Marsbodenprobengewinnung: energetische Betrachtungen

Ich pflege ja Missionen immer gerne konkret durchzurechnen, doch heute mal damit es allgemeiner ist eine Betrachtung der Grundlagen. Diesmal geht es um die Gewinnung von Bodenproben vom Mars und welche Vor- und Nachteile sie haben. Alle Angaben beziehen sich auf chemische Treibstoffe mit hohem Schub, zu Niedrigschubtriebwerken am Ende mehr.

Alles beginnt mit einer Transferbahn zum Mars. Es gibt dabei zwei Möglichkeiten. Zum einen eine Hohmann Typ I Bahn, bei der der Winkel zwischen Abflugort Erde und Ankunftsort Mars weniger als 180 Grad sind und zum anderen eine Hohmann Typ II Bahn bei der er größer als 180 Grad ist. Je nach Position der beiden Planeten kann die eine oder andere die niedrigere Ankunftsgeschwindigkeit aufweisen. Manchmal starten bei einem Startfenster mehrere Raumsonden, die dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten ankommen. Oftmals nutzen dann Landesonden eine andere Bahn als die Sonden, die in einen Orbit einschwenken.

Raumsonden die direkt landen, für die ist die Ankunftsgeschwindigkeit nicht so wesentlich. Sie wird von dem Hitzeschuldschild vernichtet, der verglichen mit Eintrittschilden in die Erdatmosphäre sowieso leichtgewichtig ist. Für Raumsonden die in einen Orbit einschwenken dagegen schon. Hier gibt es die erste Unterteilung. Es ist eine direkte Landung möglich oder eine aus einem Orbit heraus. Bisher dominierten die direkten Landungen. Lediglich Viking schwenkte zuerst in einen Orbit ein und setzte dann erst die Lander ab. Dies lag daran, dass man keine Aufnahmen der potentiellen Landegebiete hatte, die eine ausreichende Auflösung hatten. Diese sollten erst im Orbit gewonnen werden. Ein zweiter Vorteil ist das die Landegenauigkeit potentiell höher ist. Doch dies kann heute, wie Curiosity bewies, durch Vermessung der Bilder beim Abstieg auch dann noch eine Korrektur durchgeführt werden.

Ein Einschwenken in den Orbit kostet in jedem Falle Treibstoff, ungefähr 800 m/s müssen für einen sehr elliptischen Orbit abgebaut werden. Weiterer Treibstoff braucht der Lander, damit er seine Periapsis auf die Oberfläche absenken kann. Er spart durch die niedrigere Auftreffgeschwindigkeit auf die Atmosphäre etwas Material beim Hitzeschutzschild, aber in der Summe ist dies aufwendiger.

Schon beim Start muss man eine Unterscheidung treffen: hat man nur ein Gefährt oder deren zwei oder gar drei. Man kann die gesamte Mission mit einer Sonde durchführen – landen, Bodenproben entnehmen und zurück zur Erde fliegen. Man kann, das wäre naheliegend, aber auch das Gefährt das die Bodenproben nimmt, separat starten. Bei einem zweiten Flug hat man in der Regel mehr Platz und kann dies auch vorher starten, muss es nicht von der Hauptsonde erst absetzten etc. Eine wichtigere Entscheidung ist aber, ob man direkt zurückfliegt oder mit dem Ladegerät erst einmal in einen Orbit gelangt und dort an eine Rückstartstufe ankoppelt und diese bringt die Bodenproben zurück.

Energetisch ist klar, dass die zweite Lösung günstiger ist. Man muss zwar die Rückstartstufe in einen Orbit einbremsen, aber man muss sie nicht von der Marsoberfläche in einen Orbit bringen, was eine viel höhere Geschwindigkeit erfordert. Diese kann nun Bestandteil der Raumsonde sein, die Bodenproben gewinnt, also z.B. dort auch als Bus während der Reise fungieren. Nur trennt sie die Landesonde ab bevor sie selbst in einen Orbit gelangt, oder die Rückstartstufe kann getrennt gestartet werden. Da auch die Landestufe eine Möglichkeit für die Kurskorrektur und Kommunikation während des Flugs zum Mars braucht wäre es sinnvoll die erste Möglichkeit zu wählen. Die Rückstartstufe wäre dann ein einfacher Orbiter der während des Aufenthalts am Mars auch als Kommunikationsrelais fungieren könnte.

In jedem Falle ist das Einbremsen in jeden Orbit der denkbar ist, energetisch günstiger als die Landung auf dem Mars und der Transport in den Orbit, dieses erfordert mindestens 4 km/s.

Betrachten wir nun die Landestufe genauer. Sie wird zumindest aus einem Landegestell, mindestens einer Stufe mit Triebwerken und einer Kapsel für die Bodenproben bestehen. Es könnten auch zwei Stufen sein. Da sowieso Triebwerke benötigt werden wird man sinnvollerweise mit diesen landen und nicht die Abbremsung durch Airbags nutzen. Ansonsten wird die Auslegung missionsspezifisch sein. Das geringste Startgewicht erhält man, wenn die Rückstartstufe möglichst leicht ist. was erreichbar ist, wenn sie nur eine Kapsel und eine kleine Steuerung trägt, dann muss sie im Orbit an eine zweite Stufe gekoppelt werden. Sie ist dabei aber der passive Teil. Es reicht dann eigentlich eine Stufe für Landung und Rückstart aus, doch zweistufig offeriert eine bessere Lösung: die erste Stufe dient nur zum Landen und als Startbasis für die zweite die aber viel einfacher aufgebaut werden kann. An ihr kann man dann auch schwere Ausrüstung montieren, wie Manipulatorarme um Proben umzuladen oder Instrumente / Kommunikationseinrichtungen und eine Stromversorgung. Bei der Landung nicht benötigter Treibstoff könnte von dem Start in die obere Stufe umgepumpt werden.

Die Treibstoffgewinnung vor Ort wird wahrscheinlich, bei einer Mission die nur Bodenproben gewinnt, nicht lohnenswert sein. Der Aufwand den Treibstoff kühl zu halten (die gängigen Verfahren wandeln Wasserstoff mit der in der Marsatmosphäre enthaltenen Kohlendioxyd zu Methan und LOX um, alle drei Gase würden auch unter Marsbedingungen verdampfen) und die benötigte Energieversorgung stehen in keinem Verhältnis zu den eingesparten Startkosten.

Für die Gewinnung der Bodenproben hat man je nach Startfenster zwischen 450 und 550 Tage Zeit. Ein Startfenster wiederholt sich alle 730 Tage, und durch die Reise zum Mars ist man bei der Ankunft in einer Position in der man gegen die Bewegungsrichtung der Planeten starten müsste um zur erde zu gelangen, was sehr energieaufwendig wäre. Das nächste Startfenster ist dann 730 Tage abzüglich der Reisedauer zur Erde in der Zukunft. Danach folgen alle weiteren Startfenster in einem Zeitraum von 730 Tagen.

Betrachtet man nun die Lösung mit einem Orbiter in der Marsumlaufbahn. Welchen Orbit soll er einschlagen? Es gibt natürlich hier verschiedene Aspekte, z.B. ob er als Kommunikationsrelais dienen soll, dann wäre ein Orbit ideal in dem er den Mars als 24,6 Stunden umkreist, solange dauert ein Marstag dauert. das wäre z.B. bei einer 338 x 33.700 km Bahn gegeben. Im marsfenstern Punkt würde er sich über stunden kaum von Mars aus bewegen und könnte mit Daten selbst mit einer nicht genau ausgerichteten Antenne mit mittlerem Gewinn empfangen.

Energetisch ist zu sagen, dass es natürlich am sinnvollsten ist ihn in einem elliptischen Orbit zu belassen. Will man diesen zirkularisieren (z.B. einen marsnahen kreisförmigen Orbit erreichen) so braucht man Energie. Man benötigt dann aber auch mehr Energie, um ihn wieder zu verlassen, diesmal sogar mit mehr Masse nämlich den Bodenproben. daher wäre es ideal den Orbiter in obigem 338 x 33700 km Orbit zu belassen und die Bodenproben in diesem Orbit zu starten, auch wenn dies mehr Energie für den Start von der Marsoberfläche aus benötigt. Man bewegt aber damit nur die Kapsel und nicht wie im anderen Fall auch noch den Orbiter mit.

Der Orbiter wird nun die Kapsel einfangen, da für eine Maximierung der Nutzlast sie möglichst passiv und leicht gebaut ist. Das wird nicht ganz einfach, da eine Eingriff von der Erde aus nicht möglich ist. ATV und Progress können das zwar schon im Erdorbit, doch bei den Marsbodenproben wird man auf GPS verzichten müssen und es ist auch nicht gesagt, das die Kapsel optimal ausgerichtet ist.

Danach startet der Orbiter zurück zur Erde, wobei genau das gleiche ΔV aufbringen muss wie bei der Ankunft. Nach weiteren 6-10 Monaten kommt er bei der Erde an. Es wäre prinzipiell möglich dort in eine Erdumlaufbahn einzuschwenken, doch da man dazu ein ΔV von >3,5 km/s aufbringen muss und diesen ganzen Treibstoff zuerst zum Mars und zurück bringen muss ist dies nicht sehr sinnvoll. Die Kapsel wird daher direkt landen so wie auch die Bodenproben von Itokawa oder die von den Luna Sonden gewonnenen. Der Bus kann nun in der Atmosphäre verglühen oder mit dem Resttreibstoff noch eine Sonnenumlaufbahn einschwenken.

Das minimale ΔV Budget sieht nach erreichen der fluchtbahn dann so aus:

Manöver ΔV
Interplanetare Reise Erde->Mars Kurskorrekturen 100 m/s
Orbiter: Einbremsen in eine 338 x 33700 km Bahn 930 m/s
Landestufe: Geschwindigkeitsänderungen 230 m/s
Rückstartstufe Start in den Orbit 4565 m/s + Aufstiegsverluste
Orbiter: Ankopplung an Rückstartstufe Manöver 100 m/s
Orbiter: Rückkehr zur Erde 930 m/s

Daraus ergibt sich, dass der Orbiter in etwa ein ΔV von 2000 m/s aufbringen muss. Die Lande/Rückstartstufe 4800 m/s + Aufstiegsverluste (ca. 600-700 m/s)

Der Orbiter könnte durch Aerobraking Energie einsparen. Bei einem großen Schutzschild, der ihn aber deutlich schwerer macht, die gesamte Energie für das Erreichen des Orbits. Alternativ erreicht er zuerst nur einen 130 x 80000 km Orbit und senkt diesen dann auf 130 x 33700 km ab, bis eine Zündung die Periapsis anhebt. Das sind dann 788,1 + 11,8 m/s oder rund 130 m/s weniger. So wäre auch der bahnnächste Punkt absenkbar bis man eine 338 km hohe Kreisbahn erhält. Der Preis ist allerdings dass man um die 338 km hohe Kreisbahn in Richtung Erde zu verlassen, dann nicht mehr 930 m/s, sondern 2086 m/s braucht. Die Rückkehrstufe spart 1179 m/s ein, doch in der Summe braucht man mehr Treibstoff, da der Orbiter nicht nur sein eigenes Gewicht sondern auch die Kapsel mit den Bodenproben beschleunigen muss.

Mit Ionentriebwerken sieht es etwas anders aus. Hier würde schon das Einbremsen in den Zielorbit mehr ein Einfangen sein, wofür der Orbiter schon vorher seine Bahn dem des Mars angleichen muss. Durch Aerobraking würde er seinen anfänglichen elliptischen Orbit absenken. Die Rückstartstufe würde dann in dem niedrigen Orbit ankoppeln um Treibstoff zu sparen, denn chemischen Treibnstoff benötigt nur sie. Der Orbiter wäre hier das größere beider Geräte. Danach schließt sich ein Aufspiralen in der Marsumlaufbahn an, bis man den Mars verlassen kann. Gefolgt von einer Absenkung der Sonnenumlaufbahn bis man eine Bahn die zur Erde führt erricht hat.

Der Preis ist durch die fehlende Ausnutzung des hyperbolischen Exzesses und der Anhebung der potentiellen Energie durch höhere Umlaufbahnen im Gravitationsfeld das der Orbiter erheblich höhere ΔV aufbringen muss. Wie hocch isst abhängig vom Antrieb. Hier das „Worst Case Scenario“

Manöver ΔV
Interplanetare Reise Erde->Mars Kurskorrekturen 100 m/s
Orbiter: Einbremsen in eine 338 x 33700 km Bahn 2650 m/s + Aerobraking
Landestufe: Geschwindigkeitsänderungen 230 m/s
Rückstartstufe Start in den Orbit 3386 m/s + Aufstiegsverluste
Orbiter: Ankopplung an Rückstartstufe Manöver 100 m/s
Orbiter: Rückkehr zur Erde 6035 m/s

Die Gesamtdauer würde im besten Fall bei knapp unter drei Jahren, etwa 34 Monaten liegen. 14 bis 20 Monate entfallen davon auf die Hin- und Rückreise, je nach Entfernung des Mars und gewählter Transferbahn.

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