Die Parker Solar Probe

Am Sonntag ist ja die Parker Solar Probe gestartet. Ich bekam gleich zwei Mails. In der einen fand der Schreiber, dass die folgende NASA-Aussage falsch wäre:

Nestled atop a United Launch Alliance Delta IV Heavy — one of the world’s most powerful rockets — with a third stage added, Parker Solar Probe will blast off toward the Sun with a whopping 55 times more energy than is required to reach Mars. About the size of a small car, it weighs a mere 1,400 pounds.“

Im zweiten wurde ich gefragt ob ich nicht einen Blog (wahrscheinlich meint der Autor aber einen Artikel) schreiben könnte, analog Cassini.

Parker Solar Probe vor dem StartFangen wir mal mit dem ersten an. Der Schreiber bezweifelte das die Parker Solar Probe die 55-fache Startenergie einer Marssonde hat. Das ist für mich ein gutes Beispiel der NASA-PR Abteilung. Die NASA ist führend darin, spektakuläre Zahlen aus dem Hut zu zaubern. Seit Jahren ärgere ich mich bei jeder Marsmission, wie die Chancen heruntergerechnet werden, indem die NASA nicht eine Statistik über alle ihre Missionen, sondern alle Marsmissionen anfertigt – keine einzige der russischen Sonden war erfolgreich. Daneben scheiterten Nozomi, Beagle 2 und Schiaparelli. Das senkt die Erfolgsquote stark ab, denn die NASA hatte nur als Ausfälle Mariner 3,8, Mars Observer, Mars Climate Orbiter und Mars Polar Lander. Das Heraussuchen von Zahlen, die möglichst gut aussehen, ist eine NASA-Spezialität. Immerhin sind NASA-PR mit Zahlen gespickt. Das DLR-Magazin hat ist dagegen bei der Horizons Mission von Gerst mehr auf der zwischenmenschlichen Schiene und schreibt über die im Hintergrund beteiligten. Geizt aber mit Zahlen, z.B. der das wenn man den deutschen Beitrag zur ESAs Human Spaceflight Budget durch die Mission (ein deutscher Astronaut alle vier Jahre) teilt, die Mission rund 800 Millionen Euro kostet. Experimente und nationale Ausgaben noch nicht mitgerechnet. Damit komme ich dem Wunsch des DLR-Magazins nicht nur Daten aus dem Internet zu veröffentlichen nun hoffentlich nach.

Aber gehen wir mal zur NASA Aussage über. Sie wirkt verfälschend, obwohl sie fachlich korrekt ist, weil sie die Differenzenergie zur Fluchtgeschwindigkeit nimmt. Zwei Faktoren sind dabei verfälschend. Das eine ist, das die Energie im Quadrat zur Geschwindigkeit ansteigt – gut die Stufe muss die Energie aufbringen, deshalb sinkt auch die Nutzlast exponentiell und nicht linear ab, aber man rechnet im täglichen Leben mehr mit Geschwindigkeiten. Die 55-fache Energie entspricht der 7,4-fachen Geschwindigkeit, was aber immer noch beeindruckend ist.

Der zweite Faktor, der bei der Parker Solar Probe Angabe der NASA verfälscht ist, ist das es bezogen auf die Fluchtgeschwindigkeit ist, nicht die Geschwindigkeit von der Erdoberfläche. Das ist ja das Performancemass für die Rakete die hier erwähnt wird.

Betrachten wir es erst mal solar. Die Marstransferbahn ist ein breiter Begriff, aber im Worst Case, nämlich Aphel in 249 Millionen km Distanz benötigt man 3470 m/s aus einer 150 Mill. km Kreisbahn. Dazu käme noch die Inklinationsänderung.

Um von derselben 150 Mill. km Startbahn das Perihel in 32 Millionen km Entfernung abzusenken, das ist die Startbahn der Parker Solar Probe braucht man eine Geschwindigkeitsänderung um 11.970 m/s. Die Geschwindigkeit ist stark abhängig von der Distanz. Das wäre nur der Energiefaktor von 11,9.

Die Verfälschung kommt daher weil die Rakete die solare Geschwindigkeitsänderung nicht in einer Sonnenumlaufbahn durchführt, sondern in einer Erdumlaufbahn. Da gilt nämlich folgender einfache Zusammenhang: Vziel =Wurzel(vFlucht² + VsolarDiff²)

Wegen des konstanten Faktors von vFlucht ~ 11 km/s aus einer erdnahen Bahn fallen die 3,47 km/s solar kaum ins Gewicht, man erhält für eine Marstransferbahn ein Vziel von 11,534 km/s. Also nur 534 m/s über der Fluchtgeschwindigkeit und nur mit diesen 534 m/s (Energie: 285.156 J/kg) verglicht die NASA. Bei 11,97 km/s solar kommt man auf ein Vziel von 16.257 m/s. Das sind 5.257 m/s mehr als die Fluchtgeschwindigkeit und entsprechen einer Energie von 27.633.090 J. Das sind nicht nur 55-mal mehr, sondern fast 97-mal mehr.

Die Differenz kommt zustande weil ich zum einen mit gerundeten Zahlen gerechnet habe, nicht mit dem genauen Abstand beim Startzeitpunkt und beim Mars man noch die Inklinationsänderung berücksichtigen muss. Ein dV von 11,7 km/s für die Marsbahn und es würde passen. Trotzdem ist die Sonde die zweitschnellste jemals gestartete nach New Horizons. Northrop-Grumman, von denen die dritte Stufe, ein Star 48BV stammt, sucht sich auch die besten Zahlen raus. Dort wird die Perihelgeschwindigkeit von 121 Meilen/s, also 194 km/s angegeben. Das ist aber mit Sicherheit falsch. Im ersten Perihel würde ohne Venus-Swingby die Sonde 81,7 km/s schnell sein. Auf 191,3 km/s kommt sie, wenn weitere Venus-Swingbys die Bahn weiter abgesenkt haben. Nur mit der Star Oberstufe hat das wenig zu tun, die addiert nur 3 km/s und das auch nur wenn man nicht berücksichtigt, das sie auch Abtrenngeschwindigkeit der Centaur absenkt da sie die Masse vervierfacht.

Nun noch mein Kommentar. Ich halte von der Parker Solar Probe recht wenig. Ich finde sie für die Forschungsziele schlicht und einfach zu teuer. Sie kostet 1,5 Milliarden Dollar. Dafür setzt sie nur vier Instrumente ein, relativ wenig für eine so teure Mission. Ich halte sie auch für überflüssig, denn es ist beileibe kein Rätsel das die Korona heißer ist als die Oberfläche. Das ist ein einfacher physikalischer Effekt: Die Korona besteht aus verdünntem Gas. Wird das nun von den Photonen der Sonnenoberfläche getroffen, so heizen sich die wenigen Atome auf, weil sie wegen der Dünnheit mit vielen Photonen kollidieren die ja von der direkt darunterliegenden Sonne in großer Zahl emittiert werden. Interstellares Gas hat, wenn man die Emissionslinien nimmt, auch enorm hohe Temperaturen höher als die jedes Sterns. So viele Rätsel die eine solche teure Mission rechtfertigen gibt es meiner Ansicht nach nicht. Ich werde in der nächsten Zeit mal sehen ob es mehr über die Sonde gibt. Als ich meinen Artikel, eine gekürzte Version des Beitrags im Buch Raumsonden 2, im Januar schrieb, gab es auf der Missionsseite nur rudimentäre Informationen über die Mission.

Was mir am stärksten aufstößt, ist die Namensgebung. Sonnenforschung ist nicht gerade eine Domäne der USA. Deutschland ist auf diesem Gebiet sehr engagiert. Hat 1974 und 1976 die beiden Helios-Raumsonden zur Untersuchung des sonnennahen Raums bis 43 Millionen km Distanz gestartet – deren Rekord wird die Solar Probe nach rund 40 Jahren brechen. Auch sonst betriebt Deutschland etliche Solarsternwarten, selbst die DDR betrieb eines. Ludwig Biermann postulierte 1951 den Sonnenwind und gilt als der international bekannteste Forscher der Wechselwirkung der Sonne mit der Umgebung die ja die Parker solar Probe untersuchen soll. Doch wer bitte kennt Eugene Parker? Selbst die NASA kann nur auf viele Schriften von ihm verweisen. Aber allgemein bekannt, außerhalb des Dunstkreises der Fachleute, ist er nicht. Ich halte die Namenswahl für unglücklich. Wahrscheinlich musste es ein Amerikaner sein, damit der Kongress die Mittel loseiste. Dabei haben wir die Ära in der Raumsonden nach Forschern benannt sind hinter uns. Das war in den Achtzigern/frühen Neunzigern wie bei Galileo, Magellan, Cassini, Huygens. Seitdem hat man mehr technische Bezeichnungen. Da die ursprüngliche Solar Probe, die noch anspruchsvoller war (noch nähere Distanz an die Sonne) nie umgesetzt wurde hätte ich das Parker weggelassen und sie schlicht und einfach Solar Probe genannt.

[Edit]

Ich habe gerade das offizielle Press Release zum Start genutzt den Artikel zu überarbeiten. Eines stieß mir ganz übel auf. In dem Dokument wird so getan als hätte Parker den Sonnenwind vorausgesagt:

In 1958, Parker developed a theory showing how the Sun’s hot corona—by then known to be
millions of degrees Fahrenheit—is so hot that it overcomes the Sun’s gravity. According to the
theory, the material in the corona expands continuously outwards in all directions, forming a
solar wind. A year later, the Soviet spacecraft Luna 1 detected solar wind particles in space,
and three years after that, the observations were confirmed by NASA’s Mariner 2 spacecraft.

Ludwig Biermann tat das schon sieben Jahre früher 1951. Als die Entdeckungen vom Mariner 2 veröffentlicht wurden, wurde auch nur Biermann erwähnt. Haben die alternativen Fakten nun schon die NASA erreicht?

11 thoughts on “Die Parker Solar Probe

  1. Bei der geringen Masse der Sonde ist die Effizenz der Oberstufe extrem wichtig.

    So könnte die FH aufgrund der Ineffizeinz der Oberstufe die Mission nicht bewältigen obwohl sie ja mehr Masse in LEO und GTO transportieren kann.

    Die Star 48BV von NoGru ist eine Feststoffstufe und somit ebenfalls ineffizient.
    Sind gründe bekannt wieso man hier nicht auf eine Wasserstoffstufe oder sogar Solarelektrisch gesetzt hat?

    1. Die Star 48 ist die Standardoberstufe bei hohen Geschwindigkeiten und wurde schon bei New Horizons eingesetzt. Es gibt einfach keine Alternative. Sie kann die Nutzlast auch befördern, selbst wenn man die BV Version nimmt die durch die Dreiachsenstabilierung schwerer ist. Eine Alternative gibt es nicht. Welche Wasserstoffoberstufe willst Du denn einsetzen? Die DCSS setzt ja schon die Technik der Centaur ein, die einzige andere Oberstufe mit LH2 die die USA haben.

      Ich habs mal ausgerechnet. Die Star 48BV bringt rund 2 km/s mehr als die Standard-DCSS

      1. Wie soll das überhaupt praktisch gehen mit einer zusätzlichen LH-Oberstufe? Stackt man die Rakete selber mit einer zusätzlichen (zu tankenden) Oberstufe auf, dann muss man auch das Pad umbauen, um die Stufe zu betanken. Und ist diese Stufe, wie bei der Star, mit unter dem Fairing, müsste man sie schon vor dem Integrieren der Nutzlast mit der Rakete betanken …

        Solar-Elektrisch wäre vielleicht eine Alternative, aber mit der Star und die Swing-By-Manöver ist man da möglicherweise doch effizienter?

  2. Ich dachte an eine Neukonstruktion.
    Da die Fluchtgeschwindigkeit bereits überwunden ist, sollte es egal sein wie lange der Antrieb brennt. Ein extrem kleines leichte Triebwerk mit entsprechend großen Tanks.
    Alternativ ein Ionentriebwerk. Die Solarzellen könnten verkleinert werden, da mit zunehmender Entfernung due Sonneneinstrahlung höher wird.

    1. Tja, wie oben geschrieben: Swing-By gibt es gratis. Und btw. ist es wohl auch nicht ganz unwichtig, dass die Sonde einen hochelliptischen Kurs fliegt. Einen Dauerbeschuss durch den Sonnenwind und „Korona-Partikel“ würde sie wohl auch mit dem Schild nicht lange überleben?

  3. Hochelliptische ist es deshalb weil das Absenken des Apogäums zu einer Kreisbahn noch mal viel Energie kosten würde.

    Hier hätte man aus meeiner Sicht neben dem normalen Swing by zusätzlich auch die Hochatmosphäre der Venus zum Abbremsen nutzen können.

    1. Hochelliptisch ist die Bahn weil man die Daten auch übertragen muss. Das geht nämlich nur wenn die Sonde weit genug von der Sonne entfernt ist. In Sonnenähe ist die Antenne unter den Schirm eingeklappt. Abbremsen in der Hochatmosphäre ist daher kontraproduktiv.

  4. Die Sonnenstrahlung soll die Korona dermassen aufheizen? Da wird ja glatt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik umgehauen (der da besagt, dass nichts von selbst von kalt nach heiss fliesst).
    Die Sonne als thermischer Strahler kann nichts mehr aufheizen als sie selbst. Da absorbtion-Koeffizient = emissions-Koeffizienz bei derselben Wellenlänge.

    Interstellares Gas kann hingegen von hochenergetischer Strahlung aufgehzeit werden. Wobei das meiste Gas doch eher kalt ist. Abgesehen vom koronalen Gas gibt es eigentlich nichts das über 10 000 K heiss ist.

  5. Das Plasma der Korona wird über das Magnetfeld der Sone aufgeheizt nicht durch die Schwarzkörperstrahlung der Sonnenoberfläche.

    Bestätigen lässt sich das dadurch,dass dort wo das sich ständig verändernde Magnetfeld besonderst Stark ist die Temperatur sogar um ein Vielfaches höher ist als der Koronadurchschnitt

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