Der ESA Skandal

Seit Snowden im letzten Jahr den NSA-skandal aufdeckte rieeen ja die Negativ-Schlagzeilen nicht ab. Unsere Regierung scheint ja kein Interesse an der Aufklärung zu haben. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass der kürzlich entlassene Generalbundesanwalt nicht mal das Abhören der Kanzlerin verfolgen wollte. Schön, das er dafür über seinen Diensteifer Journalisten zu verfolgen, gestolpert ist.

Nun hat die NSA ihr Tun ja nicht eingestellt. Aber sie bemüht sich, das Verhältnis zu europäischen Regierungen zu normalisieren indem sie den Regierungen einige Ergebnisse des Abhören zukommen lässt. Leider sind darunter fast keine Erkenntnisse in Sachen Terrorismus. Auch die letzten Attentate sei es im Zug oder auf die Redaktion der Satirezeitschrift konnten nicht durch das Abhören verhindert werden. Stattdessen gewann man sehr viele Erkenntnisse über illegale Machenschaften europäischer Unternehmen. Diese umfassen vor allem Kartellverstöße wie Preisabsprachen, aber auch Subventionsbetrug und andere Vergehen. Einige Fälle wurden im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags präsentiert und ein Abgeordneter muss die wohl der Presse zugespielt haben. Ein Fall dürfte auch für Raumfahrtinteressierte interessant sein. Es ist die Absprache zahlreicher Firmen in der Raumfahrtindustrie um der ESA Geld aus der Tasche zu ziehen für Entwicklungen die völlig unnötig und überteuert sind.

Alles fing vor fast 20 Jahren an, als der Jungfernflug der Ariane 5 scheiterte. Sehr bald stand die Unglücksursache fest: man hatte Software von der Ariane 4 unverändert auf die Ariane 5 übernommen. Ein Wert erzeugte einen Überlauf und die Computer schalteten sich ab. Das war grob fahrlässig, zudem hatte man bezahlte Tests wie die Simulation des Aufstiegsprofils auf einem 3D-Tisch durch kostengünstigere Computersimulationen ersetzte. Das war Betrug. So war die Überraschung groß das die ESA nicht nur keine Regressansprüche anmeldete obwohl 4 Forschungssatelliten nachgebaut werden mussten sondern sogar für die Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung und einen weiteren Teststart zahlte. Dabei kostete die Ariane 5 Entwicklung schon mehr als geplant und war mehr als dreimal so teuer wie die Gesamte Entwicklung von der Ariane 1 bis 4.

Bei Aerospatiale, damals Hauptkontraktor des Entwicklungsprogrammes, kam man zu dem Schluss das man so viel Inkompetenz und mangelnde Kontrolle des Programms ausnutzen muss. Man verabredete sich mit den anderen beteiligten Firmen und offerierte seitdem der ESA nur noch Vorschläge für den Ausbau die teuer waren, aber die Nutzlast nur inkrementell steigerten.

Das erste war die Sylda-5. Für die Ariane 5 hatte man eine neue Doppelstartstruktur die Speltra entwickelt. Doch anstatt dass man diese einsetzte, ersetzte man sie durch eine gestreckte Form der Ariane 4 Doppelstartstruktur. Das einfache Strecken ließ man sich gut bezahlen. Der nächste Vorstoß scheiterte allerdings. Um die Nutzlast weiter zu steigern schlug man die EPS 14 vor: Anstatt 10 t sollten 14 t Treibstoff mitgeführt werden. Für wenige Hundert Kilo mehr Nutzlast hätte man die Tanks neu konstruieren müssen, damit die Struktur anpassen und die Brennkammer des Triebwerks neu konstruieren müssen – viel Aufwand für einen kleinen Effekt. Nur die deutsche Regierung war dafür zu begeistern, weil die EPS in Bremen gebaut wird.

Ein voller Erfolg war dagegen der Vorschlag der Industrie für die ECS-A. Es gab schon als man die Ariane 5 konzipierte einen Plan für eine kryogene Oberstufe, damals H10 genannt. Die ESA hatte allerdings die dumme, weil kostengünstige und stark die Nutzlast anhebende Vorstellung, einfach die Ariane 4 Oberstufe auf die Ariane 5 zu setzen und die Nutzlastverkleidung anzupassen. Das hätte 3 t mehr Nutzlast gebracht und kaum Kosten verursacht. Astrium (so hieß inzwischen der Raumfahrtkonzern, in dem die meisten europäischen Raumfahrtfirmen die an der Ariane beteiligt waren angehörten) hatte eine viel bessere Idee: Die neues Stufe würde denselben Durchmesser wie die Zentralstufe haben: 5,4 m. (die H10 der Ariane 4 dagegen einen von 2,6 m). Dadurch sind zum einen Neukonstruktionen der Tanks und des Schubgerüstes notwendig, vor allem aber ergeben sich eine ungünstige Geometrie. Der Wasserstofftank hatte so eine Linsenform und weil dann das Treibstoffschwappen viel stärker war, erfolgten Maßnahmen um seine Struktur zu verstärken. Der Erfolg war genau der den Astrium anvisierte: Man hatte einen lukrativen Auftrag, die Nutzlast stieg aber nur wenig an, weil das Trockengewicht um 200% anstieg, die Treibstoffmenge aber nur um 30%.

So waren weitere Maßnahmen nötig um die geplanten 10 t Nutzlast der Ariane 5 zu erreichen. Astrium schlug eine „einfache“ Anpassung des Vulcains vor. Das Vulcain 2 sollte 20% mehr Schub entwickeln und damit die 10 t Nutzlast die man für die Evolution Variante plante erreichen. Als man mit der Entwicklung begann, stellte man „urplötzlich fest“ dass man dafür die beiden Turbopumpen neu konstruieren musste und aus dem einfachen Upgrade war ein Millardenauftrag geworden. Wie bei der ersten Ariane 5 Version sparte man sich aber viele Tests und übersah so, dass man auch die Kühlung der Brennkammer verstärken musste – die Folgen sind bekannt, auch die erste Ariane 5 ECA scheiterte weil die Düse durchbrannte.

Wieder zahlte die ESA 700 Millionen Euro für Rettungsmaßnahmen und weitere Arbeiten am Triebwerk. Das musste Astrium dazu gebracht haben nun ins volle zu gehen. Man hob die Herstellungspreise an, und plötzlich brauchte Arianespace bei vollen Auftragsbüchern Subventionen der ESA um eine schwarze Null zu schreiben.

Als Nachfolge der ECA hatte man schon lange die ECB vorgesehen. Hier hatte man bei Astrium schon das Design richtig gemacht – nämlich genauso ungünstig wie bei der ECA. Sonst wäre ja der Nutzlastgewinn zu groß gewesen und man träumte schon von weiteren Aufträgen für das Vulcain 3 und neuen CFK-Boostern. Doch nun hatte man eine noch bessere Idee: Viel besser als eine neue Stufe ist ein komplett neues System, da viel mehr Arbeit anfällt. Man schlug Hopper vor. doch so wenige Jahre nach dem Erstflug der Ariane 5 wollte selbst die ESA nicht einen zweistelligen Milliardenbetrag in einen Raumgleiter investieren.

Nachdem so die Industrie 2008 beim ESA Gipfel erstmals mit ihrer Selbstbedienungsstrategie scheiterte und keine der beiden Entwicklungen die politische Mehrheit bekam bearbeitete vor allem Astrium und Snecma die französische Regierung. Ariane 5 wäre nicht mehr konkurrenzfähig, man bräuchte eine neue Rakete. SpaceX sollte mit seinen Preisen Arianespace und die europäische Raumfahrtindustrie in den Ruin führen. Damit hatte man Erfolg und Frankreich investierte eigenes Kapital in eine Konzeption der Ariane 6. Gleichzeitig wirkte die deutsche Industrie auf die deutsche Regierung ein. Das Ziel: 2011 sollten Ariane 6 und ESC-B Entwicklung gleichzeitig genehmigt werden: der finanzielle Doppelschlag denn beide Entwicklungen spülen Geld in die Kasse. Es gelang auch, doch anders als geplant. Der Ariane 6 Entwurf war zwar ökonomisch überzeugend, aber er bot wenig Spielraum Deutschland zu beteiligen weil die Feststoffbooster in CFK-Bauweise nicht zu der Technologiekompetenz deutscher firmen gehören. Umgekehrt meinte die französische Regierung man brauche nur eine neue Rakete, aber nicht auch noch eine neue Stufe. So gab es keine endgültige Zusage sondern nur eine vorläufige in der man weiter beide Konzepte untersucht.

Nachdem man so einige Hundert Millionen Euro für weitere Studien lockergemacht hatte, machte man das was man seit langem vorhatte: man veränderte den Entwurf so, dass auch die Deutsche Industrie was zu tun hat. Anstatt einem Feststoffbooster als erste Stufe wurde wieder eine kryogene Stufe eingeführt – mit dem Vulcain 2, nur mit 140 anstatt 188 t Treibstoff und 4 m Durchmesser. Was herauskam war eine gestreckte Ariane 5G mit doppelt so vielen Boostern und jeweils halber Treibstoffzuladung und der ESC-B Oberstufe, nun auf eine nutzlastbringende 4 m Durchmesser angepasst. Der Umweg über eine reine Feststoffrakete war nötig, weil sich sonst jeder gefragt hätte was der Unterschied zwischen Ariane 5 und 6 war. Gleichzeitig hob man die Startkosten von 91 auf 112 Millionen Euro an änderte aber nichts am Versprechen dass die neue Rakete viel billiger als die Ariane 5 sein würde.

Dieses Konzept wurde 2014 genehmigt und es ist schon wieder veraltet. Das neueste Konzept setzt nun eine zentrale Stufe mit 5,4 m Durchmesser ein – das ist nichts anderes als die Ariane 5G Erststufe und die Booster sind nun einfach die alten EAP, nur eben mit einem Segment anstatt zwei und dafür doppelter Zahl. Es soll im Juli 2016 abgesegnet werden – dann würde die ESA 3,8 Milliarden Euro für eine Kopie der ersten Ariane 5 Version mit doppelter Boosterzahl ausgeben. Wahrscheinlich feiert man schon seit Monaten in den Chefetagen von Airbus (so heißt inzwischen Astrium) durch.

Die Enthüllungen und die Tatsache das Arianespace letztes Jahr erstmals seit Jahren keinen Zuschuss brauchte und trotz aufgenommenen Flügen von SpaceX 40% mehr Umsatz machte, dürften wohl die Feierlaune trüben. Da könnte vielleicht doch jemand auf die Idee kommen, dass irgendwas in der Argumentation von Airbus nicht stimmen kann. Im Juli 2016 wissen wir mehr.

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