Ionentriebwerke – Zusammenhänge

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Wahrscheinlich steht das was ich heute schreibe schon irgendwo im Blog, aber ich will es mal als einzigen Artikel veröffentlichen. Es geht um die Zusammenhänge bei einer Raumsonde mit Ionenantrieb. Fangen wir mal mit den Grundlagen an:

Das Grundprinzip eines Ionenantriebs besteht darin das ein Stoff ionisiert wird. Ionisieren bedeutet das dem Stoff einige Elektronen entzogen werden. Dadurch wird der restliche Atomkern positiv geladen. Ein geladenes Teilchen kann man aber sehr einfach durch ein elektrisches Feld beschleunigen. Dies funktioniert ähnlich wie in einem Teilchenbeschleuniger. Schon auf einer kurzen Strecke erreicht das Teilchen eine sehr hohe Geschwindigkeit, die weit höher liegt als die von chemischen Treibstoffen. Alle Ionenantriebe nutzen als Energiequelle nicht die im Treibstoff gespeicherte Energie (die bei chemischen Treibstoffen durch die Verbrennung frei wird), sondern elektrischen Strom der über große Solarzellen oder einen Kernreaktor bereit gestellt werden muss. Die Solarzellen und der Reaktor wiegen dabei in der Regel mehr als der Antrieb. So benötigte die amerikanische Raumsonde DS-1 Solarzellen die 2500 Watt lieferten, wovon 2100 Watt nur für den Antrieb entfallen. Dies wird klar, wenn man weiß das in dem chemischen Treibstoff Wasserstoff / Sauerstoff pro kg eine Energie von 13.3 KWh pro kg gespeichert ist. Elektrische Antriebe übertreffen aber chemische Antriebe in der Ausströmgeschwindigkeit bei weitem, benötigen daher enorm hohe Energiemengen um kleine Mengen von Treibstoff zu ionisieren. Als Ausgleich ist man nicht so sehr auf einen bestimmten Treibstoff festgelegt, es muss eigentlich nur ein Stoff sein, der einfach zu ionisieren ist.

Im Einsatz befinden sich heute fast nur elektrostatische Ionentriebwerke, daher eine kleine Einführung in deren Technologie:

Elektrostatische Ionenantriebe basieren auf der Bildung von Ionen ohne vorherige Erzeugung eines Plasmas. Dafür ist auch der Treibstoff ein anderer: es werden Elemente benutzt, die leicht ionisierbar, leicht verdampfbar, und schwer sind (hohes Molekulargewicht). Ein idealer Treibstoff ist dabei ist jetzt noch nicht gefunden. Verwendet werden Alkalielemente wie Cäsium und Rubidium (leicht ionisierbar, aber niedrige Dichte und müssen erst verdampft werden), Quecksilber (leicht verdampfbar, hohe Dichte, schwer ionisierbar) und Xenon (schwer ionisierbar, gasförmig – geringe Dichte). Alle Elemente haben hohes Molekulargewicht, die Dichte und damit die Tanks die benötigt werden ist jedoch sehr unterschiedlich. Derzeit wird Xenon am meisten verwendet, weil es schon gasförmig und leicht in Drucktanks gelagert werden kann. Sowohl Kaufmann Triebwerke, wie Hall Effect Triebwerke wie auf Radiofrequenz induzierte Triebwerke sind solche elektrostatischen Triebwerke, sie unterscheiden sich primär in der Ionisationsmethode.

Quecksilber ist noch günstiger handhabbar, jedoch giftig und daher ein Problem wenn es zu einem Fehlstart kommen sollte. Es wird heute daher seltener eingesetzt.

Das Prinzip beruht darauf, dass der verdampfte Treibstoff zuerst ionisiert wird. Dafür haben sich verschiedene Methoden eingebürgert. Dies kann durch Elektronenbeschuss, Hochfrequenzstrahlung oder eine andere Ionisationsmethode geschehen. Danach werden die Ionen beschleunigt zumeist durch Anlegen eines elektrischen Feldes. Dem Abgasstrahl aus Ionen werden die entzogenen Elektronen danach wieder zugeführt. Der Wirkungsgrad dieser Triebwerke ist relativ hoch er liegt bei 70-80 Prozent des zugeführten elektrischen Stromes. Zahlreiche Triebwerke dieses Typs wurden am Boden und auch auf Satelliten erprobt. So auf der Plattform Eureka, dem Nachrichtensatelliten Artemis und geplant für die Smart 1 Mission. Die Ausströmgeschwindigkeiten können bis zu 200 km/s erreichen, die bisherigen Triebwerke arbeiten mit spezifischen Impulsen von 30.000-40.000 m/s.

Bei den elektrostatischen Triebwerken gibt es noch weitere Untergruppen die sich in der Art wie ionisiert oder das Plasma beschleunigt wird unterscheiden. Mit dieser Gruppe von Antrieben liegt die größte Erfahrung vor und zahlreiche Typen sind mittlerweile als Lageregelungstriebwerke oder zum Antrieb eingesetzt worden. Die Erfahrungen im Einsatz gibt es seit Mitte der sechziger Jahre und sie sind dem Experimentalstadium längst entwachsen.

Allen Triebwerken gemeinsam ist der Zsammenhang zwischen Ausströmgeschwindigkeit der Ionen, des Schubs und der dafür notwendigen elektrischen Leistung

Ausströmgeschwindigkeit = 2 *Elektrische Leistung * Wirkungsgrad / Schub

in physikalischen Einheiten: [m/s] = [kg * m² / s] / [kg * m / s²]

Der wirkungsgrad ist dimensionslos und liegt bei den meisten Triebwerken zwischen 0,5 und 0,7 das heißt 30 bis 50 % der eingesetzten elektrischen Leistung wird nicht im Triebwerk zur schuberzeugung genutzt. Aus der Gleichung ist sofort erkennbar das hoher Schub und hohe Ausströmgeschwindigkeit sich bei gegebener elektrischer Leistung gegenseitig ausschließen.

Man kann für jede Mission eine Geschwindigkeitsänderung, im Fachchinesisch „Delta-v (Δv) genannt angeben. Diese ist auch relativ konstant, wenn sich Parameter des Ionenantriebs ändern, das liegt daran das als Niedrigschubantrieb alle Ionenantriebe ähnliche Aufstiegsbahnen haben. Zumindest gilt das, solange der Antrieb nicht zu weit von der Sonne sich entfernt – für Flüge zu Jupiter und weiter ist es von Vorteil, möglichst schnell die benötigte Geschwindigkeit zu erreichen, da die Leistung des Solargenerators bei steigenden Abstand abnimmt. Für eine Marsmission wäre das aus einer Erdumlaufbahn typisch ein Δv von 11 km/s bis zum Mars (ohne dort in einen Orbit einzuschwenken). 7 km/s entfallen dabei auf das Verlassen der Erde und nur 4 km/s auf das Erreichen der Marstransferbahn.

Die meisten Ionentriebwerke haben einen variablen spezifischen Impuls, das heißt, die Ausströmgeschwindigkeit der Ionen ist variierbar. Je höher sie ist desto mehr Strom verbraucht das Triebwerk. Die meisten Ionentriebwerke liegen zwischen 30 und 45 km/s, also zehnmal höher als der chemische Antrieb, es gibt aber auch weniger leistungsfähige (nur 13 km/s) oder besonders stark beschleunigende (Rekord sind knapp 80 km/s).

Den Treibstoffanteil an der Gesamtmasse kann man wie bei einer normalen Rakete berechnen nach

Treibstoffanteil = Startmasse * 1 / exp(Δv/Ausströmgeschwindigkeit)

Der Treibstoff ist üblicherweise das Edelgas Xenon. Druckgastanks sind recht schwer, sie wiegen typisch ein Siebtel, bis ein Fünftel des Treibstoffs, das muss, man noch zum Treibstoff hinzuzählen, um den Anteil des Treibstoffs mit Tanks zu bestimmen. (in den folgenden Beispielen habe ich mit einem Fünftel der Treibstoffmasse gerechnet).

Ionentriebwerke und Solargenerator

Es bietet sich an, Ionentriebwerke und die Stromversorgung gemeinsam zu betrachten. Jedes Ionentriebwerk hat einen bestimmten Nennschub bei einer bestimmten Ausströmgeschwindigkeit und eine konstante Masse. Da jedoch die Ausströmgeschwindigkeit variabel ist, steigt die benötigte Leistung je nach Ausströmgeschwindigkeit an. Hier eine Tabelle für das RIT-2X Triebwerk:

Schub Spezifischer Impuls [s] Benötigte Leistung
80 mN 3400 2185 W
115 mN 3440 2985 W
168 mN 4000 4650 W
200 mN 4300 5785 W

Einen großen Solargenerator kann man über sein Flächengewicht kennzeichnen. Für diesen gibt man dann an, wie viel Watt pro Kilogramm Masse entfallen. Starre Solargeneratoren haben einen Spitzenwert von 85 Watt/kg. Lässt man diese Rückwand weg, so hat man flexible Solarzellen, die leichter sind. Im Einsatz befindliche erreichen 120 W/kg. Sehr große Arrays sollen bis zu 170 W/kg erreichen.

Da die benötigte elektrische Leistung des Antriebs bekannt ist, kann man bei dem bekannten Gewicht des Ionentriebwerks berechnen, wie viel Masse auf ein Ionentriebwerk und den Solargenerator entfallen. Das obige RIT-2X wiegt 8,8 kg, dazu käme in der Praxis aber noch der Konverter, der die Niedrigspannung des Solargenerators in die benötigte Hochspannung umwandelt, doch auch dessen Masse ist konstant. Nehmen wir für beide Systeme zusammen 12 kg an, so errechnet sich bei einem Solargenerator von 80 W/kg folgende Gesamtmasse für ein Triebwerk und die Solarzellen, welche den Strom für das Triebwerk liefern.

Schub Spezifischer Impuls [s] Gesamtgewicht
80 mN 3400 39,4 kg
115 mN 3440 49,4 kg
168 mN 4000 58,2 kg
200 mN 4300 72,4 kg

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich eine konstante Nutzlast, dann ist die Flugdauer je nach spezifischem Impuls / Schub variabel. Oder ich habe eine Vorgabe für die Flugzeit, dann ist die Nutzlast variabel, denn die Startmasse ist ja konstant und kann nicht höher sein als die Nutzlast der Rakete. Hier eine Tabelle für Fall 1: Angenommen wird, das eine Sojus 7 t in einen Erdorbit bringt, 3 t sollen davon Nutzlast und Strukturen sein. Der Rest entfällt auf den Ionenantrieb. (Strukturen meint: die Ionentriebwerke, Tanks und der Solargenerator müssen ja in einem Modul miteinander verbunden sein, ich habe es zur Nutzlast hinzugezählt, weil der Antrieb auch integrierter Anteil der Raumsonde sein kann wie bei Dawn). So sieht die Tabelle dann so aus:

Schub Treibstoff Solargenerator + Triebwerke Betriebsdauer
80 mN 2.360 kg 1.640 kg 223 Tage
115 mN 2.340 kg 1.660 kg 193 Tage
168 mN 2.060 kg 1.940 kg 135 Tage
200 mN 1.930 kg 2.070 kg 135 Tage

Alternativ kann man auch eine Reisedauer vorgeben, und dann damit diese erreicht wird, ist der Schub festgelegt, daraus ergibt sich dann das Gewicht von Solargenerator und Triebwerken, und der Rest ist dann die Nutzlast. Hier dieselbe Tabelle für 200 Tage Reisezeit:

Schub Treibstoff Solargenerator + Triebwerke Nutzlast
80 mN 2.360 kg 1.842 kg 2.797 kg
115 mN 2.340 kg 1.581 kg 3.097 kg
168 mN 2.060 kg 1.339 kg 3,601 kg
200 mN 1.930 kg 1.448 kg 3.622 kg

Alle Berechnungen sind nur auf Basis des Gesamtimpulses und der mittleren Masse erfolgt, ohne eine genaue Simulation.

Hier noch zwei Diagramme für diese Fälle. Anders als bei dem realen Triebwerk wurde aber von einem konstanten Wirkungsgrad ausgegangen, dafür genau durchgerechnet und nicht mit mittlerer Masse. Die maximale Nutzlast wird bei einem spezifischen Impuls von 34.500 m/s erreicht, allerdings zwischen 30 und 45 km/s mit geringen Abweichungen von der maximalen. Bei dem maximalen Gesamtimpuls sieht es in Richtung höherer Geschwindigkeit besser aus. Das maximale dV bei 3000 kg Masse ist bei einem spezifischen Impuls von 45 km/s.

One thought on “Ionentriebwerke – Zusammenhänge

  1. Mal wieder eine Frage von einem der zuviel Science-Fiction gesehen hat:

    Wenn man einen Fusions-Antrieb nimmt, der Wasserstoff zu Helium fusioniert und das Helium als Antriebsmittel benutzt, wie würde dann die Rechnung aussehen
    wenn man die Werte aus Deiner Tabelle benutzt? Beispielsweise bei
    Schub: 200 mN Treibstoff: 1.930 kg Gewicht des Antriebssystems: 1.448 kg Nutzlast: 3.622 kg und einem Wirkungsgrad von ca. 30% (Gesamtenergieerzeugung zu Energie des Antriebsmittels)

    ich laß das lieber von einem Profi wie Dir ausrechnen, bevor ich irgendeine Dimension verwechsle 😉

    Danke, Ralf mit Z

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