Ein elektrischer Pumpenantrieb?

Die Elektron, die Anfang des Jahres ihren erfolgreichen Flug hatte und nun vor ihrem ersten kommerziellen Start steht, führte etwas Neues ein: die Treibstoffförderung mit stromangetriebenen Pumpen.

Fangen wir mit den Grundlagen an: Bei jedem Raketentriebwerk werden Flüssigkeiten oder Feststoffe in der Brennkammer verbrannt. Aus den dichten Flüssigkeiten/Feststoffe werden dabei Gase die ein Vielfaches des Volumens benötigen. Sie bauen, da die Gase sich nur durch die Düse aus der Brennkammer entfernen können, einen Brennkammerdruck auf, der konstant bleibt wenn gilt: Zufluss durch das Treibstoffförderungssystem = Abfluss durch die Düse.

Das Treibstoffförderungssystem muss damit sie die flüssigen Treibstoffe gegen den Brennkammerdruck einspritzen kann, mindestens diesen Druck erreichen, im Normallfall aber mehr, denn es gibt Verluste durch Reibung in den Leitungen und bei kleiner Druckdifferenz zur Brennkammer ist der Volumenstrom klein, außer man hat sehr dicke Förderleitungen.

Als Beispiel für die Berechnung habe ich das HM-/B genommen als Beispiel für ein eher kleines Triebwerk:

Parameter Wert
Gesamtleistung Triebwerk 152 MW
Leistung Turbopumpe 405 kW
Davon LOX-Turbopumpe 73 kW
Davon LH2-Turbopumpe 332 kW
Ein/Ausgangsdruck LOX 3 / 55 bar
Ein/Ausgangsdruck LH2 2 / 50 bar
Brennkammerdruck 37 bar
Volumenstrom: 14,8 kg/s
Strom für den Gasgenerator 0,26 kg/s
Verhältnis LOX/LH2 Brennkammer 5,0
Verhältnis Gasgenerator 0,9

Bevor ich die Bedeutung der Werte diskutiere erst eine kleine Übersicht, wie bei einem Flüssigraketentriebwerk ohne Druckförderung die Treibstoffförderung funktioniert.

Wir haben zuerst einen Gasgenerator, bei Hauptstromtriebwerken auch anders genannt (Vorbrenner) aber von der Funktion her identisch: eine kleine Treibstoffmenge wird verbrannt und erzeugt ein Arbeitsgas. Das Verbrennen erfolgt meist mit einem Überschuss einer Komponente. Beim obigen HM-7B im Verhältnis 0,9 zu 1. Stöchiometrisch wäre 8 zu 1. Schon das Triebwerk arbeitet nicht stöchiometrisch, da man Wasserstoff für die Kühlung braucht und so auch lokalen Sauerstoffüberschuss der zur Beschädigung der Brennkammer führt vermeiden kann. Bei 0,9 zu 1 werden von 1 kg Treibstoff nur 0,544 kg verbrannt, der Rest ist unverbranntes Wasserstoffgas, das die Temperatur des Gases auf 880 K, rund 600 °C begrenzt. Diese Temperatur ist weit unterhalb derer, wo Metalle erweichen und dieses Arbeitsgas kann so ohne Kühlung im weiteren Antriebssystem genutzt werden. Das Arbeitsgas passiert dann eine Gasturbine. Durch die Turbinenblätter bringt sie die Antriebswelle in Rotation und diese treibt dann direkt eine Kreiselpumpe an. Die Kreiselpumpe fördert dann den Treibstoff. Pumpe und Turbine bilden meist wegen der gemeinsamen Welle eine Einheit und werden als Turbopumpe bezeichnet.

Effizienzbetrachtungen

Die Turbopumpe hat eine Leistung von 405 kW, die des ganzen Triebwerks beträgt 152,5 MW. Das ist ein kleiner Teil der Gesamtleistung, rund 0,3 %. Das liegt am relativ kleinen Brennkammerdruck. Steigt er an, so benötigt man mehr Druck und entsprechend mehr Leistung in der Turbopumpe. Während die Brennkammer aber den Treibstoff recht effizient in kinetische Energie umsetzt, ist das bei einer Gasturbine mit nachgeschalteter Kreiselpumpe nicht der Fall. Fangen wir mal zuerst an festzustellen, wie hoch ihr Wirkungsgrad ist.

Der Gasgenerator benötigt 0,26 kg Treibstoff pro Sekunde. Nur 0,154 kg nehmen an der Reaktion teil. 1 Mol Sauerstoff verbrennt mit zwei Molen Wasserstoff zu einem Mol Wasser. Das wiegt 18 g und liefert 268,8 kJ Energie. Bei 154 g pro Sekunde sind das 2.300 kJ/s, entsprechend 2300 kW/s. Die Leistung der Turbopumpe beträgt nur 405 kW, das heißt wir haben nur einen Wirkungsgrad von 17,6 %. Auf eine ähnliche Betrachtung kommt man wenn man die 0,26 kg Treibstoffverbrauch zu den 14,8 kg der Brennkammer vergleicht: Das sind 1,75 % des Stoffumsatzes, die Leistung der Pumpe sind aber nur 0,265 % der Energieabgabe des Triebwerks. Würde man den Treibstoff mitverbrennen, er würde eine zusätzliche Leistung von 2,67 MW ergeben.

Die Leistung einer Pumpe berechnet sich nach Druckdifferenz x Volumenstrom. Für das obige Triebwerk erhalten wir folgende Mengen:

Menge {kg/s] Volumen [m³/s] Druckdifferenz [Pa] Leistung
LOX 12,33 kg 0,0108 5.200.000 57 kW
LH2 4,67 kg 0,0687 4.800.000 329 kW

Man erhält im wesentlichen die in der Literatur genannten Werte. Für die LOX-Pumpe ist die Differenz etwas größer als bei der LH2 Pumpe. Es wird schnell klar, dass für einen höheren Brennkammerdruck der Anteil des Treibstoffs für das Fördersystem ansteigt. Dies korrespondiert mit einer höheren Effizienz des Antriebssystems, aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Als Optimum gilt ein Brennkammerdruck von 80 bis 100 bar. Darüber steigt der Verbrauch für den Gasgenerator stärker an als der spezifische Impuls und Schub durch den höheren Brennkammerdruck. Beim HM-7B werden 1,75 Prozent des Treibstoffs für die Förderung genutzt. Beim Vulcain 2 mit dem dreifachen Brennkammerdruck sind es 4,2 Prozent. Bei höheren Brennkammerdrücken setzt man daher auf das Hauptstromverfahren, bei dem man die Gase des Gasgenerators ebenfalls verbrennt.

Stromversorgung durch Batterien

Die Elektron ersetzt nun das System Gasgenerator / Turbine durch Batterien, die dann über einen Elektromotor die Kreiselpumpe antreiben. Wer eine Grundahnung von Chemie hat, weiß das die Energiedichte einer Batterie klein ist. Eine gute Batterie kann 200 Wh pro Kilogramm Gewicht speichern. Das sind da eine Stunde 3600 Sekunden hat, 720 kJ. Nach obiger Rechnung stecken aber in 18 g Wasser die Energie von 268,8 kJ, wenn es aus den Elementen entsteht. Das bedeutet die 720 kJ stecken in 48,2 kg Treibstoff – der wiegt aber nur 1/50 der Batterie. Selbst wenn man LOX/Kerosin, den Treibstoff der Elektron, nimmt, wo die Reaktion weniger Energie liefert, sind es noch 64 g Treibstoff. Die Batterie ist also viel schwerer. Allerdings nicht 10-20-mal schwerer, wie man nach erster Rechnung annehmen könnte. Denn wie oben errechnet, hat das Gesamtsystem nur einen Wirkungsgrad von 17,5 %. Der Gesamtwirkungsgrad setzt sich aus den Wirkungsgraden von Gasgenerator, Turbine und Pumpe zusammen und bei einem elektrischen Antrieb entfallen die ersten beiden Komponenten und ein Elektromotor als Antrieb einer Pumpe hat einen hohen Wirkungsgrad. Man wird also zwar mehr als die 400-kW-Leistung, welche die Pumpe benötigt, aufbringen. Ich nehme mal an, dass man hier einen hohen Wirkungsgrad erreicht, zumal die Pumpe nur eine feste Drehzahl aufbringen muss, also sich nicht variierenden Volumenströmen anpassen muss. Ich fand zwar keine Angabe von Wirkungsgraden für Kreiselpumpen für Raketentriebwerke, aber für Heizungsanlagen und sie sollen 80 bis 90 % erreichen. Nehmen wir 80 %, so sinkt das Mehrverbauchverhältnis von 16 bis 20 je nach Treibstoffart auf 4-5. Trotzdem sind Batterien dann 4-5 mal schwerer, würden also selbst bei kleinem Brennkammerdruck in etwa 10 % der Treibstoffmenge wiegen.

Bei der Elektron ist es wahrscheinlich schlicht und einfach eine wirtschaftliche Überlegung. Die Turbine mit ihren rotierenden Blättern gilt als der anfälligste Teil des Raketentriebwerks zumal hier auf engstem Raum Arbeitsgas mit hoher Temperatur und zu fördernde Treibstoffe mit niedriger Temperatur vorliegen. Bei zahlreichen Triebwerken haben Ausfälle ihre Ursache in den Turbopumpen. Beim Space Shuttle machten sie in der Entwicklung Probleme, von den insgesamt 7 Fehlstarts der Ariane waren sie an 5 beteiligt. So wie das Arbeitsgas verbraucht wird, hat man auch bei der Elektron die Batterien während des Flugs abgeworfen, wenn ihre Ladung genutzt wurde. Es ist wegen des Zusatzgewichtes aber wohl nur eine Lösung für kleine Triebwerke. Wenn ich 500 kW (400 kW Leistung der Pumpe bei 80 % Wirkungsgrad) für das HM-/B über 1000 s, das ist die Brennzeit des Triebwerks in der ESC-A, liefern muss, brauche ich Batterien die bei 200 Wh/kg rund 695 kg wiegen, viermal so viel wie das Triebwerk selbst und 430 kg mehr als den Treibstoff, den die heutige Förderung im gleichen Zeitraum verbraucht. Zudem kann ich diesen Treibstoff / Arbeitsgas ja noch nutzen. Selbst wenn ich das Gas nicht verbrenne, wie das beim Nebenstromverfahren der Fall ist, so kann ich das Gas im Düsenhals entlassen, das erhöht etwas den Schub oder ich nutze ihn zur Druckbeaufschlagung der Tanks oder als Gas für die Pneumatik zum Schwenken der Triebwerke bzw. kann das Gas auch in Steuertriebwerken expandieren und dafür Treibstoff einsparen.

Satellitentriebwerke

Mir fiel dann aber doch noch eine Anwendung ein und zwar mit elektrisch angetriebener Pumpe aber weitestgehend ohne Batterien. Kommunikationssatelliten haben heute einen vorwiegend mit Druckförderung arbeitenden Antrieb. Auch der hat eine hohe Trockenmasse. Vor allem aber ist der Schub gering. Typisch haben solche Antriebe nur 400 N Schub und einen Volumenstrom von 0,13 kg/s bei 15 Bar Druck – die benötigte Leistung der Pumpe liegt dann bei etwa 200 Watt. Diese Leistung kann ohne Probleme die Stromversorgung des Satelliten liefern. Man könnte sogar auf einen höheren Brennkammerdruck wechseln. Mit 1 kW Leistung wären rund 75 bar möglich, wofür allerdings dann die Triebwerke nicht ausgelegt sind. Es ergäbe sich aber ein enormes Einsparpotenzial – die Tanks müssen nur noch einem kleinen Innendruck aushalten und wären leichter, die Druckgasflaschen könnten entfallen, wenn man die Tanks anfangs nicht ganz füllt und unter mäßigen Drucks setzt (2/3 Füllung mit 3 Bar entspricht 1 Bar Druck, wenn der Tank ganz leer ist). Bisher haben Antriebssysteme von Satelliten ein Voll-/Leermasseverhältnis von etwa 5-7 je nach Größe. Das Triebwerk ist daran nicht schuld das wiegt nur etwa 5 bis 10 kg. Man müsste auf ähnliche Werte wie bei kleinen Stufen mit Pumpenförderung kommen, Strukturverhältnisse von 10 halte ich für möglich, vielleicht sogar noch höher. Bei Kommunikationssatelliten, die heute schon zu 60 % aus Treibstoff bestehen bedeutet das, dass die Startmasse bei unveränderten Triebwerksdaten um 10 % sinken könnte. Mit leicht höherem Brennkammerdruck und effizienteren Triebwerken auch mehr.

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