OSIRIS-REx: eine überflüssige Mission

Letzte Woche habe ich den Artikel über OSIRIS-REx fertiggestellt. Obwohl die Raumsonde schon letzten Oktober startete, zog sich das hin. Zum einen, weil für mich die Webseite an Bedeutung verloren hat. Ich schreibe auch noch Bücher, blogge und programmieren tu ich auch noch. Allgemein trete ich mit der Arbeit in der letzten Zeit etwas kürzer. Aber es gibt auch einen zweiten Grund. Ich halte die Mission für überflüssig und da bin ich bei meinem heutigen Thema.

OSIRIS-REX: Die Vorgeschichte

Kommen wir zuerst mal zum Konkreten. OSIRIS-REx fliegt zum Erdbahnkreuzer Bennu. Den wird sie einige Monate lang umkreisen, dann Bodenproben beim Vorbeiflug nehmen und wieder zur Erde zurückführen. Schon bei dem Schreiben des Artikels kam ich drauf. Die Instrumente sind bemerkenswert leistungsschwach. Laseraltimeter, die bei einem nur 500 m großen Planetoiden nur Auflösungen von 5 m erreichen, Mulitispektralimager mit Auflösungen über 10 m – das ist bemerkenswert schlecht. Vor allem, wenn man schon bestehende Instrumente las, Vergleich nimmt. Der tiefere Sinn der Mission erschloss sich mir nicht. Schließlich gibt es unzählige Meteoritenfunde auf der Erde. Gut, die Probe von Bennu ist unverändertes Material, also vor allem Staub von der Oberfläche, aber was soll dies fundamental ändern? Klar, wenn man wie die NASA überall auf jede Mission den Stempel „Leben“ drauf packt, dann kann man das Laien weißmachen. Man hat in Meteoriten einfache organische Moleküle gefunden. Die hat man aber auch in interstellaren Gaswolken gefunden, bei denen gerade neue Sterne entstehen. Sie sind einfach chemisch stabile Moleküle, die spontan entstehen. Aber wie soll sich auf einem Meteoriten ohne Wasser, ohne Atmosphäre, Leben oder auch nur Vorstufen entwickeln?

Bemerkenswert ist, dass die Mission genehmigt wurde, obwohl sie ständig teurer wurde. Die Ursprünge von OSIRIS-REX gehen lang zurück. Zuerst wurde die Bodenprobengewinnung unter der Bezeichnung HERA eingereicht. Dieser Vorschlag kam schon nicht in die engere Wahl. Dann zwei Jahre später der Vorschlag etwas verbessert als OSIRIS. Dieser Vorschlag kam immerhin in die engere Wahl und bekam 1,2 Millionen Dollar für die Ausarbeitung des Konzepts. Es erhielt gute Werte für den wissenschaftlichen Nutzen und die Umsetzbarkeit. Doch befand man, es nicht mit dem Preisschild, das die Discoverymissionen damals hatten, (425 Millionen Dollar mit Start) durchgeführt werden könnte. Daraufhin hat man noch ein paar Instrumente hinzugenommen und es als OSIRIS-REx bei den New Frontier Programmen eingereicht und kam damit durch – nun kostet es 800 Millionen Dollar ohne Trägerrakete, das heißt, rund doppelt so viel wie OSIRIS kosten sollte.

Der Name von OSIRIS-REx

Schon der Name zeigt, wie man das der Öffentlichkeit verkauft, denn OSIRIS-REx ist eine Abkürzung:

  • Origins: Gewinne eine Probe unverfälschten Materials, das eventuell organische Moleküle als Vorstufen des Lebens auf der Erde enthält.
  • Spectral Interpretation: Gewinne ein Spektrum eines C-Typ Asteroiden das unverfälscht durch die Erdatmosphäre oder den Wiedereintritt (bei irdischen Meteoriten) ist
  • Resource Identification: Identifiziere Ressourcen, die man in der Zukunft eventuell bei solchen die Erdbahn kreuzenden Asteroiden gewinnen könnte.
  • Security: Quantifiziere den Jarkowsky-Effekt, bei dem die unterschiedliche Form von kleinen Asteroiden durch die ungleichmäßige Sonneneinstrahlung die Bahn ändert, um so bessere Prognosen eines zukünftigen Einschlages von Erdbahnkreuzern vorhersagen zu können.
  • Regolith-Explorer: Untersuche den Regolith, die oberste Staubschicht aus Trümmern von Minieinschlägen bis zur Sub-Millimeterskala.

Geld mit Buzzwords bekommen

Also diese Beschreibung enthält gleich mehrere „Buzz-Words“, die man braucht, um Geld von Politikern loszueisen:

Lebensentstehung: Wir klären auf, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Das funktioniert immer. Damit bekommt das Marsprogramm seit 20 Jahrzehnten stetige Geldflüsse und das selbst über Wechsel des grundsätzlichen NASA-Kurses hinweg. Das nutzt man nun auch für eine teure Europamission. Wie wahrscheinlich die Entstehung von leben auf Meteoriten und hier sogar konkret auf Bennu ist, juckt niemanden. (Bennu wird als Bruchstück eines größeren Planetoiden aus dem Hauptgürtel angesehen und soll bei einer Kollision entstanden sein, ob de kinetische Energie der Kollision nicht alle Spuren von organsicher Materie vernichtet hat, wurde nicht geklärt)

Armageddon: Wir verstehen die Bahnänderungen von Planetoiden und können so besser vorhersagen, ob sie nicht mal auf der Erde einschlagen. Damit sind „Rettungsmaßnahmen“ besser möglich. Man muss nur Spielfilme wie „Deep Impact“ oder eben Armageddon erwähnen und schon klingelt die Kasse. Das wird gerade auch bei einer Asteroideneinfangmission genutzt. Dabei fängt man dabei etwas ein, das so klein ist, das es beim Eintritt wahrscheinlich fast vollständig verglühen würde.

Ressourcen: Wenn uns hier die Rohstoffe ausgehen, weil wir nicht haushalten können, dann eben ab ins All und holen wir sie uns dort. Passt super zur neuen Trump-Regierung.

Diskussion

Wie schon gesagt: Wir haben schon Bodenproben von solchen Körpern. Die Erde wird dauernd mit Meteoriten bombardiert. Ob eine unverfälschte Probe so viel mehr bringt? Und vor allem ist uns das 1 Milliarde Dollar wert? Die restlichen Buzzwords machen auch wenig Sinn.

Das Planetoiden Leben hervorbringen können, glaubt keiner. Die gängige Lehrmeinung geht davon aus, das zumindest Kometen die Erde mit organischem Material angereichert haben. Doch das entstand bei der damaligen Uratmosphäre auch alleine durch Blitze und solare UV-Strahlung. Damit Planetoiden als Rohstoffquelle genutzt werden könnten, müsste die Raumfahrt eine ganz andere Art der Effizienz erreichen. Sowohl die Startkosten müssten radikal sinken und auch andere Technologien müssten billig umzusetzen sein. So muss man die Planetoiden ja auch zur Erde umlenken können. Die „kostbarsten“ Körper bestehen aus Eisen und Nickel. Heute sind alleine die Startkosten einer Nutzlast um den Faktor 10.000 größer als der Materialwert eines Körpers bei gleicher Masse.

Der letzte Punkt ist eine durchaus reale Gefahr. Planetoiden sind schon immer auf der Erde eingeschlagen. Die Gefahr ist relativ klein, weil sie selten sind, auch wenn ein Einschlag große Schäden verursacht. Aber Körper von >10 m und < 100 m treffen statistisch gesehen im Bereich eines Menschenlebens mehrfach auf die Erde und können, wenn sie das falsche Gebiet treffen, durchaus gefährlich sein. Man kann hier an das Tunguska Ereignis von 1910 verweisen wo ein Gebiet von mehreren tausende Quadratkilometern in Sibirien verwüstet wurde oder den Meteorit von Tscheljabinsk, der in Russland 2013 Jahren auch flämisch festgehalten wurde. Könnte man den Einschlag eines so kleinen Körpers vorhersagen, so könnte man die betroffene Gegend evakuieren. Das wäre preiswerter als eine Abwehrmaßnahme. Der Tscheljabinsk-Meteorit war rund 10 t schwer, der viel größere Körper bei Tunguska hatte einen Durchmesser von 30 bis 80 m.

Doch meiner Ansicht nach wäre die bessere Investitionsmöglichkeit für solche Mittel die Suchprogramme für Planetoiden zu intensivieren.

Planetoid oder Asteroid?

By the Way: es heißt Planetoiden das ist die korrekte deutsche Nomenklatur, von „kleiner Planet“. Die meisten Autoren übernehmen die US-Schreibweise, bei denen alles immer etwas größer ist: „Asteroiden“ (kleiner Stern) bei denen sind die Raumfahrer ja auch Astronauten, obwohl noch keiner zu den Sternen aufgebrochen ist. Darin zeigt sich die „Demokratie des Internets“, was man zigmal liest, muss ja richtig sein. (Das führt dann zu Kommentaren wie diesen zu meinen Büchern in denen der Autor sich über die Falsche, weil deutsche Schreibweise von russischen Namen beschwert). Vor dem Internet stand in allen Astronomiebüchern die ich habe die korrekte Bezeichnung „Planetoid“, inzwischen führt sogar die Wikipedia die falsche, aus dem englischen 1:1 übersetzte Bezeichnung Asteroid.

Sinnvoll investiertes Geld

Suchprogramme werden heute vor allem mit kleinen Teleskopen durchgeführt, das bekannteste LINEAR z.B. mit ausgemusterten Teleskopen der 1-2 m Klasse. Man ist mit diesen Programmen weit davon entfernt, alle relevanten Körper zu erfassen. Das grundsätzliche Problem: einen kleinen Planetoiden von unter 1 km Durchmesser kann man nur nahe der Erde erkennen. Das bedeutet, man erfasst ihn nur einige Tage lang, wenn er die Erde passiert. Danach ist er wieder zu lichtschwach. Die Aufgabe ist es daher, den ganzen Himmel möglichst in einer Nacht, besser noch, mehrmals pro Nacht zu erfassen. Dafür braucht man keine Riesenteleskope: Im Gegenteil: Ein doppelt so großes Teleskop vergrößert zwar die Entfernung, bei der man ein Objekt einer bestimmten Helligkeit wahrnimmt um das 1,4-fache, aber der Himmelsausschnitt, den es überwachen kann, sinkt um das 4-Fache. Ganz kleine Teleskope sind aber zu lichtunempfindlich. Als Optimum gelten heute Teleskope von 1-2 m Durchmesser und damit Kosten im einstelligen Millionenbereich pro Teleskop. Derzeit werden weltweit ein Dutzend dieser Instrumente zur Suche eingesetzt. Mit nur 10% der Mittel von OSIRIS-REx könnte man die Zahl auf das fünffache erhöhen und damit wahrscheinlich in weniger als einem Jahrzehnt alle Körper erfassen die eine Bedrohung darstellen. (Es dauert so lange, weil ein Körper erst mal nahe an der Erde vorbeifliegen muss, was nicht jedes Jahr der Fall ist). Für die Vorhersage wäre, wenn man eine Raumfahrtmission starten will, ein Teleskop in einer Umlaufbahn zwischen Erde und Venus besser als OSIRIS-REx, denn alle Körper die von der Sonnenseite kommen sehen wir erst, wenn sei die Erde passiert haben. Dann ist es bei einem Kollisionskurs aber schon zu spät. Für eine Kurzzeitvorhersage bei einem Kollisionskurs kleiner Körper wäre eine Raumsonde am L1-Punkt hilfreich. Sie schaut aus 1,5 Millionen km Entfernung auf die Erde und ihre Umgebung. Ein von der Sonne sich der Erde direkt nähernder Körper würde ins Blickfeld geraten, wenn er auf die Erde zu fliegt. Er passiert die Sonde mit typisch 5-7 km/s, was die Reaktionszeit auf unter 20.000 – 30.000 s reduziert. Nicht ausreichend für Abwehrmaßnahmen aber für eine Evakuierung, wenn es automatisierte Abläufe gibt. Das greift natürlich nur bei kleinen Körpern und setzt voraus, das man die größeren Brocken (so ab 100 m Durchmesser) entdeckt.

Auf die Bedeutung für Rohstoffgewinnung oder gar Abwehr brauche ich gar nicht erst eingehen, das ist heute noch Science Fiction. Die Charakterisierung des Jarkowski Effektes ist gut und schön, aber er ist nur ein Einfluss. (Es ist eine Bahnänderung durch eine ungleichmäßige Erwärmung eines unregelmäßig geformten Körpers). Diese kleinen Körper werden durch vieles gestört. Durch die Massen aller anderen Körper, durch den Sonnenwind etc. Ich glaube nicht, dass wir langfristige Prognosen für die Bahnen aller Körper machen können. Dazu sind diese auch zu wenig bekannt. Schon bei Bennu, der in einigen Jahrzehnten mehrmals die Erde nahe passiert, kann man nur ein Einschlagsrisiko (von etwa 1:2100) angeben. Sinnvoller ist es vielmehr, die bekannten Körper zu überwachen und die Bahn für einige Jahre in die Zukunft zu berechnen. Damit sinkt auch der Fehler durch Störeinflüsse. Kurzum: Die Mission ist in meinen Augen weitestgehend überflüssig. Die Asteroideneinfangmission wird nun auch gerade vom Kongress nicht so als dringlich angesehen.

Morgen gibt es einen Anschlussblog, der das Thema „Geld das man in der Raumfahrt besser anders investiert hätte“, etwas allgemeiner aufgreift.

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