I don’t like Reggae, no, no

Nachdem SpaceX nun schon einige Stufen gelandet hat, nun letzte Woche auch eine geborgene Stufe über die spätere volle Laufzeit getestet hat, sich also der Wiederverwendung annähern, nachdem es das ganze letzte Jahr nicht geklappt hat. SES würde ja den Jungfernflug der ersten Stufe gerne nutzen, wenn der Start 50% weniger kostet als bisher. Ob SpaceX so weit runtergehen kann oder möchte, ist noch nicht sicher, aber in jedem Falle erhöht das den Druck auf die Konkurrenten. Denn billiger wird es wohl werden, sonst bräuchte man das ganze ja nicht druchexerzieren.

Arianespace hat ja schon die Ariane 6 bei der ESA durchgedrückt. Da werkelt man nun schon seit zwei Jahren am Design herum und ist noch nicht zu einem Schluss gekommen, ein Indiz dass man noch nach Kosteneinsparungen sucht. Immerhin wird Ariane 6 nach den Versprechungen deutlich billiger als die Ariane 5 und mit der Skalierbarkeit und geographisch günstigem Startplatz soll sie auch preislich konkurrieren können (so zumindest das Versprechen).

In einer deutlich schwierigeren Position ist ILS. Die Proton startet von Baikonur aus. Das kostet schon alleine wegen des nördlichen Startortes Nutzlast. Die Proton kann zudem nur eine Nutzlast transportieren und nicht wie Ariane 5/6 mit zwei Nutzlasten wenigstens die Nutzlastkapazität voll ausnutzen. Zudem kann sie nicht wie Ariane 5 mit einer makellosen Bilanz von über 70 Starts ohne Fehlstart punkten. So wundert es nicht dass ILS in den letzten beiden Jahren kaum noch Startaufträge gewonnen hat. Jetzt verzögert sich der nächste Start auch weil es beim letzten Start eine deutliche Bahnabweichung gab.

Nun will man das Ruder herumreisen. ILS hat zusammen mit Roskosmos einen Plan vorgestellt auch die Proton und später die Angara wiederzuverwenden. Von Vorteil ist es hierbei, dass die Rakete in Kasachstan startet, damit geht die gesamte Flugbahn über die ersten 5000 km über Land.

Beginnen wird man mit der Proton. Allerdings ist die Proton nicht wie die Falcon 9 für die Wiederverwendung ausgelegt. So gestaltet sich die Wiederverwendung nicht ganz so einfach. Nach einer Analyse der Belastungen gab es zumindest eine gute Nachricht: Durch den Aufbau der ersten Stufe aus einem Zentral- und sechs Außentanks hat die Proton eine sehr hohe strukturelle Stabilität. Sie wird die Belastungen beim Weidereintritt ohne Probleme überleben, auch weil die Abtrenngeschwindigkeit kleiner ist. Für die zweite Stufe laufen die Untersuchungen noch.

Ein Problem ist aber das weder die Triebwerke wiederzündbar sind, noch im Schub regelbar. Damit kann man die Proton-Erststufe nicht wie die Falcon 9 Erststufe landen. ILS plant derzeit folgendes Vorgehen: die Proton Erststufe erhält wie die Falcon 9 ausfahrbare Beine, um das Umkippen zu verhindern und um auf Nummer Sicher zu gehen, sechs Stück zwischen den Außentanks. Dazu wird unter einem Hitzeschutzschild ein Fallschirmsystem befestigt. Es wird nach der Abtrennung durch Drucksensoren ausgelöst und gleichzeitig die Beine ausgefahren. Dann schwebt die erste Stufe an drei Fallschirmen zur Erde zurück. Es gibt keine aktive Steuerung – man nutzt aus, dass man auch so in der flachen kasachischen Steppe die Stufe leicht wiederfindet. Den Schock bei der Landung sollen einmal verwendbare Stoßdämpfer auffangen. Ein Wabengewebe wird durch die Landung zusammengepresst. Es muss nach jedem Start ausgetauscht werden.

Die Triebwerke müssen dann mit einem neuen Zündsatz ausgestattet werden bevor sie erneut starten können. Eine neue Generation der RD-276 mit einer Laserzündung wird gerade gearbeitet. Sie sollen auch mindestens fünfmal wiederverwendet werden können, zu der ersten Generation die derzeit im Einsatz ist wollte ILS keine Angaben machen.

Der Vorteil des einfacheren Bergungssystems ist das es wenig Nutzlast kostet, es sollen nur 300 kg in den GTO und 1000 kg in einen erdnahen Orbit sein, rund 5% der normalen Nutzlast. bei SpaceX sind es durch den verbliebenen Treibstoff in er ersten Stufe 15%. Dafür dürfte bei vier Stufen der Proton auch das Einsparpotential geringer sein. Doch es könnte ILS den Preisvorteil verschaffen den die Firma braucht, um konkurrieren zu können.

Mehr Hoffnungen setzt man auf die Angara. Ihr Haupttriebwerk ist mehrfach zündbar und es ist im Schub stark regulierbar. Doch auch hier unterscheidet sich das prinzipielle Bahnregime nicht von der Proton. Das URM erhält aber einen Thermalschutz der es vor den Belastungen beim Wiedereintritt schützt. Die Stabilität der Struktur soll ausreichen, trotz höherer Abtrenngeschwindigkeit. Aber auch hier wird die Stufe nur durch die Fallschirme abgebremst. Erst kurz vor der Landung werden diese abgeworfen und das Triebwerk gezündet. Es dient weniger zum Endabbremsen als vielmehr soll es durch seine Schwenkfähigkeit dafür sorgen, dass die Stufe senkrecht landet. Das URM kann durch die schlankere Form erheblich leichter umkippen als die erste Stufe der Proton.

Bei der Angara machen die Kosten des URM einen viel größeren Teil der Gesamtkosten auf. Die für GTO-Transporte vorgesehene Anagra-5 besteht aus 5 URM und nur zwei kleineren Oberstufen. Für sie verspricht ILS einen deutlich günstigeren Startpreis als die Falcon 9 heute, eventuell kann sie auch mit der wiederverwendbaren Falcon 9 konkurrieren.

Die Bergung anderer Stufen und russischer Träger wird nicht geplant. Die Sojus hat durch ihre Außenblocks eine Architektur, die keine Bergung erlaubt. Die kleineren Träger (Rockot, Dnepr) sind als ausgemusterte ICBM noch in genügenden Stückzahlen verfügbar. Es lohnt sich nicht sie wiederzuverwenden. Lediglich bei der Sojus 2-1v wird eine Wiederverwendung geprüft. Das zweite Triebwerk RD-0110 in der ersten Stufe hat den richtigen Schub um eine leere Stufe sanft zu landen, zudem ist es durch vier Brennkammern gut steuerbar und kann so Schieflagen leicht ausgleichen. Offen ist aber ob die Stufe aufgrund ihrer Form nicht am Kopfende zu stark beim Wiedereintritt erhitzt wird. Dies sollen weitere Prüfungen untersuchen.

Nachdem auch ULA den Triebwerksblock der gerade in der Entwicklung befindlichen Vulkan ab 2024 bergen will, könnte es sein dass in einigem Jahren nur noch die Ariane 6 der einzige nicht wiederverwendbare Träger ist.

10 thoughts on “I don’t like Reggae, no, no

  1. Was ich nicht verstehe ist, warum die BAIKAL Booster so in der Versenkung verschwunden sind. Bei 5000 Km über Land sollte sich doch ein Flughafen für eine Landung einrichten lassen, so dass man sogar auf Flugtriebwerke für den Rückflug verzichten könnte.

  2. Die Baikal ist wohl aus Geldmangel eingestellt worden. Schade eigentlich, weil ich das immer noch für ein vernünftigeres Konzept als die Falcon halte. Schon weil die Raketentriebwerke deutlich weniger gestreßt werden, wenn sie pro Flug nur einmal gezündet werden. Schon bei einem einzigen Langstreckenflug läuft ein Flugzeugtriebwerk länger, als ein wiederverwendbares Raketentriebwerk in seiner gesamten Lebensdauer. Da ist es geradezu hirnrissig, die Lebensdauer der Raketentriebwerke durch zusätzliche Zündungen noch weiter zu verringern.

    ILS hat sich gerade einen Startauftrag für die Angara 1.2 an Land gezogen, aber erst 2020. Wollen wohl noch weitere Testflüge abwarten.

    Bei der Proton Light ( http://www.russianspaceweb.com/proton-light.html ) könnte eine Wiederverwendung der Erststufe lohnender werden, weil eine „Wegwerfstufe“ weniger vorhanden ist.

  3. Mal dumm gefragt: Wieso wird so ein Konzept (Fallschirme, Landebeine) nicht tatsaechlich verfolgt? Es klingt auf den ersten Blick bestechend: Die Schirme sollten kaum mehr wiegen, als der alternativ zu verbrennende Treibstoff, es waere deutlich weniger komplex in der ganzen Durchfuehrung, Triebwerke wuerden geschont etc pp. Um die Schirme nicht zu gross werden zu lassen und auch um den Landestoss zu daempfen waeren 2-3 kleine Bremsraketen vorstellbar. Der lange Flug ueber plattes Land ist fuer jedes Wiederverwendungskonzept in de Tat ein grosser Vorteil.

    Chris

  4. Die Energija sollte ja ihre Booster (Zenit-Erststufe), auch wiederverwenden können. Die Booster wären mit Fallschirmen an Land runtergekommen und hatten Landebeine(oder Airbags?) gehabt und wären dann horizontal sanft gelandet. Wenn man den Platz hat um im flachen Land zu landen ist das durrchaus ein gutes Konzept finde ich. Aber Sinn macht das nur an Land. Wenn man im Ozean runterkommen würde finde ich den SpaceX-Weg besser.

  5. @all

    Wie seht ihr die Methantechnik allgemein?

    Mich würde interessieren was eure Meinung zur technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit/Effizienz von Methantriebwerken ist.

    Ich habe Probleme damit mir vorzustellen dass die Vorteile die Nachteile aufwiegen.

    Gruß

    T.I.

  6. Wenn mich jemand bitten würde ein Bergungssystem zu konstruieren würde ich folgendermaßen vorgehen.

    Triebwerke von den Tanks „trennen“ und nur die Triebwerke bergen.

    Ich verstehe nicht warum bei allen Konzepten (die mir geläufig sind) die Tanks geborgen werden sollen.

    Ich würde mich über eine Antwort freuen.

    T.I.

  7. @ABM: Methan liegt zwischen LH2/LOX und RP1/LOX. Der Treibstoff ist also weniger dicht als bei RP1/LOX, dafür ist der Isp höher. Gleichzeitig ist aber der Treibstoff auch nicht so extrem voluminös wie bei Wasserstoff/Sauerstoff, dafür wird auch nicht der Isp von Wasserstoff/Sauerstoff erreicht. Insbesondere bei den Erststufen kann Methan/LOX daher u.U. der bessere Treibstoff sein als LH2/LOX.

    Wenn man, wie bei SpaceX der Fall, die Triebwerke vielfach wiederverwenden will, hat man wohl als weiteren Vorteil von Methan/LOX im Vergleich zu RP1/LOX, dass man weniger Probleme mit Ruß hat. Und da Methan ja relativ kalt in die Tanks gefüllt wird, kann man damit die Düse gut regenerativ kühlen, was mit RP1 nicht geht.

    Was es die Wiederverwendung angeht: Die Triebwerke abzutrennen und nur diese zu landen, bedeutet, dass man jedes Mal einen neuen Tank fertigen und validieren muss, der ja auch etwas kostet. Zudem hat man nun zwei Bauteile, nämlich die Triebwerkseinheit und die Tankeinheit, die an vordefinierten Stellen miteinander verbunden werden, was deren Masse in Summe im Vergleich zu einer Einheit sicher um die eine oder andere Tonne erhöht. Bei einem wiederverwendbaren Tank wird man auch eher bereit sein, besonders teure, dafür besonders leichte Materialien einzusetzen als bei einem Verlusttank, was vielleicht weitere Gewichtseinsparungen bewirkt. Am Ende ist die Lösung, die ganze Stufe zu landen, und nicht nur die Triebwerkseinheit wiederzuverwenden, vielleicht gar nicht so viel ungünstiger.

  8. @ Kai

    „Methan liegt zwischen LH2/LOX und RP1/LOX.“

    Nackte Zahlen zu isp wären interessant ich glaube Bernd hat da mal etwas vorgerechnet.

    Allein dass das Molekül nach der Verbrennung schwerer als bei LH2 ist heißt doch, dass Methan nie so effizient wie LH2 sein kann aber deutlich komplexer zu handhaben als RP1 ist.

    So wie ich das verstanden habe rechtfertigt der geringe isp Gewinn nicht die gestiegene Komplexität und den voluminöseren Tank.

    Ruß gibt es bei LH2 auch keinen.

    „Insbesondere bei den Erststufen kann Methan/LOX daher u.U. der bessere Treibstoff sein als LH2/LOX.“

    Dafür würde ich gerne eine Begründung hören, nach meinem Verständnis bietet Methan keinen Vorteil gegenüber LH2 benötigt aber eine vergleichbare Technologie für Triebwerke und Tanks.

    „Am Ende ist die Lösung, die ganze Stufe zu landen, und nicht nur die Triebwerkseinheit wiederzuverwenden, vielleicht gar nicht so viel ungünstiger.“

    Das kommt wie bei jeder Wiederverwendung darauf an wie kostentintesiv die Tests werden und wie sicher die Stufe beim 2. Start ist.

  9. Zum spezifischen Impuls:
    Es kommt natürlich auf die konkreten Bedingungen an. Der maximal erreichbare Impuls liegt heute bei LOX/RP-1 um 3500 m/s, bei Methan um 3800 m/s und bei LOX/Lh2 um 4600 m/s. Wasserstoff ist also schon deutlich besser.
    Die russdiskussion kenne ich aus Fachkreisen nicht, die F-1 wurden z.B. dreimal getestet bevor sie die Saturn V antrieben. Um Russ hat sich keiner Sorgen gemacht. Es kann sein, das es ein Problem bei Hauptstromtriebwerken ist mit den extremen Anforderungen an die Turbopumpe. Die Technologie will ja auch SpaceX einsetzen und Russland nutzt sie ebenfalls. In jedem falle kann man Russ verhindern wenn man vor dem Abschalten das Gemisch kurzzeitig sauerstoffreich macht, das verbrennt dann eventuelle Rückstände oder lässt keine entstehen.
    Für Erststufen gelten eigentlich immer andere Kriterien als für Oberstufen. Sie sollen aufgrund ihrer Größe vor allem preiswert sein, zudem ist der einfluss auf die Nutzlast viel kleiner als bei Oberstufen. Schon lange setzte man LOX/RP-1 mit LOX/LH2 ein, weil man dann aufgrund der Volumenunterschiede nicht so kleine Oberstufen hat die dann ungünstige Tankformen haben, wie man das z.B. bei der Ariane 5 ECA sieht. Das hebt dann den Gewinn wieder etwas auf.
    Für die Bergung ist wichtig, das die Abtrenngeschwindigkeit bei kleinerem spezifischen Impuls geringer ist und die Stufe kleiner, das heißt die Bergung wird deutlich vereinfacht, wenn man die ganze Stufe bergen will.

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