Warum es mit RAUS nicht klappt

Es war ja in die Münchhausen Kolumne einsortiert. Um so mehr hat mich überrascht dass man bei EADS/Airbus doch tatsächlich über das Oberstufenparken nachdenkt. Doch dazu später mehr. An und für sich klingt der Vorschlag den ich gemacht habe logisch, wie immer bei meinen Münchhausen Aufsätzen liegt der Fehler im Detail. Doch das ist ja öfters so, so klappen viele andere Dinge ja auch prinzipiell, sie sind nur nicht ökonomisch umsetzbar.

Ein paar Fakten: Um in eine niedrige Erdumlaufbahn zu kommen braucht man nur 7800 m/s Geschwindigkeit. Je nach geographischer Breite des Startorts muss eine Rakete davon 7400 bis 7600 m/s aufbringen. Für den GTO Orbit braucht man dann noch etwas mehr so ungefähr 10.200 bis 10.260 m/s je nach Höhe des Perigäums. Diese rund 2400 m/s mehr führen bei den Trägern zu einer Reduktion der Nutzlast um den Faktor 2,2 bis 2,8 abhängig von Treibstoffart, Stufenzahl und Stufenleergewicht. Das starke Absinken liegt auch daran, dass neben der Nutzlast auch die letzte Stufe zur „Bruttonutzlast“ zählt und deren Gewicht ist immer gleich. So wäre es logisch nur den Treibstoff zu transportieren. Noch dazu bei dem bei der Ariane Oberstufen verwendeten Kombination LOX/LH2, denn die hat nur eine spezifische Dichte von 0,35. Wasser, das Kondensationsprodukt, dagegen eine von 1. Daher wäre ein Wassertank dreimal leichter als der Oberstufentank. Das Triebwerk fällt auch weg also wäre doch alles super oder?

Äh eher nein. Ich habe schon mal meine Zweifel, dass es mit dem einfachen Bypass den ich vorgeschlagen habe funktioniert. Darüber hinaus würde wohl das Starten nicht funktionieren – das wird heute durch einen Tank mit Wasserstoffgas bewerkstelligt. Wasser ist zu wasserstoffarm, denn dort beträgt das Mengenverhältnis 1:8 (LH2/LOX), das Triebwerk arbeitet dagegen mit 1:6 als einem Wasserstoffüberschuss Die unterschiedlichen Dichten der Flüssigkeiten (0,069 und 1,14 g/cm³) führen zu unterschiedlichen Tankdrücken die natürlich mit unterschiedlichen Flussmengen korrespondieren. Natürlich ist es bei der Stufe auch nicht nur mit einem Adapter getan. Sie muss nach Beendigung ihrer Arbeit ja noch aktiv sein. So muss sie die Bahn weiter stabilisieren, damit sie durch die atmosphärische Reibung langsam das Apogäum abbaut, aber nicht das eh schon niedrige Perigäum – sonst verglüht sie schneller als einem lieb sein kann. Dann muss sie während des Ankoppelns stabilisiert sein, denn an eine torkelnde Stufe kann man nicht ankoppeln. Die automatische Kopplung klappt ja, das beweisen ATV und Progress. Ich habe aber Zweifel das dies wirtschaftlich ist.

Der eigentliche Knackpunkt ist aber das ich komplett die Rechnung weggelassen habe, wie viel Energie man braucht um wie in dem Szenario in einem bis zwei Monaten den GTO zu erreichen. Eine Ariane 6 Oberstufe wird derzeit mit 30 bis 36 t Treibstoff geplant. Diese Menge braucht man auch beim Wiederauffüllkonzept, eher mehr, weil ja noch die Tanks der Auffüllstufe und die Elektrolyseanlage und der Stromgenerator transportiert werden. Ein kleiner Blick in ein Standardwerk für anorganische Chemie zeigt das die Bildungsenthalpie von Wasser 268,8 kJ pro Mol (18 g) beträgt. Bei 36.000 kg Treibstoff sind das dann 537600 MJ. Ein 10 KW Stromgenerator, wie ihn große Kommunikationssatelliten haben, bräuchte 53,76 Millionen s um diese Strommenge zu produzieren, das sind 622 Tage. Darin ist nicht berücksichtigt, das die Elektrolyse keinen Wirkungsgrad von 100% hat, es Zeiten im Erdschatten gibt und man wegen des anderen Verhältnisses von LOX/LH2 im Vinci mehr als 36 t Treibstoff aufspalten werden muss (der Sauerstoff wird dann teilweise nicht genutzt). Würde man es in einem Monat schaffen wollen bräuchte man 207 kW Leistung (immer noch ohne die oben  gerannten Verluste) und die würden bei einem typischen Flächengewicht von 80 W/kg rund 2,6 t wiegen.

Der grundsätzliche Fehler ist aber ein Denkfehler: es ist unsinnig elektrische Energie in chemische Energie umzuwandeln. Es ist viel effektiver dann mit der elektrischen Energie gleich ein Arbeitsmedium zu ionisieren und in einem elektrischen Feld zu beschleunigen, also ein Ionentriebwerk einzusetzen. Das hat den zehnfachen spezifischen Impuls, aufgrund des Logarithmus in der Ziolkowski Gleichung braucht man beim zehnfachen Impuls nicht ein Zehntel des Treibstoffs sondern viel weniger. Bei rund 14 t Bruttomasse im GTO-Orbit dient ein Großteil des Treibstoffs dazu den restlichen Treibstoff mitzubeschleunigen. Ein Ionenantrieb würde nicht 36 t Treibstoff beim zehnfachen Impuls brauchen sondern nur 800 kg, wäre also viermal effizienter.

Man könnte auch Wasser als Arbeitsmedium nutzen, z.B. in Plasmatriebwerken. Diese erreichen zwar nicht die hohen spezifischen Impulse von Kaufmann- oder Hal-Effekttriebwerken aber immerhin noch mindestens den doppelten von LOX/LH2.

Zuletzt noch zu dem Link von kay (http://www.ingenieur.de/Branchen/Luft-Raumfahrt/Airbus-denkt-ueber-Parkhaus-im-Orbit-fuer-Raketen-Oberstufen). Soweit ich diesen verstehe, ist damit etwas anderes gemeint: man will Nutzlast und Oberstufe getrennt starten und zuerst die Oberstufe parken und dann die Nutzlast ankoppeln. Das Konzept halte ich für ausgemachten Blödsinn. Das eine ist das Oberstufe und Nutzlast unterschiedlich schwer sind. Bei Ariane 6 wird die Oberstufe rund vier bis sechsmal schwerer als die Nutzlast sein. Das bedeutet man müsste mit der Nutzlast Treibstoff transportieren und umtanken – nicht wenig aufwendig. Die Bahn in 1500 km Höhe ist viel zu hoch. Eine voll betankte Oberstufe hat ein relativ günstiges Masse/Oberflächenverhältnis, sollte also nur langsam an Höhe verlieren. In 1500 km Höhe hat sie eine viel zu lange Lebensdauer (Gefahr von Weltraummüll) und man braucht auch viel Energie um sie erst dorthin zu befördern. 400 km wären besser, da würde sie 1-2 Jahren zur Erde zurückkehren, ein Zeitraum in dem sowieso der ganze Treibstoff verdampft ist. Die nötige Isolation wäre auch eine Herausforderung. Derzeit kann man den Treibstoff einige Stunden lang kühl halten. Vor allem der Wasserstoff dürfte problematisch sein und eine Sonnenschutzschild und eine Rückverflüssigungsanlage würden die Masse doch sehr erhöhen. Die Kosten ebenfalls.

Vor allem ist der Nutzen doch begrenzt: Ariane 6 wird von einem Vulcain angetrieben, das steht fest. Wenn man nun die Größe der Zentralstufe verkleinert spart man etwas an den Strukturen aber sonst nichts. Schon im derzeitigen Konzept will man ja zwei oder vier Booster einsetzen und damit 6,5 und 10 t Nutzlast erreichen. Wenn man die Nutzlast um 60% durch zwei preiswerte Booster erhöhen kann, warum sollte man das komplexe Szenario eines Mehrfachstarts für eine Nutzlast angehen?

4 thoughts on “Warum es mit RAUS nicht klappt

  1. Hallo,

    ich hatte das mit der geparkten Oberstufe erst als so eine Art Schlepper zwischen LEO und GTO verstanden.

    Wenn das aber nur dienen soll die Nutzlast zu erhöhen, dann würde ich es wegen dem nicht lagerfähigen Treibstoff andersherum machen. Zuerst die Nutzlast im den LEO schicken, mit Rakete 2 dann die Oberstufe hinterher, hierdurch wäre die max. LEO Nutzlast der Ariane 6 auch die GTO Nutzlast. Aber ob 2 Ariane 6 dann wirklich billiger sind als eine Ariane 5 wird sich noch zeigen.

  2. Hallo Kay,

    Wenn es ein Schlepper wäre, dann muss man ja die Stufe wieder in den LEO bekommen, dafür braucht man auch Treibstoff. (außer man bremst passiv ab wie in meinem Vorschlag). In jedem Falle ist es dann wegen der langen Betriebsauer keine herkömmliche Stufe mehr.

    Die maximale LEO Nutzlast kann nie die GTO Nutzlast sein, weil der Treibstoff den man LEO transportieren kann nicht ausreicht um den GTO zu erreichen. Bei Ariane 5 liegt die LEO-Nutzlast z.B. bei etwa 24 t (0 Grad Bahn), GTO bei 10 t. Zwei Starts würden dann aber nur 20 t in GTO bringen nicht 24 t und das ist noch schön gerechnet ohne den Overhead für Ankopplung, etwas höhere Bahn etc.

    Die 1500 km Bahn ist für mich nicht verständlich. Die kostete alle 700 m/s Geschwindigkeit was die Nutzlast um rund 2 t absenken wird.

  3. Egal aus welcher seite man das betrachtet, macht es irgentwie keinen Sinn. Vermutlich hat der Reporter etwas falsch verstanden oder EADS wollte die Sache mit der gegenüber der Ariane 5 nun kleineren Ariane 6 schönreden, dass man mit diesem verfahren dann ähnliche Nutzlasten starten könnte wie vorher.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.