Muss Raumfahrt teuer sein?

Na ja zumindest meistens. Interessanterweise war das schon immer so. Als die NASA in den frühen sechziger Jahren, also kurz nach Beginn der Raumfahrt Ranger Raumsonden am Stück verlor erschien folgende Cartoon zum Aufschlag von Ranger 6 auf dem Mond – die Kamera lieferte keine Bilder, weil es schon während des Starts einen Kurzschluss gab.

Eine Ranger Raumsonde kostete 28 Millionen Dollar. Davon entfielen 8,5 Millionen Dollar auf die Trägerrakete Atlas Agena B. Das Verhältnis ist also kein anderes als heute, obwohl damals erheblich mehr Träger produziert wurden. 1964, als der Comic erschien, starteten z.B. 18 Atlas Trägerraketen. Die Summe klingt gering, doch man muss die Inflation berücksichtigen und da sind die 28 Millionen von 1964 heute 211 Millionen Dollar wert. Das gesamte Ranger Programm kostete 260 Millionen Dollar, davon 170 Millionen Dollar für die Raumsonden.

Warum ist nun die Raumfahrt so teuer. Es gibt einige Gründe. Da sind zum einen mal bei Satelliten und allem was in den Orbit gelangt, die Bedingungen im All. Im Vakuum unter Schwerelosigkeit und mit starker Bestrahlung mit Sonnenstrahlung und energiereichen Teilchen braucht man andere Lösungen für viele Aufgaben wie auf der Erde. Kühlung und Temperaturregelung wird z.b. eine Herausforderung, Es gibt keine Luft die Wärme von der warmen zur kalten Seite transportiert. Elektronische Bauteile müssen energiereicher Strahlung widerstehen können etc. Doch dafür gibt es auch Lösungen die man entwickelt hat und heute einsetzt.

Der wichtigste Grund ist aber der, dass es keine Reperaturmöglichkeit gibt, bei Raketen keine Möglichkeit einer Notlandung wie bei einem Flugzeug. Wenn etwas versagt, so ist es meistens das Aus. Bedingt kann man sich Absichern durch Redundanz. Solarzellenarrays sind ao ausgelegt das einzelne Zellen ausfallen können, manchmal ganze Unterpanels, Computer sind redundant vorhanden. Drallräder meistens auch. Das ganze hat aber auch Grenzen. es gibt z.B. keine Trägerrakete (auch nicht Trägerraketen die mit Engine-out capabaility entwicklelt wurden, wie die Saturn I oder Falcon 9), bei denen ein Triebwerk in jeder Missionsphase ausfallen darf, z.B. direkt nach dem Start.

Die wichtigste Absicherung gegen Ausfälle ist es vor einem Start alles zu testen. Nicht nur den gesamten Satelliten, sondern jede Komponente, jedes Bauteil, jedes Pfitzelchen. Beim Apolloprogramm wurde mal bekannt das eine Schraube die verbaut wird insgesamt 11 Zertifizierungen hinter sich hat. Die erste beginnt schon bei der Mine in der das Eisenerz abgebaut wird. Man beschränkt sich also nicht darauf nur das Endprodukt „Schraube“ zu prüfen, sondern beginnt bei den Rohstoffen. Das scheint überall so zu sein. eine Leuchte auf der ISS hat, wenn sie eingebaut ist ein Prüfprotokoll von 550 Seiten hinter sich. (Da wegen der extrem langen Projektlaufzeit der ISS der Hersteller keine neuen mehr fertigt, brauen die Astronauten übrigens aus den ATV und HTV welche dieselben Lampen einsetzen, diese aus um Ersatzlampen zu haben).

Kann man drauf verzichten? Man kann und eine Menge Geld sparen. Dann gibt es so rätselhafte Fehlstarts wie man sie von einigen russischen Trägern kennt, wie Fremdkörpern in Treibstoffleitungen, verkehrt herum eingebaute Beschleunigungssensoren, verunreinigter Treibstoff oder eine falsche Betankung einer Stufe. Man kann es auch zum Geschäftskonzept machen und ein Triebwerk nach 28 Tests und unter 3000 s Brennzeit für qualifiziert erklären. Ein Triebwerk ist schnell entwickelt und ein lauffähiger Prototyp ist schnell gebaut. Doch viel mehr Zeit braucht man um genügend Erfahrung zu gewinnen, alle Störsituationen zu simulieren und vor allem viel Prüfzeit zu akkumulieren, damit auch statistisch seltene Fehler vorkommen. Hätte man sich beim SSME mit 3000 s Testzeit zufrieden gegeben, die Shuttles hätten schon 1976 abheben können.

Der Ausfall von Missionen durch relativ einfache Ursachen wie defekte Transistoren hat zu einem Qualitätssicherungssystem geführt bei dem erheblich mehr kontrolliert, protokolliert und dokumentiert wird als tatsächlich gearbeitet wird. In wieweit dieses überzogen oder ausreichend ist, ist schwer zu entscheiden. Als die NASA mit dem Ansatz „Faster Cheaper, Better“ neue Sonden und Satelliten entwickelte konnte sie die Kosten stark senken, musste aber zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder mit dem Verlust von Sonden leben. Drei Raumsonden (Mars Climate Orbiter, Mars Polar Lander und Contour) gingen vor dem Ziel verloren, andere hatten andere gravierende Probleme, wie ein Harter Aufschlag der Landekapsel bei Genesis oder der Ausfall der Kameraverfolgung bei DS-1. Sie hat inzwischen diesen Ansatz wieder aufgegeben.

Ein Ansatz ist es zumindest viele Elemente, Module oder Baugruppen, wenn nicht ganze Satelliten, identisch zu entwickeln. Man muss dann zwar noch jedes Teil testen, aber man spart sich bei die Tests die überhaupt die Weltraumqualifikation beweisen. Diese sind nur beim ersten Exemplar nötig. So entstehen heute Kommunikationssatelliten aus kompletten Bussen, selbst bei wissenschaftlichen Satelliten wird dies heute schon eingesetzt. So wurden Mars Express und Venus Express billig, weil sie den Sondenkörper von Rosetta nochmals einsetzten (und auch Experimente die man schon entwickelt hatte).

Die Industrie versucht auch über en Tellerrand zu schauen und nicht mehr alles neu zu entwickeln. COTS heißt das Zauberwort und gemeint ist damit nicht das Transportprogramm zur ISS, sondern Commercial Off the Shelf Technologie, also Dinge, die kommerziell eingesetzt werden. Man erhofft sich hier viel vor allem bei Technologien die hohe Entwicklungskosten haben, wie Mikroelektronik. Nur für einige Hundert Prozessoren wird man keine Fertigung in einer Chipfabrik aufbauen, vor allem wenn die Fertigungsschritte andere sind, als bei der normalen Chipherstellung.

Russland hatte lange Zeit einen anderen Ansatz. Anstatt die Technik dem Weltraum anzupassen, versuchte man die Bedingungen am Boden herzustellen. russische Raumsonden hatten einen mit Stickstoff gefüllten druckdichten Körper bei dem ein Ventilator die Atmosphäre umwälzte. Die Zenit-Aufklärungssatelliten waren ausgeweidete Wostokkpaseln mit einer Kamera vor dem Bullauge. Da die meisten russischen Raumsonden nicht lange lebten und es mindestens zwei Ausfälle gab, die auf diesen Mechanismus zurückzuführen waren, denke ich aber nicht, dass das System sich so gut bewährt hat.

Trotz allem scheint es noch enormes Einsparpotenzial zu geben. Glaubt man einem Blogkommentator „Jewgeni-7“ so entwickelt Russland Methan-LOX Triebwerke, weil der Wasserstoff zu teuer ist – doch selbst der teure Wasserstoff macht bei den meisten Raketen nicht mal 1% der Gesamtkosten aus. Eine andere Persönlichkeit glaubt, da der Treibstoff nur 0,2% der Kosten und die Materialen nur 2% einer Rakete ausmachen, die Startkosten um den Faktor 100 senken zu können. Gut zu wissen, dass alle anderen 50 Jahre lang es falsch gemacht haben, das wäre sonst niemand sonst aufgefallen….

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