Warum ist bemannte Raumfahrt so teuer und hat nicht die unbemannte Raumfahrt verdrängt?

Diese Frage scheint zuerst nicht so sinnvoll zu sein, wo wie wenn man fragt „Warum unterschlägt ein Präsident von Bayern München 28,5 Millionen Euro?“. Aber vom Prinzip her müsste bemannte Raumfahrt viel billiger als die unbemannte sein. Warum?

Nun Raumfahrt ist aus einigen Gründen teuer. Wenn wir mal vom Start selbst absehen, der ja schon teuer ist sind auch die Nutzlasten ziemlich teuer und hier liegt es an den Umständen:

Die Satelliten und alle Experimente, Untersysteme bis hin zum Level einer Schraube oder eines Transistors müssen über lange Zeit störungsfrei funktionieren oder wenn sie ausfallen muss für Redundanz gesorgt sein, denn eine Reparatur oder nur ein Austausch ist nicht möglich.

Dazu ist die Hardware hohen Temperaturschwankungen, Schwerelosigkeit, einem Vakuum und kosmischer Strahlung ausgesetzt. Das führt dazu, dass man oft neue Lösungen braucht, weil Bauteile die auf der Erde eingesetzt wird unter diesen Bedingungen viel schneller ausfallen. Man denkt daran an Elektronik, aber auch normale Solarzellen verlieren im Weltraum in 6 Monaten die Hälfte ihrer Leistung. Man braucht spezielle für Satelliten.

Wie sieht es nun aus wenn wir Experimente nicht in einen Satelliten einbauen sondern in eine Raumstation? Es vereinfacht sich vieles, denn nun ist man in einem druckdichten Zylinder. Die Hülle absorbiert die meisten kosmischen Strahlen, denn die Astronauten müssen auch vor ihnen geschützt werden. Die Atmosphäre sorgt dafür das kein Vakuum herrscht und weil Menschen drin leben sind die Temperaturen geregelt und liegen um Zimmertemperatur. Nur die Schwerelosigkeit bleibt, könnte aber durch Rotation der Sonde auch abgestellt werden.

Wenn etwas ausfällt, dann ist nun jemand da der das reparieren kann und Ersatzteile kann man mit einem Transporter hochschicken. Vor allem eben braucht man keine teure weltraumqualifizierte Hardware. Das ist nicht nur in der Theorie so, sondern auch in der Praxis. Vor vielen Jahren habe ich mal einen Artikel über die Computer auf der ISS gelesen. Nicht das zentrale Computersystem der Station, sondern die Rechner die die Astronauten nutzten. Das waren „normale“ Thinkpads von IBM (damals noch nicht an Lebovo verkauft). Man hatte nur Nicht benutzte Anschlüsse versiegelt und elektrisch auf Masse geschlossen. er einzige Nachteil ist dass man nicht nur den Satelliten in den Orbit bringen muss, sondern auch die Besatzung bzw. eine Raumstation. Allerdings ist zumindest bei wissenschaftlichen Nutzlasten der Start das preiswerteste.

Also im Prinzip müssten sich die Erforschung von der unbemannten auf die bemannte Raumfahrt verschoben haben und Forscher müssten sich reißen auf der ISS Experimente durchzuführen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Warum?

In der Tat gab es ja nicht wenige Versuche bemannte Missionen für die Wissenschaft zu nutzen. Schon die ersten Mercury Missionen hatten kleine wissenschaftliche Experimente. Das wurde auch bei den Gemini Missionen beibehalten. Doch es waren wenige und die Mission stand im Vordergrund. Bei Apollo war die Hauptaufgabe aber die Experimente auf dem Mond zu installieren, die dann länger funktionierten als die Apollomissionen. Die ALSEP Experimente wurden erst 1977 abgeschaltet, um Kosten zu sparen. Die Astronauten waren nur Gepäckträger und Installateure.

Die erste wirkliche Mission in der die Wissenschaft im Vordergrund stand war Skylab. Die Astronauten arbeiteten pro Tag rund 8 Stunden an den Experimenten. Fast 100 gab es an Bord der Station. Das Arbeitspensum erstaunt, sind dies doch bei drei Astronauten 120 Stunden pro Woche. Der Rekord bei der ISS beträgt bei 6 Astronauten dagegen derzeit 37,5 Stunden. Auch hinsichtlich der Untersuchungen kann Skylab mithalten. Die NASA nennt 100 pro Jahr bei 6 Personen. Skylab hatte 82 Experimente mit 270 Untersuchungen (die NASA spricht bei der ISS leider nur von >100 Investigations, was keinen Rückschluss erlaubt) und war nur ein halbes Jahr in Betrieb.

Die Space Shuttles hatten dann die Möglichkeit erstmals die Experimente zu wechseln und verschiedene Spacelabflüge durchzuführen. Doch da die Fähren nur für Kurzzeitmissionen ausgelegt hat war dies relativ unwirtschaftlich. Doch auch bei den Shuttles war man effizient. Von 6-7 Mann Besatzung waren vier für die Experimente zuständig die im Schichtbetrieb jeweils 12 Stunden daran arbeiteten.

Nicht vergessen sollte man noch das Militär, das schon immer die bemannte Raumfahrt nutzen wollte. In den USA gab es Pläne die Gemini Kapseln für Aufklärungsmissionen zu nutzen wobei man im verwegendsten Konzept den zweiten Sitz durch eine Kameraausrüstung ersetzt hätte die der dann noch einzige Astronaut bedient hätte. Später kam dann noch die Idee einer eigenen Raumstation für diesen Zweck. Immerhin in Russland hat man dies auch durchgezogen. Drei der Saljut Stationen (Saljut 2,3 und 5) waren rein militärischer Natur. In den damaligen Zeiten als man Aufnahmen auf Film machte war der Vorteil offensichtlich: Die Besatzung konnte hochauflösende Kameras dann bedienen wenn man auch was fotografieren konnte. Sie konnte Film auswechseln und eingreifen wenn Film hängen blieb oder es andere Probleme gab.

Bei der ISS gibt es dagegen keinen Run auf die Station. Nach dem letzten Bericht sind von den US-Möglichkeiten nur 75% intern und 40% extern genutzt. Und das vier Jahre nach Fertigstellung der Station. Also viel Platz noch übrig. Ich denke nicht das es an Crewzeit fehlt auch wenn ein Report amn das GAO von der NASA vorrechnet, dass die Besatzung derzeit so mit Routineaufgaben zugekleistert ist, das ein siebter Mann das Kontingent für die Forschung nicht um ein Siebtel, sondern satte 94% erhöhen würde. Bei mehr Experimenten müsste man dann eben die Prioritäten richtig setzen. Warum gibt es dann nicht den großen Run? Bisher ist die Forschung eher unspektakulär an Bord der ISS. Eher gibt es Promotionsaktionen wie das Aussetzen von Cubesats oder die (zweimal gescheiterte) Installation von übers Internet bedienbaren Kameras an der Außenseite. Das Problem der ISS ist, das sie in einer Umlaufbahn ist die niemanden nützt und nur die Nutzlast maximiert. Erdbeobachtungssatelliten sind in sonnensynchronen Umlaufbahnen die höher sind (600 bis 800 km), vor allem aber über 90 Grad geneigt. astronomische Satelliten kommen noch mit der Umlaufbahn zurecht, auch wenn für bestimmte Typen es besser ist, wenn sie weit weg von der Erde sind. Doch hier stören die durch die Besatzung induzierten Schwingungen der Station. Außer der Erforschung des Menschen oder Tieren/Pflanzen die ja nur wegen der bemannten Raumfahrt möglich ist, bleibet dann nur noch die Werkstoffforschung als sinnvoller Einsatz übrig.

Nun es gab ja mal den Versuch die Vorteile eines bemannten Systems zu nutzen. Anfang der Achtziger konzipierte man Satelliten zum Teil so, dass man sie im Orbit reparieren konnte, was bei Solar Max und Hubble auch geschah. Doch weil diese Einsätze von Space Shuttles teuer waren beließ man es bei diesen beiden. Dazu kommt, dass die heutige ISS in einem Orbit ist, das selbst wenn man Satelliten auf diese Weise warten könnte, die meisten unerreichbar sind (s.o.). Eventuell wäre es sinnvoll, wenn man einen billigen bemannten Zugang bekommt. So könnte man eine Ministation (gerade groß genug um die Besatzung für einige Tage unterzubringen im SSO und GEO starten und wenn ein Satellit ausfällt dann mit einer Dragon Ersatzteile. Wenn der Satellit so ausgelegt ist, dass man ihn reparieren kann, dann könnte sich das lohnen. Ein CRS-Start wird derzeit mit 133 Millionen Dollar bezahlt, wenn man für denselben Preis bemannt starten könnte, dann würde es sich lohnen auf diese Weise einen oder zwei Satelliten pro Mission zu reparieren, mit neuen Instrumenten versehen und aufzutanken. Beim GEO Orbit ist der Aufwand größer (Geschwindigkeit) während Telekommunikationssatelliten preiswerter (bezogen auf dei Startmasse) als Beobachtungssatelliten sind. Hier müsste man die Wirtschaftlichkeit genau ausrechnen.

Gegen die ISS selbst spricht neben ihrer Bahn auch der bürokratische aufwand. Zwar hat die ISS den Vorteil dass die Forschung dort billiger ist – man muss nicht erst einen Satellit Drumherum bauen und den genehmigt bekommen, aber der Etat für Forschung ist klein (225 Millionen Dollar, der 3 Milliarden Dollar Kosten nur auf NASA Seite) und bedingt durch die Größe der Station die vielen beteiligten Partner und Zentren dauert es ziemlich lange bis man ein Experiment oben hat und selbst dann ist nicht garantiert wie lange es dort bleibt oder ob es die Betreuung bekommt die man braucht. Auch dies müsste man bei einer reinen Reparaturstation verändern. Eher wird es aber anders laufen, dass der letzte Punkt, der heute noch bemannt durchgeführt wird, die Werkstoffforschung auch unbemannt durchgeführt wird und die Menschen nur noch zu Stippvisiten kommen um Proben zu bergen und tauschen. So wird es wohl auch in Zukunft nix mit der Synergie von bemannter Raumfahrt und Forschung.

5 thoughts on “Warum ist bemannte Raumfahrt so teuer und hat nicht die unbemannte Raumfahrt verdrängt?

  1. Eigentlich muss man doch auch Materialforschung automatisieren können. Man könnte z.B. mehrmals im Jahr eine Forschungsplattform mit der Masse des ATV starten. Sie stellt Strom zur Verfügung, führt Wärme ab und übernimmt die Lageregelung. Experimente können vor dem Start installiert werden, nachdem sie durchgeführt wurden, wird die Plattform zum Absturz gebracht.
    Vorteile:
    -kein man-rated nötig
    -Betreuerstab am Boden ermöglich 24h Überwachung->bessere Anlagennutzung, außerdem könnten die Enwickler ihr Experimente selbst betreuen statt diese Aufgabe Astronauten zu überlassen
    -bei regelmäßigen Starts Serienfertigung->Kostenverringerung
    -wegen der hohen Maximalmasse sollten auch Experimente möglich sein, die sonst nicht durchkommen würden (sowohl sehr große als auch sehr kleine Experimente, welche vielleicht durch die Relevanzkriterien fielen)
    -verschiedenste Bahnen können gewählt werden

  2. Für die Materialforschung ist vor allem die Probenrückführung wichtig. Schließlich will man das Ergebnis der Experimente genauer auswerten. Die Bahn ist dabei eher unwichtig, was zählt ist die Schwerelosigkeit. Und die wird mit jeder Bahn erreicht, auf der die Kapsel lange genug oben bleibt. Bei einigen Experimenten wäre auch ein Vakuum nützlich, was mit einer ferngesteuerten Luke erreichbar wäre.
    Im Prinzip wäre eine unbemannte Sojus ohne größere Umbauten dafür geeignet. Dann kommt auch die Serienfertigung zum Tragen, selbst bei wenigen Starts. Da keine Besatzung überleben muß, wäre auch eine Dragon-Kapsel möglich. Aber da SpaceX diese Möglichkeit nicht anbietet, ist dafür wohl eher kein Bedarf vorhanden.

  3. Für solche Experimente gibt es Höhemforschungsraketen, wenns länger dauernd soll eine Fotonkapsel oder ein Dragonlab (seit 7 Jahren im Startmanifest von Spacex, konstant 2 Jahre in der Zukunft).

    Es gab auch Ideen kleine Raumstationen zu bauen die man nur besucht um Proben auszuwechseln. Die CNES z.b. die Raumstation „solaris“ in den frühen achtzigern

  4. Niels Harksen hat vollkommen recht – und die von Bernd genannten Höhenforschungsraketen decken genau diesen Markt auch ab.

    Bei der Erdbeobachtung im SSO bleibt sogar jede Menge Nutzlastkapazität ungenutzt. Früher startete hierfür ja immer gleich eine ganze Ariane 5, die 11 bis 13t oder so ins SSO wuppen könnte, aber höchstens 8,Xt (Envisat) real dabei hatte. Auch die Vega war ins SSO noch nie annähernd ausgelastet, und die Falcon 9 von Vandenberg auch nicht. Fazit: Es ließe sich mit vergleichbar wenigen Mitteln regelmäßige Starts (z.B. eine Sojus pro Jahr für Schwerelosigkeitsexperimente, die Objekte zur Erde zurückbringen sollen; ein Vega-Start pro Jahr ins SSO für Erdbeobachtung) finanzieren, um die Schwerelosigkeitsforschung und Erdbeobachtung allen interessierten Uni-Instituten zugänglich zu machen.

    Kai

  5. Na ja so einfach ist es nicht. Bei ariane 5 wäre als Beispiel wohl eher Helios anzubringen. Weil dies ein Militärsatellit ist denn man vom CSG aus starten wollte musste sogar Ballast mitfliegen. Die Vega ist noch in der Erprobung, die Nutzlast wird größer werden, es ist ziemlich selten dass man sie voll ausschöpft. Die Vega kann immerhin mit der Vespa (ja so heißt das Ding und es ist kein Motorroller) unterschiedliche Bahnen anfliegen.

    Die Falcon 9 ist völlig am Markt vorbeigeplant. Für GTO Transporte zu wenig Leistung, für ISS und SSO Transporte viel zu groß. Aber das gehört nicht zum eigentlichen Thema ….

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