Abwehrmöglichkeiten für NEO – Teil 2: Anstreichen

Eine zumindest in manchen Medien gern propagierte Methode uns vor dem Einschlag eines NEO zu schützen ist es ihn anzustreichen. Klingt doch toll und irgendwie nach grundsolider handwerklicher Arbeit und löst nebenbei das Arbeitslosenproblem, wenn Tausende von Malern einen Asteroiden anstreichen …

Abbildung 1Scherz beiseite. Das Phänomen beruht letztendlich auf dem Strahlungsdruck des Lichts. Das ist der Druck, den das Licht selbst ausübt, nicht zu verwechseln mit dem Impuls, den sie durch Ionen wir Protonen oder Alphateilchen ausübt, diese haben aber in der Summe einen noch kleineren Impuls. Bei 100 % Absorption, das würde vorliegen, wenn der Asteroid ganz schwarz wäre und alles Licht schluckt macht er 4,6 Mikro-Pascal aus, entsprechend einem Schub von 4,6 µN/m². Würde er das Licht total reflektieren, dazu müsste er mit einer reflektierenden Schicht wie ein Spiegel versehen sein, so wäre der Impuls maximal doppelt so groß also 9,2 Mikro-Newton.

Auf einen Quadratkilometer Fläche wirkt also nur eine Kraft von maximal 9,2 Newton, das wäre auf der Erde der Druck, den ein Gewicht von 1 kg ausübt. Daher werden bei uns auf der Erde auch tiefschwarz angestrichene Häuser durch den Sonnenschein nicht vom Fleck bewegt. Doch Asteroiden sind klein und der Schub ist immer da, über Jahre und Jahrzehnte kann man so doch vielleicht zu einer größeren Änderung kommen. Zeit also das Mal genauer zu betrachten.

Zuerst wie würde man es umsetzen? Nun sicher nicht, indem man mit Pinseln den Asteroiden anstreicht. Man benötigt nur eine Substanz, die viel heller als die normale Oberfläche ist. Solche Pigmente findet man auch in Wandfarbe, nur könnte man auf das Lösungsmittel verzichten. Es muss aber kein Pigment sein. Styropor ist auch hell und besteht zum größten Teil aus Luft (die Körner würden sich so im Vakuum sogar noch vergrößern und dann platzen, was ihre Oberfläche weiter vergrößert). Schon normales Polystyrol kann mit einer Dichte von 15 kg/m³ gefertigt werden. Eine 2 mm dicke Schicht würde dann nur 30 g wiegen. Doch wie trägt man es auf? Das ist relativ einfach. Es funktioniert im Prinzip wie bei einem Farbsprühgerät. Bewegt sich ein Satellit über den Körper, so muss er nur das Material nach hinten gegen die Bewegungsrichtung leicht beschleunigen. Bei den Körpern, von denen wir reden, mit einem Durchmesser von weniger als einem Kilometer, liegt die Kreisbahngeschwindigkeit bei unter 1 m/s. Schon eine geringe Beschleunigung gegen die Bewegungsrichtung führt dazu das das Material geradewegs auf die Oberfläche trifft. Eher hat man das Problem, das es dort bleibt, also nicht zu stark beschleunigen. Hilfe leistet die elektrostatische Aufladung durch die permanente Bombardierung mit Plasmateilchen von der Sonne. Zu berücksichtigen ist auch, das man die ganze Oberfläche abdecken muss, schließlich rotiert der Körper, auch wenn nur die Hälfte dem Licht ausgesetzt ist. Daneben ist die Oberfläche nicht eben, was sich in einem Mehrverbrauch ausdrückt. Realistisch wird man also, wenn man die 2 mm Styroporschicht als Referenz nimmt, mehr als 60 g/m² absorbierten Fläche brauchen.

Eine andere Umsetzung nimmt die Technologie von Sonnensegeln. Diese setzen ultradünne Folien ein, die aufgespannt werden. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen sind diese reflexiv beschichtet. Dadurch ist der Impuls viel höher als bei der Reflexion. Zum Zweiten wiegen die Folien weniger. 10 bis 15 g/m² Flächengewicht wurden bei kleinen Segeln erreicht, größere könnten noch leichter sein, (dazu kämen aber noch Streben und Entfaltmechanismus). Dann kann das Segel größer als der Asteroid sein und somit viel wirksamer. Zuletzt kann man es drehen und so aktiv den Kurs beeinflussen.

Nachgerechnet

Abbildung 2Ich habe wie im ersten Beispiel den Asteroiden 99942 Apophis genommen. Er hat einen Durchmesser von 325 kg und eine Masse von 10 Millionen Tonnen. Beides sind geschätzte Werte, aber irgend einen Wert benötigt man. Astroiden sind relativ dunkel. Der Mond hat einen Reflexionsgrad von 12 %, Bennu einen von 4,4 % Ryugo liegt zwischen 3,7 und 7,8 %. Nur Itokawa soll eine hohe Albedo von 23 – 53 % haben (die Quellen sind sich da nicht einig). Demgegenüber erreichen weiße Pigmente eine Reflexion von über 90 % (zu klären wäre noch, ob das Styropor nicht nachdunkelt durch die UV-Strahlung und ihre induzierten Reaktionen, dann wäre ein Weißpigment wie Titanoxid vielleicht doch besser). Nimmt man eine Reflexionsänderung nur von 70 % an und bedeckt die gesamte Oberfläche des Asteroiden mit Pigmenten, so kommt man nach 30 Jahren auf folgendes Ergebnis:

Wie die Grafik zeigt, ändert man nach 30 Jahren die Position nur um rund 300 km, die Gesamtbeschleunigung beträgt gerade mal 3 mm/s über diese Zeit. Wir benötigen, wenn ich von obigen 30 g/m² ausgehe und man Unebenheiten ignoriert knapp 2500 kg Pigmente, das wäre immerhin mit einer heute zu startenden Mission ohne Scherlastrakete zu schaffen. Aber die kleine Geschwindigkeitsänderung und die Positionsabweichung von 300 km zeigt, das ist viel zu wenig. Wenn man den Asteroiden nur um den Erddurchmesser verschieben will (wie im ersten Artikel gezeigt reicht das, weil die Erde den Kurs zu sich krümmt, nicht aus) müsste die Abbremsung um den Faktor 40 bis 50 besser sein.

Der Schluss ist aber auch logisch, denkt man das nämlich weiter so müsste auch die normale Oberfläche mit fünf bis zehnmal kleinerem Reflexionsgrad in der fünf bis zehnfachen Zeit dieselbe Positionsänderung erreichen. Bedenkt man das der Asteroid seit 4,5 Milliarden Jahren existiert und immer noch die Sonne umkreist, so ist klar das er bei einer wirksamen Beschleunigung nur durch den Strahlungsdruck er längst das Sonnensystem verlasen hätte. Dieses Schicksal hat Staub, bei dem das Oberflächen/Massenverhältnis viel günstiger ist.

Für das zweite Beispiel habe ich nun ein Sonnensegel genommen, das größer als der Asteroid ist und es solange vergrößert, bis nach 30 Jahren in etwa eine Abweichung von 15.000 km herauskommt. Bedingt durch die elliptische Umlaufbahn schwankt die Positionsabweichung etwas, doch auch im Minimum sind es noch über 12.000 km. Ich komme auf eine Fläche von 2.000.000 m² bei einer Annahme von 90 % Reflexion und vorher 10 % Absorption. Wenn ein Quadratmeter mit Streben und Entfaltmechanismus 20 g wiegt, was technisch schon anspruchsvoll ist, würde das Segel bei dieser Größe 40 t wiegen. Das bekommt nicht mal eine SLS transportiert.

Immerhin hat man damit, die Möglichkeit den Kurs gezielt zu beeinflussen. 99942 Apophis hat ja ein Aphel, das mit 162 Millionen km leicht außerhalb der Erdbahn liegt. Er hat die Erdbahn in den vergangenen 5 Milliarden Jahren, seit es ihn gibt, etliche Male gekreuzt (würde sich die Bahn nie verändern, dann etwa 5 Milliarden Mal), warum ist er noch nie eingeschlagen? Weil die Bahnneigung 3,3 Grad beträgt. Er passiert so die Erdbahnebene meist oberhalb oder unterhalb der Erde. Deswegen kommt er, obwohl das Perihel nur 2 Millionen km außerhalb der Venusbahn liegt, in 2000 Jahren der Venus nur auf 5,5 Millionen km nahe, viel weniger nahe als der Erde. Wenn man mit einem Sonnensegel die Bahn beeinflussen würde, so würde man die Bahnparameter verändern, die zu einer maximalen Abweichung führt und es laufend drehen.

Alternative Ionentriebwerk?

Abbildung 3Mit chemischen Treibstoff – das zeigt Teil 1, benötigt man viel zu große Massen um einen Asteroiden zu bewegen. Etwas besser sieht es mit Ionentriebwerken aus. Gängige Exemplare haben einen spezifischen Impuls von 30 bis 45 km/s, also zehnmal besser als beim chemischen Antrieb. Große Triebwerke für bemannte Marsmissionen werden gerade entworfen und sollen 60 bis 80 km/s erreichen. Technisch möglich sind bis 200 km/s. So kann man den Treibstoffverbrauch um den Faktor 10 bis 40 senken.

Ansonsten gibt es viele Ähnlichkeiten zum Sonnensegel: Der Antrieb ist ein Niedrigschubantrieb, er arbeitet sehr lange. Aber anders als beim Sonnensegel ist der Treibstoff endlich. Ich habe auch dafür eine Simulation geschrieben. Aber schon Kopfrechnen zeigt: Die Geschwindigkeitsänderung ist klein. 50.000 kg Treibstoff, das ist immerhin mehr als eine SLS transportieren kann, mit dem Antrieb mit dem höchsten Impuls (78 km/s) können den 10 Millionen Tonnen schweren Asteroiden nur um 0,39 m/s beschleunigen (78.000*50.000/10.000.000.000). Der Ionenantrieb punktet durch die lange Betriebsdauer. Bei einem 1 MW Reaktor und 60 % Wirkungsgrad muss er über 8 Jahre arbeiten, sodass trotz der kleinen Änderung die Distanz am Schluss über 56.000 km sind. Allerdings kann man das auch erreichen, wenn man einen Impuls vor 8 Jahren macht, dann ist die Änderung sogar noch größer. Hätte man den Impuls gleich am Anfang durchgeführt, die Abweichung läge nach 10 Jahren bei 530.000 km. Man kommt, wenn man genügend Zeit hat, also mit dem chemischen Antrieb weiter als es zuerst aussieht. Es reicht dann auch um nur 0,04 m/s zu korrigieren, um dieselbe Abweichung zu erhalten, was den Vorteil eines Ionenantriebs (der neben dem Treibstoff ja auch eine Stromversorgung in Form von Solarzellen oder eher noch einem Reaktor benötigt) weitestgehend wieder reduziert.

Auch das Sonnensegel muss riesig sein, um in annehmbarer Zeit (wieder 10 Jahre) die nötige Positionsänderung durchzuführen. Wenn man die 50.000 km Positionsänderung von oben übernimmt, so kommt man bei Apophis auf einer Fläche von 25 km², die auch bei 20 g/m² dann schon 500 t wiegen, also mehr als die 50 t Treibstoff für den Ionenantrieb oder etwa 89 t chemischem Treibstoff (LOX/LH2).

Was hilft ist eigentlich nur Zeit, denn die Abweichungen der Körper werden ja immer größer, da die Umlaufbahnen unterschiedliche Perioden haben. Sie erreichen dann nach einigen Tausend Jahren ein Maximum, um danach wieder abzunehmen. Das zeigt auch Abbildung 4 – der gleiche Ionenantrieb nur diesmal eben über 30 Jahren, obwohl er nach 9 Jahren schon keinen Treibstoff mehr hat (Farbübergang blau → grün). Der Abstand wächst weiter an, nur nicht mehr so stark, als wenn ein Antrieb aktiv ist. Das Problem hat so deutliche Parallelen zur Klimapolitik: je früher man etwas unternimmt, desto kleiner der Aufwand um eine weltweite Katastrophe zu verhindern. Und daher erwarte ich das, wenn man wirklich mal einen Körper findet, der mit der Erde kollidieren könnte, man erst wenige Jahre vorher reagiert. Apophis ist übrigens so ein Körper – sein Einschlagsrisiko für den 13.4.2029 beträgt 2,7 %, allerdings mit einer großer Unsicherheit.

One thought on “Abwehrmöglichkeiten für NEO – Teil 2: Anstreichen

  1. Meine Vorschlag für Teil 3, wie kann man NEOs mit einer Armada von andockenden Starships abwehren?
    Der Treibstoff wird direkt aus dem Asteroiden produziert oder mit weiteren Starships vom Mars rangebracht.

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