Goldrauschstimmung

Fritz Haber ist eine ambivalente Persönlichkeit. Zum einen entwickelte er 1904 zusammen mit Carl Bosch, das nach den beiden Erfindern Haber-Boschverfahren zur Erzeugung von Ammoniak. Das war sicher einer der größten Errungenschaften der Chemie dieser Zeit.

Im Haber Bosch Verfahren wird aus Stickstoff in der Luft mit Wasserstoff Ammoniak erzeugt. Das war von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Aus Stickstoff bestehen zwar 80 Prozent der Atmosphäre und er ist so praktisch in unbegrenzter Menge leicht verfügbar. Doch molekularer Stickstoff ist durch die Dreifachbindung chemisch sehr stabil. Daher besteht die Atmosphäre auch aus Stickstoff als Hauptbestandteil. Er nimmt kaum an Reaktionen teil.


Das Haber-Boschverfahren

Mit dem Haber-Boschverfahren war es möglich, aus dem Luftstickstoff Ammoniak zu erzeugen. Den Ammoniak wiederum konnte man in andere Stickstoffverbindungen umwandeln. Damals gab es noch nicht die Kunststoffchemie, die heute Ammoniak abnimmt, um Amine als Ausgangstoff für Polyamine und Polyacryle herzustellen, aber wichtig war die Oxidation zu Stickoxiden. Aus ihnen wurde Salpetersäure hergestellt und Salpetersäure war notwendig für die Herstellung von organischen Nitroverbindungen und anorganischen Salzen, den Nitraten. Organische Nitroverbindungen waren damals vor allem Sprengstoffe wie Nitroglyzerin (Dynamit) oder Trinitrotoluol (TNT). Nitrate waren der Hauptbestandteil von Düngern, denn Stickstoff ist durch die leicht löslichen anorganischen Verbindungen ein Mangelelement im Boden.

Der Pionier des Giftgases

Hätte die Story hier geendet. Haber wäre als eine große Persönlichkeit seiner Zeit in die Geschichte eingegangen. Schlussendlich wurde er für seine Entwicklung 1919 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Doch dann kam der Erste Weltkrieg und Haber meinte in einem falsch verstandenen Patriotismus seinem Land helfen zu müssen, indem er den Gaskrieg einfügte und die ersten Einsätze sogar persönlich überwachte. Das führte schließlich auch zu Protesten, als er nach dem Ersten Weltkrieg den Nobelpreis bekam.

Habers Suche nach dem Gold im Wasser

Doch Deutschland verlor den Krieg und Haber als Patriot sann nach Wegen, seinem Land zu helfen. 1920 forderten die Alliierten 269 Milliarden Goldmark als Reparationen. Damals gab es natürlich auch schon Papiergeld, aber anders als heute herrschte die Ansicht vor, das diesem Papiergeld auch eine entsprechende Menge an Gold in den Staatsbanken lagern musste und es gab tatsächlich Münzen, die aus Gold waren, wenn auch mit einem kleinen Anteil, denn sonst hätten sie fast nichts gewogen. Bei der Goldmark waren dies 0,35842 g pro Mark. 269 Milliarden Goldmark entsprechen also über 96.000 t reines Gold, heute ein Wert von fast 3.600 Milliarden Euro. Das Gold hatte Deutschland nicht, was letztendlich auch zum Anwerfen der Druckerpresse und der Hyperinflation 1923 führte.

Fritz Haber meinte als Patriot Deutschland helfen zu müssen. Er tüftelte in seinem Institut ein Verfahren aus Gold aus Meerwasser zu gewinnen, erprobte es an selbst hergestellten Goldlösungen und machte sogar eine Fahrt. Das Ergebnis war ernüchternd : Meist war die Konzentration des Goldes viel geringer als angenommen und das Verfahren lohnte sich nicht. Die Goldkonzentration war um den Faktor 100 bis 1000 kleiner als die Annahme von Haber. Er stellte den Versuch daher ein.

Hundert Jahre später: eine Revision

Das blieb lange Zeit eine Episode der Geschichte. Allerdings ist der Goldkurs in den letzten Jahren rapide angestiegen. Gleichzeitig hat sich die Technologie weiter entwickelt. Ein Forscherteam der University of California hat in einem Labor die Versuche von Haber nachgestellt und mit modernen Trennverfahren experimentiert und schließlich auch Meerwasser anstatt künstlich präparierten Goldlösungen als Substrat genutzt.

Das Ergebnis: Gold kann aus Meerwasser gewonnen werden. Es muss aber vorher konzentriert werden. Um wie stark, das hängt vom lokalen Goldgehalt ab. Er schwankt je nach Gewässer, da das Gold letztendlich vom Land kommt und so an den Küsten am höchsten konzentriert ist. An der Küste der USA wäre das Meerwasser um den Faktor 3 bis 10 anzureichern. Das ist heute kein Problem. Man betriebt das schon großtechnisch und das Verfahren heißt Umkehrosmose. Dabei wird ein Stoff gegen das Konzentrationsgefälle durch eine semipermeable Membran angereichert. In diesem Fall die Salze des Meerwassers vom Wasser getrennt und aufkonzentriert. Heute nutzt man das zur Gewinnung von Trinkwasser aus Meerwasser. Entweder als kleine Lösung für eine Überlebensausrüstung oder Insellösung oder im großen Maßstab wie es die arabischen Staaten es tun, um Trinkwasser aus dem Meer zu gewinnen. Die hochkonzentrierte Salzlake, die dabei entsteht, wird als Abfallprodukt wieder ins Meer geleitet. Sie könnte man für die Goldgewinnung nutzen. Der zweite Schritt ist eine klassische Elektrolyse. Haber nahm Silberplatten. Silber ist ein edles Element, aber unedler als Gold. Leitet man Strom durch Silber, das in einer goldhaltigen Lösung steht, so scheidet sich das Gold auf dem Silber ab und etwas Silber geht in Lösung. Das ist die Grundlage der Vergoldung von Silberschmuck. Die Forscher passten nur das Trägermaterial der heutigen Technik an: anstatt massiver Platten wie Haber verwandten sie feine Netze mit einer viel größeren Oberfläche. Die Netze werden dann in Salpetersäure gelöst, das Gold bleibt zurück und das Silber wieder aus der Säurelösung zurückgewonnen. Man erhält Gold mit kleinen Anteilen an Silber und anderen edlen Metallen, vor allem Palladium.

Wirtschaftlich sinnvoll?

Inzwischen haben die Forscher die Ergebnisse veröffentlicht. Der entscheidende Faktor für die Rentabilität des Verfahrens sind die Energiekosten. Sowohl die Umkehrosmose ist energieintensiv wie auch die Elektrolyse. Bei einem angenommenen dauerhaften Preis von 1000 Dollar pro Unze muss (abhängig von der Goldkonzentration) der Strom weniger als 5,8 bis 11,2 US-Cent/kWh kosten, wenn man beide Schritte durchführen muss und 12,8 bis 23,6 US-Cent, wenn nur die Elektrolyse stattfinden muss, also man schon konzentrierte Salzlake als Ausgangsbasis einer Umkehrosmose zur Verfügung hat. Dazu kämen noch die Gestehungskosten für die Anlage.

Damit wäre das Verfahren in jedem Falle für Länder, die sowieso Trinkwasser durch Umkehrosmose erzeugen wirtschaftlich sinnvoll. Das betrifft Saudi-Arabien, die arabischen Emirate und andere Ölstaaten die Energie durch Erdöl im Überfluss haben aber in einer Küstenregion leben und schon heute so Trinkwasser gewinnen.

Doch Kernenergiestrom kostet heute in der Produktion auch weniger als einen Cent pro kWh und Kohlestrom liegt bei 3 bis 6 Cent. Damit wäre das Verfahren auch sinnvoll für Kernkraftwerke am Meer oder Kohlekraftwerke am Meer, die jedoch eher selten sind. Für die USA gibt es aber nur wenige Plätze, wo beide Voraussetzungen – hohe Goldkonzentrationen und ein lokales Kernkraftwerk, gegeben sind. Die höchsten Konzentrationen fand man in Neufundland. Für Kohle- und Kernkraftwerke könnte das Verfahren aber trotzdem interessant sein, denn beide Kraftwerktypen sind nicht schnell an wechselnde Lasten anpassbar. So könnten die Kraftwerke immer mit voller Leistung arbeiten und den gerade nicht benötigten Strom zur Goldgewinnung nutzen.

Noch stehen Analysen von Wasser aus anderen Orten aus, aber die Autoren sehen eine Chance für Kraftwerke, welche die Umwelt nutzen mit stark wechselnden Leistungen, das sind insbesondere Gezeiten- und Windkraftwerke, die meist auch im oder am Meer stehen. Auch hier gibt es Spitzen mit hoher Stromerzeugung aber kaum Bedarf, z. B. in der Nacht. Anstatt das Kraftwerk abzustellen, könnte man Gold gewinnen, wodurch die Rentabilität dieser Kraftwerke deutlich ansteigen würde.

Mögliche Szenarien der Goldgewinnung aus der See

Die größten Chancen, aber auch Risiken gibt es jedoch für Länder Nordafrikas, am Rande der Sahara und Mittelmeerküste. Das Szenario: Photovoltaikanlagen im Hinterland liefern den Strom für die Goldgewinnung. Das Meerwasser wird von Pumpen in die Anlagen gepumpt. Die Küste selbst könnte touristisch entwickelt werden. Das ist bisher durch den enormen Trinkwasserverbrauch von Hotels mit ihren Pools beschränkt, wäre nun aber kein Problem. Das Abwasser der Hotels könnte nach westlichem Standard geklärt werden und dann noch landwirtschaftlich genutzt werden – wahrscheinlich wegen der Keime nicht für den Gemüseanbau aber für Getreide und Obstplantagenbewässerung.

Photovoltaikanlagen liefern selbst in Afrika relativ teuren Strom. Würde man damit nur Gold gewinnen, es würde bei großen Anlagen gehen, aber erst nach 15 Jahren deren Investitionskosten wieder hereingeholt – und das bei dem Risiko, das der Goldpreis wieder sinken kann. Hat man dagegen einen Abnehmer für das Trinkwasser, der bereit ist, einen Teil der Kosten zu übernehmen (die regionale Landwirtschaft kann dies sicher nicht, aber eben die Tourismusindustrie), so wäre eine Anlage nach 5 bis 8 Jahren je nach Standard amortisiert. Eine Resonanz gibt es schon – doch nicht von der deutschen Industrie, die seit Jahrzehnten eine Solarfarm in der Sahara propagiert aber sie bisher nie realisiert hat, weil sie darauf wartet. dass der Staat sie finanziert. Nein sie kam von einem chinesischen Staatskonzern. Der will in Mauretanien und der West-Sahara Touristikzentren für (reiche) chinesische Weltenbummler erstellen. Mit dem produzierten Gold sollen die Devisenreserven Chinas aufgestockt werden. Ebenfalls reagiert hat Südafrika. Man will nun entlang der Küste, aber auch in zahlreichen wasserführenden Flüssen Analysen über den Goldgehalt durchführen. Dort geht man – nicht ohne Grund – davon aus, dass durch das goldhaltige Gestein die Konzentration in und um Südafrika besonders hoch ist.

Es könnte aber auch genau anders kommen: Der Goldpreis ist wie jeder Preis eine Folge von Angebot und Nachfrage. Er stieg, weil Anleger sich in Zeiten ohne Zinsen für das Geld und Kurseinbrüchen an den Börsen sich dem vermeintlich sicheren Gold zuwandten und die Nachfrage das Angebot durch Gewinnung aus dem Boden überstieg. Er könnte nicht nur durch eine Änderung der Finanzpolitik sinken, sondern auch wenn das Angebot eben durch diese Goldgewinnung aus dem Meer drastisch zunimmt.

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