Die Venus erforschen im Vorübergehen.

Wie der eine oder andere sicher schon vernommen hat, hat man Anzeichen für das Vorhandensein von Monophosphan (PH3) in der Venusatmosphäre gefunden. Da diese Spurenverbindung auf der Erde nur durch Mikroorganismen produziert wird, schießen derzeit die Spekulationen über Leben auf der Venus wie Pilze aus dem Boden. Ich will mich nicht dabei beteiligen, auch weil ich nicht so viel von Anorganik verstehe und Monophosphan entsteht auch bei den Gasplaneten und ist in deren Atmosphären zu finden. Daneben ist die Venusatmosphäre voll mit skurrilen Molekülen wie Schwefeldioxid, Salzsäure und Flusssäure. Da sollen Experten rausfinden, ob das Monophosphan biologischen Ursprungs ist.

Venus by Akatsuki
(c) JAXA. Planetary Society
Aber das hat natürlich die Spekulationen über eine neue Venusmission genährt. Natürlich ist auf der Venusoberfläche Leben unmöglich, aber die Temperatur nimmt ab, und es gibt eine Zone mit Temperaturen und Druck wie auf der Erde in der Leben existieren könnte. Zwischen 50 und 60 km Höhe liegt die Temperatur zwischen -27 und +75°C und der Druck zwischen 0,25 und 1,1 bar. In dieser Zone umrundeten auch die Ballone von Vega 1+2 die Venus, anders als Landesonden taten sie dies über Tage, bis ihre Batterien erschöpft waren. In dieser Zone könnte Leben existieren, zumindest was Temperatur und Druck angeht. Ich bin angesichts des Fehlens von Wasserdampf und der obigen ätzenden und oxidierenden Bestandteile der Atmosphäre skeptisch.

Nun ruft man wieder nach Venussonden in den USA – die USA haben die Venus weitestgehend ignoriert, seit Mariner 2 die Oberflächentemperatur als extrem hoch bestimmte. Es folgte nur Mariner 5 als Reserveexemplar von Mariner 3+4, das noch rumstand, Mariner 10 passierte die Venus, um zu Merkur zu gelangen. Pioneer Venus 1+2 sandeten einige einfache Landekapseln zum Boden bzw. einen Orbiter mit wenigen Instrumenten und einem schlecht abbildenden Radargerät in den Orbit, eben eine Pioneer Mission mit ihren Kostenbeschränkungen. Das ambitionierte Nachfolgeprojekt VOIR für einen Radarorbiter wurde zusammengestrichen, bis schließlich nur noch das Radargerät übrig blieb und die Sonde als Magellan gestartet. Das war 1990 und seitdem gab es keine eigene US-Mission zur Venus. Sie wurde zwar mehrmals von Raumsonden passiert, aber nur als Swing-By Ziel, meistens waren die Instrumente bei der Passage deaktiviert. Dagegen hat die Sowjetunion solange es sie gab etliche Raumsonden zur Venus gesandt – 18 offizell durchnummerierte und dazu noch einige Fehlstarts, die keinen Namen bekamen. Auch bei anderen Nationen hielt sich das Interesse in Grenzen. Europa sandte Venus Express zum Schwesterplaneten, vor allem aber, weil die Sonde als Nachbau von Mares Express recht preiswert war, trotzdem lieferte diese Mission die bisher besten Einblicke in die Atmosphäre und ihre Dynamik, auch wenn sie ohne Radargerät nicht auf die Oberfläche schauen konnte. Derzeit umkreist Akatsuki die Venus und fotografiert vor allem die Wolkenbewegung um die Zirkulation und die antreibenden Prozesse besser zu verstehen.

In den beiden letzten Discovery Auswahlen waren je zwei Venusmissionen (Davinci und Veritas) vertreten. Die letzte Selektion läuft noch und vielleicht wird eine oder beide als neue Mission am 13.2.2021 selektiert. Währenddessen will Rocketlab eine „private“ Sonde zur Venus schicken – wohlgemerkt mit der Elektron Rakete. Sie wäre damit minimal weil sehr leicht und klein. Ich sehe die Lösung gerade für die Fragestellung ober in den Wolken Leben existieren könnte auch nicht in einem Orbiter. Die Wolken mit einer Oberfläche in etwa 70 km Höhe schirmen zu viel ab, auch von der Chemie darunter. Weiter oben können Moleküle durch Reaktionen oder solare UV-Strahlung zerstört werden, wir kennen das von unserer Ozonschicht, die es auch nur in einer bestimmten Höhe gibt. Eine Sonde in der Höhe wäre also hilfreich. Das könnte entweder eine Sonde sein, die die Schicht durchquert, eventuell sogar heil landet und noch einige Bodenuntersuchungen durchführt, oder ein Ballon wie bei Vega sein. Ich wäre, wenn diese Fragestellung im Vordergrund steht, für Letztes. Selbst wenn die Sonde nur batteriebetrieben wäre, wäre die Betriebszeit viel größer als bei einer Sonde welche die Atmosphäre in einer Stunde durchquert. Als Nachteil benötigt man zwingend einen Orbiter damit Daten in ausreichender Menge gewonnen werden, eine vorbeifliegende Muttersonde kann nicht mehrere Tage oder sogar Monate (wenn die Sonde über Solarzellen ihre Batterien wieder aufläd) im Empfangsbereich sein. Der Gewichtsnachteil durch die Heliumfalschen zum Auffüllen, die Ballonhülle und eventuell einer Reserveflasche zum Nachfüllen wird ausglichen durch die fehlende Abschirmung gegen den Druck. Bei den Pioneer Venus Sonden machte alleine die Druckhülle etwa ein Fünftel des Gewichts aus. Aber der Hauptvorteil ist das lange verweilen in der Zone. Denkbar, aber nicht so attraktiv, wäre auch eine reine Atmosphärenkapsel, die vor der Landung durch den Druck zerquetscht wird, aber in einer Zone, in der man sowieso keine Veränderung der Atmosphäre erwartet. Ich denke aber wenn man bis auf wenige Kilometer an die Oberfläche kommt, will man auch Aufnahmen machen.

Landesonden könnten über die Muttersonde ihre Daten schlicken, ihre Betriebsdauer liegt unter 3 Stunden. Für die kleinen Datenraten, die typische Experimente wie Spektrometer oder Massenspektrometer, Druck-, Temperatur- und andere Sensoren liefern reicht, dies völlig aus. Bei Bildern vom Abstieg hängen dann Datenrate und Auflösung stark von den Fähigkeiten der Hauptsonde und der Vorbeifluggeometrie ab.

Und das wäre mein Vorschlag: es gibt etliche Sonden, die die Venus als Swing-By nutzen. Derzeit aktiv sind Parker Solar Probe, Solar Orbiter und BepiColombo. Jede fliegt mindestens einmal an der Venus vorbei. Dazu kommt in nächster Zukunft noch JUICE und eventuell (abhängig vom gewählten Träger für den Start) Europa Clipper. Nimmt man noch die letzten Jahre hinzu, wäre noch JUNO zu erwähnen. Das sind in einem Jahrzehnt mindestens 5 Sonden, welche die Venus passierten. Hätte man eine kleine Sonde entwickelt, die nicht zu sehr die Massebilanz der Hauptmission verhagelt, und diese bei der Venus abgesetzt, so hätte man nun fünf Untersuchungen der Venusatmosphäre gehabt. Die Kapsel könnte man standardisieren, dann wird’s preiswerter. Die Instrumente könnte man auswechseln oder nach Ergebnissen einer Mission modernisieren. Wobei für mich als Wissenschaftler natürlich auch zwei Messungen mit denselben Instrumenten an unterschiedlichen Orten und Zeiten aussagekräftig sind, denn sie erlauben viel bessere Vergleiche oder Rückschlüsse über den Antrieb der Prozesse.

Die Muttersonden hätten die Sonde huckepack mitgeführt, zuerst sich auf die Venus ausgerichtet und sie abgetrennt, danach ihren Kurs geändert und die Venus passiert. Während des Abstiegs hätten sie mit ihrer HGA die Daten empfangen und zwischengespeichert. Eine Ballonmission würde den Orbiter Akatsuki als Relay nutzen. Ich glaube bei fünf identischen Kapseln wäre auch durch Serienbauweise die Kosten überschaubar geblieben zumal ein eigener Bus für die Sonden und ein eigener Start wegfällt. Leider hat man diese Chance verpasst und Raumfahrtagenturen neigen dazu, aus jedem Thema, das gerade mal aufkommt, gleich eine eigene Mission zu machen. So kann man nur auf den Erfolg von Davinci hoffen, die die Venus beim Abstieg untersuchen wird und Aufnahmen gewinnt. Aber die ist auch eine Discovery Class Mission, die 450 Millionen Dollar ohne Start kostet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.