Bitte das Glas nicht ganz so voll…

Heute will ich mich wieder einem theoretischen Thema widmen, einer weiteren Methode eine Rakete der Nutzlast anzupassen. Das Problem ist bekannt: Nutzlasten sind unterschiedlich groß und wenn sie nur einen Teil der möglichen Maximalnutzlast der Rakete benötigt wird der Start unnötig teuer. Bei Arianespace ist das ein Problem, da es zunehmend schwieriger wird mit der Ariane 5 Doppelstarts durchzuführen. Für die US-Regierung ist es ein Problem, weil im Arsenal einige Lücken klaffen, so gibt es keinen Träger zwischen 1,7 und 5,5 t LEO Nutzlast. Nun gibt es einige Möglichkeiten eine Rakete diesen Anforderungen anzupassen. Das bekannteste ist es Booster anzumontieren. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür: Die Delta, die Atlas II Serie, Ariane 4. Eine zweite, heute unübliche Möglichkeit ist es die Oberstufe auszutauschen. Meist ist es so, dass man hier nicht viel Geld sparen kann. Doch in der Vergangenheit war dies sehr populär, z.B. Die Atlas mit verschiedenen festen Oberstufen, Agena und Centaur. Eine dritte Möglichkeit will ich heute vorstellen und untersuchen. Sie wurde nur einmal eingesetzt und zwar bei der Ariane 4, doch auch hier nicht in Reinform. In abgewandelter Form gibt es das Konzept auch bei der Atlas III und V. Bevor sie weiterlesen, überlegen sie mal was es sein könnte … Ich spreche vom Propellant off-loading und dem gleichzeitigen Weglassen von Triebwerken. Das Prinzip ist relativ einfach: wenn ich eine Rakete mit sehr vielen Triebwerken habe und ich benötige nicht die ganze Nutzlast, dann kann ich einige Triebwerke ausbauen und dafür den Treibstoffvorrat reduzieren. Das geht natürlich nur, wenn es genügend Triebwerke gibt, bei einem oder zwei Triebwerken geht es kaum. Zudem muss auch die Geometrie stimmen. Bei drei Triebwerken in einer Reihe kann man leicht eines oder zwei weglassen, bei 5, angeordnet in Würfelform eines, zwei, drei, vier.  Bei vieren ist es dagegen so, dass der Schub dann nicht mehr Punktsymmetrisch zum Schwerpunkt verlläuft. Der Vorteil: Die Triebwerke sind das teuerste an der Rakete. Die Einsparung ist daher signifikant. Denkbar ist auch der Einsatz bei einer Oberstufe, doch haben die meist nur ein Triebwerk und hier würde das Weglassen von Treibstoff die Nutzlast stärker absinken lassen als bei der ersten Stufe. Denn mit weniger Triebwerken muss die Rakete leichter werden. Bisher gab es nur zwei Umsetzungen, beide nicht in Reinform. Bei der Ariane 4 hat man die Erststufe gegenüber der Ariane 1-3 um 50% verlängert. Ohne Booster kann dann die Rakete gar nicht mehr abheben. Bei den Versionen mut keinen Boostern oder nur zwei musste man daher Treibstoff weglassen. Bei einer Ariane 40 war sie daher nur mit 165 anstatt 226 t Treibstoff betankt. Bei der Atlas V gibt es die Single Engine und Double engine Centaur. Hier ist aber die Single engine Standard und die Double engine braucht man nur bei sehr schweren Nutzlasten die ind en LEO gehen, da die bei der größten Atlas Version fast so viel wie die Stufe selbst wiegen können. Einen Einsatz der DEC-Version gab es noch nicht, das könnte sich mit den Crewtransporten ändern. Heute am einfachsten einzusetzen wäre es bei der Falcon 9, die ich als Basis für eine Simulation nehmen werde. Das ganze muss spekulativ sein, aber es geht nur um ein Beispiel. Als Basis nehme ich die von mir geschätzten Werte der Rakete. Dazu kommen folgende annahmen:

  • Das Weglassen eines Triebwerks reduziert die Leermasse um 700 kg
  • Das Weglassen eines Triebwerks reduziert die Startmasse um 56 t, dies erfolgt durch Weglassen von 55,4 t Treibstoff in der ersten Stufe
  • Die Geschwindigkeit diue nötig ist um den Orbit zu erreichen ist die gleiche wie bei der Falcon 9
  • Nutzlast für 9 Triebwerke sind die 13.230 kg nach SpaceX Angaben in einen Orbit mit v=7800 m/s.
Triebwerke Nutzlast
9 13.230 kg
8 11.350 kg
7 9.440 kg
6 7.510 kg
5 5.550 kg
4 3.590 kg

Wie man sieht fällt die Nutzlast um 1,9 bis 2 t pro weggelassenem Triebwerk. Mit vier Triebwerken in der ersten Stufe und einem in der zweiten hätte diese „Falcon 4“ die Hälfte der Triebwerke der Falcon 9, aber nur ein Viertel der Nutzlast. Trotzdem lohnt es sich, wenn man die Nutzlastkapazität nicht braucht. So wird der nächste Start 6 Orbcomm Satelliten zu je 170 kg Masse in einen 750 km hohen 47 Grad geneigten Orbit entlassen – die Nutzlast der Falcon 9 in diesen Orbit müsste um die 10 t betragen, doch die Satelliten wiegen gerade mal etwas mehr als eine Tonne. Eine Kostenabschätzung ist schwierig. Nach SpaceX Angaben kostet die erste Stufe 70% des Starts. Die Triebwerke dürften das teuerste daran sein. Nimmt man eine Verteilung von 1/3 für Strukturen und 2/3 für Triebwerke an, so würde jedes weggelassene Triebwerk den Start um 5,2% verbilligen. Rechnet man noch die Kosten für den weggelassenen Treibstoff (1 Dollar pro Kilogramm) oben drauf, denn man weglassen kann so sind es 6%. Wie bei auch der Verwendung von Boostern: die größte Version ist die kostengünstigste pro Kilogramm, trotzdem würde die 4-Triebwerke Version für den Orbcomm Start ausreichen (geht man unter vier Triebwerke so wiegt die erste Stufe weniger als die zweite und die Brennzeit wird arg kurz) rund 30% der Startkosten einsparen. Man könnte noch weiter gehen, und dann auch die Tanks verkürzen, sinnvoll wenn sie aus Segmenten bestehen, dann kommt man zu dem modularen Raketenkonzept, dass ich mal skizziert habe. Dann wäre auch die Nutzlasteinbuße nicht so hoch. Würde die Falcon 9 zwei Triebwerke in der Oberstufe einsetzen so wäre auch daran zu denken hier Treibstoff wegzulassen und dafür eines Triebwerke. Da die Oberstufe für die Nutzlast entscheidend ist, sinkt dann die Nutzlast eher noch stärker ab. Die Ideale Rakete für dieses Vorhaben wäre übrigens die Saturn I gewesen: sie hatte acht Triebwerke in der ersten und sechs in der zweiten Stufe.

3 thoughts on “Bitte das Glas nicht ganz so voll…

  1. Das Weglassen von Triebwerken ist bei SpceX ein Problem, da durch die Reduzierung die EnginOut-Fähigkeit nicht mehr gegeben sein wird. Durch die bisherigen Erfahrungen mit je nach Sichtweise „Unregelmäßigkeiten“ oder Explosionen von Triebwerken würde das dann immer zu Verlust der Nutzlast führen. In Summe ist es wohl nicht wirtschaftlich für SpaceX.
    Bei den Raketen mit zuverlässigen Triebwerken, ist das ganze dann eher lohnend.

  2. Ich habe auch nur die Faclon 9 genommen um ein aktuelles Beispiel zu haben, weil bei der Saturn I als Beispiel sofort jeder nach der Rakete gefragt hätte.

    Es geht aber prinzipiell um das Konzept an sich.

  3. Ich denke mit der F9 Heavy wird das Spiel noch ganz anders aussehen, vor allem dann wenn man mit den Startstufen zurückkehren kann und die Booster in der Lage sind einen Teil ihres Treibstoffes zur Hauptstufe zu Pumpen.
    In dem Fall kann man als erstes die Booster oder auch nur einen Booster nicht voll mit Treibstoff füllen.
    Da man z.B. bei 70% der Maximalnutzlast nicht alle Triebwerke benötigt werden, kann an verschiedenen Stellen Treibstoff oder Triebwerke weglassen. Selbst wenn man z.B. von den Boostern nur je 5 Triebwerke benötigte, kann man mit allen Starten, in der Startphase in der unteren Atmosphäre genau soviel Triebwerke einsetzten das die Gravitations- und Widerstandverluste durch die Luftreibung minimiert würden und hätte noch erheblich mehr Redundanz bei einem Triebwerksausfall. Ich kann mir sogar vorstellen das man zwar mit beiden Boostern startet, aber einen früher abtrennt.

    Aber gut, ich denke Bernd kann das besser durchrechnen

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