Wie viel Nutzlast bringt mehr Schub?

In den Anfängen der Raumfahrt waren die Raketen relativ schubstark – wobei ich von den Oberstufen rede, denn die Basisstufen müssen natürlich mit mindestens der Erdbeschleunigung starten überhaupt abheben zu können.

Im Laufe der Entwicklung hat man den Schub von Oberstufen immer weiter gesenkt, zumindest in Bezug auf die Masse. Aber auch klassische Stufen wurden durch Parallelstufen ersetzt, wobei die Zentralstufe meist einen geringen Schub hat. Den Effekt kann man sehr deutlich sehen, wenn man sich die Höhe/Zeit Kurve der Aufstiegsbahn ansieht. Hier als Beispiel eine Ariane 5 ECA.

Die Feststoffbooster bringen eine hohe Startbeschleunigung und anfangs startet die Rakete nahezu senkrecht, baut also vor allem eine Geschwindigkeit in der Vertikalen (Höhe) auf. Sie dreht sich langsam, um schließlich parallel zur Erdoberfläche zu fliegen. Die horizontale Geschwindigkeit steigt also an, die vertikale nimmt ab. Die Erdanziehung zieht an der Vertikalen Geschwindigkeit und sie wird immer kleiner, bis sie 0 erreicht. Die Rakete erreicht einen Gipfelpunkt in der Bahn und fällt dann wieder. Auf der anderen Seite bedeutet die hohe horizontale Geschwindigkeit auch, das sich die Rakete tangential von der Erde entfernt, wodurch sie auch etwas Höhe gewinnt, was das Absinken bremst. Diese Horizontalgeschwindigkeit wird immer größer und wenn die Rakete schließlich die Orbitalgeschwindigkeit erreicht hat, dann sinkt sie nicht mehr sondern steigt nur noch durch die weitere Beschleunigung an.

Bei der Ariane 5 ECA ist die Orbitalgeschwindigkeit nach 690 s erreicht und wie man sieht, steigt danach die Bahn immer weiter an.

Die Kunst ist es nun den Schub und die Masse von Stufen so zu optimieren, dass die Nutzlast maximal wird und die Kosten minimal, denn schubstärkere Triebwerke kosten natürlich mehr als schubschwächere. Das geht zum einen indem man den Punkt bis zu dem die Bahn absinken darf wählt. In der Grafik sind es 185 km. Das ist der 100-nm-Standardorbit. Würde ich bei der Ariane 5 ECA 170 km ansetzen, dann steigt die Nutzlast um 200 kg, bei 200 km sinkt sie um 50 kg.

Im Orbit angekommen wäre prinzipiell der Schub egal, aber nur prinzipiell. Wie man an der Grafik sieht hat die ECS-A erst in über 600 km Höhe Brennschluss. Wenn sie dauernd ansteigt, so hebt sie laufend das Perigäum an, was energetisch auch ungünstig ist. Während das Perigäum der GTO-Bahn bei Ariane 4 noch bei 200 km lag, liegt es bei Ariane 5 E bei 250 km und beim Einsatz der alten EPS Stufe, die erst oberhalb 1.000 km Entfernung Brennschluss hatte, sogar bei rund 500 bis 600 km. Eine kurze Brennzeit ist also auch im Orbit sinnvoll, oder man muss so komplexe Bahnen fliegen wie die Proton M Breeze M. Die Breeze hat über 3.000 s Brennzeit und damit die Nutzlast nicht zu stark absinkt, teilt man das Zünden auf mindestens drei Perioden auf.

Mich hat schon immer interessiert, wie die Nutzlast einer Ariane 5 mit adäquatem Schub in der Zentralstufe aussieht und ich habe das mal durchgerechnet. Ich habe, bei ansonsten gleichen Parametern den Schub der EPC um jeweils 250 kN von 1390 auf 1600, dann 1850 und zuletzt 2100 kN erhöht. Die Masse der Stufe habe ich dabei um jeweils 300 kg erhöht für das Mehrgewicht beim Triebwerk. Man erhält folgende (theoretische) Nutzlasten. Theoretisch, weil sie mit meiner Aufstiegssimulation, also einem vereinfachten Modell gewonnen wurden:

Schub Nutzlast GTO
1.390 kN 11.500 kg
1.600 kN 11.600 kg
1.850 kN 12.030 kg
2.100 kN 12.350 kg

Wie man sieht, nimmt die Nutzlast zuerst wenig, dann deutlich zu. Sinkt dann aber wieder ab. Das liegt daran, das sobald der Buckel aus der Aufstiegsbahn verschwunden ist, und das ist bei 1850 kN der Fall, nun der Gewinn kleiner wird.

Den Nutzlastgewinn muss man gegenrechnen. Ein Vulcain 2 kostet in der Fertigung 15 Millionen Euro. Ein Triebwerk mit 2.100 kN Schub wahrscheinlich dann 50 % mehr also 7,5 Millionen Euro mehr und das für 850 kg mehr Nutzlast.

Das Optimum ist aber auch von der Oberstufe abhängig. Hier dieselbe Rechnung für Ariane 5 ECB:

Schub Nutzlast GTO
1.390 kN 12.500 kg
1.600 kN 13.150 kg
1.850 kN 14.050 kg
2.100 kN 14.550 kg

Während bei der ECS-A die Nutzlast nur um 850 kg anstieg sind es hier 2.050 kg. Der Grund ist ganz einfach: ECS+B und Nutzlast wiegen 15 t mehr als die ECS-A mit Nutzlast. Entsprechend stärker sinkt die Rakete ab und entsprechend stärker ist der Gewinn durch mehr Schub.

Ich denke das ist auch ein Grund für die Konzeption der Ariane 6. Bei gleichem Schub des Vulcain wird diese nur 149,5 anstatt 170,3 t Treibstoff zuladen, was die Rakete nach Brennschluss der Feststoffbooster 20 t leichter macht. Dann kann man auch wieder eine etwas schwerere Oberstufe zuladen, denn diese wird 30 t Treibstoff aufnehmen, bei der ECS-B waren es noch 28 t. 20 t weniger Treibstoff entsprechen, wenn sich sonst an der Massebilanz der Rakete nichts ändert und das ist in etwa gegeben einer Schuberhöhung um 200 kN, wenn der Treibstoff zugeladen worden wäre.

Zuletzt noch – was bringt mehr Schub bei der Oberstufe. Dafür habe ich bei der ECS-A in Gedanken ein zweites HM-/B eingebaut und 140 kg für das Triebwerk addiert. Das Ergebnis: es bringt nichts. Nahezu die gleiche Nutzlast. Lediglich wenn die Geschwindigkeit noch höher ist, z.B. bei einer Fluchtbahn mit einem C3 von 10 km²/s² für eine Marsbahn dann ist die Nutzlast um etwa 200 kg höher.

Zuletzt noch eine Bemerkung, warum ich das mit der Ariane 5 durchexerziert habe. Zum einen weil sie ein Extrembeispiel ist, zum anderen weil von der Ariane 6 nur die Treibstoffmassen bekannt sind, nicht die aber für die korrekte Simulation nötigen Trockenmassen.

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