„National Security Space Launch“ – die gleiche Misere unter neuem Namen

Am 3.3.2019 hat man das EELV-Programm umbenannt in „National Security Space Launch“. Wie überall in der Welt meint man in den USA, dass wenn man etwas neu benennt, man die schlechten Assoziationen mit dem vorherigen Begriff vergessen machen kann.

Aber ich will nicht ungerecht sein, da nun neue Träger entwickelt werden, hat sich zumindest etwas geändert. Dazu weiter unten mehr. Das EELV Programm ist nun 25 Jahre alt. Es begann mit eine Direktive von Clinton 1994, auch wenn der Startschuss für die Entwicklung erst später begann.

Ich denke ich kann mich hier in dem Blog kurz fassen, was das EELV-Programm bisher angeht.

Es hatte zwei Gründe. Der eine war, dass man mit den Kostensteigerungen der Träger nicht einverstanden war. Vor allem die Titan erreichte Startkosten von über 400 Millionen Dollar. Sie sollte primär ersetzt werden. Das zweite war, das 1987 Ronald Reagan beschloss, das die NASA nicht mehr, wie bisher kommerzielle Starts im Auftrag durchführen sollten, sondern dies US-Firmen selbst tun sollten. Es dauerte etwa 3 Jahre, bis die Firmen sich dieser neuen Lage angepasst hatten und 1997 war das Ergebnis schon ernüchternd. Die Titan konnte nur anfangs einige Aufträge abgreifen, da Arianespace gar nicht mal alles starten konnte, sie waren ja als einzige Firma übrig geblieben. Die Atlas war im Einsatz, hatte aber zunehmend durch die russische Konkurrenz zu leiden. Anders als Arianespace konnte man nicht zwei Satelliten bündeln und die Satellitenmasse war deutlich kleiner als bei einer Proton oder Zenit. Die Delta II war einfach zu klein und der Nachfolger Delta III ein Rohrkrepierer.

Im Prinzip ging es also dazu die US-Hersteller quer zu subventionieren, damit sie wieder erfolgreich wurden.

Es klappte nicht Delta IV und Atlas V blieben teuer. Die Atlas V hat inzwischen einige kommerzielle Starts abgewickelt, meistens dann, wenn Zenit und/oder Proton für längere Zeit gegroundet waren. Dazu kamen einige LEO-Starts nachdem die Delta II nicht mehr zur Verfügung steht. Zeitweise hat die Regierung den Firmen sogar die Verluste durch ausbleibende kommerzielle Aufträge ausgeglichen. Seit Jahren finanziert sie einen Fixkostenanteil mit, damit die Firmen nicht qualifizierte Mitarbeiter entlassen, wie dies sonst üblich ist.

Zwischendurch haben sich dann Lockheed-Martin und Boeing zu ULA zusammengeschlossen, sodass zumindest der Konkurrenzgedanke, sofern es ihn mal gab, sich erledigt hat.

Die Preise für die Trägerraketen stiegen zuerst stark an, und blieben dann auf dem hohen Niveau. Bewegung kam erst durch das Auftauchen von SpaceX. An der kommerziellen Vermarktung änderte das nichts, doch nun gab es auch einen US-Konkurrenten. Kur bevor SpaceX 2014 die kommerziellen Flüge aufnahm hat die USAF dann noch schnell einen Block Buy gemacht, angeblich um Kosten zu sparen. SpaceX hat sich vor allem durch den Klageweg inzwischen einige Aufträge verschafft, vor allem aber welche für „preiswerte“ und nicht sicherheitsrelevante Nutzlasten wie die in Serie gebauten GPS Satelliten oder das X37B. Der Firma nicht gut getan hat auch der Verlust von ZUMA letztes Jahr. Wie viele Aufträge des Militärs die bisher erfolgten, wurde dieser von Grumman gebaucht, die Auftagnehmer für as Militär waren, also als „Schlüsselfertig im Orbit“. Es dürfte dem Dod egal sein ob Grumman oder SpaceX am Verlust schuld sind. Tatsache ist, dass es so was noch nie vorher gab und das natürlich problematisch ist, wenn die „neue“ Firma, wenn sie mit einer „alten“ zusammenarbeitet, es einen Totalverlust gibt. Gerechterweise muss man dazu sagen das SpaceX mit der Falcon 9 auch viele DoD-Missionen nicht bedienen kann – militärische Satelliten in den GEO oder höhere Orbits haben in der Regel keinen integrierten Antrieb. Dann sinkt die Nutzlast aber stark ab, weil die 4 bis 5 t schwere Oberstufe auch noch den Orbit erreicht. Eine Centaur wiegt nur 2,2 t und hat zudem einen höheren spezifischen Impuls was sich bei höheren Geschwindigkeiten in einer geringeren Nutzlastabnahme.

Erst jetzt wo die Konkurrenz da ist, tut sich bei ULA was. Die Delta wird eingestellt, die Produktion der Atlas umstrukturiert um sie billiger zu machen, was man auch an den sinkenden Startkosten in den letzten Jahren sieht.

Nun ist EELV in National Security Space Launch umbenannt und letzten Oktober gab es mehr als 2 Milliarden Dollar an Lockheed Martin, ATK/Grumman und Blue Origin. Wieder sollen neue Träger entwickelt werden. Wobei zumindest eines sich geändert hat: drei Firmen bekommen die Fördergelder, aber nur zwei Raketen werden übernommen, die dritte (ich tippe auf ATK/Grumman) geht leer aus und muss die Fördermittel sogar zurückzahlen. Ansonsten bleibt aber alles beim Alten:

  • Wieder neue Riesenraketen, mit noch mehr Nutzlasten als die bisherigen, obwohl von denen in den letzten 20 Jahren vorwiegend die kleinen Versionen flogen.
  • Staatliche Subvention von neuen Trägern anstatt von billigeren Starts.
  • Völliges Ignorieren des Trends, das Satelliten leichter werden.
  • Wieder zwei Träger für dasselbe Nutzlastspektrum

Braucht man neue Raketen?

Natürlich nicht. Jeder der neuen Träger ist mindestens im oberen Drittel der bisherigen Träger angesiegelt, teilweise geht es sogar noch hinaus. Die Minimalnutzlasten für den GTO liegen bei 4,9 t, 11 t und 13 t. (OmegA, Vulcan, New Glenn) Die Atlas V 401 dagegen bei 4,9 t und die Delta 4M bei 4,2 t. Wenn schon jetzt vor allem diese kleinen Versionen fliegen, dann braucht man keine neuen Raketen entwickeln. Zumal es ja noch die Falcon 9 und Heavy von US-Anbietern gibt und die New Glenn wird auch ohne Subventionierung kommen. Dann gibt es schon genug Auswahl.

Fehler im System

Wer den Blog regelmäßig liest, weiß: ich halte nichts von der Ariane 6. Sie ist im Prinzip eine Ariane 5 ECB, nur eben um 2,5 Milliarden Euro teurer. Man hat die Geldgeber damit rumbekommen, dass man so konkurrenzfähiger wird, weil man die Produktion rationeller gestalten kann. Für mich eine Schnapsidee, weil Ariane zu 70 % kommerzielle Satelliten startet. Aber für die US-Regierung, die ja zu 100 % die Raketen selbst nutzt wäre es eine sinnvolle Investition, wenn die Hersteller ihre Produktion umstellen, um sie billiger zu produzieren. Wenn man 2,3 Mrd. $ ausgibt dann dafür. Natürlich nicht ohne Gegenleistung und das wären für X Flüge garantierte Preise, ansonsten Rückzahlung oder nie wieder Aufträge.

Wenn man sparen will, dann sollte man auch das System überdenken. Klar Behörden wollen immer Extawürste. Sie müssen ja nicht über die Verwendung des Gelds Rechenschaft ablegen. Aber bei Startservices? Bei Arianespace gibt es keine Extrawurst für die ESA. Die meisten Nutzlasten sind kommerziell, trotzdem hat Ariane 5 eine Erfolgsbilanz, die besser als bei jedem US-Träger ist. Diese Vorschriften, die die US-Starts nur verteuern, so etwa um 20 bis 30 Millionen Dollar pro Start, bringen also nichts.

Doppelt hält nicht besser

Was mich schon beim EELV störte, war das man zwei Träger mit denselben Möglichkeiten finanzierte. Lockheed Martin hatte sogar eine Atlas V Heavy mit Boosterbündelung im Angebot für den Fall, dass die Regierung sich für diese Version entschlossen hätte.

Wie sich zeigte, ist das keine Garantie, dass die Startpreise niedrig sind. Als Absicherung gegen Fehlstarts ist es ebenso untauglich. Alle anderen Nationen kommen mit einer Rakete pro Nutzlastklasse aus. Gibt es einen Fehlstart so untersucht man ihn und einige Monate später, startet die Nächste. Nur bei bemannten Flügen gibt es sehr lange Pausen. Doch selbst dann nützt einem ein zweiter Träger nichts. Es ist ja nicht so, dass diese auf Halde produziert werden. Es dauert rund 24 Monate von der Bestellung bis zum Start. Da kann auch dann der zweiter Träger nicht die Lücke füllen. Ebenso werden Nutzlasten rechtzeitig gestartet, man wartet nicht, bis eine ausfällt, geht die neue beim Fehlstart verloren, so ist die alte immer noch funktionsfähig.

Es hilft auch, in die Vergangenheit zu blicken. 1962 starteten 38 Thor-Deltas, es gab alleine für die Corona-Aufklärungssatelliten 5 Startrampen in der VAFB, auf einer stand immer eine Thor Agena startbereit. 1966 starteten 33 Atlas, vor allem mit GAMBIT Aufklärungssatelliten. Damals hatte man mehr Starts als heute, auch mehr Fehlstarts und keine kam auf die Idee „Huuh da ist was schiefgegangen, jetzt brauchen wir ein zweites Trägersystem“. Das ist die typische Haltung einer Warmduscher-Behörde.

Kleiner ist besser

Während Dod und NRO neue Riesenraketen planen, geht woanders der Trend zu kleinen Satelliten. Man muss nicht Cubesats berühmen aber Minisatelliten und Mikrosatelliten, also das Segment unter 1 t Masse boomt. Die zivilen Erderkundungsatelliten von Digiglobe (bei denen das Militär auch der beste Kunde ist) sind alle kleiner als die KH-12 des Pentagons. Frankreichs neue Generation „Plejades“ ist auch leichter als die Helios-Satelliten und das sind beides militärische Satelliten. Die ASI will nun für ihr Militär erstmals Kommunikationssatelliten mit der Vega C starten – die spiralen sich dann selbst vom LEO in den GEO. Nicht zuletzt gibt es Oneweb mit Hunderten von Satelliten, jeder weniger as 200 kg schwer.

Vereinzelte Experimente gibt es ja schon so der S5 Mikrosatellit als Sekundärnutzast beim letzten Falcon-GTO-Start. Was die neuen Träger eher verschlimmern, ist das es dafür keinen US-Träger gibt. Die Pegasus ist zu teuer und läuft aus, ebenso die Minotaur, die ausgemusterte Minuteman nutzt. Die Taurus ist zu teuer und unzuverlässig. Die Delta II gibt es nicht mehr. Das sah als man das EELV auflegte noch ganz anders aus. Da gab es auch noch die Athena.

Die USA haben keinen Träger unterhalb etwa 8,6 t LEO-Nutzlast und so machen kleine Satelliten keinen Sinn, wenn man wie z.B. bei TESS eine Falcon 9 kauft, um einen 365 kg schweren Satelliten zu starten.

Meine Alternative zum National Security Space Launch

So nun kommt der Teil, den einige Blogleser als Besserwisserei ansehen: ich habe mich hingesetzt und eine Rakete für kleine Nutzlasten bis maximal zur Nutzlast, der kleinsten Atlas konstruiert und simuliert. Zugegeben das war leicht: Man nehme einfach nur die alte Long tank Thor, nur mit einem etwas kürzeren Tank, sodass sie nur 58 t wog (Thor: 48 t, long Tank Thor 70 t). Anstatt des alten Triebwerks kommt aber ein Merlin zum Einsatz. Dazu kommt die Delta Oberstufe in der letzten Version. Deren Daten stehen fest, ebenso Schub und spezifischer Impuls des Merlins. Die Leermasse der ELT habe ich übernommen, obwohl die Rakete 12 t leichter ist, das gibt dann noch 500 kg Reserven für SpaceX, wenn sie mal die Stufe bergen wollen für weiteres Equipment.

Diese Rakete hat 900 kg Nutzlast in eine niedrige Erdumlaufbahn. Nimmt man noch 2,3,4 oder 6 erste Stufen als Booster hinzu und verlängert die Brennzeit der zentralen Stufe (das Merlin ist auf 70 % Schub reduzierbar) so kommt man auf eine zweieinhalbstufige Rakete mit folgenden LEO Nutzlasten:

  • kein Booster: 1100 kg
  • zwei Booster: 4000 kg
  • drei Booster: 5.500 kg
  • vier Booster: 7.500 kg
  • sechs Booster: 10.000 kg (mit Oberstufe), 11.300 kg (ohne Oberstufe)

Bei Sechs Boostern kann man die zentrale Stufe nach der ersten zünden. Sie braucht dann keine Oberstufe mehr. Diese Version kommt auch auf über 3 t in den GTO und 2 t auf Fluchtbahnen. Genug für viele NASA-Missionen zu den Planeten.

Ich meine es gäbe Bedarf bei der NASA und dem DoD für einen Träger dieser Größe. Sicher nicht viele Starts aber so vier bis fünf, und vielleicht wenn der Trend zu kleineren Satelliten auch beim Militär ankommt, noch mehr. Es gäbe nur ein Problem: SpaceX. Die wollen ja nicht mit anderen zusammenarbeiten außer es sind ihre Kunden. Nur als das Geschäft noch nicht so lief, haben sie für Statolaunch eine Zeit lang die erste Stufe gestellt.

Aber wenn ich dran denke wie sie hinter den Startaufträgen der Regierung her sind denke ich, sind diese ein gutes Druckmittel. Schlussendlich kann es in niemanden Interesse sein, wenn einer meint, nur er könne alles. Im Arbeitsleben wird ja auch immer Teamfähigkeit verlangt und wer die nicht hat, der kann noch so gut sein, de bekommt keinen Job. Selbst wenn SpaceX mal die Falcon einstellt und zur BFR wechselt (ich glaube nicht daran), dann könnte man es wie bei den H-1 Triebwerken machen: von denen wurden viel mehr produziert als benötigt und diese dann eingelagert und bis 1992 also 24 Jahre nach Produktionsende „verfeuert“. Dann lässt man die Produktionsstraße noch eine Weile offen. Rechnet man 5 Starts mit 4 Boostern pro Jahr, so bräuchte man für 20 Jahre rund 400 Triebwerke, also so viele wie in 40 Falcon 9 stecken. Die passen problemlos in eine größere Halle.

Aber wie immer, es ist nur eine Idee von mir. Das Militär hat ja eine gewisse Abneigung gegen fremde Ideen, vor allem wenn es vernünftige sind …

3 thoughts on “„National Security Space Launch“ – die gleiche Misere unter neuem Namen

  1. Also wenn dir so viel daran liegt, kannst du dich ja an Darpa wenden.
    Darpa (dem DoD unterstellt) macht nicht nur Ausschreibungen, sondern fördert auch Personen die mit interessanten Projekten auf sie zu kommen. Du müsstest da ein Präsentation erstellen die folgendes beantwortet: Was ist das Problem, und wieso ist dies wichtig für das DoD? Woran scheitern bisherige Lösungen? Was macht deine Lösung besser? Wie sieht die konkrete Umsetzung aus (Kosten, Zeitrahmen, Ziele…)? Das wären so die Standartsachen auf welche man ein Antwort parat haben sollte.

    Wahrscheinlich brauchst du aber einen amerikanischen Partner. Darpa vergibt Fördergelder zwar auch Personen welche nicht US-Bürger sind und nicht in den USA leben, aber irgendwie musst du ja an amerikanische Hardware herankommen, Ebenso solltest du in der Vergangenheit weder für die Nordkoreanische oder Iranische Regierung/Militär gearbeitet haben. Es gibt also schon ein paar Einschränkungen für Ausländer.

    Mit Sicherheit würde das Projekt auch einem Vergleich im dem Phantom Express (ehemals XS-1) unterzogen werden. Dieses Darpa-Program läuft ja auch noch (haben ja selber erkannt, dass sie da eine Nutzlastlücke haben). Falls du aber Möglichkeiten kennst damit deine Rakete nach sehr kurzfristigen Anfragen sehr schnell startklar zu machen, wäre das eine Eigenschaft welche dem DoD sehr wohl gefällt. Ebenso müsstest du mal Wiederverwendung durchrechnen (geht nicht mehr anders). Dafür würde es mit der Darpa aber auch Vorgespräche geben die helfen zu verstehen, was der Andere jeweils will. Man wird also nicht in das kalte Wasser geworfen.
    Du solltest dich aber dennoch beeilen. Eben weil Phantom Express Fortschritte macht, und es natürlich auch private Firmen gibt welche diesen Nutzlastbereich abdecken wollen. Firefly gehört dazu (sind von den Toten auferstanden), und diese Firma aus Kalifornien welche ganz extrem auf 3D-Drucker setzt (Relativity Xxx oder so).
    Darpa ist immer offen für gut durchdachte Projekte.

  2. Das ganze geht weiter. Als hätte die USAF nicht schon mit dem ersten „Block Buy“ Ärger genug gehabt, wiederholt sie nun den Fehler. Diesmal beschwert sich Blue Origin, das so über Jahre von Aufträgen ausgeschlossen ist. Warum schreibt man dort nicht die Aufträge frei aus. Bei mittlerweile bald drei Anbietern wird das sicher billiger als der Block Buy.

    https://spacenews.com/air-force-space-launch-competition-caught-in-political-crossfire/

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