Fake News

Der Begriff der „Fake News“ wurde ja populär durch den umstrittenen Wahlsieg von Dagobert Trump, äh Donald Trump. Doch es gab das schon früher. Nur hieß es eben anders wie „übertriebene Selbstdarstellung“ oder Propaganda, Kriegsberichterstattung oder Wahlversprechen. Ich dachte ich schreibe mal was zu dem Thema.

Der Umgang mit dem „kreativen Umgang mit der Wahrheit“ (in Analogie zur kreativen Finanzbuchhaltung = Steuerbetrug) gibt es schon lange. Eigentlich immer schon. Es wurde nur die Wahrheit weiter gegeben die man selber sah. Das älteste Beispiel, das mir spontan einfällt, ist die Schlacht von Kadesch. Rames der II trat kurz nach seinem Regierungsantritt 1274 vor Christus an, die ägyptische Macht einige Jahrzehnte zuvor anzuknüpfen. Ramses wollte den Machtbereich weiter im Norden ausdehnen. Er machte einen Feldzug gegen die Hethiter, die nördliche Großmacht. Beim Feldzug geriet er in eine Falle und konnte nur knapp einer Umzingelung entkommen. Die Schlacht endete mit einem Patt oder einem knappen Sieg der Hethiter, die ihn aber nicht ausnutzten, sodass die ägyptische Armee sich zurückziehen konnte. Ramses, der vor allem durch seine rege Bautätigkeit bekannt ist (kein anderer Pharao errichtete mehr Tempel und Obelisken als er), stellte sie dagegen als einen grandiosen Sieg dar. Einige Jahre später schlossen er und die Hethiter einen Friedensvertrag, den ersten der erhalten ist.

Das setzt sich überall fort im alten Testament findet man zahllose Stellen, wo die Israeliten als überlegendes Volk dargestellt werden. Vom Sieg von David über Goliath bis zu den Psalmen, wie Psalm 72, wo Tarsis, Seba und Saba erwähnt werden, also Orte in Spanien, Sudan und Jemen. Deren Könige bringen alle Geschenke zu Israel. In Wahrheit war Israel niemals mehr als eine kleine Regionalmacht. In besten Zeiten unabhängig, meist aber unter ägyptischer, assyrischer, babylonischer, persischer, griechischer und römischer Herrschaft.

Der Krieg ist die Mutter der Fake News

Rom selbst hat auch eine eigene Darstellung der Wahrheit. Die Republik stellte ihre Kriege immer als gerecht dar. Es gab offiziell keine Angriffskriege, vielleicht waren die damals schon verpönt. So stellte man es immer dar das Rom in einen Krieg gezogen wurde. Oftmals war das auch der Fall. Es kam immer wieder vor das ein kleinerer Stadtstaat oder regionaler Fürst die Römer als Hilfe gegen einen Angriff einer größeren Macht rief. Das Ergebnis war aber nicht nur, dass der Angreifer besiegt und ins Reich eingegliedert wurde, sondern auch der, der die Römer zu Hilfe rief. Es gab aber auch genügend Angriffskriege. Der letzte Punische Krieg wurde von den Römern begonnen, nachdem die Karthager ohne ihre Einwilligung keinen Krieg mehr führen dürften, sich aber gegen die Übergriffe eines numidischen Herrschers auf ihr Gebiet zur Wehr setzten. Nachdem die Karthager allen Forderungen Roms nachkamen, setzte man als letzte Forderung fest, dass sie ihr ihre Stadt erlassen und sich 20 km landeinwärts erneut ansiedeln sollten. Kurzum: Man hat sie in den Krieg getrieben.

Auch sonst war der Umgang der Römer mit der Wahrheit seltsam. In ihren Augen waren alle anderen Barbaren und an anderen Völkern ließen sie so nichts Gutes. Sie selbst waren in allen Belangen überlegen: technologisch, kulturell und moralisch. Im Kaiserreich schlug das gleiche wie bei Ramses zu: Nun waren die Cäsaren Götter und Götter verloren keine schlachten. Das war aber ein Problem, dann nach 117 v. Chr. Wurde das römische Reich nur noch kleiner. Würden die Römer aber immer siegen, es müsste ja eigentlich anwachsen.

Kurzum: wenn es um Krieg geht hat man schon immer gelogen. Entweder haben ihn die anderen angefangen der Gräueltaten begangen. Das ist bis heute so. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs hielt Kaiser Wilhelm II eine Rundfunkrede die begann mit den Worten „Mitten im Frieden greift der Feind uns an“. Eines meiner persönlichen Highlights in dieser Sparte. Sofort stellt sich mir die Frage, wo dann der Beginn des Friedens und das Ende ist? Wenn Frieden die Zeit zwischen zwei Kriegen ist, dann kann es maximal das Ende des Friedens sein. Dabei war der Krieg abzusehen, es gingen ihm ja einige Wochen der Spannung voraus und Wilhelm selbst versuchte ihn noch abzuwenden, nachdem die Serben Forderungen der Österreicher nachgaben. Schlussendlich wollte Österreich den Krieg. Das hinderte die Sieger 1919 nicht daran dem Deutschen Reich die alleinige Kriegsverantwortung zuzusprechen auch eine Art Fake News.

Man kann dies nun weiterführen: Hitler beginnt den Zweiten Weltkrieg wegen eines angeblichen Überfalls von Polen auf Deutsche, inklusive fingiertem Angriff auf den Sender Gleiwitz. Roosewelt gibt sich überrascht über den Überfall auf Pearl Harbor. Dabei berichtete sein Geheimdienst von Vorbereitungen und die Politik der USA mit einem Embargo das Japan von Rohstoffen abschnitt trieb Japan in den Krieg und das wusste man schon damals. Japans Hauptinteresse galt auch der Invasion von asiatischen Ländern. Pearl Harbor griff man nur an, damit die USA im Pazifik nicht eingreifen konnten. Er verschweigt in seiner Rede auch das er eine offizielle Kriegserklärung von Japan bekam. Nur leider wegen Probleme bei de Dechiffrierung erst nach dem Angriff anstatt wie geplant kurz vorher.

60 Jahre später: Bush postuliert eine Zusammenarbeit Husseins mit Al Quaida und der Produktion von Chemiewaffen, um Krieg zu beginnen. Hier sind es „Fake-Zeichnungen“, die als Beweis herhalten müssen.

Es müssen nicht nur Rechtfertigungen sein. Auch beliebt ist es, sich selbst zu erhöhen. So liesen sich viele Herrscher in Bilder von Sagen einfügen, und zwar als zentrale Figur. Das gab es selbst im 20-sten Jahrhundert noch. Russische Filme zur Stalinzeit zeigen ihn beim Sturm auf das Winterpalais, wo er nicht dabei war und ihm Lenin dankt. Ulbricht berät in einem DDR-Spielfilm Thälmann. In Wirklichkeit tat er alles, um dessen Freilassung zu verhindern, die von Kommunisten im Exil angestrebt wurde, indem Russland die nach dem Hitlker Stalinpakt verbesserten Beziehungen nutzen sollte, um eine Freilassung zu erreichen.

Wir finden es aber auch in anderen Bereichen. In der Raumforschung gab es seitens Russland eigentlich nur Erfolge. Alles andere wurde eben totgeschwiegen, und wenn es nicht verheimlichbar war, z.B. eine Raumsonde im Erdorbit strandete heiß es dann „Am x.x.y startete die automatische Forschungsstation Sputnik 17. Sie hat ihr Messprogramm nach 5 Stunden erfolgreich beendet“. Dabei kann sich schon der Dümmste ausrechnen, dass man keinen Satelliten für einige Stunden Messungen braut. Selbst Fotosatelliten brauchen einige Tage, um ihren Film vollständig zu belichten. So hießen auch alle Satelliten dann Kosmos und dienten der Forschung. Das fast alle russischen Satelliten militärische waren kann man so gut verschleiern.

Fake News als Geschäftsmodell

Doch mittlerweile sind die Russen in Fake News längst übertroffen worden, und zwar von SpaceX. Die Firma hat Fake-News zum Geschäftsmodell gemacht, lange bevor der Begriff populär war. Das beginnt mit dem Umgang mit Fehlstarts. Nach dem ersten Fehlstart einer Falcon1 sprach Musk von einem Teilerfolg. Es sei bewiesen worden, dass man eine Falcon 1 innerhalb von wenigen Stunden starten könne. Darum ginge es bei diesem Start. Das die erste Stufe nur 25 s lang arbeitete und es 4 Monate Startverzögerungen gab, wurde ignoriert. Was nützt der Start in wenigen Stunden, wenn der Start selbst 4 Monate verspätet erfolgt? Wann ist es kein Teilerfolg, wenn 25 s Betrieb schon einen ausmachen? Wenn die Rakete auf der Rampe explodiert vielleicht? Beim zweiten Start, diesmal fiel die zweite Stufe aus, sprach EO Elon Musk in einer ersten Stellungnahme von einer 90 %-Qualifikation der Rakete, korrigierte diesen Wert dann auf 95+ % in der offiziellen Verlautbarung an die Presse nach oben. Klingt toll, aber selbst wenn die Rakete 95% der Orbitalgeschwindigkeit erreicht hätte, wäre die Nutzlast verloren gewesen.

Beim dritten Fehlstart gab es dann keine Prozentangabe mehr (er scheitere noch früher als der Zweite, so wäre das schon peinlich gewesen). Dafür eine Aufzählung, was alles schon geklappt hat. Das erinnert so an Fußballspieler im Interview nach einem 0:12 verlorenen Spiel „Ja also die Pässe und das Abspielen hat schon ganz gut geklappt, jetzt müssen wir nur noch Tore schießen“. Außerdem setzte nun etwas ein, was sich in Folge als SpaceX-Typisch erweisen sollte. Als erstes wurde die Schuld an externe Zulieferer abgeschoben in dem Falle an die Hersteller der „Pusher“, mit denen die Stufen getrennt wurden und die komischerweise bei anderen Trägern, wie der Delta nie Probleme machten. Es waren ja auch nicht die Pusher, sondern ein zu hoher Restschub des Merlins.

Danach gab es 7 Jahre keine Fehlstarts – zumindest nach SpaceX Angaben. Man deklarierte einfach jeden Start als erfolgreich. Flug 1 hinterließ die Nutzlast um ihre eigene Achse, torkelnd in einem elliptischen Orbit, der weit von den Vorgaben abwich (es gab ja damals den Users Guide mit garantierten Bahnangaben). Als dann ein Triebwerk auffiel wurde der Verlust der Sekundärnutzlast auch heruntergespielt. Es war ein Versicherungsfall und damit nach unabhängiger Einstufung ein Fehlstart. Wäre die primäre Nutzlast keine Dragon gewesen, mit eigenem Treibstoff wäre auch diese verloren gewesen, weil der Orbit zu niedrig war. Beim ersten Teststart der Falcon 1.1 fiel wie beim ersten Teststart der Falcon 9 v1.0 die Wiederzündung der Zweitstufe aus und auch die Bahnen der ausgesetzten Satelliten waren stark abweichend von den vorher veröffentlichten. Auch diesmal: ein 100% Erfolg. Wäre ein Kommunikationssatellit an Bord gewesen, auch er wäre in einem unbrauchbaren Orbit gestandet. Andere LSP sind da ehrlicher, es gibt z.B. Parallelen zu den Starts V502 und V510 von Ariane, bei denen auch zu niedrige Orbits erreicht wurden und die nicht als 100% erfolgreich eingestuft wurden.

Auch sonst findet man fake-Nwes. Besonders kreativ: Das Weglassen von Fakten. So bezeichnet sich die Firma als den „fastest growing Launch Service Provider“. Der springende Punkt: SpaceX fängt von 0% Marktanteil an. So kann man nur wachsen. Arianespace kann es nicht, die haben schon 50% Marktanteil, selbst wenn sie ihn auf 90% erhöhen würden, wären das „nur“ 80% Wachstum. Wenn SpaceX aber von 1% auf 2% kommt, sind es 100% Wachstum – also fastest growing Launch Service Provider. Oder: „Highest Thrust LOX-Kerosen Engine new developed in the US since 40 Years“. Klingt toll, aber das Merlin ist auch das einzige neu entwickelte Triebwerk in den 40 Jahren. Das erinnert mich an einen Witz: Um die Spannungen abzubauen beschließen Russland und die USA einen Wettlauf der Botschafter. Der US-Botschafter gewinnt. In den USA steht dann als kleine Notiz in der Zeitung „Gestern gewann unser Botschafter in einem freundschaftlichen Rennen gegen den russischen Botschafter“. In Russland titeln die Zeitungen auf der ersten Seite: „Gestern fand ein Rennen statt bei dem unter anderem auch unser und der US-Botschafter teilnahm. Unser Botschafter wurde Zweiter, der US-Botschafter nur vorletzter“. Genauso so geht SpaceX mit der Wahrheit um. Ich habe mal gerade auf die Updates Seite nachgeschaut, da findet man es weiter: Oben eine Bildergalerie, die aber am 24.8. endet – es gibt keine Fotos von der Explosion, nur Still-Video-Aufnahmen von Dritten. Und die Explosion einer Rakete bei der Befüllung nennt man dort „Anomaly“. Ich sehe schon den Nachruf von SpaceX für Elon Musk vor mir: „Yesterday our CEO Elon Musk had an Anomaly“….

Es gibt aber auch echte Lügen wie „SpaceX’s testing program demonstrated a ratio of 4:1 for critical engine life parameters such as firing duration and restart capacity to the engine’s expected flight requirements. The industry standard is 2:1.“ Das ist eine glatte Lüge. Beim Vinci ist das Testprogramm noch lange nicht abgeschlossen, aber das M5 Triebwerk hat schon 2014 die sechsfache Sollelebensdauer bei Tests überschritten. Bei dem Vulcain war die Lebensdauer zehnmal höher als die spätere Betriebsdauer. In dieser Region liegt die Soll-Lebensdauer der meisten Triebwerke.

Twitter, das bei Trump und Musk so beliebte Medium, ist ideal für Fake-News. Wie beim Sprichwort „Lügen haben kurze Beine“ schon erkennbar, wird eine Lüge um so schwieriger, je mehr man erzählen muss. Man muss sich Fakten ausdenken, diese in das schon bestehende Lügennetz einarbeiten und sie dürfen nicht auffallen. In der Kriminalistik lässt man daher Täter erzählen, bis sie sich in Widersprüche verwirren oder plötzlich sich nicht mehr erinnern können oder man lässt Verdächtige in allen Einzelheiten den letzten Abend wiedergeben, bei dem die Tat passiert. Ist das Alibi erfunden, so muss man auch zahllose Kleinigkeiten wie essen, Zahl dee getrunkenen Biere etc. Absprechen. Ich merke das, auch wenn ich mir für die Münchhausen-Kolumne was ausdenke. Es wird immer schwieriger je länger der Artikel wird.

Bei 140 Zeichen kommt man nicht in die Not, viel erfinden zu müssen.

Fake News oder personalisierte Wahrheit?

Viel kritischer als Fake News sehe ich aber die „personalisierte Wahrheit“. Früher bestimmten Medien, wie Zeitungen, Radio und Fernsehen die Wahrheit die veröffentlicht wurde. Bei rückwärts gewandten Gruppen wie Pegida scheint das ja immer noch so zu sein, daher sprechen sie ja auch von der „Lügenpresse“.

Heute informieren sich die Leute über das Internet. Und hier bekommen sie überall, egal ob es Videos, News oder Suchergebnisse bei Webseiten sind – personalisierte Suchergebnisse. Google, aber auch Bing merken sich was man sucht und sortieren so die Suchergebenisse um, das die Seiten die am ehesten zum bisherigen Verhalten passen weiter oben erscheinen. Das geschieht auch bei der Vervollständigung.

Neben dem Effekt, dass man sowieso nur noch das sucht, was einen interessiert und andere Meinungen so gar nicht mehr wahrnimmt, bekommt man auch ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit zurück, wobei man natürlich diskutieren kann, ob die ersten Suchergebnisse auch ohne personalisierte Suche wirklich auch die wichtigsten sind.

Noch verbreiteter ist aber, dass man in einer Gruppe sich selbst bestätigt. In Facebook melden sich eben die, die sowieso der gleichen Meinung sind oder werden Freunde/Likes zu einer bestimmten Person / Firma oder Verein. Oder man trifft sich woanders. Das ist auch in diesem Blog so. Die Zeit, wo sich hier Pro-SpaceX Personen melden, sind weitestgehend vorbei. Dabei kommentiere ich das meistens schon gar nicht mehr. Muss ich nicht. Wer diesen Blog liest, ist nicht Pro-SpaceX und stutzt seltene SpaceX-Freude dann schon zurück.

Mensch hätte das noch Honecker oder Stalin erlebt. Die hätten sich über solche paradiesischen Zustände gefreut. Wie sagte schon Ulrich: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“.

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