Fliegt woanders hin

Auch heute entnehme ich meine Inspiration zum Blog meinem aktuellen Buch. Im dem Datenblatt, in dem ich die wichtigsten Daten zusammengefasst habe, damit man sie schneller findet und der Fließtext nicht zu überfrachtet ist, habe ich auch ein Feld aufgenommen „Ergebnisse“.

Als ich das Datenblatt erstellte, war ich am Anfang des ersten Buchs und habe es nach den Daten gemacht, die dort so vorlagen und da konnte man für jede Raumsonde die Ergebnisse des kurzen Vorbeiflugs angeben. Das war relativ wenig, oftmals konnte man sie in wenigen Sätzen zusammenfassen. Das hing auch mit der Datenmenge zusammen: Mariner 2 lieferte genau 22.491 Bits von der Venus, weniger als der Artikel über die Sonde als ASCII-Text umfasst. Nun muss nicht mehr Daten mehr Erkenntnisse heißen. Der LRO hat bisher über 400 TByte an Daten geliefert, rund 64.000-mal mehr Daten als Mariner 9, ich denke aber nicht, das er mehr Erkenntnisse geliefert hat.

Bei den neueren Sonden tue ich mich schwer, das Feld zu füllen. Das hat verschiedene Ursachen. Der Offensichtlichste ist: Die Ergebnisse der alten Sonden kenne ich aus dem ff. In den Achtzigern und frühen Neunzigern habe ich jedes Buch über Planetenforschung verschlungen, das es gab und da werden die Ergebnisse jeder Sonde natürlich breitgetreten. Doch das alleine ist es nicht. Man kann sich ja informieren. Inzwischen habe ich auch den Bogen raus, einfach den Sondennamen und „discoveries“ oder „results“ in Google eintippen und man bekommt bald brauchbare Fundstellen. Ich nehme mal Curiosity. Hier 6 größten wissenschaftlichen Entdeckungen und mein Kommentar dazu:

  1. Es gibt alle Elemente die Leben benötigt. Curiosity fand C,H,O,S und P und das Wasser war früher nicht salzhaltig
    Meine Ansicht: Kohlendioxid und Wasser wurden schon vor Beginn der Weltraumfahrt in der Atmosphäre nachgewiesen. Damit drei der obigen Elemente. Schwefel wies Viking bei den Bodenanalysen nach. Phosphor Pathfinder. Die Daten sind also nicht neu, nur eine Bestätigung. Auf dem Mars verdampft Wasser schnell. Eine salzhaltige Lösung würde dann eine Salzkruste zurücklassen. So was hat man bisher nirgends entdeckt. Die Nachricht als „Top 1 der 10 wichtigsten Entdeckungen“ zu bringen, ist eine enorme Übertreibung. Da es sich um die häufigsten Elemente im Sonnensystem handelt, würde ich übrigens drauf tippen, dass man sie auch auf der Venus findet und auf Asteroiden. Bei Jupiter gibt es sie, das weiß man schon. Übrigens fehlt Stickstoff in der Liste, er ist noch vor Schwefel und Phosphor das häufigste Element in organischen Substanzen.
  2. Organische Substanzen wurden in den Felsen gefunden.
    Gähn. Man hat schon vor Jahrzehnten organische Substanzen inklusive Biomolekülen wie Aminosäuren in Meteoriten gefunden, seitdem auch in Kometen. Das Urey-Experiment zeigt, dass diese auch abiotisch entstehen können. Nicht zuletzt gibt es Methan (siehe nächster Punkt) in rauen Mengen auf Titan, ohne das dort jemand Leben vermutet.
  3. Methan ist in der Atmosphäre und die Konzentration ändert sich rasch.
    Auch nicht neu. Methan wurde schon von Mars Express entdeckt. Ebenso das die Konzentration variabel ist. Da das Molekül nicht stabil ist (wird durch UV-Strahlung zerstört und kann dem Mars durch die geringe Molekülmasse entkommen) hat man schon damals eine aktive Quelle angenommen, was schlussendlich zur MAVEN Mission führte
  4. Strahlung ist eine Gefahr für Menschen
    Das Level der interplanetaren Strahlung ist seit Jahrzehnten bekannt. Man weiß, dass es im Mittel schon zwei bis dreimal höher ist als im Erdorbit und es durch Strahlungsstürme rasch ansteigen kann. Ein Risiko ist daher immer gegeben. Das war schon bei den Apollo-Expeditionen bekannt und wurde dort bewusst eingegangen. MARIE an Bord von Odyssey sollte die Strahlung im Orbit messen und fiel während eines Strahlensturmes aus – das zeigt schon die Gefährlichkeit und das die geringe Marsatmosphäre nicht wirklich schützt dürfte offensichtlich sein.
  5. Der Mars hatte eine dickere Atmosphäre und früher mehr Wasser
    Das zeigten schon die Mariner 9 Aufnahmen von Flüssen die mal viel Wasser führten. Da es bei der heutigen Atmosphäre nicht flüssig sein kann, muss diese einmal dichter gewesen sein und irgendwo hin muss das Wasser auch hingekommen sein, das, was heute da ist, reicht nicht für Überschwemmmungstrukturen dieser Größe.
  6. Ein ehemaliges Flussbett wurde entdeckt. Runde Steine sollen einige Kilometer weit gerollt sein.
    Wie schon erwähnt wurden fossile Flüsse schon vor Jahrzehnten entdeckt. Das diese Geröll mitnehmen und das durch Reibung abgerundet sein dürfte liegt eigentlich auf der Hand. Runde, durch Wassereinwirkung veränderte Steine, konnten aber schon Spirit und Curiosity nachweisen. Also auch nicht neu.

Kurzum: ich finde es ist nichts Neues dabei und in der Plattheit der Erkenntnisse, also mehr oder weniger Offensichtliches finde ich ist das schon fast unverschämt. Also entweder gibt es Dilettanten bei der NASA die es nicht fertigbringen die wirklichen Erkenntnisse zu vermitteln oder, das wäre schlimmer, man hat wirklich nichts fundamental neues entdeckt. Dabei kostete diese Mission 2,5 Milliarden Dollar.

Das leitet mich zu meinem eigentlichen Thema über. Ich meine, dass man bei der Erforschung man anfangs sehr große Fortschritte macht und dann immer kleinere und das dafür der Aufwand immer größer wird. Das gilt nicht nur für die Planeten, ich könnte das auch für Chemie aufstellen, wahrscheinlich gilt es für jede Naturwissenschaft, nur fehlt mir die Kompetenz, für Physik und Biologie zu sprechen. Nehmen wir mal zwei Fragen beim Mars: die Menge des Wassers auf dem Mars und die Chemie der Oberfläche. Das Wasser auf der Oberfläche vorhanden ist weiß man schon seit Langem. Teleskopbeoachtungen zeigen eine helle permanente Polkappe. Die einzige häufige Verbindung, die dafür verantwortlich sein kann, ist Wasser. Die Mariner und Viking Aufnahmen zeigen auch Strukturen, die an gefrorenes Wasser erinnern. Neben den Polkappen vor allem Permafrostboden, der eine charakteristische Struktur bekommt, weil an der Oberfläche immer wieder Wasser sublimiert und dann Dellen verursacht. Daneben das chaotische Terrain, wo Wasser im Untergrund verschwand und dann der Boden darüber einbracht. 1980 würde die Gesamtmenge an Wasser zwischen 0,1 und 10 m globaler Bedeckung geschätzt, mit einem Trend, dass der obere Wert wohl der verlässlichere ist, da man damals den Wasserverlust im Laufe der Marsgeschichte auf 3 bis 5 m schätzte. Heute geht man von einer globalen Bedeckung von 35 m aus, etwa viermal höher als der damalige Wert. Das kann man nun unterschiedlich sehen. Absolut ist der Faktor 4 eine große Abweichung. Nimmt man aber die Auswirkungen an, so ist es wenig. Es ist 1/100 der Dicke der Wasserschicht auf der Erde und reicht so für Seen und Flachwassermeere aus, aber nicht wie bei uns für Ozeane, mit ihrer Fähigkeit große Mengen an Wärme aber auch Gasen zu speichern. Der Unterschied in der Auswirkung auf das Klima oder die Geografie ist vernachlässigbar. Wir wissen es heute besser, weil wir zum einen die Wassermenge in den obersten Schichten durch Spektrometrie quantifizieren können (etwa 14 cm in dem ersten Meter, dann kann man noch weiter in die Tiefe rechnen) und Radargeräte auch Wasservorkommen unterhalb der Kruste bis in 1-2 km Tiefe nachweisen können. Aber wie schon gesagt, es ändert nichts am Klimamodell oder geografischen Modell.

Das Zweite ist, das Viking oxidierbare Substanzen im Marsboden nachwies. Die Rover konnten Wasserstoffperoxide nachweisen. Phoenix dann Perchlorate. Was bringt uns das. Wir wissen nun, welche Substanzen es sind. Aber die grundliegende Erkenntnis, der Marsboden hat stark oxidierende Eigenschaften ist uralt und ebenso die Simplifikation für das Leben oder auch nur bemannte Missionen. Für diese ist es völlig, egal ob es Peroxide oder Perchlorate sind. Beide reagieren gleich.

Meine Theorie: Wenn wir einen Himmelskörper erforschen so wird zwar jede Mission uns mehr Details bringen, aber es werden immer weniger bis schließlich gar keine großen Entdeckungen mehr. Stattdessen vervollständigt sich das Gesamtbild. Dabei wird der finanzielle Aufwand immer größer. Nehmen wir mal Kameras. Mariner und Viking hatten relativ grob auflösende Kameras – Detailkameras machten wenig Sinn, denn die Datenübertragungsrate betrug nur 16,2 kbit/s. Der MRO sendet mit einer viel größeren Antenne, der achtfachen Sendeleistung und zudem in einem höherfrequenten Band und überträgt so in der Spitze die 200-fache Datenrate. Er macht daher mit einem kleinen Teleskop, das mehr wiegt als alle Viking Experimente zusammen Aufnahmen von nur 30 cm Auflösung – das war beim Start besser als bei jedem zivilen Erderkundungssatelliten.

Beim Mars hat das dazu geführt, dass wir heute eine globale Karte von 6 m Auflösung haben – das haben wir nicht von der Erde, da wir die Meeresböden kaum kartiert haben. Beim Mond müsste die Datenmenge der Kamera ausreichen, dass der ganze Mond auf 0,5 m genau kartiert ist, und das ist mit Sicherheit nicht bei der Erdoberfläche der Fall – besiedelte Gebiete sind so gut oder höher erfasst, aber nicht eine Wüste, die Antarktis oder der Dschungel.

Was folgt daraus? Wir sollten aufhören dauernd neue Sonden zum Mond und Mars schicken sondern woanders hin, wo wir noch nicht so viel wissen. Einige Dinge, die ich umsetzen würden, wären:

Ein Radar-Orbiter für die Venus. Die Magellandaten haben im Mittel 100 m Auflösung. Heute sind durch Fortschritte in der Elektronik welche die SAR-Daten verarbeitet, mit kleinen Satelliten Aufnahmen von 1 m Auflösung im Spotmodus möglich. Damit könnte man die Venus, wenn man einen Satelliten mit der Leistung des MRO dorthin entsendet, ohne Problem auf 5-6 m Auflösung kartieren.

Eine Sonde, die das nachholt, was Galileo nicht erreichte: Das wird mit JUICE und Europa-Clipper bald erfüllt werden. Die galileischen Monde sind sehr unterschiedlich und Ios Oberfläche verändert sich sogar dauernd. Galileo sollte das abbilden, konnte das aber nicht leisten.

Eine Erkundung von Titan: Auch hier wäre ein Radar-Orbiter der die Oberfläche in hoher Auflösung nicht wie jetzt einige hundert Meter bis Kilometer wünschenswert. Dazu ein beweglicher Titan Lander. Eine solche Mission ist derzeit in der Endauswahl für die nächste New Frontiers Runde.

Eine Mission zu Uranus. Uranus ist noch mit heutiger Technologie erreichbar in vertretbarer Zeit. Ein Orbiter könnte nicht nur Uranus und seine Ringe erkunden, sondern auch die Monde. Auch hier wäre ein Radargerät wünschenswert, da durch die Achsenlage mit Ausnahme der Tag/Nachtgleiche immer ein Teil der Oberfläche im Schatten liegt.

Eine Mission zu Neptun? Das Fragezeichen ist weil wenn man nicht 30 Jahre Reisezeit haben will wir heute mit Treibstoff die Geschwindigkeit um in einen Orbit einzuschwenken nicht abbauen können. Man müsste dann Aerocapture durchführen und das muss auf Anhieb klappen – also so das weder die Sonde verglüht noch einen falschen Orbit erreicht noch wieder Neptun verlässt. Derzeit haben wir weder die Technologie dafür noch denke ich die Erkenntnisse über die Atmosphäre von Neptun.

Was ich für überflüssig halte, sind weitere Besuche zu noch weiteren Asteroiden. Sie sind einfach zu klein für wirkliche geologische Prozesse, auch wenn es in der Frühphase sicher kurzzeitige Differentierungsvorgänge gab. Die Bodenprobenentnahme von Kometen, das zweite Projekt der Endrunde von New Frontiers wäre interessant, wenn es gelingt, die Probe, bis sie im Labor ist, die ganze Zeit extrem zu kühlen, sodass keine flüchtigen Stoffe entweichen können. Das gibt weiteren Aufschluss, inwieweit organische Substanzen abiotisch entstehen können.

Beim populären Ziel Mars sehe ich nur zwei Ziele die übrigens permanent ignoriert werden: die Marsmonde. Indien hat bei ihrem MOM als eine wissenschaftliche Entdeckung die aufnahmen von Deimos herausgestellt – maximale Auflösung: 330 m. Wer darüber lacht, sollte sich den Artikel mal ansehen. Dort findet man jedes Deimos Bild, das jemals von einer Raumsonde gemacht wurde – die meisten von Mariner 9 und Viking. Kein Einziges von den US- und ESA-Marsorbitern seit 1992, obwohl diese alle Monate lang den Orbit kreuzten. Selbst Exomars nun schon seit einem Jahr beim Aerobraking hat keine gemacht. Aber alle zwei Jahre hat man das Geld für eine neue Mission zum Mars. Warum? Könnte ja Leben geben, oder mal gegeben haben, oder zumindest mal Kolonien versorgen (das neueste Buzz-Thema), egal Hauptsache Leben, damit kann man Milliarden loseisen.

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