Vor 40 Jahren: Start der erfolgreichsten Weltraummission

Forty years and counting … So könnte man den heutigen Artikel zusammenfassen. Vor 40 Jahren startete Voyager 1, als Zweite des Paares. Voyager 1 war schon am 20.8.1977 gestartet, doch da sie von Voyager 1 bald überholt werden würde hatte man die Nummerierung ausgetauscht. Voyager 1 machte auch das erste Foto der Mission – am 18.9.1977, 13 Tage nach dem Start, als sie schon 11,66 Millionen km von der Erde entfernt war. Es war das erste Foto, das Erde und Mond gemeinsam zeigt. Voyager 1 machte auch die letzten Aufnahmen der Mission: am 14.2.1990 machte es ein Mosaik des Sonnensystems, 6.4 Milliarden km von der Erde entfernt.

Die Missionen sind in vielem einmalig. Keine Einzige ist so lange aktiv. 40 Jahre ist wirklich lange und zwar waren einige Komponenten am Stück so lange in Betrieb, man kann zwar Experimente abschalten und wieder aktivieren, aber Kommandoempfänger und den dahinter liegenden Computer nicht. Von den 12 Rechnern an Bord (drei Systeme je Raumsonde, jeweils redundant vorhanden) sind noch 10 aktiv – ich bezweifele das man das von einem Apple II, Tandy TRS-80 oder Commodore PET, die im selben Jahr erschienen, behaupten kann. Natürlich werden die Raumsonden nicht jünger. Die entscheidende Ressource ist die laufend abnehmende Leistung der RTG. Sie verlieren pro Jahr 4 Watt an Leistung. 2020/2021 muss man nacheinander die noch verbliebenen Experimente abschalten. Die Hälfte der Experimente, die nur für die Planeten ausgelegt waren, wie Kameras, IR- und UV-Spektrometer, Photometer wurden schon nach dem Neptunvorbeiflug abgeschaltet. Ab 2025 reicht der Strom dann nicht mehr aus, um ein einziges Experiment zu betreiben. Spätestens dann wird eine Diskussion beginnen, ob man die Mission weiter betreiben soll. Es gab mehrmals den Vorschlag sie abzuschalten, um Geld zu sparen, obwohl sie mittlerweile durch starke Reduktion des Missionsteams recht preiswert sind (4,7 Millionen $/Jahr). Telemetrie über die Sonde selbst sollte man bis 2036 empfangen können, also rund 60 Jahre nach dem Start.

Auch in anderen Dingen sind die Sonden herausragend. Ihr Sendesystem wurde danach nur noch marginal übertroffen. Galileo sollte 134,4 kbit/s vom Jupiter übertragen, Voyager schaffte 115,2 kBit/s. New Horizons war mit 38,9 kbit sogar noch schlechter. Gegenüber dem Sendesystem von Mariner 10, dem vorherigen Rekord, war es um den Faktor 100 besser. Natürlich war die Mission herausragend. Sie basierte auf dem einfachen Fakt, dass Mitte der Achtziger Jahre alle äußeren Planeten im gleichen Sektor waren. Eine Raumsonde konnte sie so nacheinander besuchen. Diese Gelegenheit wiederholt sich nur alle 176 Jahre – das ist ein Umlauf des Neptuns, praktischerweise zwei Uranusumläufen oder fünf Umläufen des Saturn. So kam man auch Ende der Sechziger auf die Idee, eine Raumsonde zu den äußeren Planeten zu schicken. Von dem Outer Planets Grand Tour Projekt blieben nur die Voyager übrig. Dieses war der NASA zu teuer. Voyager war billiger. Die Sonden hatten als Primärmission nur eine Passage von Jupiter und Saturn mit einer Design-Lebensdauer von 5 Jahren. Dafür kosteten sie beim Start rund 486 Millionen Dollar, weniger als die Hälfte von Viking und weitaus preiswerter als die Galilo-Mission, die folgen sollte (1354 Millionen Dollar). Da man die Sonden nur bis Saturn betrieben wollte, entfielen auch einige Optionen, die man wahrnehmen konnte. Das waren andere Bahnen.

Es gab bei einem Start zwischen 1977 und 1979 folgende Basistrajektorien:

  • Jupiter – Saturn – Pluto
  • Jupiter – Saturn – Uranus – Neptun
  • Jupiter – Uranus
  • Jupiter – Uranus – Neptun
  • Jupiter – Neptun

Genutzt hat man die Jupiter-Saturn-Route für Voyager 1 und die Jupiter-Saturn-Uranus-Neptun-Route für Voyager 2, wobei die beiden letzten Ziele keine offiziellen Missionsziele waren. Die Einscheidung die Mission jeweils zu verlängern, fiel erst wenige Monate vor dem Saturn/Uranusvorbeiflug. Voyager 1 „opferte“ man, weil man einen nahen Vorbeiflug an Titan haben wolle. Aufgrund der Vorbeifluggeometrie für Uranus konnte man sonst Titan nur in großem Abstand passieren, wie es auch Voyager 2 tat. Der Vorbeiflug in einem Abstand von weniger als 4000 km war der nächste, während der ganzen Mission, machte aber eine Passage notwendig, die Voyager 1 aus der Ekliptik herausführt. Wie sich zeigte, war Titan optisch ein völliger Reinfall – die Smogschicht konnte von den Kameras nicht durchdrungen werden. Selbst Cassinis weiterentwickelte Kamera, mit Filtern im IR, sieht heute nur Schemen. Aber man konnte mit den Spektrometer die genaue chemische Zusammensetzung analysieren.

Was man versäumt hat, war eine dritte Mission. Wie bei allen früheren Missionen hat man ein drittes Flugexemplar gebaut für den Fall, dass man eine der Sonden austauschen muss. Bei Viking z. b. vorgekommen, als man einen Batteriedefekt vor dem Start bemerkte. Dieses hätte man später starten können. Auch das wurde gemacht mit dem Reserveexemplar von Mariner 3+4 das man als Mariner 5 zur Venus schickte.

So schlug das JPL vor, das Reserveexemplar zum Flugexemplar umzubauen, das am 3.11.1979 starten würde, am 10.4.1981 Jupiter und Mitte 1985 Uranus erreichen würde. Eine der beiden Voyagers wäre dann erst 1978 gestartet, sodass man drei Starts in drei Jahren hatte, und so die Kosten sich über einen längeren Zeitraum verteilen würden. Diese zusätzliche Mission würde nur 177 Millionen Dollar mehr kosten, davon 80-100 Millionen alleine für die Überwachung, die nun vier Jahre länger laufen würde. Das alleine die Überwachung teuer wird zeigte sich schließlich: 1990 als man die Grand Tour abschloss, hatte die Mission 865 Millionen Dollar gekostet (allerdings reale Dollar, alle vorigen Angaben basierten auf dem Preisindex von 1977).

Was wäre gewesen, wenn man eine Voyager 3 gebaut und gestartet hätte?

Es gäbe prinzipiell drei mögliche attraktive Routen:

Jupiter-Saturn-Pluto: Start wäre im September 1977 gewesen. Je nach Route Passage von Jupiter im Februar/März 1979 und Saturn im September 1980 oder Juli 1981. Pluto wäre im März oder September 1986 erreicht worden.

Vergleichen mit New Horizons wären Voyagers Fähigkeiten bei den Kameras deutlich kleiner gewesen. New Horizons kann zwar die Daten nur dreimal langsamer übertragen als Voyager, aber die hat einen großen und schnellen Datenspeicher an Bord. Voyager hatte nur ein langsames Bandlaufwerk, das nur selten eingesetzt wurde, eigentlich nur, wenn keine direkte Funkverbindung möglich war. Man setzte es nicht mal beim Tritonvorbeiflug ein, wo man durch die langsame Übertragung nur wenige Bilder trotz naher Passage übertragen konnte. Voyager hätte nur wenige Bilder von Pluto anfertigen können, vielleicht 200 im Ganzen. Aber Voyager hatte ein leistungsfähiges IR-Spektrometer, anders als das von New Horizons empfindlich auch im fernen IR. Damit hätte man viel bessere Daten der Atmosphäre erhalten die noch dazu, nahe des Perihels von Pluto viel ausgedehnter und wahrscheinlich reicher an Spurengasen gewesen wäre die dreißig Jahre später wohl schon zum Teil kondensierten. Dazu kommen andere Experimente, die New Horizons nicht hat, wie das Photopolarimeter und Plasmawellensubsystem. Ich fürchte aber auch, dass man, wenn eine Voyager Pluto passiert hätte, man niemals New Horizons gebaut hätte – Uranus und Neptun haben seitdem ja auch keinen Besuch mehr erhalten.

Jupiter-Saturn-Uranus-Neptun: Neben der Route die Voyager 2 einschlug, hätte auch Voyager 1 diese nehmen können. Die Voyageur 3 hätte dann Titan passiert (oder nachdem man ja Aufnahmen ohne Strukturen von Voyager 1+2 gehabt hätte) wäre man vielleicht gar nicht an dem Mond nahe vorbeigeflogen). Sie hätte Uranus schon Februar 1984 und Neptun im November 1986 erreicht, weil sie schneller unterwegs wäre. Der Vorteil wäre, das man zwischen beiden Vorbeiflügen Zeit hat. In denen kann man die Daten der ersten Sonde auswerten und Schlüsse ziehen. Bei Voyager 2 nutzte man das, um das Beobachtungsprogramm abzuändern. So schaute Voyager 2 mehr nach Io, nachdem Vulkane auf den Voyager 1 Aufnahmen entdeckt wurden. Bei Saturn schaute man mehr nach den Speichen und legte eine Trajektorie fest, bei der das Photopolarimeter durch eine Sternbedeckung durch die Ringe deren Zahl ermitteln konnte. Interessant wäre es zu wissen, ob es den großen Blauen Fleck auf Neptun schon Ende 1986 gab – er war auf den ersten Hubble Aufnahmen von 1992 nämlich verschwunden. Man hätte einen weiteren Uranusmond näher passieren können (weil sie Ende der Achtziger aber mit dem Pol zur Sonne schauten, hätte man keinen vollständig kartieren können und aufgrund der gekippten Rotationsachse kann jede Sonde nur einen Uranusmond nahe passieren. Der naheliegende Kandidat wäre Ariel gewesen. Bei Neptun hätte man eine vollständige Karte von Triton anfertigen können von dem wir auch nur eine Hälfte genau kennen.

Jupiter-Uranus-Neptun: Verzichtet man auf den Saturnvorbeiflug, so wäre auch ein Start 1978 und 1979 in frage gekommen – man hätte dann beide Planeten ein halbes (1979) bis ein Jahr (1978) vor Voyager 2 passiert. Das wäre bei fertig ausgearbeiteter Missionsplanung für die ersten beiden Sonden die wohl beste Route für eine dritte Sonde gewesen, die ja nach den ersten beiden Sonden fliegen kann.

Es kam nicht dazu. Teile von Voyager flogen trotzdem nochmals. Die Hauptantenne mit Magellan, die Weitwinkelkamera mit Stardust. So hat die Sonde zumindest bei diesen Projekten noch Geld eingespart.

Ich würde mich freuen, wenn ich in 10 Jahren Voyager zum 50-sten gratulieren kann, auch wenn dann kein Instrument mehr aktiv sein wird.

6 thoughts on “Vor 40 Jahren: Start der erfolgreichsten Weltraummission

  1. Das ist ja natürlich absolut typisch, ganz normal
    „… Voyager 1 war schon am 20.8.1977 gestartet,… “
    Voyager 2 ist am 20. August 1977 gestartet!!!
    Den Rest habe ich noch nicht gelesen.
    In zehn Jahren gibt es keine Voyager-Sonden mehr, weil die Sonden unsere Sonne und damit die Erde nicht mehr finden werden.

  2. Bei den Fotos muss man unterscheiden zwischen technische und wissenschaftlichen Fotos. Zu den technischen Fotos gehören Bilder die zur Navigation und zum Zustand der Sonde dienen. Und da Voyager 2 – gestartet am 20. August 1977 – am Anfang ihrer Mission Probleme über Probleme hatte, dazu gehörte das der Computer sich weigerte Befehle auszuführen, man wüsste nicht die Beschleunigungsstufe sich befand, eine Woche nach ihren Start Fotos machen müsste. Also die ersten technische Bilder machte Voyager 2.
    Und die Startreihenfolge ist auch einfach erklärt: V1 sollte am 20. August starten, V2 einige Tage später. Bei der Startvorbereitungen fand in einen Instrument von V1 einen Defekt, um mehr Zeit für die Reparatur zu haben wurde die Startreihenfolge getauscht.

  3. Hallo Ariane 42L. Ich habe auf die Webseite geschaut und dort steht das man bis 2036 mit ihnen kommunzieren kann:
    https://voyager.jpl.nasa.gov/frequently-asked-questions/
    he two Voyager spacecraft could remain in the range of the Deep Space Network through about 2036, depending on how much power the spacecraft still have to transmit a signal back to Earth.
    Vom Sonnensensor steht da nichts.
    Schön ist es auch das Du über den Start genauer Bescheid weist als die NASA selbst. Aus dem originalen Presskit, veröffentlicht am 4.8.1977, also 16 Tage vor dem Start:
    The first Voyager will be launched about Aug. 20. The
    second is scheduled for launch 12 days later, about Sept. 1.
    Voyager 2 will be launched first and Voyager 1 second,
    as Voyager 1 will fly a faster trajectory than its companion
    and reach Jupiter in March, 1979, four months ahead of
    Voyager 2. At Saturn encounter Voyager 1 will be about nine
    months ahead of its sister craft.

    http://forum.nasaspaceflight.com/index.php?action=dlattach;topic=9476.0;attach=591860

  4. Bis zu einen bestimmten Zeitpunkt im Sommer 1977 sollte V1 am 20. August starten. Dann wurde bei der Überprüfung der Sonden im Lagekontrollsystem von V1 ein Fehler entdeckt. Um mehr Zeit für die Reparatur zu haben, wurde nun die Startreihenfolge getauscht. Das Teil war auch erst am 10. August wieder in Florida gewesen.
    Genauso hiessen die Sonden bis zu einen Zeitpunkt einfach nur MJS bevor der Name Voyager benutzt wurden ist.
    Einfach Zeitungen aus dem Jahr 1977 lesen!

    Bei V1 hatte das Trägersystem die Bezeichnung E-6 oder TC-6 gehabt, V2 hatte die E-7 oder TC-7 gehabt.
    Wegen der Startreihenfolge gibt’s es Verschwörungstheorien!

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