By Bye Andreas Stiller

Mit der letzten ct‘ gab Andreas Stiller seinen Abschied. Andreas Stiller war ct‘-Redakteur von Anfang an, seit der ersten Ausgabe 12/83. Schon alleine das ist eine Besonderheit. Wie viel hat sich doch in dieser Zeit verändert. Man muss sich nur die Themen der ersten Ausgabe ansehen. Das erste Bauprojekt: eine Terminalkarte, Programmierung des Z80 PIO, ein Monitorprogramm für Z80 CPUs, Tests von CBASIC und MBASIC, Grundlagen über Drucker. Die heutige ct‘ befasst sich mit Smartphones, Smartwatches, Smarthome, Fahrradcomputern und Fahrassistenzsysteme. Computer kommen nur noch am Rande vor. Wenn mal ein Test von Computern kommt, dann über Luxusnotebooks und Server.

Ich wollte Andreas Stiller, der sich still und leise mit einem Satz am Ende seiner letzten Kolumne in den Ruhestand verabschiedet hat, eigentlich eine Email schicken, es wäre die Erste gewesen, obwohl ich seit über 30 Jahre seine Artikel lese, habe es aber dann irgendwie verbummelt und in der aktuellen ct‘ erscheint er schon nicht mehr im Impressum. Ich dachte mir es wäre eine gute Idee mal die Zeit zu reflektieren und anstatt einer Mail einen Blog zu schreiben.

Die ct‘ spiegelt ja die Veränderung der Computerbranche wieder. Es ist eigentlich nur eine Fortentwicklung des Trends, den es seit den ersten Computern gab. Sie wurden immer benutzerfreundlicher, sie wurden billiger und sie erreichten damit immer größere Kundenkreise. Als die erste ct‘ erschien, programmierte man selbst. Sicher man konnte auch einen Computer nur nutzen, doch selbst das ging nicht ohne, dass man sich Befehle merken musste. Bei CP/M die wichtigsten Kommandos, bei Wordstar die kryptischen Codes, die man aber so schwer verlernen kann (STRG-KD und STRG-QF lassen grüßen), bei Dbase eine eigene Programmiersprache. Seit Langem muss man nicht mehr programmieren. Meiner Erfahrung nach als Dozent ist dann auch die Hemmschwelle viel größer. Meine Studenten taten sich mit dem Lernen von Objekt-Pascal, obwohl das viel einfacher als mit dem Turbo Pascal 3.0, das ich erlernte, ging erstaunlich schwer. Vielleicht weil sie schon eine Wisch-Oberfläche gewöhnt sind und das Schreiben ganzer Kommandos (ohne eingebaute Rechtschreibkorrektur) schon als archaisch empfanden. Sie sind nicht die Einzigen. Ich programmiere ja immer noch nebenbei für eine Firma und da stolpere ich immer über Erweiterungswünsche, die lauten „das ist ja ganz selbstverständlich, das hat jedes andere Programm auch“ und man dann über die Aufwandsabschätzung erstaunt ist. So letztes Mal über eine Zoom-Funktion bei einer Grafik über Mausrad. Mein Projektleiter meinte, weil das alle Grafikviewer haben es wäre eine eingebaute Windowsfunktion. Ist es aber nicht, man muss die Botschaft abfangen und dann jedes Mal ein Bild mit anderer Vergrößerungsstufe selbst zeichnen.

Die Zeit ist auch schnelllebiger geworden. Es gibt ja noch eine Sendung mit Andreas Stiller zum Abschied von ct‘ Uplink in der Stille so ein bisschen über sein Leben referiert. Er erwähnt auch, das der IBM PC erst zwei Jahre nach dem Start in den USA in Deutschland erschien. Das erinnerte mich an meinen ersten Computerkauf übrigens beim gleichen Laden wie Stiller: Vobis, gibt es auch schon lange nicht mehr. Etwa ein Jahr später ging ich da hin um was anderes zu kaufen, da war unter den Kunden auch ein Geschäftsmann, leicht zu erkennen am weißen Hemd mit Krawatte im Anzug und das im August, der ohne mit den Augen zu zucken die über 11.000 DM für einen IBM PC loseiste. Das wären heute rund 15.000 Euro. Der IBM PC wurde lange produziert, genauso wie viele andere Rechner dieser Zeit wie Apple II, C64 oder die Serie die ich hatte: CPC 464 (übrigens auch eine Parallele zu Stiller). Nach vier Jahren ging er kaputt. Ich habe mir für 289 Mark, weniger als ein Drittel des Neupreises einen neuen gekauft. Heute kann man froh sein, wenn man nach einem Jahr noch ein Ersatz für das Motherboard oder den Prozessor bekommt.

Zurück zur ct‘. Die habe ich mir anfangs selten gekauft. Wenn dann weil ein Test drin kam oder ein Programm das mich interessierte. Meine erste war die ct 85/07, gekauft wegen des Tests einer Vortex-diskettenstation, geschrieben von – Andreas Stiller. Die Diskettenstation habe ich mir übrigens gekauft. Schon alleine, weil mir die 3 Zoll Disketten auf Dauer zu teuer waren (50 Mark für 10 Stück, 10 3,5-Zoll-Disketten kosteten die Hälfte und auf die ging noch doppelt so viel drauf). Einige Routinen aus Listings von damals wie für kubische Spline-interpolation oder FFT-Synthese verwende ich übrigens immer noch. Nach Stiller wandte sich das Magazin anfangs an die Heimcomputerbesitzer mit Rechnern unter 1000 DM Kaufpreis. Das kann ich nur bedingt unterschreiben. Der Hauptgrund, warum ich die ct‘ im ersten Jahrzehnt so selten kaufte, war, dass sie so viele Bastelprojekte hatten. Für jemanden mit zwei Linken Händen waren damit 50 % der Zeitschrift nicht relevant. Auch die Programme waren anfangs Low-Level wie eben Assemblerprogramme. Das veränderte sich und als ich zur Mitte der Neunziger Jahre, inzwischen war bei der ct‘ der Fokus auf den PC gewandert, fast jedes Heft kaufte habe ich schließlich aufs Abo gewechselt. Zur Höhezeit so um die Jahrtausendwende war die ct nicht nur dicker als heute, ich kam mit dem Lesen auch kaum nach, obwohl ich sie während der Fahrt zur Arbeit las, weil praktisch das ganze Heft für mich interessant war. Einzige Ausnahme: die Story am Schluss, die habe ich in 30 Jahren vielleicht ein paar Mal gelesen. Prosa ist eben nicht meine Sache. Inzwischen bin ich wieder da, wo ich gestartet bin. Der größte Teil der ct‘ ist für mich nicht mehr relevant, und wenn mal was an PC Hardware getestet wird, dann habe ich das Gefühl ist es das, was sich die Redakteure sonst nicht leisten können wie teure Notebooks oder teure OLED-TV, Smartphones für 900 Euro etc, nicht das was sich die meisten kaufen. Das Niveau vonTipps und Know-how hat ebenso abgenommen. Know-how war in den Anfangszeiten wie ein Mikroprozessor funktioniert, man ihn programmiert. In der aktuellen Ausgabe ist Know-how wie man die Windows Dateitypen neu verknüpft: Auch ein Unterschied. Vieles was damals in der ct‘ stand überstieg meinen Kenntnisbereich, heute fühle ich mich Zusehens geistig unterfordert.

Von alldem blieb Andreas Stiller verschont. Er bekam irgendwann seine Kolumne „Prozessorgeflüster“ und war damit von den Veränderungen ausgekoppelt. Es ging in der Kolumne um Neuigkeiten in der Szene. Dazu kamen dann ab und an größere Artikel über die Architekturen der jeweils neuesten Prozessoren. Leider hat Stiller gerade das eingestellt, denn die interessierten mich am meisten. Ich kann mich noch gut an den Vergleich von Athlon und Pentium 4 erinnern, wo mir nach der Lektüre klar war, das der Athlon der bessere Chip ist und ich Aktien vom AMD kaufte. Leider verpasste ich dann den Absprung als mit der iCore Intel zum Gegenschlag ausholte, aber inzwischen stehen sie wieder sehr gut, wenn auch schon wieder etwas tiefer als beim Jahresanfang. Ich hoffe ja das, wenn es endlich mal Notebookchips auf Basis des Ryzen gibt, das ist mit den Tablets der größte Markt für die x86 Serie der Kurs nochmals hoch geht. An dieser Stelle einen Dank an Andreas Stiller: Wenn man seine Kolumne liest und er Firmen erwähnt sie etwas in Petto haben, dann sollte man die kaufen. Das habe ich ab und an gemacht. Die Apple Aktien liegen heute bei 600% des ursprünglichen Wertes und STM Microelektronics bei 234 %. In der Uplink-Sendung kam ein weiterer Tip: Cavium die offenbar einen konkurrenzfähigen Server auf Basis vom ARM Prozessoren entwickelt haben. Ich beobachte das Mal. Bisher hat mir die fleißige Lektüre der Prozessorgeflüsterkolumne rund 20.000 € eingebracht. Wenn Andreas Stiller genauso vorgegangen ist, denke ich kann er sich in einen Ruhestand mit finanzieller Absicherung begeben.

In der erwähnten ct‘ Uplink Sendung stellte ich einige Parallelen von Andreas Stiller zu mir fest. So denselben Computer (Schneider CPC), die Vorliebe für den Z80, eine gewisse Abneigung gegen intel – ich habe lange Zeit nur Rechner mit AMD Prozessoren gekauft, nur der aktuelle ist einer mit Intel, einfach weil AMD zu viel Boden verloren hatte. Ich teile aber nicht alle seien Äußerungen. Einiges was er über den IBM PC scheibt stimmt, aber zwei Dinge meiner Recherche nach nicht (ich habe ja auch ein Buch zur PC-Geschichte geschrieben): Der IBM PC war zusammengeschustert aus Standardbauteilen, er war schnell entwickelt worden und sollte den größeren Rechnern keine Konkurrenz machen. Das alles stimmt. Aber er wurde nicht entwickelt, um Apple den Markt zu verderben und nicht offen entwickelt, damit es bald Nachbauten aus Taiwan gab. Die Intension war zum einen das IBM einen Markt sah, der komplett an ihnen vorbeiging und den sie mit ihren Entwicklungszyklen nicht bedienen konnten, daher auch das Zurückgreifen auf Standardbauteile. Das zweite war, das Sie, weil sie dort nicht vertreten waren und diese Rechner nun „in“ waren, selbst bei Abnehmern größerer Geräte rapide an Reputation verloren. Es ging darum wie ein Loewe, der das Design des IBM PC schuf „Geist und Herz wieder zusammenzuführen“.

Meiner Ansicht nach war IBM schlicht und einfach schlecht vorbereitet. Das sieht man auch an einigen anderen Storys in dem Zusammenhang. Sie wussten nicht, als sie nach Software suchten, das Microsoft keine Betriebssysteme programmierte. Sie nahmen das an, weil die Firma eine Z80 Card mit CP/M für den Apple anbot. Sorry, aber der Hersteller steht bei CP/M direkt nach dem Booten in der ersten Zeile auf dem Monitor.

Sie waren, als PC-DOS ausgeliefert wurde und es eine Klagandrohung von Digital Research gab, vollkommen überrascht und hatten noch nicht einmal die fast völlige Übereinstimmung von PC-DOS mit CP/M – immerhin dem Standardbetriebssystem damals bemerkt (was darauf schließen lies, das sie niemals auch nur einen Rechner der Klasse denen sie Konkurrenz machen, wollten mal benutzt haben) und sie ließen Bill Gates das Recht das Betriebssystem weiter zu lizenzieren. Das alles spricht nicht für eine richtige Planung, Marktrecherche. Es gibt ja Aussagen, wie viele IBM PCs das Management erwartete zu verkaufen und die Zahl war um etwa den Faktor 10 niedriger als die tatsächlichen Verkäufe. Daher lies man auch Gates das Geschäft mit den Kompatiblen, man erwartete schlicht und einfach nicht, dass es so viele Nachahmer geben würde. Wenn man aber zehnmal weniger PC verkaufen will als man tatsächlich tat (und das waren immer noch weniger als Apple II, bei dem Rutschen die Absatzzahlen erst einige Jahre später ab) dann kann man auch nicht davon sprechen, dass man Apple den Markt kaputtmachen wollte. Apple nahm übrigens den IBM PC auch nicht ernst. Andy Herzfeld hat mal in einem Interview darüber berichtet das seien Crew einen IBM PC gekauft habe, ihn auseinandergenommen und meinte, der PC wäre ein Witz, schlechter als das was Apple schon derzeit verkauft, geschweige den von dem nächsten (der Apple III sollte allerdings zum Flop werden).

Die Vorliebe für kleine Anekdoten verbindet uns übrigens auch.

Andreas Stiller will ein Buch scheiben – tolle Idee, werde ich mir bestimmt kaufen. Es soll um seine Lieblingsfirma gehen – ich denke er meint Intel. Es gibt ja schon das gute Buch „Intel inside“, das sich aber vor allem mit den Geschäftspraktiken befasst. Was fehlt und was er schier gut schrieben könnte, wäre ein Blick auf die Kirchengeschichte Intels. Inklusive Augenmerk auf Prozessoren, die als revolutionär angekündigt wurden und totale Flops wurden wie IAPX 432, I860, Itanium oder das falsche Pferd sprich Pentium 4 und die Netburst Architektur.

Sehr freuen würde ich mich über einige Gastartikel in der ct‘ über aktuelle Architekturen. Wie schon erwähnt ist das in letzter Zeit zu kurz gekommen. Auf frühere Artikel konnte ich zurückgreifen, als ich selbst mal so eine Rubrik aufgesetzt habe. In letzter Zeit konzentrierte er sich vor allem auf AVX, das scheint auch das Thema künftiger Gastartikel zu sein. Klar, die Weiterentwicklung der Prozessoren geht seit einigen Generationen nur noch im Fließkommabereich. Aber wie er selbst mal feststellte: AVX nützt wirklich nur was, wenn die Compiler das auch nutzen. Wenn schon bei einer einfachen Zeile, wie a[i]=b[j]*c[k]+a[i] die man 1:1 in einen FMA-Maschinenbefehl kodieren kann, es bei Compilern Geschwindigkeitsunterschied um en Faktor 10 gibt, dann möchte ich nicht wissen, wie oft AVX bei vielen anderen Berechnungen die ja nicht so als Idealfall vorliegen, eingesetzt wird. Stiller ist von der Ausbildung her Physiker. Die führen gerne Simulationen durch und die haben solche Konstrukte, daher kann ich das verstehen. Doch für den normalen PC-Benutzer, ich denke das weiß er selbst, dominieren Ganzzahlberechnungen und selten lange Iterationen über Arrays, als das AVX überhaupt relevant ist.

Soviel von mir. Ich wünsche Andreas Stiller erst mal einen gemütlichen Ruhestand. Er hat sich ja damit Zeit gelassen – wenn er wie in der Sendung gesagt, 1965 mit 13,14 seinen ersten „Computer“ gebaut hat, dann hat er das gesetzliche Renteneintrittsalter ja schon deutlich überschritten. Ich hoffe aber es wird ein Unruhestand. Das Schöne am Beruf des Journalisten oder Buchautors ist ja, dass es keine Altersgrenze gibt. Solange man fit im Kopf ist, kann man immer noch was machen und ganz ohne Aufgabe ist auch der Ruhestand ziemlich langweilig. Seine Rubrik „Prozessorgeflüster“ wird eingestellt. Wundert mich nicht, passte auch irgendwie nicht mehr in die heutige ct‘. Das Niveau hob sich einfach zu sehr von dem Rest des Inhalts ab.

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