Eine Mission zu Eris? – Teil 1

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Gestern bekam ich folgende Mail:

Hallo Herr Leitenberger,

eine Frage, die mich schon seit dem Vorbeiflug von New Horizons an Pluto beschäftigt, ist eine Mission zu Eris. Immerhin der Zwergplanet, der hinsichtlich Größe und Masse Pluto gleichsteht. Zudem ein neuer Horizont. Ich habe nun einen Artikel zum Projekt Lyra gefunden (https://danielmarin.naukas.com/2022/01/18/proyecto-lyra-2-0-una-sonda-para-visitar-%ca%bboumuamua-en-2050/), bei dem es darum geht, dem Asteroiden Oumuamua 2028 mit dem SLS eine Sonde hinterher zu schicken.

Zentraler Punkt ist ein naher Vorbeiflug an Jupiter, wo mittels einer zweistufigen Feststoffraktete nochmals beschleunigt wird. (Sie haben ja selbst bereits einen Artikel zum Thema Beschleunigung in Jupiter- oder Sonnennähe verfasst.) Mit der Tabelle Ankunfts- Abflugsgeschwindigkeit und Delta V komme ich zwar nicht so ganz klar, weil mir das mathematische Grundverständnis fehlt. Ehrlich gesagt halte ich den Plan auch für wenig gewinnbringend, vor allem im Verhältnis Kosten-Nutzen und der langen Flugzeit. Aber was ich wirklich für interessant finde, ist eine Mission zu Eris, die wohl nur auf diese Weise umgesetzt werden kann. Eine Sonde, deren Ergebnisse mit denen von New Horizons vergleichbar sein sollten, gestartet auf einer Ariane 64, Falcon 9 Heavy oder New Glenn (bitte nicht mit einer Vega oder Sojus). Eine Sonde, die nicht mehr als 10 Jahre unterwegs sein sollte oder alternativ Eris möglich schnell erreichen sollte (bevor vielleicht die Chinesen dort sind). Wäre doch ein interessantes Thema?

Beste Grüße Peter Stohl

Besuchen Sie meinen Blog „Einsam liegen die Gräber“ www.peter-stohl.de/blog

Ich wollte zuerst kurz antworten, was ich da schreiben würde kommt noch, aber da ich sowieso kein Blogthema im Kopf habe, habe ich es trotzdem aufgegriffen. Peter Stohl bezieht sich auf frühere Blogs, ohne einen zu nennen, ich habe das Thema möglichst schnell zu einem entfernten Ziel öfters behandelt z.B. hier mit nuklearer Stromversorgung und Ionenantrieb und hier der Umweg über die Sonne. Der spanische Blog referiert einen Artikel der zwei Missionswege vorschlägt, die 22 bzw. 26 Jahre dauern.

Fangen wir mal mit der kurzen Antwort an, die auch Peter Stohl erhalten hätte, wenn ich keine Lust für Berechnungen gehabt hätte. Dafür braucht man auch keine, es reicht Sondendaten im Kopf zu behalten oder nachzuschlagen. Dazu vergleicht man einfach das Ziel Eris mit einer möglichst ähnlichen Mission, das wäre hier natürlich New Horizons.

Erist ist nach dem Horizons Webinterface zwischen 2022 und 2042 zwischen 14,3 und 14 Mrd. km von der Sonne entfernt. New Horizons brauchte 9,5 Jahre um eine Distanz von 5 Mrd. km zu erreichen (Plutovorbeiflug) und 13 Jahre um 6,6 Mrd. km Distanz zu erreichen, heute, 16 Jahre nach dem Start ist sie 7.854 Milionen km entfernt. Man kann daraus errechnen, dass sie für die Entfernung von Eris etwa 28 Jahre benötigt.

Da kommen wir in ein Problem, das weniger die Technik betrifft – es gibt eine Reihe von Sonden und Satelliten die über 20 Jahre arbeiten und die einzigen Teile die dauernd arbeiten, sind Sender/Empfänger und Elektronik, die kann man redundant auslegen. Es ist ein zu langer Zeitraum für einen Wissenschaftler. Hinter jeder Sonde und vor allem hinter jedem Experiment stecken Wissenschaftler die für dieses Ziel, dieses Experiment, diese Untersuchung eintreten. Den Vorschlag bei der Raumfahrtagentur machen und aktiv Werbung für eine Mission machen. Sie werden dann auch zum Prinicpal Investigator (PI). Bis man diese Status erreicht hat, hat man schon in der Wissenschaft einige Berge erklommen und ist nicht am Anfang seiner Karriere. Caroyln Porco ist ein relativ bekannter PI, die auch oft im Fernsehen auftritt. Porco ist 1953 geboren, war 1981 beteiligt an der Auswertung der Voyagerbilder, damals noch als Doktorrand. Als 1989 Cassini beschlossen wurde, war sie 36, und sie wurde später Leiterin des Imageing Teams bis Cassini 2018 deorbitiert wurde. Das ist eine lange Zeit fast 30 Jahre. Aber davon entfielen 14 auch auf die Forschung am Saturn. Nun stelle man sich vor, man müsste so lange warten, bis die Sonde überhaupt am Ziel ist, die Jahre vorher, in denen man sie erst baut und das Experiment entwirft kommen noch dazu. Jeder der über 35 ist, wenn das Projekt genehmigt wird, wäre beim Vorbeiflug in Rente. Bis er 35 ist, hat er in der Regel aber nicht die Stellung um PI zu werden. Ich glaube, heute wartet niemand so lange, dann wird auch niemand für eine solche Sonde bei ESA oder NASA eintreten. Und die Bereitschaft den ganzen bürokratischen Aufwand und die Arbeit bei der Entwicklung auf sich zu nehmen und ein anderer ist dann aktiv, wenn die Daten wirklich fließen, also sich für etwas einzusetzen von dem man selbst nichts hat, schätze ich nicht besonders hoch ein. Das war im Mittelalter bei dem Bau von Kirchen, der sich über Generationen hinzog noch anders.

De zweite Grund ist technischer Natur. Eris ist fast dreimal so weit von der Sonne entfernt wie Pluto. Es wird nur eine Vorbeiflugmission sein, die Geschwindigkeit relativ zu Eris kann man mit heutiger Technologie nicht in erträglicher Zeit abbauen. Dann passiert die Sonde aber Eris mindestens genauso schnell wie Pluto, nur sind wegen der größeren Entfernung alle Belichtungszeiten nochmals viel länger. New Horizons musste trotz lichtempfindlichem CCD Chip schon bei Pluto 200 ms lang belichten, bei Eris wären es über 1,6 Sekunden. Da betrifft auch Spektrometer, man würde also erheblich weniger Daten gewinnen. Man kann dies schon bei den Aufnahmen von Ultima Thule und Pluto sehen, vergleicht man diese, so sind die ersteren aus größerer Entfernung schon deutlich verrauschter. Ob man so lange Belichtungszeiten mit variierender Relativbewegung des Körpers überhaupt umsetzen kann ohne das die Bilder verschmieren ist auch offen.

Kurz: ich halte den Aufwand für zu groß, das Ergebnis für zu mager.

Das wäre die kurze Antwort, ich habe mich trotzdem mal hingesetzt eine solche Mission zu berechnen. Es gibt zig Möglichkeiten, die meisten wie multiple Swing-Bys im inneren Sonnensystem kann ich mit meinem Programm nicht berechnen, aber auch so bleiben noch viele Optionen übrig. Ich habe mich nur für zwei entschieden, mit einer kleinen Boost-Möglichkeit, zu der ich noch komme.

Die Möglichkeiten sind:

  • Direkter Jupiter Transfer mit einer Falcon Heavy Centaur
  • Direkter Jupiter Transfer mit einer Falcon Heavy Centaur + Star 37F Antrieb

Ohne Centaur wäre die Nutzlast der Falcon Heavy sehr gering bzw. die gewünschte Startgeschwindigkeit zu klein. Als Masse für die Sonde habe ich 1.000 kg angesetzt. Wenn dann würde ich eine vollwertige Sonde mit einer ganzen Suite an Instrumenten auf den Weg bringen. Die kann dann anders als New Horizons auch noch das interplanetare und vielleicht sogar interstellare Medium untersuchen. Etwas mehr Gewicht brauche ich für den Ionenantrieb, das wäre mein „Boost“-Faktor. Nebenbei macht bei 2.300 kg Trockenmasse der Centaur es praktisch keinen Unterschied die Sondenmasse auf etwa 500 kg zu verkleinern, weil dies kaum noch mehr Geschwindigkeit bringt, man beschleunigt ja die fast leere und viel schwerere Centaur mit.

Möglichkeit 2 setzt eine Star 37 FM Oberstufe ein, die jedoch nicht beim Start, sondern erst bei Jupiter gezündet wird. Eine SLS wäre viel zu teuer, ihre Startkosten werden derzeit mit rund 2 Milliarden Dollar angegeben. Die New Glenn existiert noch nicht und die technischen Daten sind hoch spekulativ und die Ariane 64 hat eine viel zu hohe Trockenmasse in der Oberstufe.

Rakete: Falcon Heavy real Centaur

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
C3
[km²/s²]
1.454.549 14.000 11.541 1.841 0,96 160,00 200,00 35790,00 12,00
Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
19.984 28 85 2.000 217 90 5 10 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 2 433.285 30.000 3.050 7686,0 8227,0 149,51 0,00
2 1 437.290 53.000 3.050 4612,0 4936,0 237,46 0,00
3 1 111.612 6.200 3.273 934,0 935,0 369,00 240,00
4 1 23.077 2.247 4.415 99,2 99,2 927,06 615,00

 

Rakete: Falcon Heavy real Cenatur

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
C3
[km²/s²]
1.454.549 14.000 11.541 1.841 0,96 160,00 200,00 35790,00 12,00
Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
19.984 28 85 2.000 217 90 5 10 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 2 433.285 30.000 3.050 7686,0 8227,0 149,51 0,00
2 1 437.290 53.000 3.050 4612,0 4936,0 237,46 0,00
3 1 111.612 6.200 3.273 934,0 935,0 369,00 240,00
4 1 23.077 2.247 4.415 99,2 99,2 927,06 615,00

Simulationsvorgaben

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
85,0 Grad 28,3 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 5,0 s
Abbruch wenn Ziel-C3 überschritten
Perigäum Sattelhöhe c3
Vorgabe: 200 km 160 km 12 km2/s2
Real: 734 km 160 km 12 km²/s²
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
27,5 Grad 1.302 km 1.302 km 14.000 kg 14.228 kg 1.531,9 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3
Zeitpunkt 63,1 s 200,0 s 400,0 s
Winkel 51,0 Grad 12,0 Grad -7,9 Grad

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Dist: v(x): v(y): v(z): v: Peri: Apo: a:
Start 0,0 s 0,01 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -6378 km -6378 km 3,9 m/s
Rollprogramm 5,0 s 0,06 km 0,0 km 0 m/s 21 m/s 0 m/s 21 m/s -6370 km 0 km 4,3 m/s
Winkelvorgabe 63,1 s 10,26 km 0,0 km 343 m/s 349 m/s 30 m/s 491 m/s -6348 km 15 km 10,7 m/s
Brennschluss 1 149,5 s 71,31 km 3,0 km 2533 m/s 1145 m/s 222 m/s 2788 m/s -5893 km 151 km 43,0 m/s
Verkleidung 187,6 s 115,02 km 11,4 km 3084 m/s 993 m/s 270 m/s 3251 m/s -6378 km -6378 km 7,9 m/s
Brennschluss 2 237,5 s 166,01 km 36,7 km 4067 m/s 715 m/s 356 m/s 4144 m/s -5132 km 255 km 15,2 m/s
Zündung 3 240,0 s 168,41 km 38,6 km 4066 m/s 692 m/s 356 m/s 4140 m/s -5131 km 255 km -9,3 m/s
Winkelvorgabe 400,0 s 251,61 km 297,4 km 5093 m/s -771 m/s 446 m/s 5170 m/s -4072 km 305 km 0,0 m/s
Orbitsim 575,2 s 225,49 km 1114,4 km 6851 m/s -2621 m/s 599 m/s 7360 m/s -46 km 817 km 8,5 m/s
Brennschluss 3 609,0 s 217,69 km 1387,4 km 7354 m/s -3158 m/s 590 m/s 8025 m/s 258 km 3569 km 12,4 m/s
Zündung 4 615,0 s 216,25 km 1441,4 km 7334 m/s -3209 m/s 588 m/s 8027 m/s 257 km 3593 km -9,2 m/s
Sim End 1531,9 s 1302,19 km 21079,1 km 3342 m/s -10228 m/s 112 m/s 10761 m/s 734 km -45180 km -0,7 m/s

Parameter der Stufen

nr.: Geschwindigkeit Maximalhöhe Maximaldistanz Flugzeit Perigäum Apogäum Inklination
1: 2.790,0 m/s 154,6 km 209,7 km 480,5 s -5.872,9 km 151,6 km 28,9 Grad
2: 4.136,9 m/s 233,8 km 945,5 km 641,8 s -5.099,6 km 256,1 km 27,9 Grad
3: 7.902,5 m/s 252,1 km 18.519,5 km 1.542,0 s 197,0 km 3.225,6 km 28,9 Grad

Höhe/Zeit Diagramm

Beschleunigung/Zeit Diagramm

Ohne Star 37 kann eine Falcon Heavy Centaur (auch hier sind die Angaben zur Rakete spekulativ, doch ohne Centaur befördert die Rakete mit den unten stehenden Angaben genau die 15 t in den GTO die SpaceX angibt) die Sonde auf ein C3 von 180 km²/s². Das entspricht 13,4 km/s über der Kreisgeschwindigkeit der Erde. Eine möglichst hohe Startgeschwindigkeit ist wichtig, weil Jupiter den Bahnvektor nur dreht, kommt man mit hoher Geschwindigkeit bei Jupiter an, so erlässt man ihn auch mit hoher Geschwindigkeit.

Im zweiten Teil geht es dann um die Bahn zu Eris selbst. Der folgt morgen, sonst wird der Blog zu lang.

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