Ich bin für eine Minderheitsregierung

Derzeit scheint nichts bei den Koalitionsverhandlungen so richtig gut zu lauen. Gut man hat schon einiges abgearbeitet, vor allem Dinge die keine Probleme machten. So waren sich ja alle Parteien einig das man mehr Geld für Bildung und Digitalisierung ausgeben soll. Doch die echten Streitthemen hat man sich auf den Schluss aufgehoben und da hakt es nun ja. Heute hörte ich in den Nachrichten das Lindner nun schon von Neuwahlen spricht. Er würde gerne in die Opposition gehen.

Ich hatte bisher die Meinung, dass wir eine stabile Demokratie haben. Stabil in dem Sinne, das man sich zusammen sitzt und eine handlungsfähige Regierung zimmert, auch wenn man sein Parteiprogramm nicht 100 % durchsetzen kann. Schlussendlich kennen wir es, nicht das wegen jedem Scheißdreck ein Kanzler die Misstrauensfrage stellt und dann Neuwahlen anstehen, außer es läuft wirklich einiges schief wie 2005 bei Schröder. In anderen europäischen Ländern ist man da schneller dabei. In Italien wechseln die Regierung schneller als die Mode. Den einzigen sonstigen Fall von Misstrauensvotum den ich kenne, war das die FDP zum zweiten Mal ihren Koalitionspartner verlassen hat. Den Bürger neu zur Wahl zu rufen, ist so ziemlich das dümmste was man machen kann. Es zeigt nur das eigene Scheitern auf. Vor allem, wenn die letzte Wahl noch nicht mal zwei Monate her ist.

Auf der anderen Seite sehe ich die Problematik. FDP und Grüne sind sich programmatisch so weit entfernt wie es fast nur geht (nur mit der AFD gäbe es noch mehr Differenzen). Das beide Partien als Juniorpartner selbst Kernpunkte ihres Parteiprogramms nicht durchbringen können, vor allem wenn sie damit bei vier Partien alleine stehen, ist auch klar. Ich dachte man macht dann Abwägungen. Man kann dann eben damit rechnen einen von fünf Punkten durchzudrücken, wenn man nur ein Fünftel der Abgeordnete in der Koalition stell,t wie dies bei FDP und Grünen der Fall ist. Dann muss man sich verständigen welcher Punkt das ist.

Ich sehe es so das Merkel regieren möchte. Seitens der CDU ist also am meisten Willen da. Programmatisch wichtiges gibt es da eher weniger. Schon bei den letzten beiden Koalitionen war es so das alle wichtigen Gesetze vom kleinen Koalitionspartner kamen. 2009 ging das in die Hose als die FDP im ersten Jahr alles durchsetzte und dann auf einem Parteitag auf dicke Hose machte: Eine Tirade von „Versprochen – Geliefert“. Nur wars das dann und drei Jahre tat sich dann nichts mehr.

Mehr Probleme als bei den beiden kleinen Partnern sehe ich in der CSU. Schon in den letzten Jahren hatte ich das Gefühl die CSU ist die Opposition in der Regierung. Ihr einziger Zweck scheint es zu sein, mit total verrückten Forderungen auf sich aufmerksam zu machen wie Herdprämie, Maut oder ähnliches. Das Problem das Merkel hat: Die CSU ist die einzige Partei, der es gar nicht drauf ankommt in der Bundesregierung zu sein, sie will sich nur bei ihren bayrischen Wählern profilieren. Wie anders kommt eine Partei bei BundesTagswahlen auf die Idee einen BayernPlan aufzustellen? Sei ist auch die einzige Partei, die ihre Ministerien als Selbstbedienungsladen für Bayern sieht und daher sich auch solche raussucht, wo dies möglich ist. 2013 gingen 80 % der Mittel des Bundesverkehrsministeriums für Straßenbau nach Bayern. Noch schlimmer: da Seehofer noch machtbesessener als Merkel ist, sorgt er dafür das auf allen einflussreichen Posten nach ihm nur Nullen sind. Am peinlichsten ist ja Alexander Dobrindt. Nun fordert ja schon die junge Union Seehofers Rücktritt. Dann würde wenigstens das Gepolter aus Bayern weniger werden. Aber ob sich was ändert? Es ist ja nicht mehr die CSU von Strauss, der immer bundesdeutsche Ambitionen hatte, und so auch in den Achtzigern den Milliardenkredit für die DDR eingefädelt hat. Die heutige CSU ist auf Bayern beschränkt und auch Seehofers Nachfolger wollen nur möglichst viel für Bayern rausholen. Am besten wäre eine CDU ohne CSU dran. Nur kommt dann die Koalition nicht mehr auf 50 % der Sitze.

Die FDP hat als einzige schon miterlebt, wie Merkel ihren kleinen Partner alt aussehen lässt. Sie ist schließlich aus dem Parlament geflogen. Auch deswegen scheint die Opposition für Lindner nicht so schlecht zu sein. Das einzige weshalb, sie wohl an den Verhandlungen teil nimmt, ist die Erfahrung die sie bisher gemacht hatte. Als kleiner Partner schaffte sie es immer ihre Kernforderungen durchzusetzen mit der Drohung „sonst gibt es eben keine Koalition“. Das war möglich weil es für die CDU bisher unmöglich war, mit den Grünen zu koalieren. Das ändert sich aber jetzt. Nicht nur bei den Koalitionsgesprächen. Hier in BW klappt das schon ganz gut.

Nominell trennt gar nicht so viel die CDU von den Grünen. Beide sind konservativ – die Grünen sind wertkonservativ. Sie sind damit konservativer als die CDU. In der Klimapolitik will ja auch Merkel was bewegen. Das Problem ist nur: Merkels Position steht nur auf dem Papier. In Wirklichkeit hat sie gar nichts mit dem Klimaschutz am Hut, zumindest nicht, wenn der was kostet oder Anstrengungen von der Wirtschaft, im speziellen von der Automobilindustrie verlangt. So hat man unter Merkel die Ausnahmen von der Ökostromumlage für die Industrie nicht verringert, sondern ausgeweitet. So wird wahrscheinlich es auch hier keine Einigung geben. Dabei haben die Grünen nach der CDU die besten Voraussetzungen. Sie haben die Gefolgschaft die am meisten einsteckt. Selbst wenn man wie unter Schröder einen Kernprogrammpunkt verletzt (Kriegseinsatz in Jugoslawien) oder Demokratie darin besteht das ein Kandidat (Katrin Göring-Eckhard) von der Spitze festgelegt hat und die Basis dann noch über den zweiten bestimmen kann. Warum? Es gibt keine Alternative in der Parteienlandschaft. Wem die SPD zu weit rechts ist, geht zu den linken. Wem die CDU nicht rechts genug ist, geht zu der AFD. In der Mitte kann man zwischen CDU/SPD wählen. Okay, es gibt schon eine Alternative. Wenn man gut verdient ist (also typischer Grünen Wähler) dann kann man noch die FDP wählen. Nur darf man dann eben außer an Geld an nichts Interesse haben. Spaß beiseite – der wichtigste Unterschied zwischen FDP und Grüne ist das ihre Wähler zwar er gleichen Einkommensschicht angehören. Die FDP Wähler aber vom Staat erwarten das siwe wenige Geld an ihn abdrücken und es ihnen noch besser geht, die Grünen Wähler bereit sind für eine Umwelt und die Zukunft der nächsten Generation auch bereit sind mehr zu zahlen. Kurzum Egoisten gegen Weltverbesserer. Mehr Unterschied geht nicht.

So gesehen ist die Situation vertrackt. Daher wäre ich für eine Minderheitsregierung nur von der CDU. Das hätte Vorteile. Zum einen müsste sich Merkel mal um Zustimmung bemühen, als einfach mit dem Koalitionsvertrag zu wedeln. Und in der Tat gab es bei wichtigen Themen wie Eurorettungsschirm, Afghanistan-Verlängerung oder Gleichstellung Homosexueller auch überparteilich eine Mehrheit. Wenn Merkel was vernünftiges macht, warum sollten die Anderen dann ablehnen? Umgekehrt hätten auch die Oppositionsparteien Chancen Gesetze durchzubringen, wenn sie innerhalb der Opposition eine Mehrheit hin bekommen. Ist das nicht die Aufgabe des Parlaments? Meiner Ansicht sollte es doch Gesetze erarbeiten und nicht nur Regierungsvorlagen abnicken. Die Cannabislegalisierung ist so was. Wie ich erfuhr, ist dafür auch die FDP. SPD und Linke sind dafür, das zeigte schon ein im Frühjahr eingebrachtes Cannabis-Kontrollgesetz der Grünen. Damit gäbe es dafür eine Mehrheit. Warum die CDU dagegen ist, entzieht sich mir. Schlussendlich konsumieren nach dem aktuellen Drogenbericht 9 % der Männer und 5 % der Frauen regelmäßig Cannabis. Das sind 7 % der Bevölkerung. 7 % die nach derzeitigem Drogengesetz Kriminelle sind. (Ja ich weiß, dass in der Regel kleinen Mengen nicht juristisch verfolgt werden, aber an der Einstufung nach Gesetz ändert das nichts – wer aber mit 200 durch eine geschlossene Ortschaft brettert begeht nur eine Ordnungswidrigkeit, aber keine Straftat und das halte ich für weitaus gefährlicher).

Aber zurück zum Thema. Es wird nicht zu einer Minderheitsregierung kommen, denn Merkel will ja nicht überzeugen. Ich kann sie verstehen. Ich bin auch Naturwissenschaftler. Wenn ich etwas als logisch erkannt habe muss ich niemanden überzeugen. Die Fakten kann ja jeder der logisch denken kann nachprüfen und dann zum selben Schluss kommen. Okay, der Vergleich hinkt, denn logisch ist das was Merkel macht ja nicht. Es ist Machtpolitik, aber als Naturwissenschaftler ist sie es nicht gewohnt jemanden zu überzeugen. Naturwissenschaft ist so, da muss man nicht diskutieren. Steine fallen zur Erde, an der Gravitationskraft kann man nichts herum diskutieren.

Wird es Neuwahlen geben? Ich befürchte ja. Es ist ja nichts so das die Parteien die Nachteile einer Neuwahl nicht kennen. Die Verhandlungspartner müssen befürchten, das sie vom Wähler abgestraft werden, weil sie es nicht fertiggebracht haben eine Regierung aufzubauen. (Warum soll ich euch noch wählen. Beim zweiten Mal bekommt ihr es ja dann auch nicht hin…) Umgekehrt dürften die anderen drei Parteien profitieren. Ich befürchte die AFD wird noch mehr Wähler bekommen. Die SPD ist seit Schulz sagt, er geht in die Opposition, im Aufwind. In Niedersachsen gab es einen Erdrutsch. Vor allem ist nun die SPD aus der Regierung raus, was ihr schon 2013 ein besseres Ergebnis als 2009 einbrachte. Die CDU ist im Gegenzug im Abwärtstrend. Die FDP wird allerdings wenn sie wirklich Lindners programmatischen Schwenk zur Opposition mitmacht, Wähler verlieren, denn ein Drittel ihrer Stimmen (Unterschied Erst→ Zweistimmen) sind Leihstimmen von der Union.

Den einzigen Vorteil, den eine Neuwahl hat, ist das nun Schulz sich an sein Wort in die Opposition zu gehen nicht gebunden sein muss. Das galt ja für den alten Bundestag. Man könnte wieder mit der CDU/Seehofer-Partei koalieren und hätte eine Regierung. Aber wollt ihr das wirklich? Den Bürger nach weniger als zwei Monaten wieder an die Wahlurne rufen? Und was passiert wenn das gleiche rauskommt, wie dies die aktuelle Sonntagsfrage zeigt? Ich befürchte ihr wollt es. Daher klebt Seehofer so an seinem Sessel und redet von Klärung der Personalien nach den Koalitionsverhandlungen. Denn wenn die scheitern, dann steht ein neuer Wahlkampf an und wer soll den ausrichten? Sein Schoßhund Andreas Scheuer?

Versucht es erst mal und wenn ihr in ein bis zwei Jahren wirklich nicht miteinander auskommt, dann könnt ihr ja immer noch den Bettel hinschmeißen.

Komisch, warum erinnert mich der letzte Satz irgendwie an Ratschläge den man trotzigen Kindern gibt?

One thought on “Ich bin für eine Minderheitsregierung

  1. Eine allen gegenüber offene Minderheitsregierung wäre wirklich eine Gute Lösung. Dabei wäre es wichtig dass die Parteien nicht eine totale Blockadepolitik machen.
    Eine Voraussetzung wäre z.B. das jeder Abstimmung geheim ausfällt und so jeder Abgeordnete das abstimmt was nach seiner Meinung richtig.

    Wenn man mal akzeptiert, dass die AFD nun mal einen Teil der Bevölkerung akzeptiert, und man diese nicht von Anfang an ausgrenzt, dann sieht man, das die Union zusammen mit dem AFD 340 Mandate haben. Also nur 15 Stimmen von der absoluten Mehrheit weg.

    Freie Abstimmung ohne Parteienzwang würde somit zu wesentlich konservativeren Ergebnissen führen als es jede mögliche Koalition bringen würde.

    Die Kleinen Parteien Bringen Ziele durchgesetzt die eine Mehrheit nicht will. (Spritpreis der Grünen unter Schröder, Geschenke an Hoteliers und Privatversicherte unter Rössler).

    Die alternative wäre eine Allparteienregierung wie es in der Schweiz üblich ist.
    Hier bekommt jeder seine Regierungsverantwortung. Somit könnte sich jeder auf seine Kernkompetenzen konzentrieren.

    Die Grünen könnten sich um Verbraucherschutz u Umwelt Kümmern
    Die Linken bekommen das Sozialressort.
    Die AFD würde Innere Sicherheit u Zuwanderung bekommen.
    CDU Verteidigung Finanz u Außen
    FDP Wirtschaft
    SPD Arbeit Gesundheit

    Hierbei müsste man akzeptieren, dass man als austausch für die Entscheidungsgewalt in seinem Kernbereich in den Anderen bereichen nachgeben muss.

    Wie würde das im Idealfall aussehen.

    -Atom u. Kohleausstie in den nächsten 20 Jahren
    -Bedingungsloses Grundeinkommen u.Mindestlohn von 12€
    -Obergrenze später Zuwanderungsstop.
    -Lockerung bei Sonntagsarbeit, abbau von Subventionen, Abschaffung Soli

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