Mit der SLS zu Uranus und Neptun

Die letzten beiden Tage habe ich an meiner Software-Dauerbaustelle gearbeitet. Das ist ein Programm über ursprünglich Raketenberechnungen, inzwischen auch Bahnberechnungen. Die erste Version habe ich 1987 mit Turbo Pascal 3.02 unter CP/M geschrieben, nun etliche Betriebssysteme und Compiler später, werkele ich immer noch dran. Es ist wohl älter als viele Blogleser. Eine Dauerbaustelle ist es, weil ich immer wieder was dran mache und meistens aufhöre, wenn es meinen Bedürfnissen entspricht, es also ziemlich chaotisch ist. Einiges ist seit Jahren geplant, aber nicht fertig, so die Umstellung der Daten auf eine Datenbank und die dadurch sich ergebenden Möglichkeiten bei der Ausgabe als HTML und bei einer Aufstiegsberechnung. Das werde ich als Nächstes angehen.

Jupiter- UranusWas ich in den letzten zwei Tagen gemacht habe, war eine andere Lücke zu stopfen. Ich suchte seit Langem Formeln um die Reisezeit auf Hyperbeln und den Geschwindigkeitsvektor relativ zur Kreisbahn zu berechnen. Nun habe ich es auf den „Old-Style“ Weg gelöst: Über Newtons Gravitationsgleichung die Beschleunigung durch die Sonne als Vektor berechnet und dann über die Geschwindigkeit- und Wegintegration die Bahn berechnet.

Ein Ergebnis will ich gleich nutzen, und zwar ob es mit der SLS möglich ist, einen Orbiter in eine Bahn um Uranus und Neptun zu bringen. Mit dem klassischen Hohmann-Gleichungen ist es leicht, dafür das Ergebnis zu berechnen:

Planet

Startgeschwindigkeit

Ankunftsgeschwindigkeit

Reisezeit

Geschwindigkeitsdifferenz für 5000 x 10.000.000 km Orbit

Jupiter

14106 m/s

5643 m/s

2 Jahre 267 Tage

493 m/s

Saturn

15084 m/s

5443 m/s

6 Jahre 19 Tage

544 m/s

Uranus

15777 m/s

4660 m/s

16 Jahre 14 Tage

580 m/s

Neptun

16046 m/s

4054 m/s

30 Jahre 226 Tage

411 m/s

Pluto

16095 m/s

3910 m/s

35 Jahre 264 Tage

3121 m/s (@ 1000 km)

Dank der Größe und Masse der Riesenplaneten muss man relativ wenig abbremsen, um in einen Orbit zu gelangen. Die Höhe von 5000 km über der Planetenoberfläche (bei Pluto: nur 1000 km) habe ich zu Vergleichszwecken für die späteren Berechnungen gewählt, da man um so weniger abbremsen muss, je näher man dem Planeten kommt. Bei üblichen ΔV-Budgets von 1000 bis 1500 m/s wie sie Galileo, Cassini aber auch Venus- und Marssonden für ihre Bahnmanöver am Ziel haben, kann man selbst bei Uranus das Perigäum in eine sichere Entfernung über den Ringen legen. (in 100.000 km Entfernung z. B. bei Uranus mit der höchsten Annäherungsgeschwindigkeit 1130 m/s Abbremsung bei Uranus nötig). Bei diesen ganz nahen Bahnen ergibt sich zwangsläufig eine hohe Inklination, sonst würde man die Ringebene bei jedem Umlauf kreuzen, was erfahrungsgemäß den Raumsonden so gut tut wie ein Sandstrahler ihrem Auto.

Ab Uranus werden die Reisezeiten aber dann doch ziemlich lang. Sie sind in den letzten Jahrzehnten angestiegen. In den Sechzigern waren Raumsonden nach durchschnittlich einem halben Jahr am Ziel, die Voyagers brauchten für ihr zweites Ziel Saturn schon 4 Jahre und Messenger, Dawn, Rosetta und New Horizons sind jeweils fast ein Jahrzehnt unterwegs bis zum Ziel. Nehmen wir also mal an, das 10 Jahre Gesamtreisezeit heute die Fahnenstange eines erträglichen Zeitraums markiert.

Die SLS kann mit der Delta 4 DCSS 6,9 t auf 14,3 km/s beschleunigen (etwas mehr asls minimal benötigt, das gleicht die Inklinationsdifferenz bzw. Schwankungen der Abstände der Planeten aus, es würde aber auch bei optimaler Bahn die Reisezeit auf 1 Jahr 350 Tage verkürzen). Diese Angabe ist etwas unsicher, weil nach den Daten die ich von den ersten zwei Stufen habe, die SLS mit 70 t Nutzlast sehr hohe Aufstiegsverluste hat, 600 m/s mehr als die Ares, aber die genauen Stufendaten und Nutzlast hat die NASA auch noch nicht veröffentlicht.

Von Jupiter wird die Nutzlast dann auf eine Hyperbel beschleunigt. In weiteren 8 Jahren sollen dann Uranus und Neptun erreicht werden. Saturn habe ich ausgelassen, denn erreicht man schon ohne Gravity-Assist in 6 Jahren und Pluto ist so klein, dass er die Sonde nicht nennenswert abbremsen kann. New Horizons hatte nach 10 Jahren Reisedauer schon eine Relativgeschwindigkeit von 10 km/s zu Pluto, die kann man, wenn man eine nennenswerte Masse in den Orbit bringen will, nicht mit chemischem Treibstoff abbremsen.

Bei einer Reisezeit von 2920 Tagen (8 Jahren) ab Jupiter kommt man zu folgendem Ergebnis:Jupiter - Neptun

Planet

Startgeschwindigkeit

Ankunftsgeschwindigkeit

Reisezeit

Geschwindigkeitsdifferenz für 5000 x 10.000.000 km Orbit

Uranus

18703 m/s

3587 m/s

7 Jahre 362 Tage

358 m/s

Neptun

23438 m/s

13799 m/s

8 Jahre

4090 m/s

Die hohe Ankunftsgeschwindigkeit (Gesamtbetrag, relativ zum Vektor des Planeten auf der Kreisbahn) ergibt sich, wenn man die Abbildungen betrachtet. Bei Uranus nähert sich die Sonde in einem spitzen Bogen, ein Großteil der Geschwindigkeit ist daher parallel zu Planetenbewegung. Während bei Neptun die Bahn eine Hyperbel ist mit der Geschwindigkeit fast senkrecht zum Bewegungsvektor des Planeten (eine Tangente am Kreisbogen).

Mit 4090 m/s Geschwindigkeitsdifferenz bleiben bei einem spezifischen Impuls von 3150 m/s, das ist derzeit das Maximum bei druckgeförderten Antrieben mit NTO/MMH als Treibstoff bleiben noch von 6900 kg noch 1883 kg übrig, davon dürften bei normalen Strukturfaktoren von 7:1 noch 1046 kg übrig bleiben. Das reicht für einen kleinen Orbit, Galileo wog ohne Antriebssystem auch nur 730 kg. Allerdings ist der Orbiter dann auf einer polaren Umlaufbahn (um die Ringebene nicht zu kreuzen) und man kann so Triton als einzigen massereichen Mond nicht nutzen, um sie anzuheben. Es ist aber kein Problem, eine Atmosphärensonde mitzunehmen, da sie vorher abgetrennt wird.

Uranus ist völlig unproblematisch. Bei der niedrigen Ankunftsgeschwindigkeit kann man den Orbiter ohne Problem in eine äquatoriale Umlaufbahn zwischen Miranda und Oberon einbremsen, und so diese Monde erkunden. Schwenkt man in eine 104.000 x 560.000 km Bahn (über der Wolkengrenze) ein, so kann man sich Uranus noch mit 8000 m/s relativ nähern um einen 1000 kg scheren Orbiter in die Umlaufbahn zu bringen. Das lässt eine Reduktion der Reisedauer auf 2400 Tage ab Jupiter, gesamt also 8 Jahren, 7 Monaten zu.

Zuletzt, außer der Reihe, noch eine Abschätzung. Wenn man davon ausgeht, dass Jupiter die Bahn einer Raumsonde um 90 Grad drehen kann, (das war die bisher höchste Bahnänderung bei Ulysses) so sind das 13,6 km/s. mehr. Zusammen mit der Bahngeschwindigkeit von Jupiter also eine Geschwindigkeit von 27,4 km/s. Wie weit kommt man dann in 8 Jahren um z. B. einen KBO zu erkunden? Ich komme in der Simulation auf eine Distanz von 5.655 Millionen km. Viel, doch nicht ausreichend für die meisten KBO.

Erde - NeptunWenn man nun sich aber Jupiter bis auf 5000 km nähert und dann einen Feststoffantrieb (hier: PAM-D2 mit 3697 kg Start und 431 kg Trockenmasse) zündet, dann kann man die Geschwindigkeit einer 6,9 t schweren Raumsonde um 1836 m/s erhöhen, dass entspricht bei dem starken Gravitationsfeld im Unendlichen einem Geschwindigkeitsgewinn von 10871 m/s. Mithin einer maximalen Geschwindigkeit relativ zur Sonne nach verlassen von Jupiter von 38200 m/s. Dann erreicht man nach weiteren 8 Jahren eine Distanz von 8710 Millionen km. Eris, derzeit in 14 Milliarden Kilometern Entfernung wäre in 13 Jahren erreicht, allerdings dürfte sich die Distanz in den 13 Jahren ändern. Eris ist der bisher größte KBO. Bei einer Relativgeschwindigkeit von immer noch 33 km/s wäre die Passage aber sehr schnell vorüber. Abzüglich der PAM-D2 bleiben dann noch 3,2 t für die Raumsonde, also durchaus eine große Sonde,

Dieses Szenario ist mehr etwas für die Erkundung der Heliosphäre, die ja in 100 AE Entfernung langsam in den Interstellaren Raum übergeht. Anstatt einer großen Sonde könnte man auch drei kleine, jeweils mit PAM-D (2141 kg voll, 232 kg leer) mitführen und hätte immer noch rund 1100 kg für die Sonden übrig, also mehr als Voyager wog. Die PAM würden die Soden um 2474 m/s beschleunigen und das sind 13 km/s nach verlassen des Jupiters. 100 AE wären dann in 13 Jahren erreicht. Voyager 1 Position (derzeit knapp 21 Mrd. km) in 18 ¼ Jahren, also zusammen rund 20 Jahren – Voyager 1 brauchte dazu 38 Jahre. Das wäre eine Option für Raumsonden, die den Übergang des Einflussbereiches der Sonne ins intergalaktische Medium und dieses untersuchen. Solche wären dann vorwiegend mit Strahlungs- und Partikelsensoren ausgerüstet.

Zuletzt habe ich noch errechnet, ob es für Neptun günstiger wäre, ohne Jupiter direkt zu Neptun zu starten. Bei 10 Jahren Reisedauer kommt man auf eine Ankunftsgeschwindigkeit von 7610 m/s, wie man an der Abbildung sieht, günstiger, weil man sich tangential dem Planeten nähert. Dafür muss man mit 42873 m/s relativ zur Sonne starten. Das entspricht 17114 m/s relativ zur Erdoberfläche. Die Nutzlast der SLS geht dann auf nur noch 1188 kg zurück. Doch die SLS ist ja für 70 t Nutzlast ausgelegt, man könnte über der Delta DCSS noch eine Centaur SEC mitführen. Die Nutzlastverkleidung hat für die Stufe auch genügend Platz und die DCSS ist für die Lasten ausgelegt. Das hebt die Nutzlast wieder auf 4400 kg an. Davon bleiben bei Neptun nach Abzug des Antriebssystems noch 2570 kg übrig. Diese Lösung ist dem Umweg über Jupiter also überlegen. Allerdings auch nur wegen der zusätzlichen Stufe. Mit der würde auch zu Jupiter die Nutzlast von 6,9 auf 11,3 t steigen. Dies lässt dann auch einen 1,714 kg schweren (ohne Antriebssystem) Orbiter um Neptun zu.

Ich habe übrigens noch etwas Weiteres in mein Programm eingebaut, weil es gerade passte: die Erweiterung der Newton-Simulation um eine dauernde kleine Schubbbeschleunigung durch Ionentriebwerke. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Vielleicht nehme ich das Mal zum Anlass für einen neuen Blog.

2 thoughts on “Mit der SLS zu Uranus und Neptun

  1. Ist bei Uranus nichts das Problem, das die meiste Zeit man in einer polaren Umlaufbahn landet, weil die Neigunng des ganzen System so hoch ist. Voyager flog quasi durch eine Zielscheibe durch.
    Man müsste zahlreiche Gravity Assist an den Monden durch führen, um die Inklination relativ zum Planeten zuändern.

  2. Doch ist es. Polar bezogen auf den Uranus, nicht auf die Ekliptik. Die Ringe und alle Monde rotieren um den Äquator. Das das ganze System gedreht ist spielt keine Rolle, wichtig ist nur das die Umlaufbahn relativ zu Uranus polar ist. In diesem Falle würde sie in der Ekliptik liegen. Bei Neptun senkrecht dazu, doch der hat die Gravitationskraft die Bahnebene zu drehen, wenn auch nicht um 90 Grad. Eine hohe Bahnneigung bei die Sonde oberhalb oder unterhalb der ringe ist wenn sie diesen Abstand passiert würde aber schon reichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.