Doch noch ein Geschäftsmodell für Stratolaunch?

Stratolaunch und ihr Konzept waren mir immer schon ein Rätsel. Die Firma begann zuerst mit dem Flugzeug, das inzwischen die Testflüge durchführt und dann mit der Rakete. Über die gab es nur nebulöse Ankündigungen. Zuerst sollte SpaceX sie bauen, dann wurde die Zusammenarbeit wieder beendet und Orbital beauftragt, was verwundert, weil Orbital eigentlich keine geeignete Rakete für die geplante Nutzlast von 5 t in den LEO hatte. Dann bestellte die Firma noch RL-10 Triebwerke, scheint also selbst eine Oberstufe zu konstruieren. So habe ich schon vor über zwei Jahren, das kommende Ende der Firma vermutet.

Fortschritte gab es nur beim Flugzeug, wenn auch langsame. Angekündigt im Dezember 2011, war der Prototyp des nun „Scaled Composite Modell 351“ genannten Flugzeugs erst am 31.5.2017 bereit für Rolltests. Die hat man dann fast zwei Jahre lang durchgeführt. Erst am 13.4.2019 fand der Jungfernflug statt.

Nachdem Paul Allen im Oktober 2018 starb und damit der Hauptfinanzier, kündigte die Firma im Februar 2019 an, nun nur noch als Dienstleister für Raketenstarts zu fungieren und die Raketenentwicklung einzustellen.

Die Frage, die ich nun habe ist, die ob das aufgeht

Nun es gibt zwei gute Gründe, die für das Geschäftskonzept sprechen. Die eine ist es, dass es sehr viele Firmen gibt, die kleine Träger bauen. Dieser Blog führt 29 Firmen auf, die aktiv sind, plus etliche die keine Fortschritte vermelden. Alleine 13 kommen aus den USA. Sie alle wären potenzielle Kunden. Zumal die Newcomer sich so Investitionen ins Bodensegment sparen könnten und die Zusatzkosten für den Start von dem Flugzeug aus würden sich auch bei mehr Kunden und häufigen Starts verkleinern.

Das zweite ist, das viele der Firmen zweistufige Raketen entwickeln. Primär aus Kostengründen. Ein gängiges Entwicklungsmodell ist das, das man in der ersten Stufe und zweiten Stufe dasselbe Triebwerk einsetzt, dafür aber sechs bis neun in der ersten Stufe, wegen der größeren Masse. So z.B. die Elektron. So kommt man mit nur einem Triebwerk auf eine zweistufige Rakete, aber bei einer zweistufigen Rakete sinkt die Nutzlast rasch ab. Das liegt zum einen an der hohen Leermasse der zweiten Stufe, wie auch daran das sich der Geschwindigkeitsbedarf auf nur zwei anstatt drei Stufen verteilt. Nicht zuletzt wiegt die Avionik bei kleinen Trägern überproportional viel. Sie ist nun mal nicht beliebig verkleinerbar.

Man sieht dies an der Elektron: Ihre Nutzlast für einen sonnensynchronen Orbit beträgt:

  • 167 kg für 300 km Höhe
  • 150 kg für 500 km Höhe
  • 132 kg für 700 km Höhe

Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen diesen Bahnen liegt bei nur 222 m/s. Die Nutzlast nimmt aber um 45 kg oder 30 % ab.

Leider gibt es von keinem der neuen Träger genügend Daten um es genau berechnen zu können, um wie viel sie bei einem Start mit dem Modell 351 profitieren. Daher habe ich eine Rakete in dem Nutzlastsegment herausgesucht, von der es die Daten gab, nämlich der Falcon 9. Ich habe eine Aufstiegssimulation von den Marshallinseln aus durchgeführt und komme auf 400 kg für einen 200 km hohen Orbit mit Startazimut 90 Grad, also nach Osten. Wird dieselbe Rakete aus 13 km Höhe bei einer Geschwindigkeit von 220 m/s, das sind 792 km/h, die Höchstgeschwindigkeit des Modells 351 beträgt 853 km/h, gestartet so steigt sie auf 740 kg. Das Bild zeigt einen Vergleich der Aufstiegskurven beider Szenarien. Der Gewinn liegt vor allem in den Aufstiegsverlusten. Sie betragen bei der Falcon 1 1653 m/s und bei der Trägervariante nur noch 772 m/s. Also fast 900 m/s weniger. Das ist nur zum Teil der höheren Startgeschwindigkeit geschuldet. Auch die Höhe spielt eine Rolle. So arbeiten die Triebwerke der ersten Stufe effizienter. Der spezifische Impuls ist im Vakuum, und da ist man in 13 km Höhe schon näher dran als am Bodendruck um 15,7 % höher. Damit hat auch die erste Stufe eine höhere Brennschlussgeschwindigkeit – trotz höherer Nutzlast sind es 3787 m/s gegenüber 3102 m/s. Die drastische Nutzlaststeigerung um 85 % beruht vor allem auf der hohen Leermasse der zweiten Stufe, doch auch mit einer leichteren Stufe – sagen wir mal 400 kg wäre der Gewinn beachtlich (554 zu 884 kg). Schon bei größeren zweistufigen Raketen macht die zweite Stufe viel aus, wenn sie nur mittelenergetische Treibstoffe einsetzen. Bei der Titan II sind es 2,7 t für die Zweitstufe bei 3,8 t Maximalnutzlast. Bei der Zyklon 3,7 t bei 3,2 t Nutzlast. Bei der Zenit sind es 8,3 t bei 13,7 t Nutzlast, bei der Angara 1,2 2,355 t Stufenmasse bei 2,4 t Nutzlast und bei der Dnepr 4,5 t bei 3,6 t Nutzlast. Die zweite Stufe wiegt also teilweise mehr als die Nutzlast selbst. Bei der Proton stieg die Nutzlast durch eine dritte Stufe von 12,2 auf 19,6 t an, also um die Hälfte.

Kurz: vom Standpunkt der Nutzlaststeigerung macht es Sinn, besonders, wenn man eine Rakete hat, die sonst die Nutzlast gar nicht transportieren könnte. Auf der anderen Seite könnte natürlich jeder der Firmen die Raketen entwickeln, diesen Service nutzen. Damit würde dann die Situation wieder die gleich wie vorher sein, nur mit niedrigen Kosten pro Kilogramm Nutzlast. In der Realität wird das nicht vorkommen. Aber die US-Anbieter, die wohl eher zu der US-Firma greifen werden, haben so einen Vorteil gegenüber den chinesischen Firmen, die allesamt nur halb-kommerziell sind (alle haben enge Beziehungen zu chinesischen Universitäten und wurden von diesen gegründet).

Nebeneffekte wären, das man sich die Investitionen in einen Startplatz sparen kann, auch ein Argument, wenn man nicht großzügige Sponsoren hat und vielen Starts pro Jahr rechnet. Eher ein theoretischer Vorteil ist, das jede Bahnneigung möglich ist indem man nahe am Äquator startet. Eher theoretisch, da die meisten Kleinsatelliten als Aufgabe die Erdbeobachtung haben und da benötigt man eine sonnensynchrone Umlaufbahn die man von jedem Punkt der Erde aus erreicht und bei der man auch die Erdrotation nichts als Startgeschwindigkeit „mitnehmen“ kann.

Die Frage sie sich stellt ist wohl eher die Allgemeine an diesen Markt, und zwar: Wie viele Starts von Trägern für Klein- und Kleinstsatelliten wird as auf Dauer geben? Es macht auch für Stratolaunch einen Unterschied ob ihr Flugzeug zweimal oder zwanzigmal pro Jahr startet. Vor allem, nachdem das Modell 351 dafür extra konstruiert ist. Zudem hält niemand andere Firmen ab ein eigenes Flugzeug zu Nutzen Virgin Galactis nutzt für ihre Launcher One eine B-747. Wenn ich die Lockheed L-1011 Tristar, die die Pegasus transportiert als Referenz nehme: 42 t Nutzlast vs. 23,2 t bei der Rakete, dann sollte ein ausgedienter B-747 Frachter mit 113 t Nutzlast Raketen von bis zu 62 t schwere Raketen befördern, was bis zu 1,5 t Nutzlast in den LEO-Orbit entspricht. Das ist dann durchaus eine größere Rakete, kleinere Flugzeuge reichen für kleinere Raketen und sie müssen ja nicht neu sein – sowohl die Tristar für die Pegasus wie die Boeing 747 sind ausgemusterte Flugzeuge, für einige Starts sind sie immer noch gut, denn sie dürften in ihrer Restlebenszeit sicher nicht mehr Flüge ansammeln als in einem Monat im regulären Betrieb. Und ich vermute ein ausgemustertes Flugzeug ist nicht so teuer.

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