Wir brauchen neue Solarzellen

In meiner lockeren Reihe über Bahnen, Swing-Bys und Ionentriebwerke will ich mich heute mal mit einem Problem beschäftigen das man gerne unterschätzt: die Energieversorgung. Ich habe mich gerade mal informiert wie es aussieht bei Ionentriebwerken und da wird mit dem Aufkommen der „All Electric Satelliten“ mehr entwickelt. Airbus hat ein neues Triebwerk im Angebot, die NASA testet seit Jahren das NEXT Triebwerk das besonders lange abreiten soll (über 50.000 Stunden, normal sind etwa 10.000  Stunden was einem Betrieb über ein Jahr entspricht). Was aber seit Jahren stillsteht sind die Solarzellen. Dabei gibt es hier noch einiges zu tun.

Abbildung 1 50 W/kgDie heutigen Triebwerke sind ausgelegt auf die bisherigen Nutzlasten – kleine Raumsonden wie Dawn oder kommerzielle Satelliten die vom GTO in den GEO kommen. Will man vom LEO in den GEO oder vom Erdorbit zum Ziel im Sonnensystem so muss wenn die Reisedauer gleich bleiben soll einiges geschehen. Der Strombedarf wächst von etwa 10 kW auf ein vielfaches an. Heutige Triebwerke die zwischen 4 und 6 KW Stromverbrauch haben, kann man bündeln, ein jedes ist nur etwa so groß wie ein Schuhkarton. Solargeneratoren kann man aber nicht einfach so in der Größe skalieren.

Wenn man aber nach Forschung für neue Solararrays sucht so gibt es viele Projekte, keines aber wurde vollständig umgesetzt um auch den Einsatz in der Praxis zu demonstrieren, so das Ultraflex Array in der Technologiesonde ST-8.

Warum ist die Stromversorgung so wichtig? Nun sie macht den Großteil der zusätzlichen Masse aus. Ich will dies mal an einem kleinen Beispiel vorrechnen.

  • Airbus neuestes Triebwerk RIT 2X wiegt 8,8 kg und hat einen Spitzenstromverbrauch von 5785 Watt.
  • Der spezifische Impuls beträgt 4000 s und es soll 1 Jahr (8760 Stunden arbeiten), weit unterhalb der Qualifikationszeit von 20.0000 h
  • Dann verbraucht es rund 158 kg Treibstoff. Der Treibstoff Xenon braucht relativ schwere Hochdruckstanks die weitere 32 kg zum Gewicht addieren. Das Ionentriebwerk ist mit 8,8 kg eher im Gewicht zu vernachlässigen, auch wenn dann noch etwas für Strukturen und Spannungskonverter hinzukommt.
  • Kommerzielle Satelliten haben einen Solargenerator der typisch eine „Energiedichte“ von 50 W/kg hat, sprich: ein Array das 1 kg wiegt liefert 50 Watt bei Inbetriebnahme (BOL: Beginn of Life). Da wiegt das Solar Array für die die 5,8 kW Strom eines Triebwerks schon 116 kg. Dawn als erste nur mit Ionentriebwerk angetriebene Sonde hatte schon einen Solargenerator mit einer Leistungsdichte von 85 W/kg. Das reduziert das Gewicht auf 69 kg.

ST-8 sollte ein Ultraflex-Array mit 175 W/kg einsetzen, Linsen sollten nach NASA-Forschungen die Energiedichte auf 300 W/kg erhöhen. ATK hat die entfaltbaren Solar Arrays weiter entwickelt und erreicht heute immerhin 150 kW. Diese Arrays sind für sehr große Raumsonden mit hohem Strombedarf aber nurbedingt geeignet, weil sie im entfalteten Zustand Kreise sind. Die Größe ist daher beschränkt. Ausrollbare Arrays werden auch von der NASA untersucht. Mega-ROSA soll in dieser Technologie 200 bis 400 W/kg BOL Leistung erreichen.

Wie sich dies auswirkt habe ich mal simuliert. Ausgangsbasis ist eine 2400 kg schwere Sonde die mit der Vega in einen niedrigen Erdorbit mit 400 km Höhe gebracht wird. Der spezifische Impuls soll 40000 m/s betragen wie beim RIT-2X der Treibstoffverbrauch beruhend aus einer Gesamtgeschwindigkeitsänderung von 17.000 m/s vom Erdorbit zu Ceres beträgt dann 830 kg, der Treibstoff wiegt mit Tanks 997 kg. Dazu sollen noch 43 kg für die Ionentriebwerke und Systeme kommen. Die Raumsonde selbst wiegt 1000 kg. Die restlichen 360 kg entfallen auf die Solarzellen. Mit den Wattdichten die bisher erreicht werden, kann ergibt sich dann folgende Tabelle:

85 W/kg

Energiedichte 50 W/kg 85 W/kg 150 W/kg
Erdorbit bis in 700.000 km 324 Tage 193 Tage 110 Tage
Masse: 2018,6 kg 2013,8 kg 2.008,9 kg
Überschussgeschwindigkeit: 147 m/s 288 m/s 461 m/s

Zur Erklärung: 700.000 km sind in etwa das Ende der gravitativen Einflußsphäre der Erde. Betreibt man wie in der Simulation das Triebwerk dauernd, so erreicht am diese Grenze mit einer Überschussgeschwindigkeit die den Betrieb in der Sonnenumlaufbahn einfacher macht, weil man so schon eine Ellipse erreicht anstatt aus einer Kreisbahn zu starten. Der Flug zu Ceres verläuft nun in zwei Etappen. Zuerst strebt man eine Ellipse an, deren fernster Punkt in der Höhe des Aphels von Ceres liegt. Ich habe hier 440 Millionen km  angenommen, dann kann man dort angekommen die Ellipse soweit anheben, dass der sonnennächste Punkt bei 382 Millionen km liegt wie bei Ceres.

Energiedichte 50 W/kg 85 W/kg 150 W/kg
Ellipse bis in 400 Mill. Km Entfernung 2 Jahre 104 Tage 197 Tage 78 Tage
Gesamtzeit bis 400 Mill. km erreicht 3 Jahre 165 Tage 1 Jahr 51 Tage 287 Tage
Masse: 1543,6 kg* 1679,2 kg 1711,4,9 kg
Überschussgeschwindigkeit: 319 x 440 Mill. km 171,4 x 440 Mill. km 154,3 x 440 Mill km.

Die Lösung mit 50 W/kg arbeitet so lange im solaren Orbit dass starke Gravitationsverluste verhindern, dass sie mit der Trockenmasse von 1570 kg überhaupt die Bahn erreicht. Ich habe es trotzdem weiter verfolgt auch weil der Geschwindigkeitsbedarf von 17.000 m/s nur geschätzt ist, aufgrund der Gravitationsverluste bei Ionentriebwerken ist keine exakte Berechnung ohne numerische Integration möglich. Die Anhebung wurde so optimiert das die Reisezeit möglichst gering ist, das Aphel kann daher etwas höher sein als vorgegeben. Bei einer richtigen Mission würde man nun die letzte Phase nochmals mit einem niedrigeren Aphel durchlaufen, auf diese Optimierung habe ich verzichtet

Energiedichte 50 W/kg 85 W/kg 150 W/kg
Gesamtzeit 3 Jahre 45 Tage 4 Jahre 41 Tage 2 Jahre 3 Tage
Masse: 1505 kg* 1.500 kg 1521 kg
Überschussgeschwindigkeit: 382 x 455 Mill km. 382 x 515 Mill. km 382 x 499 Mill. km
Gesamtdauer: 2724 Tage 2110 Tage 765 Tage

150 W/kgDa der Treibstoffverbrauch weitestgehend vom spezifischen Impuls bestimmt wird, gibt es hier nur geringe Unterschiede, Stark unterscheidet sich aber die Reisedauer. Sie sinkt überproportional zur Leistung der Solarzellen, wobei hier durch die Freiflugphasen der Wert sogar noch verfälscht wird. Der Wert von 85 W/kg ist strak abweichend. das liegt an der Ausgangsbahn. Sie ist praktisch die gleiche wie bei 150 W/kg, während bei dieser Leistung aber eine Anhebung relativ rasch geht, durchläuft bei 85 W/kg die Sonde das Aphel und nähert sich wieder der Sonne. So hebt sie dann das Aphel weiter an und braucht mehr Zeit. Dagegen ist bei 50 W/kg schon die Ausgangsbahn recht hoch sodass die Geschwindigkeitsänderung kleiner ist und dies noch in dem Bahnabschnitt vor dem Aphel möglich ist.

Geht man mit dem spezifischen Impuls höher so verschärft sich das Problem, bei einem geringeren entspannt es sich. Deutlich ist aber auch so, dass man mit leichtgewichtigeren Solarzellen viel Zeit sparen kann.

Vergleicht man dies mit Dawn. Dawn unterscheidet sich von der Sonde mit 85 W/kg darin, dass sie auf eine fluchtbahn gebracht wurde und nicht nur Ionentriebwerke nutzte, sondern auch einen Marsvorbeiflug hatte der die Reisedauer verkürzen kann. Trotzdem beträgt die reine Reisezeit ohne Aufenthalte bei Vesta und Ceres schon 76 Monate also 2280 Tage – in etwa die gleiche Zeit wie die Sonde mit der Solargenerator von Dawn.

leistungsfähige Solar Arrays sind vor allem im Asteroidengürtel wichtig. Geht man ins innere Sonnensystem (Venus/Merkur) so steigt die Leistung an und man kommt schon bald auf kurze Reisezeiten. im obigen Beispiel wäre selbst bei 18 KW Leistung nach 231 Tagen eine Bahn mit dem Perihel von Merkur erreicht.

Wenn man ins äußere Sonnensystem will so muss man differenzieren. Für Hohmann-transfers mit möglichst geringer Geschwindigkeit bei der Ankunft reichen heutige Arrays schon aus, da man die Zielgeschwindigkeit meist schon im inneren Sonnensystem erreicht. Man kann hier auch noch leicht durch einen etwas geringen spezifischen Impuls oder zuerst eine Bahn die zur Sonne führt kompensieren. Ab Uranus kommt man jedoch zu sehr langen Reisezeiten, über 8 Jahre bei 85 W/kg und dabei hat man erst 800 Millionen km Entfernung erreicht, bis Uranus reist man dann weitere 10 Jahre. Mit 150 W/kg sinkt das auf 15 Jahre wobei nun 227 Tage anstatt 8 Jahre auf die reine Betriebszeit entfallen, da der Betrieb nun komplett im inneren Sonnensystem stattfindet (Endbetriebsdistanz 361 zu 801 Millionen km Entfernung). Für Vorbeiflugmissionen die möglichst schnell sein müssen ist der Wert noch wichtiger Neptun wäre bei dauerndem Betrieb bis die Leistung auf 1 kW gefallen ist (Minimalwert) erreicht nach 14 Jahren 8 Tagen + 110 Tagen bei 150 /kg, 44 Jahren 322 Tagen + 193 Tagen bei 85 W/kg und glatten 103 Jahren bei 50 W/kg – die Sonde braucht nicht weniger als 5 Umläufe um die Geschwindigkeit zu erreichen. Die drei Abbildungen an der Linken Seite zeigen dies: bei 150 W/kg erreicht man auf einer schnellen bahn Neptun. Bei 85 W/kg durchläuft man schon zwei Umlaufbahnen und bei 50 W/kg sind es fünf. Sollte man auf Arrays mit 300 W/kg kommen, so würde die Reisezeit auf sehr kurze 4 Jahre sinken, dazu noch etwa 40 Tage im Erdorbit.

Machen wir einen Sprung zu bemannten Missionen. Hier sind die hohen Leistungen deswegen interessant weil man eigentlich zwischen Erde und Mars oder Erde und erdnahen Asteroiden nur kleine Geschwindigkeitsunterschiede hat. Zu Ceres waren es bei Dawn 11 km/s. Dagegen wären es nur 6 km/s zu Mars.  Hier kann man  schnellere Bahnen erreichen z.b. mit einem höheren Aphel und bei Mars wieder die Überschussgeschwindigkeit abbauen. Zudem kommt man dann erst in die großen Leistungen: Mega-Rosi soll auf 300 kW ausbaubar sein, in meinem Beispiel hat die beste Kombination nur 54 KW Leistung.

Ein zweiter Aspekt ist die Möglichkeit die relativ teuren RTG durch Solarzellen zu ersetzen. Dazu kann man für jeden Planeten eine Äquivalentleistung berechnen. Da die Leistung quadratisch zum Abstand abnimmt bringen Solarzellen bei Jupiter (5,2-facher abstand der Erde von der sonne nur noch 1/27 der Leistung wie in Erdnähe und bei Saturn ist es schon 1/91. Der neueste RTG, der MMRTG hat eine Leistung von 125 Watt bei 43 kg Gewicht, das sind 2,9 Watt/kg. Er ist damit den älteren GPHS-RTG unterlegen die 5 W/kg erreichten. Solarzellen mit einer Leistungsdichte von 80 W/kg haben dieselbe Leistung bei Jupiter und Solarzellen mit 265 W/kg bei Saturn. Den Wert für Jupiter erreicht man heute schon. Juno ist die erste Jupitersonde die nur Solarpanels einsetzt, sie haben aber wegen einer zusätzlichen Schutzschicht um die Strahlenschädigung zu verringern eine geringe Leistung von 53 W/kg (bei der Erde).

Den Wert bei Saturn erreicht man heute noch nicht. Trotzdem sollte man auch mit Solarpaneelen zu Saturn kommen können. Man muss nur den Ionenantrieb mit seinen großen Solarpaneelen nicht als eigenständige Einheit sehen sondern als Bestandteil der Sonde. Dann würden die 360 kg Paneele bei 150 W/kg bei Saturn immer noch 593 Watt produzieren, in etwa die Strommenge die Galileo zur Verfügung hatte, etwas weniger als Cassini hat. Dabei handelt es sich hier um eine kleine Sonde, für eine Saturnmission wird man wegen der Treibstoffvorräte für Orbitmanöver eine größere Sonde einsetzen. Die Kostenersparnis, ein GHS kostet 90 Millionen Dollar, die Fertigung des ersten MMRTG 27 Millionen, dazu kommen noch die Kosten für das Plutonium in Höhe von mindestens 6,7 Millionen Dollar pro Kilogramm (1 kg liefert etwa 35 Watt nutzbare Leistung). So verwundert es nicht, dass der erste MMRTG zusammen mit Entwicklungskosten 198 Millionen Dollar teuer war. Berücksichtigt man noch die Einsparungen bei den Startkosten – hier könnte eine Vega rund 1000 kg zu Jupiter schicken, dafür brächte man sonst eine Atlas – müssten sich eigentlich Ionentriebwerke und Solarzellen finanziell lohnen. Das umdenken hat begonnen, inzwischen wird für Europa-Clipper eine solare Stromversorgung vorgeschlagen.

3 thoughts on “Wir brauchen neue Solarzellen

  1. Die einzigen entfaltbaren kommen von ATK und werden schon bei der Cygnus eingesetzt, für die Orion sind auch welche gedacht und Phoenix hatte welche, die nächste Marsmission auch. Sie sind aber rund. Die entrollbaren findet man z.B. auf der ISS.

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