beschränkt, hat flüssiger Wasserstoff zwei Nachteile:

  • Die Dichte beträgt nur 0,07 g/cm³. Kerosin hat dagegen eine von 0,8 bis 0,85 g/cm³ je nach Zusammensetzung – man benötigt daher voluminösere Tanks.
  • Wasserstoff ist nur bei unter -253°C flüssig und nur in einem Temperaturbereich von weniger als 7 °C. Daher verdampft er noch viel leichter als der flüssige Sauerstoff und die Tanks müssen erheblich besser isoliert sein.

In der Summe haben Stufen die flüssigen Wasserstoff einsetzen Tanks die rund dreimal mehr wiegen, als wie Stufen, die Kerosin/Sauerstoff einsetzen.

Ein weiterer Nachteil ist durch den höheren spezifischen Impuls die längere Brennzeit einer Stufe. Wenn die Stufe mit der gleichen Startbeschleunigung startet, so braucht sie beim Einsatz von LH2 anstatt RP-1 ein Drittel länger bis der Treibstoff verbraucht ist. So steigen die Gravitationsverluste an.

In theoretischen Berechnungen kann man zeigen, dass eine Rakete, die zuerst Kerosin verbrennt und dann Wasserstoff eine leicht höhere Nutzlast hat, als jede Kombination für sich alleine. Dies beruht vor allem auf den niedrigeren Gravitationsverlusten. Zudem ist bei LOX/Kerosin der Unterschied zwischen spezifischen Impuls auf Meereshöhe und im Vakuum meist geringer. Die praktischen Nachteile überwiegen dies allerdings. So dürfen, wenn der Wasserstoff zu dosiert wird keine Kerosinreste mehr in den Leitungen verbleiben, weil dieses sonst zu Eis gefriert und sie verstopft. Man müsste dafür eine Lösung finden oder das Triebwerk zuerst abschalten, die Leitungen entleeren und dann erneut zünden. Bewegliche Teile müssen unterschiedlich geschmiert sein. Bei Kerosin kann man entweder Schmieröl nehmen oder Kerosin. Bei Wasserstoff kann dies nur mit Wasserstoff erfolgen, wobei die vorherige Schmierung zu Eis erstarren würde und Teile nicht mehr geschmiert wären. Die Kühlung von Brennkammer und Düse hat ein ähnliches Problem. Kerosin kann man über 200°C erhitzen bis es verdampft, flüssigen Wasserstoff nur um 7 Kelvin. Da der gasförmige Wasserstoff viel weniger Energie pro Volumen aufnimmt muss man die Kühlung auf den Wasserstoff ausrichten.

Eine theoretisch nicht untersuchte Möglichkeit will ich heute genauer betrachten, Es ist die gleichzeitige Verbrennung von Wasserstoff und Kerosin.  Die Wasserstoffzumischung erhöht die Energieausbeute und senkt die Molekularmasse ab. Beides steigert den spezifischen Impuls. Man kann das Triebwerk als reines RP-1/LOX Triebwerk auslegen und mit dem RP-1 die Kühlung durchführen. Das führt zu bezahlbaren Lösungen. Der Wasserstoff wird über eigene Leitungen gefördert und erst im Injektor zur Verbrennung mit dem Kerosin vermischt.

Wie man an der Grafik sieht erhöht schon eine kleine Beimischung die Ausströmgeschwindigkeit der Gase. Wenn man es praktisch ausnutzen will, so wird natürlich nur eine Turbopumpe betreiben und nicht derer zwei. ein Grund warum LOX/LH2 Triebwerke so aufwendig sind, ist das Wasserstoff so eine kleine Dichte hat. Selbst wenn man weniger davon fördern muss als bei LOX/RP-1 (Gewichtsverhältnis bei LOX/LH2 typisch 6 bis 5:1, bei LOX/RP-1 typisch 2,8 bis 2,6 zu 1), so ist das Volumen durch die geringe Dichte trotzdem viel höher. Dadurch brauchen die Turbopumpen sehr viel höhere Drehzahlen für den gleichen Förderdruck. Drehzahlen von 30.000 bis 60.000 U/min sind für LH2 Pumpen üblich. LOX und Kerosinpumpen liegen dagegen bei 6.000 bis 15.000 U/min je nach Mischungsverhältnis und Brennkammerdruck.

LOX/RP1+LH2Nimmt man ein LOX/RP-1 Verhältnis von 2,7 so fördert eine Turbopumpe pro Sekunde z. B. :

1 t LOX = 876 l

0.373 t Kerosin = 455 l

0,0319 t LH2 = 455 l

Das ist zwar nur eine Beimischung von 8,2%, aber es erhöht den spezifischen Impuls um 166 m/s. Der Treibstofftank ist dann genauso groß wie der Kerosintank was eine einfache Montage möglich macht. Bei einem Mischungsverhältnis von 2,8 zu erhält man so einen Vakuumimpuls von über 3600 m/s. Der Gewinn ist klein, aber dafür steigt aber auch die Trockenmasse nur um 5%. In der Summe verbleibt bei einer zweistufigen Rakete ein Gewinn von 430 m/s beim Erreichen eines erdnahen Orbits – nicht viel, aber es übersetzt sich in 15% mehr Nutzlast. Eine etwas höhere Mischung würde sich an der Drehzahl der LOX Pumpe orientieren, also hier die LH2 Pumpe über ein Getriebe anbringen. Dann würde die Mischung 14% LH2 enthalten.

Der spezifische Impuls ist fast genauso hoch wie bei LOX/Methan, nur muss man das Triebwerk nicht daran anpassen und das benötigte Tankvolumen ist sogar noch etwas kleiner.Die Zumischung von 14% LH2 würde ihn sogar über das Niveau von Methan anheben. Vielleicht sollte man diese Kombination mal ausprobieren.

auch das nacheinandergeschaltete Verbrennen wäre möglich, wenn man ein Konzept wie bei der Atlas einsetzt:

Ein kleines zentrales Triebwerk das nur LOX/LH2 Verbrennt, mehrere Ausßentriebwerke die LOX/Kerosin verbrennen. Die Kerosintanks müsste man dann an der Seite anbringen, nicht wie bisher untereinander. wenn das Kerosin verbraucht ist, so werden die Ventile zu den Außentriebwerken geschlossen und der gesamte Triebwerksrahmen zusammen mit den Tanks abgetrennt. Das wäre sogar gegenüber der Atlas noch günstiger, da man dort nicht die Möglichkeit hatte Tanks abzuwerfen. Wenn das zentrale Triebwerk 15% des Schubs der Außentriebwerke hat, so ist erst ein Viertel des Wasserstoffs verbraucht, allerdings auch 78% des Sauerstoffs.

One thought on “Triergole Antriebe

  1. In der Sowjetunion wurde ja ab 1986 das Triebwerk „RD-701“ entwickelt.
    http://www.astronautix.com/engines/rd701.htm

    Dieses verwendete Kerosin und LH2 als Verbrennungsträger, und LOX als Oxydator. Auch der Betrieb nur mit Wasserstoof/Sauerstoff sollte möglich sein, mit weniger Schub aber höherem Isp.

    Die Entwicklung wurde leider nicht vollendet, es wurde lediglich ein Demonstrationsexemplar mit 9’000 kgf gebaut, um den Betrieb mit 2 Regimes und das Umschalten dazwischen zu testen.

    Interessant ist ein Vergleich mit dem rein Wasserstoff-Sauerstoff Triebwerk RS-68:

    Startschub (kN): 3700 – 2950
    Isp (SL, m/s): 3840 – 3580
    Schub Vakuum (kN): 3920 – 3370
    Schub Vakuum (kN): 3920 – 3370
    ISP (vac, m/s): 4070 – 4020
    Regime 2: Vakuumschub 1570 kN
    Regime 2: ISP (vac, m/s) 4530
    Trockenmasse (kg) 3950 – 6600

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