Doppelt gemoppelt ist nicht immer besser

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Mein heutiger Blog hat das Thema eines Trends in den USA, und zwar dem, das man in der Raumfahrt etwas doppelt macht. An und für sich ist das was Gutes. Wenn man eine Raumsonde zweimal baut, hat man nicht nur eine Absicherung gegen einen Fehlstart, sondern wenn beide Starts gelingen, dann gewinnt man auch doppelt so viele Daten und weil bei Raumsonden die Entwicklungskosten den größten Anteil am Gesamtbudget ausmachen, ist das zweite Exemplar meistens deutlich billiger als das erste. Analoge Beispiele kann man an anderer Stelle einführen – Erdbeobachtung, Astronomie, ja auch Kommunikation profitieren von „Überkapazität“.

Doch um das geht es nicht. Es geht um Redundanz, wenn auch ein System reichen würde. Das hat sich seit Beginn der Neunziger Jahre in der US-Raumfahrt rapide ausgebreitet. Alles fing 1994 mit dem EELV Programm an. Ziel des EELV-Programms war es, die Kosten für die USAF zu senken. Nicht die eines Starts, sondern die Gesamtkosten, denn die USAF betrieb damals für drei Träger zwei Weltraumbahnhöfe, fünf Startteams und elf Startanlagen. Man beschloss die größeren beiden Trägerraketen Titan und Atlas auszumustern, die mittlere Trägerrakete Delta sollte noch eine Weile bestehen bleiben, weil sie essenziell für den Start der GPS-Satelliten war. Die USAF vergab Aufträge an Boeing und Lockheed Martin aus denen Delta 4 und Atlas V entstehen sollten. Beide Träger mit der Fähigkeit auch die größere Titan zu ersetzen.

Die Kostenreduktion ergab sich nicht. Zwar waren beide Träger billiger als die Titan 4 – selbst die sehr teure, und relativ selten eingesetzte Delta 4H, aber die angekündigten niedrigen Startpreise von z.B. 90 Millionen Dollar für das kleinste Atlas V Modell waren nicht zu halten. Im Prinzip hätte der USAF ein Modell gereicht – durch den Preisdruck von SpaceX hat mittlerweile ja auch ULA (welche die Träger gegenüber der Regierung vermarktet) beschlossen die Delta 4 als den teureren und seltener eingesetzten Träger einzustellen. Ja selbst die NASA folgte dieser Philosophie von zwei Anbietern nicht und ordert von beiden Trägern nur die Atlas, außer es gibt keine Alternative – das war zweimal der Fall als man die Nutzlastkapazität der Delta 4H benötigte.

Warum damals die USAF zwei Träger mit derselben Nutzlastkapaitat, noch dazu beide auf beiden Startzentren – man hätte ja auch Delta auf den ETR und Atlas auf den WTR beschränken können – orderte ist mir ein Rätsel. Ich vermute diese Überlegung entstammt einem Trauma von 1985/87 in dem die USA innerhalb von 18 Monaten verloren:

  • Am 28.8.1986 einen Improved Crystal (KH-12) auf einer Titan 34D
  • Am 28.1.1985 das Space Shuttle Challenger
  • Am 18.4.1986 einen Hexagon (KH-9) auf einer Titan 34D
  • Am 3.5.1986 den Wettersatelliten GOES G auf einer Delta 3914
  • Am 18.3.1987 den Kommunikationssatelliten Fleetsatcom F6 auf einer Atlas G Centaur

Innerhalb von 18 Monaten hatte jedes größere Trägersystem einen Fehlstart und fiel für einige Zeit aus. Ein Ausfall scheint der absolute Albtraum für das Militär zu sein, wahrscheinlich denken sie dabei an Flugzeuge die nicht starten können oder etwas Ähnliches. Auch wenn alle Träger relativ bald wieder starteten. Nur mit dem restlichen Militär, das immer in Bereitschaft im Falle eines Konfliktes sein muss, hat die „Space Division“ nichts zu tun. Denn es gibt außer dem Ausfall eines Trägersystems auch andere Ursachen für Ausfälle. Ein Satellit selbst kann ausfallen. Die Produktion eines neuen Satelliten kann sich verzögern. Deswegen sind militärische Systeme so ausgelegt, dass sie Redundanz bieten. Der Ausfall eines Satelliten ist verkraftbar. Dumm war 1986 nur, dass hintereinander zwei Aufklärungssatelliten ausfielen. Erst der neue Kennan, dann der zu seinem Ersatz gestartete, eigentlich veraltete Hexagon. Beide Mal war die gleiche Trägerrakete schuld, vielleicht führte dies zu der Überlegung, zwei Träger zu haben.

Obwohl seitdem über 20 Jahre vergangen sind, beide Träger haben eine gute Bilanz mit wenigen Vorkommnissen und fast keinen Fehlstarts, hat das Militär erneut für das Nachfolgesystem wieder zwei Systeme mit ungefähr denselben Fähigkeiten selektiert. Diesmal allerdings zwei die schon existieren bzw. auf existierenden Technologien aufbauen – die Vulcan und Falcon heavy. Neue Entwicklungen die etwas mehr Konkurrenz ermöglich hätten – wie die New Glenn oder Omega kamen nicht zum Zuge. Da die Vulcan definitiv kommt und die Falcon Heavy schon da ist, wäre es meiner Ansicht nach sinnvoller gewesen, die New Glenn und Omega zu fördern. Ich halte das Konzept der OmegA für nicht besonders toll, aber vielleicht rechnet es sich ja. Zumindest ergeben sich hohe Produktionszahlen für die Segmente und Düsen der Booster.

Dann hat 2006 die NASA das Konzept, dass zwei Firmen etwas für dieselbe Aufgabe entwickeln übernommen. Diesmal bei der Versorgung der ISS, heraus kam das COTS. Ziel war es aber nicht das die beiden Firmen sich Konkurrenz machen und so die Preise sinken, sondern mehr Wettbewerb zu etablieren. Seit Beginn der Raumfahrt haben Luft und Raumfahrtkonzerne (die meisten Firmen in der Raumfahrt haben als Ableger von Luftfahrtfirmen begonnen) fusioniert oder sind aufgekauft worden. Verschwunden sind Firmen wie North American (Apollo CSM), Douglas, McDonnell (Trägerraketen, Mercury), General Dynamics (Atlas), Martin-Marietatta (Titan), Alliant (Booster) und etliche mehr. So wurden die Aufträge auch an zwei Firmen ohne (damals) jegliche Erfahrung vergeben nämlich SpaceX und Kistler/Rocketplane. Kistler/Rocketplane hatte nicht ausreichend Eigenmittel, so wurde der Auftrag zurückgenommen und 1 Jahr später an Orbital vergeben, die zwar schon etablierte Raumfahrtfirma waren aber eine relativ kleine (Hersteller der Pegasus und Kleinsatellitenbusen). Das Konzept ist nur zum Teil aufgegangen, SpaceX ist heute eine etablierte Firma, Orbital wurde aber inzwischen von ATK aufgekauft, die wiederum mit Grumman fusionierten.

Daraus abgeleitet kam dann als Anschluss der CRS-Kontrakt, der dann die Versorgung mit den unter COTS entwickelten Vehikeln umfasste. Mit dem Anschlussvertrag CRS-2 kam sogar ein Neuling hinzu: Sierra Nevada mit dem Dreamchaser. Sierra musste alleine von dem Auftrag leben, hatte anders als SpaceX/Orbital keine Finanzierung der Entwicklung durch die NASA. Man sollte denken, bei drei Anbietern wird es bei CRS-2 billiger, doch das Gegenteil ist der Fall, das OIG konstatiert, dass die Preise pro Kilogramm Fracht für CRS-2 um 14 % gegenüber CRS-1 gesteigen sind. Dabei hat Orbital durch die neue Version der Antares ihre Fracht um 50 % gesteigert und mit dem Dreamchaser steht ein vollständig wiederverwendbarer Frachter zur Verfügung. Beides sollte eigentlich die Preise senken. SpaceX, bei CRS-1 der billigste Anbieter, ist sogar der teuerste geworden. Etwas Ähnliches beobachtet man ja auch bei den veröffentlichten Startpreisen von SpaceX – billiger ist es zumindest für die Auftragnehmer nicht geworden. SpaceX bleibt auch dort immer gerade etwas unter den Preisen von ULA. Im Falle von CRS-2 nutzt die Firma aus, das bis Sierra Nevada ihren Dreamchaser einsatzbereit hat, sie die einzigen sind die Downmasse transportieren. Das kostet fast keine Startmasse – runter kommt die Kapsel sowieso, sie braucht nur etwas mehr Treibstoff – aber hier kann sie ohne Konkurrenz viel Geld verlangen.

Immerhin: Bei drei US-Astronauten sind mindestens sechs Versorgungsflüge pro Jahr nötig, bei nun einem Astronauten mehr und dazu kommen noch Touristen, werden es mehr werden und so gibt es auch bei drei Anbietern genügend Flüge, als das sich die Produktion lohnt. Das ist nicht gegeben bei CCDev. Auch hier wurden zwei Anbieter gefördert. Nur mit einem Unterschied: das Programm ist, da nun Menschen befördert werden, zehnmal teurer. Die USA sind aber jahrzehntelang – und andere Nationen wie Russland oder China auch – mit einem Raumfahrzeug ausgekommen. Ja Starliner und Crew-Dragon sind schon überdimensioniert. Beide bieten Platz für sieben Personen, werden aber mit vier Insassen gestartet. Vor allem aber gibt es bei 180 Tagen pro Besatzung auf der ISS genau zwei Besatzungswechsel pro Jahr, also erheblich weniger als Versorgungsflüge. Da lohnen sich zwei Anbieter nicht. Bei Apollo fanden bis zu fünf Flüge pro Jahr statt, alle bemannten Geminimissionen (10 Stück) in 21 Monaten, also rund 6 pro Jahr. Das die Kosten durch Konkurrenz sinken, das hat sich ja schon nicht bewahrheitet und mehr noch als eine Rakete muss ein bemanntes Raumfahrzeug extrem zuverlässig sein, man kann hier nicht damit leben, dass ein Vehikel ausfällt. Die Gründe für zwei Parallelentwicklungen – und das sind ja zwei Kapseln, anders als die drei Versorger bei CRS, fallen damit weg.

Nun wiederholt sich das beim HLS-Kontrakt, also der Entwicklung eines Mondlanders. Es gab drei Konzepte von konservativ, bis zu futuristisch. Selektiert hat die NASA den billigsten Entwurf und erntet nun Kritik, hat nach Protesten bei der GAO den Vertrag erst mal aufs Eis gelegt, ja die Parlamente, die mit einer zu geringen Finmanzierung dieses Programms eine Mitschuld tragen, wollen nun zwei Entwicklungsaufträge. An der Vergabe gä#be es viel zu kritisieren, so scheint mir das mit zweierlei Maß gemessen wurde. Eine 10 m lange Leiter ist beim Konzept von Blue Origin riskant, ein noch nie bei einer Mission erprobter Aufzug der 50 m überbrücken soll, dagegen nicht. Aber zwei Aufträge machen auch keinen Sinn. Wie viele Artemismissionen wird es geben? Derzeit plant man eine SLS-Mission alle zwei Jahre, selbst wenn es mal jährliche Missionen werden, wie sollen sich da zwei Anbieter finanzieren? Alle zwei Jahre oder alle vier Jahre einen Mondlander bauen – das wird teuer.

Es gibt gute Gründe für weniger Diversität. Es gibt so höhere Stückzahlen – auch ein Grund warum ULA die Delta 4 einstellt. Jede einzelne Rakete / Transporter wird so billiger. China hat das perfektioniert. Die Raketenfamilie Langer Marsch 2 bis 4 besteht aus zwei allgemeinen Stufen, daraus abgeleitet (wie bei Ariane 4) noch Boostern und zwei verschiedenen Oberstufen. Daraus baut China acht Raketentypen für LEO, SSO und GTO. Etwas Ähnliches findet sich bei der modernen Serie Langer Marsch 5, 6 und 8. Es gibt immer wieder Fehlstarts der Langen Marsch, es gibt keine Redundanz, trotzdem hat China eine enorme Startrate erreicht und wenn man bei den USA, die kommerziellen / Starlink Starts herausrechnet, die es bei China ja nicht gibt, inzwischen die USA überholt. Preisabsprachen – direkt oder indem man immer nur einen Tick billiger als die Konkurrenz ist, sorgen dafür, dass auch Konkurrenz nicht wirklich die Kosten stark senkt. Das zeigten die Erfahrungen von EELV bis HLS.

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