Zum Kuiper Belt und in die Heliopause

Ich greife heute ein Thema, auf das ich aber bisher nur schätzungsweise berechnen konnte, inzwischen kann ich durch Verbesserungen meines Programmes genau zu berechnen. Es geht um eine Sonde, die möglichst schnell möglichst weit von der Sonne entfernt sein sollte.

Früher habe ich als wichtigsten Einsatzzweck die Erforschung der Heliopause genannt, also der Region, in der der Sonnenwind in das intergalaktische Medium übergeht. Diese Region haben die Voyagersonden inzwischen erreicht. Sie liegt etwa 150 AE (rund 22.500 Mill. km) von der Sonne entfernt. Für eine gute Vermessung braucht man mindestens drei Sonden: eine die in Bewegungsrichtung der Sonne gestartet wird, eine entgegengesetzt und eine senkrecht dazu.

Inzwischen gibt es noch eine zweite mögliche Einsatzmöglichkeit die Passage eines Kuipergürtelobjektes. Diese liegen auch in dieser Entfernung.

Das Problem: Voyager brauchte zwei Swing-Bys und rund 30 Jahre, um dorthin zu kommen. Ein Start mit einer Atlas V für eine Nachfolgesonde dürfte heute nur für eine Sonde die Teilchendetektoren hat kaum finanzierbar sein, auch wenn als Plus vielleicht noch ein naher Vorbeiflug an einem KBO herausspringt. Ein solver Träger kostet über 200 Millionen Dollar, dazu käme noch eine PAM-D Oberstufe.

Also suchte ich nach billigeren Alternativen und einem schnelleren Weg.

Gehts mit der Vega?

Als erstes habe ich als Alternative eine Sonde zuerst einmal mit der Vega gestartet. Die hat nur eine Nutzlast von 2.400 kg in einen 400 km hohen kreisförmigen Orbit. So muss man Ionentriebwerke einsetzen, um die Sonde überhaupt zu Jupiter zu bekommen. Die Vega könnte maximal 500 kg auf eine Fluchtgeschwindigkeit bringen und braucht dazu noch ein weiteres Modul.

Das Sondengewicht habe ich zu 700 kg festgelegt. Das entspricht dem Gewicht von Voyager ohne Hydrazintank. Die Lageregelung wird von den Ionentriebwerken durchgeführt. Statt den MMRTG werden GPHS-RTG mitgeführt, die mit 570 W eine etwas höhere Leistung haben, aber das gleiche Gewicht.

Das Trockengewicht des Ionenantriebsmoduls orientiert sich nach dem verbrauchten Treibstoff, der erst nach Simulation feststeht. Ich errechnete einen Verbrauch von 945 kg bei einem hohen spezifischen Impuls von 44.000 m/s. Dawn hatte 425 kg Treibstoff bei einem Trockengewicht (Tanks, Strukturen, Triebwerke) von 136 kg. Das entspricht auf 945 kg hochskaliert einem Trockengewicht von 303 kg. Dazu kommen noch die Solararrays, hier Flexarrays von ATK mit je 5 m Durchmesser für 30 kW Anfangsleistung. Diese wiegen bei 106 W/kg BOL weitere 283 kg. Etwa 100 kg kommen noch für Strukturen hinzu, bei Dawn war das Antriebssystem ja in die Sonde integriert. Das lässt dann eine Restmasse von 765 kg zu:

System Masse
Treibstoff 945 kg
Tanks + Triebwerke 303 kg
Solararrays: 283 kg
Strukturen 100 kg
Sonde: 769 kg

Die 69 kg über 700 kg Masse werden auch genutzt, und zwar für einen Niedrigenergieantrieb. Auch dies ist ein Ionenantrieb. Doch er arbeitet nur mit kleinem Schub. Der dahinter stehende Gedanke: Die Stromversorgung muss ausgelegt sein, bis die Sonde nach 40 Jahren eine hohe Distanz erreicht. Bis dahin ist der Strom bei RTG aber auf die Hälfte abgefallen. So kann man 35 Jahre lang den überflüssigen Strom (im Mittel ein Viertel des Gesamtstroms) für ein kleines Ionentriebwerk nutzen. Bei 570 W Anfangsleistung sind dies 140 W, die bei dem bisher jetzt höchsten spezifischen Impuls kann man bei dieser Strommenge in 35 Jahren 43 kg Treibstoff verbrauchen. 20 weitere kg benötigt man dann für Tanks und Triebwerk.

Die Mission gliedert sich in vier Phasen:

  • Aufspiralen, bis Erdeinflusssphäre verlassen ist (hier zu 1 Mill. Km Entfernung festgelegt)
  • Aufspielen in der Sonnenumlaufbahn
  • Freiflugphase zu Jupiter und Swing-By
  • Ionenbetrieb mit niedrigem Schub

Dies habe ich in einem ersten Ansatz durchgerechnet:

  • Startmasse: 2.400 kg
  • Masse nach Verlassen der Erde: 2012,1 kg
  • Masse nach Erreichen der Jupitertransferbahn: 1.455 kg
  • Betrieb im Erdorbit: 238 Tage
  • Betrieb im Sonnenorbit: 4 Jahre 318 Tage
  • Endbahn: 258,58 x 1457,79 Mill. Km
  • Passage von Jupiter in 250.000 km Entfernung ergibt die maximale Beschleunigung, eine Hyperbel mit einem Aphel von -2179 Mill. km Entfernung.

Ich nehme mal als Vergleich Voyager, die ist heute (14552 Tage nach dem Start) in 20.807 Mill. km Entfernung. Zum selben Zeitpunkt (11947 Tage nach der Passage von Jupiter) wäre diese Sonde ohne Nachbeschleunigung in 15.843 Millionen km Entfernung. Zum Nachteil gerät hier die lange Zeit vor dem Jupiter-Flyby (5,5 Jahre gegenüber 1,5 Jahre). Zudem ist die Raumsonde langsamer als Voyager 1 unterwegs (14.435 m/s relativ zur Sonne – Saturn hat die Sonde nochmals etwas beschleunigt. Voyager 2 ist übrigens langsamer unterwegs, sie wurde etwas abgebremst.

Daher muss es die Nachbeschleunigung herausreisen.

Nach dem Vorbeiflug von Jupiter wird das Ionenantriebsmodul abgetrennt um Gewicht zu sparen und die 50 kg Xenon ab Jupiter genutzt um die Sonde weiter zu beschleunigen. Nach 34 Jahren sind auch diese 50 kg Treibstoff verbraucht. Das erhöht die Geschwindigkeit deutlich. Nun erreicht die Sonde 14.552 Tage nach dem Start eine Distanz von 18.847 Mill. km bei einer Geschwindigkeit von 18.915 m/s. Das ist nicht so weit wie Voyager 1, aber weiter als Voyager 2 (17.176 Mill. km) und die Sonde ist rund 2 km/s schneller unterwegs und wird so aufholen.

Das bedeutet, man kann das Ziel erreichen. Allerdings ohne Sicherheitsmargen. Das ist also mit der heißen Nadel gestrickt, obwohl ich das leistungsfähigste Ionentriebwerk genutzt habe (im Sinne vom hohem spezifischen Impuls um den Treibstoffverbrauch zu reduzieren). Das ist aber ein Treibwerk der 25 kW Klasse ob man es auch 100-mal kleiner bauen kann? Eventuell klappts mit etwas mehr Reserven mit der Vega-C die ja eine um 50% höhere Nutzlast haben wird.

Die Abtrennung des separaten Ionenantriebsmoduls könnte früher erfolgen und dann schon mit dem Betrieb des Low-Energie Ionentriebwerks begonnen werden. Das wäre eine Optimierung, doch wegen fehlender Reserven habe ich dies nicht untersucht.

Option 2: Sojus

Option 2 nutzt den nächstgrößeren Träger, eine Sojus 2B. Diese kann bei 8,3 t Nutzlast in den LEO transportieren. Das erlaubt nicht nur den Jupiter schneller zu erreichen, sondern es lässt einen weiteren Kniff zu. Anstatt Jupiter in 250.000 km Entfernung zu passieren, nähere ich mich bis auf unter 2000 km Entfernung an die Wolkenobergrenze. Schon in 2000 km Entfernung zündet man eine PAM-D welche die 799 kg schwere Sonde (30 kg für den Adapter) welche die Sonde um 2981 m/s beschleunigt. Der springende Punkt: Diese Geschwindigkeit addiert sich zur Spitzengeschwindigkeit von 60121 m/s. Nach dem Energieerhaltungssatz bleiben so im Unendlichen aber nicht 2981 m/s, sondern 19165 m/s übrig.

Aber fangen wir mit dem Ionenantriebsmodul an. Abzüglich der Sonde und der PAM-D bleiben 5300 kg für dieses. Mit etwas Spielen kommt man auf folgende Werte:

 

System Masse
Treibstoff 2.670 kg
Tanks + Triebwerke 840 kg
Solararrays: 1.495 kg (160 kW).
Strukturen 300 kg
Sonde+ PAM-D 3.000 kg
Gesamt: 8.300 kg

Nach 143 Tagen hat man die Erde verlassen, nach weiteren 3 Jahren 10 Tagen hat man Jupiter erreicht (Bahn 177,1 x 778 Mill. km). Es geht dank etwas größeren Solararrays etwas schneller. Damit hat man auch 13.304 anstatt 12.536 Tagen nach der Passage Zeit, um Voyagers heutige Position zu erreichen. Ich komme ohne Nachbeschleunigung nach 14552 Tagen auf eine Entfernung von 33.602 Mill km bei 29.518 m/s. Mit Nachbeschleunigung sind es 35.092 Mill. Km und 335.02 m/s. Das ist eine 50 % höhere Distanz als sie Voyager 1+2 erreichen. Macht man eine Prognose bis zum Ende der Voyager Mission (2025) so kann man sogar eine Distanz von 43 Millionen km erreichen. Voyager wird nur 25 Millionen km erreichen.

Science Benefit

Durch die Passage an Jupiter gibt es wie bei den Voyagersonden die Möglichkeit Jupiter und vor allem seine Monde zu untersuchen. Dank kohlefaserverstärkten Gehäusen kann man die Kameras etwas größer als bei Voyager dimensionieren. Voyager hatte bei der Telekamera 22,2 kg Masse und eine Auflösung von 9,1 Mikrorad, bei New Horizons hat die Kamera LORRI eine Auflösung von 5 Mikrorad bei 8,8 kg Masse. Die Weitwinkelkamera von Voyager ist überflüssig, sie liefert nur während weniger Tage vor der Begegnung von Jupiter Bilder. Allokiert man ihre Masse zusätzlich zur Telekamera so wäre ein 33-cm-Teleskop mit einer Auflösung von 1,7 Mikrorad möglich – anders als bei New Horizons kann die Auflösung beugungsbegrenzt sein, da die Kamera ja nur bei Jupiter bei 50-mal mehr Licht arbeiten muss. Ein solches Teleskop ist mehr als 5-mal besser als Voyagers Kamera. Es macht aus 58.000 km Entfernung Aufnahmen mit 100 m Auflösung und wäre daher ideal zum Erforschen der galileischen Monde. Man wird allerdings wegen der vorgegebenen Passagedistanz nur einen Mond in mittlerem Abstand und die anderen im größeren Abstand passieren. Trotzdem würde man mit drei Sonden einen Teil der globalen Kartierung nachholen können, die bei Galileo wegfiel. Bei den typischen Abständen die Voyager hatte von rund 100.000 bis 200.000 km erhält man Aufnahmen von 200 bis 400 m Auflösung. Heute hat man globale Panoramen mit > 1 km Auflösung. Als vorrangiges Ziel, wenn es im Flugplan möglich ist, stufe ich Io ein. Io ist der einzige Mond im Sonnensystem mit aktiven Vulkanen. Seine Oberfläche ändert sich dauernd und er ist Jupiter so nah, das ihn andere Missionen meiden, um nicht zu stark der Strahlung ausgesetzt zu sein.

Mehr noch: Das ionenantriebsmodul, das man zum Transfer zu Jupiter genutzt hat und das man vorher abtrennte, kann man ebenfalls an einem Mond vorbeifliegen, diesmal sogar recht nahe, da man auf die Bahn nach der Passage nicht achten muss. Bei Jupiter haben die Solarzellen immer noch >1 kw (Vega-Lösung) bzw. >4 kW Leistung. Das reicht, wenn man eine kleine Antenne anbringt für eine komfortable Datenrate zur Erde, wenn man leistungsfähige Sender nutzt. Jedes dieser Module kann beim Vorbeiflug eine Hemisphäre eines Mondes daher im Detail erfassen und die Daten zuerst zwischenspeichern und über die nächsten Tage zur Erde senden. Dies wird man wahrscheinlich für Ion und Europa nutzen die man sonst wegen ihrer Jupiternähe nur selten passiert. Auch JUICE sieht nur wenige Europavorbeiflüge und keinen Iovorbeiflug vor.

Die Sonden mit nachträglicher beschleunigung können ihre Geschwindigkeit nach der Passage um über 4 km/s ändern. Das erlaubt es, danach noch ein Kuipergürtelobjekt zu passieren. Wie bei New Horizons wird man die Daten an Bord speichern. Da die Datenrate mit steigender Entfernung stark abnimmt, wird man auf entfaltbare Antennen setzen. Voyagers 3,66 m Antenne wog 50,2 kg, die 4,7 m Antenne mit Gitternetz-Rippentechnik von Galileo dagegen 34 kg bei 4,7 m Durchmesser. Damit wäre bei gleicher Masse eine 5,8 m Antenne möglich, die die Datenrate von New-Horizons immerhin noch in 16 Milliarden km Entfernung ermöglicht. Diese Mission ist ein guter Vergleich für einen KBO der sogar meist kleiner als Pluto ist. Wie bei New Horizons würde man die Daten an Bord speichern und später übertragen. Das ermöglicht es auch viele hochauflösende Bilder bei Jupiter zu gewinnen, da sie schnell abgespeichert sind. Voyager brauchte noch 48 s um ein Bild zu übertragen. In der Zeit bewegte sie sich um 700 km weiter. So kann man leicht errechnen, dass sie schon nach 30 Bildern den doppelten Passageabstand zu Io (20.000 km) erreichte und die Auflösung auf die Hälfte abfiel.

Der Übergang vom X-Band zum Ka-Band könnte noch etwas mehr herauskitzeln. Sein Hauptnachteil, dass es wetterbedingt nur zu 80% der Zeit verfügbar ist, spielt da man die Aufzeichnung beliebig oft wiederholen kann keine Rolle.

Die Bilder links informieren über die wesentlichen Phasen der Mission mit der Sojus – Heraufspiralen aus der Erdbahn, Ionenantrieb in Sonnennähe, antriebsloser Flug zu Jupiter und Vorbeiflug heliozentrisch und planetozentrisch. Bei der planetozentrischen Sichtweise fällt auf, wie die Sonde rechts nahezu gerade den Planeten verlässt – sie hat auch kräftig Geschwindigkeit aufgenommen

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