Ein Weihnachtsgeschenk von der NASA

Ich habe mir vorgenommen zwischen den Jahren mal wieder einiges zu aktualisieren. den Anfang machte ich mit DSCOVR, der Raumsonde die im Januar zum Start ansteht. Der Aufsatz dürfte morgen online gehen. Bei der Recherche bin ich auch über etwas gestolpert, das sicher für viele die auch mal Missionen nicht nur zum Mars sehen wollen ein Weihnachtsgeschenk ist: es gibt wieder Bewegung beim Europa Orbiter.

Es gab schon eine Überraschung als bei der Genehmigung des letzten NASA Haushaltes das Projekt 100 anstatt der beantragten 15 Millionen Dollar bekam, die größte Steigerung (zumindest prozentual) aller Programme, aber auch absolut. Ich habe eigentlich gedacht das die Sonde niemals kommt. Der Europa Orbiter wird als Projekt so seit fast zwei Jahrzehnten prognostiziert. Er wird aufgrund der Anforderungen eine Flagship-Mission sein und eine solche leistet sich de NASA nur einmal pro Jahrzehnt. Die letzten drei waren Galileo, Cassini und Curiosity. Der Europa Orbiter wird wie der Titan Orbiter seit Cassini als Nachfolgeprojekt gehandelt und mit dem Beschluss ein zweites mobiles Marslabor zu bauen, scheint seine Zukunft noch unsicherer zu sein, bzw. wenn, dann kommt er noch später. Es gab nicht wenige Indizien, dass die NASA das Projekt ganz fallen lässt, auch weil Europa mit JUICE eine ähnliche Mission plant. Man hatte ja schon die Planung von einem echten Orbiter auf eine Vorbeiflugsonde umgestellt – nur Vorbeiflüge macht auch JUICE, nur nicht ganz so viele.

Am 23.12 wurde bekannt, dass die NASA in diesem Jahr eine Ausschreibung für Konzepte gab, die Mission entscheidend billiger zu machen. Die Kosten waren schon immer der Knackpunkt. Die NASA hat darauf reagiert indem sie die Mission von einem echten Orbiter auf eine Vorbeiflugsonde umstellte. Das reduziert den Treibstoffbedarf und die Strahlenbelastung. Trotzdem ist es noch eine Multimilliardenmission. Seitens des Senates gab man Bolden schon seit einigen Jahren den Hinweis, dass man die Kosten soweit drücken müsste, das eine „1“ vor dem Komma da steht, also bei 1 bis 2 Milliarden. Bolden meinte mehrfach in Interviews, dass die NASA das könnte, doch selbst die neueste Mission hat ein Preisschild von 2,1 Milliarden Dollar.

Nun versucht die NASA bei der Mission das gleiche wie in der bemannten Raumfahrt. Sie hat eine Ausschreibung gestartet, in der die Industrie die Raumsonde eigenverantwortlich baut und startet. Die NASA ist nur beteiligt durch Lieferung der Experimente und nach dem Start, wenn die Mission durchgeführt wird. Die Industrie liefert die Raumsonde „schlüsselfertig“ in den Jupitertransferorbit ab, hat dafür aber auch das Kostenrisiko zu tragen. Bei dem COTS Programm funktionierte dieses Konzept sehr gut. Aus den Vorschlägen der Industrie hat man im Juni drei ausgewählt, die mit jeweils 1,1 Millionen Dollar ein detailliertes Konzept ausarbeiten konnten. Mit den 100 Millionen Dollar sollen nun diese Konzepte bis zum Abschluss der Phase A weitergeführt werden und dann eines gewählt werden. Gleichzeitig werden damit Vorentwicklungen für Experimente finanziert.

Man weiß leider sehr wenig über die Randbedingungen. Seitens der NASA gab es nur folgende Angaben:

  • Nutzlast: >120 kg, Stromverbrauch >80 Watt
  • Gesamtkosten (Industriepart ohne Experimente und Missionsdurchführung aber mit Startservices): <1 Milliarde Dollar
  • Transferphase bis zum Jupiter: maximal 5 Jahre
  • Betriebszeit in einem Europa-Orbit mindestens 90 Tage, bei Vorbeiflügen mindestens 25 in einer Distanz von <3000 km.
  • Datenvolumen von Jupiter zu einer 70 m Antenne: mindestens 2 Gbit/Tag

Die NASA hat Vorschläge von Lockheed-Martin, Ball Aerospace und SpaceX selektiert. Auch über die gibt es nur wenige Informationen, vorwiegend in Foren, sodass man eine gewisse Skepsis haben soll.

Lockheed Martin will eine Sonde bauen die stark an das letzte NASA Konzept aufbaut. Das verwundert nicht, war LM doch bisher auch an der NASA Planung beteiligt. Die Kostenersparnis kommt hier durch drei Faktoren zustande: Keine Verzögerungen und Zusatzarbeit durch Beteiligung von Behörden, Ersatz der MMRTG durch die von LM und dem GSFC fast zu Ende entwickelten SRG, die auf dem Stirling Motor basieren und so viermal weniger Plutonium brauchen (das alleine macht einen Betrag von rund 200 Millionen Dollar aus) und Start mit einer Atlas 401 und drei Vorbeiflügen an Venus und erde anstatt zwei wie beim NASA-Referenzdesign.

Ball Aerospace ist deutlich innovativer. Es ersetzt die nukleare Stromversorgung durch einen thermodynamischen Zyklus. Bei diesem nach dem Prinzip des Carnot-Zyklus verdampft die Sonne ein Kühlmittel im Brennpunkt eines Parabolspiegels und dieses Gas treibt eine Turbine an welche Strom erzeugt. Dabei wird es verflüssigt und erneut in den Brennpunkt geleitet. Der Wirkungsgrad beträgt wie bei den SRG 30%. Um bis zum Jupiter zu kommen, wird man aber drei Systeme mit unterschiedlichen Flussmitteln einsetzen müssen: vorgesehen sind Wasser, Freon und Methan. Das ist nötig, weil bei Jupiter bis zu -90°C herrschen und dort nur Methan als Arbeitsmedium in Frage kommt. Das Konzept von Ball Aerospace kommt ohne Fly-Bys aus, stattdessen will man die in Erdnähe reichlich vorhandene Überschlussleistung nutzen und Ionenantriebe einzusetzen. Sie bringen die Sonde nicht nur in 4 Jahren zum Jupiter sondern senken auch den Geschwindigkeitsbedarf für das Einschwenken in den Orbit. Die Sonde soll mit einer Falcon Heavy gestartet werden.

Das SpaceX Konzept ist wie zu erwarten, das ungewöhnlichste. Nachdem die Firma schon ihre Dragon als Marssonde anpries, hat sie nun auch die Jupitersonde auf diesem Konzept aufgebaut. Die Raumsonde wird eine umgebaute Dragon Kapsel sein. Die Instrumente, die keinen direkten Kontakt zur Außenwelt brauchen werden in die Kapsel verfrachtet, so Kameras und Spektrometer die dann durch ein Fenster Jupiter beobachten. Ebenso die gesamte Elektronik. Die Anforderungen hinsichtlich Abschirmung und Thermalhaushalt sinken damit erheblich ab. Die anderen Experimente kommen in den Trunk. Die Stromversorgung geschieht mit zu entwickelnden leichtgewichtigen Dünnfilm-Solarzellen die wie eine Folie aufgespannt werden und fast 100 m² Fläche belegen sollen.

Natürlich wird die Raumsonde mit einer SpaceX Rakete gestartet, aber nicht mit einer Falcon Heavy. Vielmehr eine noch zu entwickelnde Rakete mit den Treibstoffen Methan/LOX und dem Raptor Triebwerk. Alleine zwei Drittel der Mittel sind für die Entwicklung dieser Trägerrakete und den Start vorgesehen. Die letzte Stufe soll angekoppelt bleiben und die Sonde dann auch in den Jupiterorbit bringen. Feinjustagen erfolgen dann mit den Treibstoffvorräten der Dragon. Dieses Konzept wird den Jupiter am schnellsten erreichen – in nur 2 Jahren.

Mehr und was jedes Konzept kostet gibt es nicht von der NASA. Doch alle drei lägen unter 1 Milliarde Dollar für den Industrieanteil. Damit erhöht sich die Chance das der Europa Orbiter endlich kommt. Geplantes Startdatum: vor 2022.

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