Alternativen zur Schwerlastrakete

Ich las kürzlich diesen Artikel über die Kosten der SLS. Man kann über die Zahlen streiten, und auch die Berechnungsmethode, aber eines ist sicher klar. Eine Schwerlastrakete wird teuer. Dazu muss man muss nur mal sehen was die Entwicklung der Saturn kostete und diese Kosten auf die Flüge umlegen. Das ist auch das was ich am Artikel zu kritisieren habe: es ist nicht üblich Entwicklungskosten und die Kosten für die Bodenanlagen auf die Starts umzulegen. Kein Weltraumbahnhof der Welt, auch keine privat genutzte Startanlage trägt sich selbst, vielleicht mit Ausnahme von Sea-Launch. Selbst SpaceX musste nur das investierenm was sie brauchten um die bestehenden Pads umzurüsten, aber sie mussten nicht die Baukosten bezahlen und auch nicht die Infrastruktur die sie nutzen bezahlen. Selbst bei den Services zahlen sie nur für den Extraufwand, aber z.B. bei der Überwachung eines Starts durch Radar und Empfang der Telemetrie nicht für das Personal dass immer da ist und nicht einfach zwischen zwei Starts entlassen werden kann. Macht man die Rechnungen so, so wird alles sehr teuer. Nehmen wir ein Beispiel wo die Rechnung noch „gut“ aussieht:

Ariane 1-4: 144 Starts von 1979 – 2002

  • Entwicklungskosten 2179 Millionen Euro im Wert von 1995
  • Startkosten: Ariane 1: 58 Millionen Dollar (1982)  (Ariane 44L): 82 Millionen Dollar (1988), 115 Millionen Dollar (2002)
  • Unterhaltskosten CSG (1995): 47 Millionen Euro seitens der ESA, 23 Millionen seitens der CNES.

Auf den Wert von 2002 hoch gerechnet mit 2,5% Inflationsrate sind dies:

  • 2590 Millionen Euro Entwicklungskosten
  • 1905 Millionen Euro CSG Unterhalt
  • 12702 Millionen Euro für 144 Starts mit 238 Nutzlasten

Das sind dann 17197 Millionen Euro Gesamt oder 120 Millionen Euro pro Start einer 44LP (ohne Zuschläge: 105). Hier wurde der Start nur um 15% verteuert, doch je größer eine Trägerrakete ist und je weniger oft sie fliegt um so größer wird der Batzen. Wenn Ariane 5 bis 2020 noch 6-mal pro Jahr startet, so werden CSG Kosten und Entwicklungskosten auf die Starts umgelegt schon 135 Millionen Euro ausmachen, bei derzeitigen Startkosten von 160 Millionen Euro, also fast eine Verdoppelung. Bei einer Schwerlastrakete die nur einmal pro Jahr startet oder sogar noch weniger oft, wird das Verhältnis natürlich extrem. Dann stehen vielleicht 10-20 Starts enorme Entwicklungskosten gegenüber und die große Rakete hat auch hohe Unterhaltskosten.

Doch wenn man zum Mond oder Mars (oder Asteroiden ….) will, gibt es eine Alternative zu einer Schwerlastrakete? Ja die gibt es. Sie gibt es aus einem Grund: wir brauchen eine Schwerlastrakete, weil wir erstmal das Schwerefeld der Erde verlassen müssen. Das sind bei Mondmissionen 11 km/s, bei Marsmissionen 11,5-11,7 km/s. Das sind 3,2 bis 3,9 km/s mehr als bei einer LEO-Bahn, was die Nutzlast drastisch reduziert. Bei der Saturn V von 130 auf 49 t. Bei der Ares V waren es 187,7 zu 62,7 t. Also in beiden Fällen in etwa ein Drittel der LEO Nutzlast.

Der Grundgedanke ist nun, dass wir eine Rakete entwickeln, die nur die benötigte Nutzlast aufweist (also 50-60 t bei Mondmissionen) und einen Start einer Schwerlastrakete durch mehrere dieser kleinen Rakete ersetzen. Die Gesamtnutzlast wird dabei höher sein, weil wir nicht den günstigen Fall einer leichtgewichtigen Stufe haben, sondern je nach Lösung noch etwas mehr transportieren müssen, aber das ist kein großes Problem. Trägerraketen mit 50 bis 60 t Nutzlast können aber ohne größere Entwicklungskosten aus den bestehenden Trägern entwickelt werden. Boeing hatte bei der Bewerbung für das Conestellation Programm z.B. Delta 4 mit vier bzw. sechs Zentralstufen als Boostern (anstatt 2 bei der Delta 4H) und einer Oberstufe mit 266 kN (anstatt 110 kN) Schub und mehr Treibstoff vorgeschlagen. Diese liegen in der Nutzlast bei 53 bis 67 t in den LEO. eine Atlas V mit vier CCB als Boostern käme auf 50 t LEO Nutzlast, mit einer dieser Rakete adäquaten Oberstufe wahrscheinlich auf 57 t Nutzlast.

Bei beiden Trägern braucht man nur eine neue Oberstufe und muss die Struktur der Zentralstufe den höheren Lasten anpassen. Es ist keine Neuentwicklung nötig.

Welche Möglichkeiten gibt es nun, eine Schwerlastrakete durch mehrere dieser kleinen Flüge zu ersetzen. Es gibt vom Grundprinzip her zwei Möglichkeiten, die im Detail varriert werden kjönnen. Ich will nur, weil ich schon mal eine Detail für einen Marsflug veröffentlicht habe das Grundprinzip erläutern.

Möglichkeit 1: Treibstoffdepots in der Umlaufbahn

Anstatt einem Start einer Schwerlastrakete startet man drei bis viermal. Bis auf den letzten Start, der die eigentliche Nutzlast umfasst wird nur Treibstoff in einem Tank gestartet. Der vorletzte Start kann auch eine teilbefüllte Stufe umfassen oder diese wird mit der Nutzlast gestartet, was allerdings diese dann um ein Drittel bis Viertel reduzieren wird. Im Orbit angekommen koppelt die Besatzung nacheinander an die Treibstofftanks an und füllt so zuerst die Stufe auf. Danach wird diese gezündet und bringt die Kombination auf Zielgeschwindigkeit.

Wenn die Depots nicht in ganz niedrigen Erdumlaufbahnen sondern z.B. in 400 km Höhe angelegt werden, sind ihre Umlaufbahnen hinreichend lange stabil. Was verhindert werden muss, ist das Verdampfen von Treibstoffen. Wenn wir von Starts im Abstand von einem oder mehreren Monaten reden, dann reicht eine Isolation des Tanks alleine nicht aus. Dann muss man bei der kryogenen Kombination LOX/LH2 ein Sonnensegel entfaltet werden. Das wurde für Centaur Einsätze für Langzeitmissionen schon mal durchgerechnet und es scheint praktikabel. Was allerdings noch nie probiert wurde ist das Umfüllen von kryogenen Treibstoffen. Lagerfähige Treibstoffe werden schon routinemäßig umgefüllt, das machen Progress und ARTV seit Jahren. Bei kryogenen Treibstoffen kann beim Kontakt des Treibstoffs mit der warmen Leitung Treibstoff verdampfen und Dampf bilden, der nicht ganz unproblematisch ist. Eine Alternative ist einfach mehr Flüge vorzusehen und gleich lagerfähige Treibstoffe zu benutzen. Dann braucht man auch keine Isolation und die Tanks sind auch leichter, was zum Teil den schlechteren Energiegehalt kompensiert. Vor allem kann man schon vorhandene Technologie für den Treibstofftransfer verwenden.

Möglichkeit 2: Zur Zielbahn in mehreren Manövern

Diese Möglichkeit ersetzt praktisch einen Start durch mehrere Einzelstarts. Das könnte so aussehen: Die Nutzlast ohne Kommandokapsel, aber mit Servicemodul, wird in einen niedrigen Erdorbit gestartet. Dann folgt mindestens einer, wahrscheinlich zwei bis drei Starts von Raketenstufen mit intelligenten Ankopplungsmodulen an der Spitze. Diese könnten z.B. vom Servicemodul des ATV abgeleitet sein. Sie koppeln an die Nutzlast an und die Stufe zündet jeweils im Perigäum. Man erhält so eine immer elliptischere Umlaufbahn, deren Apogäum immer weiter ins All hinausreicht. Der letzte Start bringt dann die relativ kleine Kommandokapsel mit einer Raketenstufe zu der Nutzlast. Sie koppelt dort an und die Stufe zündet erneut. Das reicht aus um die Nutzlast von der Erde wegzubringen.

Da hier der Treibstoff nicht über Monate lang kühl gehalten werden muss, ist diese Lösung weniger zeitkritisch als die obige. Wenn man z.B vier Starts über ein Jahr durchführt so bringt nur der letzte Start die Besatzung zur Restnutzlast. Das Ankoppeln einer jeder Stufe kann nach den Erfahrungen von Progress und ATV innerhalb von wenigen Stunden bis maximal zwei Tagen erfolgen, eine Zeit in der eine ausreichend dicke Isolierschicht auch kryogene Treibstoffe kühlt. Hinsichtlich der Neuentwicklungen ist es mit einer Ausnahme einfacher als bei den Treibstoff Depots – man braucht nur normale Stufen und die Technologie zur automatischen Ankopplung beherrscht man schon. Die Ausnahme ist das bisher Servicemodul und Kapsel eine Einheit sind. Bedies zusammen ist aber zu schwer um es beim letzten Schritt in eine hocheleptische Umlaufbahn zu bringen. Man muss es also trennen und z.B. bei einer Mondmission einen Kopplungsadapter haben der Servicemodul, Kapsel und Mondlander verbindet, inklusive der Leitungen von dem Servicemodul zur Kapsel für Gase, Wasser, Strom etc. Eine weitere Nebenbedingung ist, dass die Nutzlast hoch genug ist um die Kommandokapsel in den letzten Erdorbit zu bringen und noch genügend Treibstoff verbleibt um dei ganze Kombination auf die Zielgeschwindigkeit zu befördern. Das wird um so problematischer je höher diese ist.

Es sind auch mehr Starts nötig als bei der ersten Alternative, da bei jedem Start eine leere Stufe in einen Orbit transportiert wird und ein Koppelmodul mit eigenen Triebwerken für das automatische ankoppeln.

Beurteilung

Beide Möglichkeiten müsste man mit moderaten Kosten umsetzen können. Atlas und Delta bräuchten jeweils eine neue Oberstufe von etwa 50 t Masse mit neuen Triebwerken mit höherem Schub. Dazu kämen Anpassungen an den Trägerraketen und den Startrampen. Das ist nicht für umsonst zu haben, doch für den Bruchteil einer Neuentwicklung wie der SLS.

Es müsste je nach Lösung die Depottanks mit Umfülleinrichtungen / Sonnenschutz oder Module für die automatische Ankopplung und einen Koppeladapter für LM / Servicemodul / Kapsel entwickelt werden. Das ist in jedem Falle preiswerter als eine Schwerlastrakete.

Die SLS wird anfangs nur alle zwei Jahre starten. Auch für die Ares waren nicht viele Missionen vorgesehen. Sicher wird eine Startrate von einer Mission pro Jahr nicht überschritten. Anstatt dieser kann man dann eben vier bis fünf Starts einer 50 bis 60 t Rakete ansetzen. Das ist eine Startrate die nicht sehr anspruchsvoll ist. Ariane 5 könnte, wenn man alle Randbedingungen voll ausschöpft achtmal pro Jahr starten, auch sie wäre leicht mit einigen Boostern und einer neuen Oberstufe auf 50 t Nutzlast ausbaubar. Die Chancen stehen gut, dass die Kosten für das Bodensegment sogar geringer sind, weil sie proportional zur Größe der Rakete sind, aber man auch bei nur einem Start sehr viele Personen braucht. Dazu nur eine Zahl: Nach Apollo 11 entließ die NASA 5.600 ihrer 23.600 Angestellten im KSC. Das sind 23,7%. Die Zahl der Starts pro Jahr reduzierte sich aber dadurch von 5 auf 2 pro Jahr also um 60%. Daraus ist leicht ableitbar, dass man wahrscheinlich weniger Personen braucht, um eine 50 t Rakete vier bis fünf mal pro Jahr zu starten, als eine Schwerlastrakete einmal pro Jahr.

Weitere Vorteile wären Synergien mit der Produktion bestehender Raketen. So würden die Zentralstufen von Delta oder Atlas in weitaus höherer Rate produziert werden, was ihre Kosten senkt. Wenn man beide Typen einsetzt, hätte man auch keine Probleme bei Möglichkeit 1 innerhalb eines Monates von je einer Atlas und Delta Startrampe vier Starts durchzuführen.

Ein positiver Nebeneffekt ist, dass auch ein Träger für große Module einer zukünftigen Raumstation oder schwere Planetenmissionen oder astronomische Teleskope zur Verfügung steht. Für diese ist dann eine Schwerlastrakete schon wieder überdimesnioniert.

5 thoughts on “Alternativen zur Schwerlastrakete

  1. Moin Bernd,

    *aehm* hab ich gerade ein Déjà vu, oder gabs diesen Artikel nicht schon vor ein paar Tagen?

    Was mir damals schon aufgefallen war, ist dass Du bei „Zur Zielbahn in mehreren Manövern“ glaub ich einen Denkfehler hast.

    Wenn ich jedesmal im Perigäum ankoppel und zünde, so erhöht sich die Geschwindigkeit im Perigäum ebenfalls jedesmal, d.h. jedes Ankoppeln wird teurer was den Treibstoffverbrauch angeht, weil es reicht ja nicht aus am selben Punkt zu sein, sondern ich muss auch an diesem Punkt den gleichen Geschwindigkeitsvektor haben. Ansonsten gibts an dem Punkt kein Ankoppeln sondern nur einen Crash zweier Objekte im Orbit und danach verteilt sich die Debris in diversen elliptischen Orbits.

    ciao,Michael

  2. Es gab den Artikel schon vor ein paar Jahren, aber ich habe ihn beim Suchen nicht mehr gefunden. Klar ist das bei jedem Ankoppeln man erst Mal Treibstoff verbraucht bis man die Stufe auf die Zielbahn bringt. Das habe ich auch im Artikel erläutert, in der Summe ist die Gesamtmenge in LEO daher höher als beim direkten Start, aber das muss man eben gegenrechnen mit niedrigeren Entwicklungskosten.

  3. Das Treibstoff Umpumpen kann man sich sparen, wenn die Tanks zu einem Bündel zusammengebaut werden. Statt umzupumpen wird der Treibstoff dann direkt zum Triebwerk geleitet. Und sobald ein Tank leer ist wird er abgeworfen.
    Der Zusammenbau ist dann allerdings etwas aufwändiger, aber das könnte von der ISS mit dem Manipulatorarm erledigt werden. (Zu irgendwas muß die doch gut sein.)

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