Die SSME: Funktionsweise des Triebwerks

Weiter gehts mit meiner kleinen Reihe über das SSME (inzwischen auch als Aufsatz auf der Website). Diesmal über die Arbeitsweise des SSME. Wofür sich leider niemand fand (und das schon zum zweiten Mal), war ein Freiexemplar eines meiner Bücher. Ich hatte das als Preis für den 7 Millionsten Besucher vorgesehen, der anstatt einem Counter ein Lösungswort bekam, dass er mir zuschicken sollte. Gestern wars soweit die 7 Millionen sind überschritten (fast passend zum 15 jährigen Website Jubiläum), aber gemeldet hat sich niemand. Na ja vielleicht beim nächsten Datum. Das muss ich noch überlegen ob ich das auf 7,5 Millionen oder 7.777.777 setze…. Doch nun zum SSME:

Der Wasserstoff kommt vom Tank unter niedrigem Druck und passiert zuerst eine Niedrigdruck Turbopumpe (Low Pressure Fuel Turbopump LPFTP). Sie erhöht den Druck, hat aber auch die Aufgabe, Kavitation in den Leitungen und in der Hochdruck Turbopumpe (High Pressure Fuel Turbopump HPFTP) zu verhindern. Kavitation entsteht durch die schnell bewegenden Turbinenblätter. Es bilden sich Dampfblasen in der Flüssigkeit, die zusammenfallen und dabei Schockwellen erzeugen die Propellerblätter beschädigen können. Von der Niedrigdruckturbopumpe kommt der Wasserstoff dann zur Hochdruckturbopumpe.

Aufbau des TriebwerksDie Hochdruckpumpe bringt den Treibstoff auf hohen Druck, danach teilt sich der Weg auf. Die Hochdruckpumpe schafft dies wegen des großen Volumens nicht in einer Stufe, sondern hat mehrere Turbinenblätter die mit hoher Geschwindigkeit (38000 U/min) rotieren. Ihre Effizienz beträgt 74-78%. Die Pumpe, in etwa so groß und so schwer wie ein Automotor hat mehr Leistung als fünf Diesellokomotiven, trotz des kleinen Volumens. Die Turbinen sind für ein niedriges Druckgefälle ausgelegt. Der Eingangsdruck ist 1.5 mal höher als der Ausgangsdruck. Da allerdings der Brennkammerdruck so hoch ist bedeutet dies, dass die der Gasstrom der zu den Turbinen kommt einen Druck von mehr als 300 Bar aufweisen muss. Dieser Druck wird durch die Vorbrenner gewährleistet.

Ein Teil des Wasserstoffs (40%) kühlt die Brennkammer und Düse, verdampft und wird zu heißen, unter hohem Druck stehenden Gas. Er treibt die Turbine der LPFTP Turbine an, liefert also die Kraft für deren Leistung. Danach wird er in den Injektor geleitet und mit dem Sauerstoff verbrannt. Der Wasserstoff tritt mit -221°C und 389 bar Druck in die Brennkammerwand über 430 Röhren ein, durchläuft diese und die Düse und erhitzt sich auf -8 °C, wobei der Druck auf 306 bar sank. Pro Sekunde werden für die Brennkammer 14 kg Wasserstoff benötigt. Das begrenzt die Wandtemperaturen auf 538°C. Für die Düse werden 21 kg Wasserstoff pro Sekunde benötigt, die sie auf 510°C kühlt. Hier tritt der Wasserstoff mit 388 bar Druck ein, der Druck nimmt nur leicht auf 373,6 bar ab.

Ein zweiter Teil (ebenfalls 40%) kühlt die Düse und wird dann ebenfalls in gasförmigem Zustand an die beiden Vorbrenner geleitet. Es gibt je einen für die Förderung des Sauerstoffs und des Wasserstoffs. Sie verbrennen Wasserstoff mit Sauerstoff in einer wasserstoffreichen Mischung. Das begrenzt die Temperaturen auf unter 1000 K, während in der Brennkammer über 3000 K herrschen. So können die Preburner ohne Kühlung arbeiten. Der heiße, wasserstoffreiche Dampf der Vorbrenner treibt dann die jeweiligen Hochdruckpumpen an. Auch er wird nach Passage der Turbinen in die Brennkammer zur Verbrennung geleitet. Beide Preburner zusammen verbrennen 80% des Wasserstoffes mit 12% des Sauerstoffs, es resultiert so eine wasserstoffreiche Mischung (LH2/LOX = 1.1, in der Brennkammer liegt es bei 6)

QuerschnittDer letzte, kleinste Teil des Wasserstoffs (20%) bleibt zuerst einmal flüssig. Er wird zur Schmierung von beweglichen Teilen in den Hochdruckpumpen genutzt und danach zur Kühlung dieser. Danach wird auch er in die Brennkammer geleitet. Nicht der ganze Wasserstoff wird sofort verbrannt, etwa 0,3 kg werden pro Sekunde wieder in den Tank zurück geleitet, da sonst durch Entnahme des Wasserstoffes der Eingangsdruck sinken würde. Dazu passieren sie einen Wärmeaustauscher am Triebwerk, wo der Wasserstoff verdampft.

Der Weg des Sauerstoffs ist ähnlich. Auch hier gibt es eine Niedrigdruckpumpe (Low Pressure Oxidiser Turbopump LPOTP) und eine Hochdruckpumpe (High Pressure Oxidiser Turbopump HPOTP). Die LPOTP bringt den Sauerstoff auf einen ausreichenden Druck um Kavitation in der HPOTP zu verhindern, den er als nächstes passiert. Danach wird der Strom aufgeteilt. Beim Sauerstoff wird der größte Teil direkt in den Injektor geleitet und dort mit dem Wasserstoff verbrannt. Ein kleiner Teil wird zu den beiden Vorbrennern geleitet und dort mit dem Wasserstoff verbrannt. Vorher passiert ein kleiner Teil eine Hilfsturbine, die diesen Teilstrom auf einen Druck von über 550 bar bringt, dieser Druck ist noch höher als der Brennkammerdruck oder der Druck in den Hochdruckpumpen. Damit können die Ventile gesteuert werden, die sie sonst keine Chance hätten, gegen den Druck geschlossen zu werden. Mit dem Sauerstoff wird nichts gekühlt oder geschmiert. Eine Besonderheit ist, dass nach dem Passieren der HPOTP Pumpe ein kleiner Teil des gasförmigen Sauerstoffs genutzt wird, um eine Boostpumpe anzutreiben, sie bringt den Sauerstoff vor Passieren der HPOTP auf höheren Druck. In analoger Weise treibt ein Teil des Sauerstoffs die LPOTP an. Er wird dann mit dem LPOTP Fluss vereint. Auch hier werden 0,54 kg LOX pro Sekunde für die Aufrechterhaltung des Tankdrucks abgezweigt.

Das Triebwerk ist herunterregelbar. Dies geht durch Anpassung des LOX-Flusses bei dem Sauerstoff-Vorbrenner. Dazu gibt es ein regelbares Servoventil. Das Mischungsverhältnis wird durch Herunterregeln des Wasserstoffflusses vor dem Wasserstoff-Vorbrenner konstant gehalten.

Die Brennkammer war im wesentlichen eine konventionellere Konstruktion. Hier war die Hauptherausforderung, dass bei ihr am meisten Gewicht gespart werden musste. Die Brennkammer bestand aus 280 Röhren aus NARloy-Z einer Legierung aus 96% Kupfer, 3% Silber und 0,5% Zirkonium. Silber und Kupfer ergaben eine hervorragende Wärmeleitfähigkeit, so leiteten die Röhren die Wärme an Wasserstoff weiter der sie durchströmt. NARloy-Z versprödet nicht unter dem Einfluss von Wasserstoff wie viele andere Legierungen. Auf sie wurde eine Schutzschicht aus Nickel elektrochemisch aufgetragen. Die Brennkammer wog nur 658 kg, war 43 cm lang mit einem maximalen Außendurchmesser von 56 cm. Der minimale Innendurchmesser betrug 30 cm. Der Preis für das geringe Gewicht war, dass das SSME aus sehr vielen Schweißverbindungen und nur wenig massivem Metall bestand. Das machte es leicht, aber auch aufwendig und es bedeutete eine Fehlerquelle. Bei den im Laufe der Einsatzdauer eingeflossenen Verbesserungen wurde die Zahl der Schweißnähte beträchtlich reduziert.

Bei Rocketdyne hat das Triebwerk die nüchterne Bezeichnung RS-25. Ein angehängter Buchstabe signalisiert die Generation. Die letzten Flugexemplare waren RS-25D (Block II) und RS-25E (mit AHMS System). Es besteht aus insgesamt 50.000 Einzelteilen. Beim Original waren es über 1000 Schweißverbindungen zwischen den Einzelteilen. Später wurden sukzessive die Schweißverbindungen reduziert, was zum einen den Aufwand für die Inspektion verringerte, da jeder regelmäßig untersucht werden musste. Zum anderen erlaubten Fortschritte in der Gusßtechnologie auf Schweißverbindungen zu verzichten.

Technische Herausforderungen

Zwei wesentliche Herausforderungen gab es bei dem SSME. Das eine waren die extrem hohen auftretenden Drücke, bedingt dadurch dass der Großteil des Wasserstoffs noch vor dem Erreichen der Brennkammer in Gas umgewandelt wird und so sein Volumen vervielfacht (entsprechend den Druck) und gleichzeitig dürfte das Triebwerk nicht zu schwer sein, weil es bis in den Orbit transportiert wird. Betroffen waren vor allem die Hochdruckturbinen an denen die höchsten Drücke anlagen, weil sie den Treibstoff gegen den Brennkammerdruck pressen mussten. Das verdeutlichen die Drücke bei den ersten Exemplaren an folgenden Stationen:

Station Druck LH2 Druck LOX
vom Tank kommend 2 bar 7 bar
nach Verlassen der Niedrigdruckpumpe 17,2 bar 27,8 bar
nach dem Vorbrenner 347 bar
nach Verlassen der Hochdruckpumpe 413 bar 310 bar
in der Brennkammer 207 bar 207 bar

Der Druck ist die eine Sache, die andere ist dass trotzdem das Triebwerk sehr leicht sein sollte. Soweit möglich wurde geschweißt, was insgesamt eine Tonne Material einsparte, aber über 1000 Schweißverbindungen ergab.

Die Leistung war bezogen auf das Gewicht enorm. Die Kombination von Breburner und Turbopumpe war 1,20 m lang und 60 cm breit. Die Leistung betrug 23.068 PS bei der Sauerstoff und 61.420 PS bei der Wasserstoffpumpe, siebenmal mehr als bei der J-2 Pumpe, die 8.668 PS leistete. Dies wurde während der Entwicklung noch gesteigert. Jedes Pfund Gewicht der 351 kg schweren Hochdruckwasserstoffpumpe leistete etwa 100 PS, dagegen liegt bei einem Motor in einem PKW die Leistung bei etwa 0,5 PS pro Pfund Gewicht.

Die hohen Anforderungen sind das eine. Gleichzeitig sollte das Triebwerk wiederverwendbar sein. Das bedeutete seine Lebensdauer musste erheblich höher sein als bei allen bisher entwickelten Exemplaren. Die Lebensdauer eines Triebwerks ist höher als seine nominelle Betriebszeit. Zum einen braucht man Sicherheitsreserven, zum anderen ist es üblich bei bemannten Einsätzen das Triebwerk vorher zu testen. Ein F-1 wurde vor dem Start dreimal getestet und absolvierte dabei ein Testprogramm das erheblich länger als die spätere Einsatzzeit war. Für die letzte Generation betrug die Solllebensdauer 10 Zündungen und 3600 s Betriebszeit. Das SSME sollte 55-mal gezündet werden können und eine Betriebsdauer von 27.000 d aufweisen. Diese Werte sind 5-7 mal höher als bei bisherigen Triebwerken.

Schon während der Entwicklung musste man Abstriche machen. Geplant war ein spezifischer Impuls von 4472 m/s, korrespondierend mit einem Ausgangsdruck der Hochdruckpumpen von 326 / 437 bar. Dies war nicht erreichbar, ebenso wenig wie die geplante Masse von 3050 kg.

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