Der Nutzen erdnaher Kommunikationssatelliten

Betrachtet man die Geschichte der Kommunikationssatelliten, so setzte sehr bald nach den ersten Versuchen in erdnahen Orbits der Sprung in den geostationären Orbit ein, dessen Nutzen Arthur C. Clarke schon 1948 erkannte. Zu der Geschichte gibt es auch einen Aufsatz auf der Website. Seit 1963 fanden dann fast 40 Jahre lang zumindest im Westen nur noch Starts in den GEO Orbit. Rein theoretisch kann man vom GEO Orbit mit drei Satelliten eine Kommunikationsverbindung rund um die Erde aufbauen – vorausgesetzt man hat eine Empfangsstation und der Empfänger ist nicht zu weit nördlich.

Russland hat den GEO Orbit erst relativ spät erreicht und bis vor wenigen Jahren auch wenige Satelliten dorthin gestartet. Der Grund, und das ist auch die wichtigste Einschränkung des Orbits ist die geographische Lage. Hin zu den Polen steht der Satellit immer tiefer über dem Horizont. Es kann zum einen durch Gebäude, Berge oder ähnliches die Verbindung unterbrochen werden und selbst wenn dies nicht der Fall ist, so ist sie schlecht weil Reflexionen durch den Erdboden sie stören. Russland, bei dem ein Großteil der Landmasse weit nördlich liegt, startete daher vor allem Satelliten des Molnija Systems. Satelliten mit einem Perigäum unterhalb von 500 km, einem Apogäum bei 40.000 km und einer Umlaufszeit von 12 Stunden. Diese Bahn hat das Apogäum über 65 Grad nördlicher Breite. Rund um das Apogäum bewegt sich der Satellit kaum. Die Antennen müssen nur wenig nachgeführt werden. 8 von 12 Stunden gibt es einen Funkkontakt, das Perigäum auf der Südhalbkugel wird dagegen schnell durchlaufen. Drei Satelliten ergeben ein operationelles System mit 24 Stunden Verfügbarkeit. Es wurde zuerst militärisch, später auch zivil genutzt. Über 170 Molnija Satelliten hat Russland gestartet.

Ende der 90er Jahre gab es dann neue Pläne für ein erdnahes System. Bei den geostationären Kommunikationssatelliten hatte sich viel getan. Die ersten erforderten sehr große Empfangsstationen. Durch stärkere Sender und Parabolantennen bei den Satelliten waren ab Ende der Siebziger Jahre die Empfangsantennen „nur“ noch 2-3 m groß und Privatpersonen konnten sich Satellitenfernsehen leisten (einige missbrauchten es auch für private Telefongespräche, das sollte besonders gut bei den Fleetsatcom Satelliten der US-Navy gehen). Den Durchbruch für die breite Masse gab es 1989 mit dem ersten Astra, der durch stärkere Sender, die Nutzung des 12-14 GHz Bandes und eine gut bündelnde Parabolantenne die Größe der Schüssel auf 90 cm begrenzte und damit sank der Preis für eine Anlage auf unter 1000 DM. Satellitenfernsehen wurde in Europa schnell populär. Erstaunlicherweise setzte sich Satellitenfernsehen in den USA, die über viel mehr Landfläche verfügen, äquatornäher liegen und eigentlich mehr davon profitierten sollten, sehr viel später durch.

Ende der Neunziger gab es dann den zweiten Vorstoß mit erdnahen Kommunikationssatelliten. Zwei Systeme wurden operationell: Iridium und Globalstar. Weitere waren damals geplant mit bis zu 360 Satelliten. Kunden sollten Personen sein, die überall auf der Welt erreichbar sein (s)wollten. Die Satelliten sollten Signale von übergroßen Handys empfangen, untereinander weitergeben, bis einer eine Bodenstation direkt anpeilen kann. Wegen der Erdnähe brauchte man dafür viele Satelliten. Dafür kann man anders als zu GEO-Satelliten auch ohne Parabolantenne einen Funkkontakt herstellen. Iridium heiß so, weil 77 Satelliten (ohne Reserve) für das System in 800 km Höhe vorgesehen waren. Iridium wurde nach wenigen Jahren fast insolvent und das US Militär betrieb eine Zeitlang die Satelliten inzwischen hat sich das Unternehmen konsolidiert. Der Grund für den Einbruch war dass sowohl die „Handys“ wie auch Minutenpreise zu teuer waren. Daneben unterschätzte man die Zahl der potentiellen Nutzer und überschätzte die Konkurrenz vom Ausbau der Mobilfunknetze, die auf Land selbst in Entwicklungsländern schneller die Fläche abdeckten als man annahm. Zwar wird man im Dschungel sicher kein erdgebundenes Netz finden, aber rund um die Großstädte selbst in schlecht entwickelten Regionen. Das begrenzt natürlich auch die Nutzerzahl, da in den entlegenen Gegenden wenige Personen mit dem ausreichenden Kleingeld leben.

Globalstar, die nur 24 Satelliten im Orbit haben, gelang es besser im Geschäft zu bleiben. Bedingt durch die kleinere Satellitenanzahl war das System preiswerter im Betrieb, allerdings gab es auch mehr Lücken im Empfangsbereich. Globalstar rückte auch etwas von der Erde ab, sie umkreisen die Erde in 1400 km Höhe.

Nun gibt es neue Anbieter die sich aufmachen. Das eine ist Orbcomm. Orbcomms Ansatz ist ein anderer als der von Iridium und Globalstar. Man will keine Telefongespräche übermitteln, sondern Textnachrichten. Das reduziert zum einen die Datenrate, zum anderen kann der Satellit daher viel kleiner sein. Die Orbcomm Satelliten wogen in der ersten Generation nur 45 kg, ein zwanzigstel der Iridium und Globalstar Satelliten. Vor allem braucht man weniger Satelliten, denn Textnachrichten müssen nicht in Echtzeit übermittelt werden. Sie werden an Bord gespeichert und beim Überflug einer Bodenstation abgesetzt. Orbcomm will 90% aller Nachrichten in 6 Minuten weiterleiten – in 6 Minuten legt ein Satellit über 2500 km zurück. Genutzt wird das UIHF Band bei 127 MHz, das erlaubt einen Empfang von jeder Richtung. Begrenzt aber auch die Datenrate auf 2,4 bis 4,8 Kbit/s pro Sender.

Das zweite Unternehmen ist O3B. O3B hat schon 4 Satelliten mit einer Sojus vom CSG aus gestartet und 4 weitere folgen dieses Jahr. O3B will Telefongespräche und Internetverbindungen übermitteln. Die 700 kg schweren Satelliten gelangen in Viergruppen in einen 8000 km hohen Orbit, 16 Satelliten bilden das gesamte System. Das ist etwas ungewöhnlich, weil der Orbit deutlich höher liegt als der von Orbcomm bis Globalstar (500 bis 1400 km Höhe). Anders als Orbcomm haben die Satelliten 12 Ka Band Sender mit bündelnden Antennen, fähig mehrere Gebiete anzupeilen. Die Gesamtbandbreite beträgt 12 Gigabit/s. O3B will nicht die ganze Erde abdecken, die Satelliten gelangen in einen Orbit über den Äquator. Doch wofür braucht man sie? Nun den Grund sah ich heute bei einem Life-Interview in Heute plus: Bis eine Korrespondentin in Syrien auf die Frage reagierte vergingen über 2 Sekunden. Der Funkweg über einen GEO-Satelliten beträgt minimal 72.000 km. Bodenstationen, Verstärker, Konverter und was weis ich alles, addieren weitere Verzögerungen. Und wenn man Pech hat kann man auch mehrere Satelliten passieren. Für Internet oder Fernsehen kein Problem, jedoch nicht die beste Lösung für Telefongespräche. Die Satelliten sind über viermal näher an der Erde, dadurch soll die Verzögerung bei 179 ms für Sprache und 238 ms für Daten liegen. Über den GEO Orbit wären es 4,5 mal höhere Latenzzeiten. O3B will damit äquatornahe Gebiete die dünn besiedelt sind, und kein Mobilfunknetz oder Internet aufweisen, mit Daten und Telefondienstleistungen versorgen. Durch den 8000 km hohen Orbit braucht man zwar mehr als drei Satelliten die im GEO Orbit für ein Netz nötig sind, aber viel weniger als im erdnahen Orbit. Der Orbit ist auch so gewählt, dass jeder Satellit direkt eine Bodenstation anpeilen kann, selbst wenn er mitten über dem Pazifik ist, wo es eine tausende von Kilometern breite Wasserwüste vorhanden ist. Dass reduziert die Latenzzeit, denn jeder Satellit würde alleine durch die Signallaufzeit weitere 19 ms addieren.

Kleiner angenehmer Nebeneffekt: Durch den erdnäheren Orbit ist auch die Sendeleistung pro Fläche 20-mal höher, das bedeutet der Satellit kommt mit weniger Leistung aus (1,5 kW, andere GEO-Satelliten liegen heute schon bei 10 kW) oder bei gleicher Sendeleistung kann man die Daten mit kleineren Empfangsgeräten empfangen. 2014 wird das System operational werden. Es wird spannend zu sehen ob beide Konzepte aufgehen. Orbcomm hat schon 35 Vorläufersatelliten der ersten Generation gestartet. Die Investitionen sind überschaubar, auch weil SpaceX die Satelliten vor allem als Sekundärnutzlasten transportiert werden. Die Kosten eines Satelliten liegen bei 10 Millionen, da der erste schon ein Totalverlust war und die Versicherung diese Summe zahlte. Das O3B Netzwerk wird erheblich teurer werden. 1,2 Milliarden Dollar werden als Investitionssumme genannt. Beide Summen müssen erst mal wieder hereinkommen. Die Orbcomms sind zwar billiger, aber sie können auch viel weniger Daten übertragen.

In einigen Jahren sind wir schlauer.

2 thoughts on “Der Nutzen erdnaher Kommunikationssatelliten

  1. Du meinst sicher:

    „Daneben *über*schätzte man die Zahl der potentiellen Nutzer und *unter*schätzte die Konkurrenz vom Ausbau der Mobilfunknetze…“

    Die wenigen Subskriptionen waren ja ein Hauptproblem.

  2. Die globalen Satellitensysteme zur Zwei-Wege-Kommunikation haben neben den hohen Startkosten m.E. zwei Hauptprobleme: Zum einen die schwierige Frequenzregulierung. Woher bekommt man eine Frequenz, die man wirklich weltweit nutzen darf? Irgendwelche Länder stellen sich immer quer, und über denen muss man dann abschalten.

    Das zweite Problem ist das knappe Link-Budget. Handys werden überwiegend in Häusern und Fahrzeugen benutzt, Satelliten-Handys funktionieren aber nur „an der freien Luft“. In Häusern und Fahrzeugen sind teure und zwischen den verschiedenen Satelliten-Systemen auch noch inkompatible Festeinbauten nötig, die das Signal nach draußen leiten. Das Link-Problem könnte man lösen, wenn man aufwändige Satelliten mit Mesh-Antennen, wie sie beispielsweise Thuraya auf dem GEO verwendet, in geringer Höhe betreibt. Doch die Probleme beginnen dann schon damit, dass man aufgrund des hohen „Luftwiderstands“ der ausladenden Antennen sicher merklich höher als 500 km muss, und damit das Orbit im Van-Allen-Strahlungsgürtel liegt. Zugleich muss man aufwändige Elektronik an Bord des Satelliten haben, um die Signale der einzelnen Teile der Mesh-Antennen zu kombinieren. Es stellt sich also das Problem der Abschirmung der Elektronik!

    Zudem sind die Kosten wahrscheinlich prohibitiv: Geht man von 10 MHz global verfügbarer Bandbreite aus, entsprechend um die 40 MBit/s pro via Beamforming mit der Mesh-Antenne gebildeter „Zelle“, wobei der Satellit insgesamt 128 Zellen versorgen kann, ergeben sich 5 GBit/s maximale Brutto-Datenrate. Angesichts der Zell-Überschneidung mit Nachbarsatelliten, der großen dünn oder gar nicht besiedelten Flächen, der jeweiligen Nachtzeiten usw. usf. ist auf den Satelliten eine Auslastung von höchstens 5% wahrscheinlich, entsprechend 250 MBit/s Netto-Datenrate pro Satellit. Kostet der einzelne Satellit dann eher günstige 300 Mio. $ (Thuraya war m.W. teurer) und verteilt man die Kosten auf 5 Jahre Refinanzierungszeit (was 10 bis 15 Betriebszeit entspricht, wenn man Nebenkosten wie Zinsen, Funklizenzen, Erdstationen usw. auch noch wieder reinholen muss), ergeben sich Kosten von schlappen 61 Euro pro Gigabyte!

    Vielleicht kommt Elon Musk ja in absehbarer Zeit mit einem Plan um die Ecke, solche Mesh-Satelliten mit der 16-fachen Kapazität zu einem Drittel der Kosten zu bauen und zu starten. Sollte das nicht passieren, bleibt Zweiwege-Satelliten-Kommunikation auch in den kommenden Jahren ein Nischenprodukt. Für Kurznachrichten sind 61 Euro/GB überhaupt kein Problem, für Sprachtelefonie (100 kB pro Minute, entsprechend 6,1 Ct./Minute) sind sie schon grenzwertig, für Datendienste aber massiv überteuert.

    Kai

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