Spektakuläre Fehlschläge in der Raumfahrt – SpaceX Spezial

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Ich habe mit mir gekämpft, ob ich den heutigen Blog schreiben sollte, schlussendlich habe ich schon genügend über SpaceX geschrieben. Auf der anderen Seite haben viele die ersten Fehlschläge von SpaceX nicht mehr auf dem Schirm und es gibt ja neue bei dem Starship.

Etwas Grundlegendes hat sich in zwei Jarhzehnhten nicht geändert: Die Kommunikation von SpaceX. Man sollte genauer sagen – die von Elon Musk, denn es gibt eigentlich keine Public Relation von der Firma, sondern nur von ihm und das sind eben meist Tweets. Kenner von Steve Jobs beschrieben bei Jobs das Reality distortion field (RDF), das es sogar in di Wikipedia schaffte. Darunter wird einiges verstanden. Im Kern bedeutet es, dass Steve Jobs an etwas selbst glaubte und diese Sache auch enorm überzeugend anderen vermitteln konnte. Das waren meist völlig übertriebene Behauptungen, was das Produkt an dem er gerade arbeitete alles könne und wie toll es wäre (der Begriff entstand als Jobs gerade am Macintosh Projekt arbeitete). Die Realität sah dann meist anders aus, wenn das Produkt dann verfügbar war.

So etwas wie ein RDF muss auch Elon Musk haben, denn seine Ankündigungen sind gerne utopisch, Zeitpläne völlig irreal, technische Daten wie Trockenmasse oder Nutzlast nicht erreichbar. Aber es gibt Millionen von SpaceX Fans, die genau das glauben.

Der zweite Punkt ist, dass SpaceX eine enorme Geheimniskrämerei betreibt. Das ging los, indem man Fehlschläge oder auch Vorkommnisse die nicht katastrophal waren einfach verschwieg, teilweise wie ich feststellte, über ein Jahrzehnt, während andere Unternehmen zumindest ankündigen das man dieses oder jenes untersuchen müsste, so Arianespace in den letzten Jahren kleinere Probleme mit einem Heliumdruckventil und starken Schwingungen der Nutzlastverkleidung hatten. Man erfährt sicher auch hier nichts über die Details, aber man weiß zumindest das es ein Vorkommnis gab. Das ist gefilterte Information, keine offene Kommunikationspolitik. Auch das gilt bis heute. Dazu kommt das es wirkliche Informationen in Form von Angaben immer weniger gibt. Ein jeder kann mal im Web nach dem Falcon 1 Payload User Guide suchen und den mal mit dem aktuellen zum Starship vergleichen.

Falcon 1 – erster Start.

Schon die Vorgeschichte des ersten Starts einer Falcon 9 war kurios. Geplant war ein Start von SLC 3 von Vandenberg aus. Eigentlich ideal für SpaceX nur wenige Stunden mit dem Truck vom Hauptquartier entfernt. SLC 3 liegt genau neben SLC 4, wo zu dem Zeitpunkt die letzte Titan 4 mit einer 1 Milliarde Dollar teuren nationalen Nutzlast starten sollte. Die USAF teilte SpaceX mit, dass dieser Start zuerst stattfinden muss, verständlich will man nicht die Mission durch eine noch unerprobte Rakete eines bis dahin unbekannten Weltraumunternehmens gefährden. Elon Musk bewog das, die Rakete von einer Insel im Kwajalein Atoll durchzuführen, obwohl es dafür dort keine Infrastruktur gab, die musste man erst hinschaffen. Essen für die Arbeiter scheint dabei keine hohe Priorität gehabt zu haben. Wer für Elon Musk arbeitet, kann schon mal auf einer Pazfiikinsel ohne Essen arbeiten. Auch das wurde erst 2018 publik. Genützt hat es nichts, es gab Verzögerungen die sicher kleiner gewesen wären, wenn man normale Infrastruktur in der Nähe gehabt hätte. Der Start der ersten Falcon 1 fand schließlich am 24.3.2006 statt, fünf Monate nachdem die letzte Titan von SLC 4 abhob (19.10.2005), man hätte also in Vandenberg bleiben können.

Die Startvorbereitungen begannen am 25.10.2005, also fünf Monate vorher. Der erste Start war relativ kurz. Fast unmittelbar nach dem Start brach ein Feuer im Heck der Rakete aus, das nach 25 Sekunden zu einem Druckverlust in den Leitungen führte. Dieser führte nach 29 Sekunden zum Abschalten der Triebwerke. Videoanalysten vermutete zuerst, dass die thermische Isolation der ersten Stufe dafür verantwortlich sei. Es war auf den Startvideos zu sehen, wie Sie von der Rakete abgetrennt wurde. Am 7.4.2006 gab Elon Musk eine erste Beurteilung des Fehlers heraus: Ursache sei ein Techniker, der am Tag vorher an der Avionik gearbeitet hatte und dabei eine kleine Kraftstoffleitung nicht wieder fest angezogen hatte, nachdem er sie entfernt hatte, um an die Avionik zu kommen. Dies soll einem der Techniker mit der meisten Erfahrung passiert sein. Es ging weiter mit der Schuldzuschreibung: 4 Minuten vor dem Start gab es schon ein Leck, das man hätte „entdecken können, wenn man auf den richtigen Datenstrom schaut“. Offensichtlich setzt SpaceX keine Computerprogramme ein, welche die Daten auf stark abweichende Werte prüfen, dann automatisch Alarm schlagen und den Countdown anhalten. 25 Sekunden nach dem Start beschädigte das Feuer das Heliumdrucksystem. Als Folge sank der Tankdruck ab und das Merlin-Triebwerk wurde automatisch abgeschaltet. Die Rakete schlug etwa 1 Kilometer vom Startplatz in einem Riff auf. Da die USAF aber die ersten beiden Starts mitfinanzierte, gab es einen offiziellen Untersuchungsbericht, der von der USAF auch veröffentlicht wurde und hier war dann die Ursache angegeben: Es war ein Leck, das zum Austritt von Kerosin führte, welches sich entzündete und dann zu einem Druckverlust führte, der zum automatischen Abschalten des Triebwerks führte. Eine Aluminium-Mutter soll korrodiert sein und dadurch das Leck verursacht haben. Die Korrosion resultierte letztendlich durch die fünf Monate in der aggressiven Meeresluft, ohne klimatisierte Halle, die man beim Start von Vandenberg vermeiden konnte. Kenner werden an den ersten Mondlander erinnert, der als er ans Cape geliefert wurde, dann auch zahlreiche Lecks in den Leitungen durch Korrosion durch die Meeresluft aufwies.

Falcon 1 – zweiter Start  (20.3.2007).

Gegenüber dem Tempo, das Musk bei den Ankündigungen vorlegt, benötigt SpaceX fast ein Jahr um die Aluminiummutter durch eine Stahlmutter zu ersetzen. Der zweite Teststart lief gut bis nach der Stufentrennung. Nach den Bildern der Kamera an Bord der Rakete hat die erste die zweite Stufe bei der Stufentrennung touchiert.

Nach 4 Minuten 10 Sekunden sah man auf den Life-Bildern einer Fernsehkamera an Bord der zweiten Stufe immer stärkere Oszillationen. Die Triebwerksdüse wurde schließlich unterschiedlich heiß und erhitzte sich. Diese Schwankungen der Rolllage waren es, die schließlich zum Verlust des Funkkontaktes führten. Vorher hatte ein Sicherheitsmechanismus das Kestrel-Triebwerk abgeschaltet.

Elon Musk sprach in einer ersten Stellungnahme von einer 90 %-Qualifikation der Rakete, korrigierte diesen Wert dann auf 95+ % in der offiziellen Verlautbarung an die Presse nach oben.

Am 13.7.2007 veröffentlichte SpaceX eine Kurzfassung des Berichts an die DARPA:

  • Die Trennung der Verbindungsleitung der Sauerstoffversorgung zur Stufe 2 beim Start versagte. Ein Ventil verhinderte eine Leckage und den Verlust von Sauerstoff (was zu einer Explosion hätte führen können).
  • Die LOX-Anschlussleitungen und elektrischen Anschlüsse der ersten Stufe wurden nach der Abtrennung stark beschädigt und teilweise zerbrachen die Stecker. Dies hatte allerdings keinerlei Auswirkungen auf den Flug.
  • Die Druckbeaufschlagung für die zweite Stufe arbeitete nicht. Resultat war ein erhöhter Treibstoffverbrauch am Ende des Betriebs der zweiten Stufe. Wäre diese nicht vorher ausgefallen, hätte dies alleine auch ausgereicht, dass die Stufe keinen Orbit erreicht.
  • Kontakt des Kestrel Triebwerks der zweiten Stufe mit dem Stufenadapter der ersten Stufe. Dies soll eine kombinierte Folge von erhöhter Rotationsrate der Rakete vor der Trennung und erhöhten aerodynamischen Kräften, die auf die zweite Stufe einwirkten, gewesen sein. Das Trennungssystem funktionierte einwandfrei. Man erwartet für das Merlin 1C eine größere Höhe bei der Trennung (geringere aerodynamische Kräfte) und einen geringeren Restschub (Erststufe bewegt sich auf die Zweitstufe zu).
  • Ausfall der Oberstufe: Nach 90 Sekunden begannen durch schwappenden Treibstoff in den sich leerenden Oberstufentanks zuerst um Nick- und Gierachse Bewegungen aufzutreten. Nach weiteren 30 Sekunden kam dann noch ein Rollmoment dazu, welches sehr bald die begrenzten Möglichkeiten der Rollsteuerung überforderte, der Treibstofffluss zum Kestrel Triebwerk riss und es schaltete sich automatisch ab. Ursache waren fehlende Prallbleche in der Oberstufe, die man nach den bisherigen Simulationen nicht für nötig hielt. Die folgenden Flüge werden Prallbleche enthalten, so wie sie schon jetzt in der ersten Stufe vorhanden sind.

Ich habe nicht wesentliche Details des Reports weggelassen. Er listet noch weitere Versäumnisse auf.

Fassen wir zusammen: Ein in der Raketentechnik in jedem anderen Träger übliches System zum Verhindern von Treibstoffschwappen und den Folgen für die Instabilität eines Triebwerks wird erst eingebaut, wenn ein Fehlstart es notwendig macht. Besonders markiert habe ich den Absatz über die Stufentrennung. Daran ist zu erkennen, dass man bewusst auf Retroraketen verzichtet, um die beiden Stufen auf Distanz zu bringen – eine abzubremsen oder eine zweite zu beschleunigen. Stattdessen separiert man die Stufen mit Federn und hofft, dass die zweite Stufe nicht aerodynamisch abgebremst wird oder die erste Stufe nicht noch einen gewissen Restschub hat (wie er normal ist, bei einem 1000 °C heißen Triebwerk, bei dem die Treibstoffreste oder das Druckgas noch expandiert werden). Das ist Raketenbau nach dem „Prinzip Hoffnung“ – Dies sollte sich noch bitter rächen….

Falcon 1 – dritter Start.

Weitere 17 Monate später fand der nächste Teststart statt. Neu war auch die Öffentlichkeitsarbeit: Die Life Webcast Übertragung wurde auch wenige Sekunden vor der Stufentrennung abgebrochen. Jahre später wurde durch Aussagen einer Mitarbeiterin bekannt, dass der Webcast 30 Sekunden zeitverzögert übertragen wurde, um ihn bei dem Falle eines Versagens abbrechen zu können, was auch passierte. Das erinnert mehr an die Öffentlichkeitsarbeit von kommunistischen Staaten.

Drei Tage später gab es dann eine genauere Erläuterung des Verlustes: Die Stufentrennung klappte, doch die erste Stufe kollidierte dann durch den Restschub von etwa 1 Prozent des Nominalschubs mit der zweiten. Musk verschwieg, das genau dies aber schon beim zweiten Start passierte und nicht korrigiert wurde. Die Schuldzuscheibung bekam der Zulieferer der die Federn herstellte – übrigens auch die der Delta, bei denen das komischerweise nie vorkam. Es gibt zwei Möglichkeiten Stufen zu separieren: Retroraketen oder Federn. Retroraketen haben einen höheren Impuls, bringen die Stufen schneller auf sichere Distanz und sind bei größeren Stufen gängig. SpaceX setzt auf Federn, die auch woanders eingesetzt werden, wenn die Stufe klein ist, denn ihr Impuls ist durch die Federkraft geringer. Sie werden z.B. in der Delta eingesetzt und auch bei Abtrennung der Ariane 3 Booster. Aufgrund des geringen Impuls der Federn wartet man dann aber einige Sekunden nach Ausbrennen der ersten Stufe – wie dies SpaceX übrigens seitdem immer bei der Falcon 9 tut, um den Restschub durch Resttreibstoff abklingen zu lassen. Das tat man dann auch bei den nächsten Flügen.

Falcon 9 – CRS 7 (28.6.2015)

Die erste Falcon 9 die verloren wurde, transportierte eine Dragon die einen Adapter zur ISS befördern sollte. Knapp 140 s nach dem Abheben kurz vor Ende des Betriebs der ersten Stufe explodierte die Rakete. Elon Musk twitterte nach einigen Tagen die Erklärung von SpaceX für das Versagen. Ursache war eine Heliumgasflasche. Mit ihr wird der Tankdruck aufrecht erhalten. Eine Strebe gab nach, die Heliumflasche fiel und setzte Helium frei, die dann den Tankdruck innerhalb einer Sekunde über die Strukturgrenze erhöhte und die Rakete explodierte. Schuld wären (wie immer bei SpaceX) andere, diesmal ein Zulieferer. Man habe über 1.000 Streben von ihm bezogen getestet und das wäre das erste Versagen. Man überlege von Stahl auf Inconel überzugehen. Dumm nur, das dies ein Flug für die NASA war und die NASA veröffentlichte eben ihren Untersuchungsbericht und darin steht etwas anders: SpaceX habe Streben mit „industrial Grade“ verbaut, nicht mit „aerospace grade“. Die haben einen viel geringeren Sicherheitsspielraum und kleinere Belastungsgrenzen. Oder wie die NASA schreibt:“The implementation was done without adequate screening or testing of the industrial grade part, without regard to the manufacturer’s recommendations for a 4:1 factor of safety when using their industrial grade part in an application, and without proper modeling or adequate load testing of the part under predicted flight conditions.“. Also selbst der Zulieferer, der von Musk die Schuld zugeschoben bekam, hat vorher vor dem Einsatz der Streben gewarnt. Die NASA sprach daher auch von einem Design Error.

Falcon 9 – Amos 6 Bodenexplosion (1.9.2016)

Am 1.9.2016, ein Jahr nach CRS 7 fand die bisher letzte Explosion einer Falcon 9 statt. Immerhin hat SpaceX einen Rekord aufgestellt. Es ist die erste Explosion einer Rakete auf dem Statrtpad seit 1963, berücksichtigt man das es nicht mal ein Startversuch, sondern ein Probecountdown ist, so ist dies sogar die erste Bodenexplosion seit 1960. Ursache war – wen wundert es – erneut eine Heliumdruckflasche. Diesmal versagte das Hülsenmaterial selbst, das aus kohlefaserverstärktem Kunststoff besteht. In ihm sollen durch Dellen („bucklets“) Sauerstoff eingedrungen sein. Der Sauerstoff kann dann durch Faserbruch oder Reibung entzündet werden und dann eine Explosion hervorrufen. Die Lösung ist relativ einfach: SpaceX muss nur „wärmeres“ Helium einfüllen, das verhindert das Eindringen des Sauerstoffs.

Das waren alle bisherigen Totalverluste von Raketen von SpaceX. Natürlich gäbe es noch viel mehr zu schreiben. Von dem ersten Falcon 9 Start denn Musk so feierte, obwohl die Nutzlast in einem elliptischen Orbit taumelte (bei einem rechten Satelliten ein Totalausfall), bis zu zahlreichen Vorkommnissen, die nicht missionsgefährdet waren, aber nicht vorkommen sollten, wie Triebwerksausfälle, Durchbrennen von Triebwerken, abstürzende Bordcomputer, defekte Starlinksatelliten direkt nach dem Start. Die meisten dieser Vorkommnisse wurden erst im Nachhinein bekannt und sie betrafen alle Missionen für NASA/DoD und NRO wo es Untersuchungen gab. Wie viel bei den Missionen für kommerzielle Kunden oder die eigene Starlink Flotte nicht 100%-ig funktioniert wird man nie erfahren.

4 thoughts on “Spektakuläre Fehlschläge in der Raumfahrt – SpaceX Spezial

  1. Auf jeden Fall musst du weiter über die Fehlschläge von Spacex Schreiben Bernd. Rein gefühlt bist du der einzige der sich mit der Firma und Musk generell kritisch auseinandersetzt. Überall ist ist Musk der der alles kann und alles richtig macht. Gerade auf ner Nachrichtenseite einen Artikel über das erste Andocken des Starliners (bei dem bei weitem auch nicht alles perfekt gelaufen ist) gelesen. Darunter bloß Kommentare wie viel besser Musk bzw. Spacex alles machen und wofür man den Boeing „Schrott“ überhaupt braucht mit Raketen die man im Gegensatz zu denen von Musk nicht mal wiederverwendet kann. Aber kein Wort darüber das der Starliner (der da nur so ein olles Uralt Teil wie Apollo ist) im Gegensatz zum Crew Dragon in der Lage ist an Land zu landen. Während der Dragon ja wie Mercury, Gemini und Apollo ins Wasser Plumst.

    Ich finde deine Blogs über Spacex wo du dich Kritisch damit auseinandersetzt sogar wichtig. Weil die Firma sonst überall rein gefühlt nur perfekt ist.

  2. @Sebastian:

    Bernd ist im deutschsprachigen Raum einer der wenigen. Im englischsprachigen Raum gibt es schon diverse YT Kanäle die sich ebenfalls kritsch mit Musk auseinandersetzen.

    Leider sind diverse Weltraumenthusiasten wirklich extrem unkritsch und naiv was bestimmte Sachen betrifft. (In einem deutschen Forum, das wir alle hier kennen, wurden Mars One ernst genommen und aktuell Gateway…..)

    Apropos, mal sehen wann hier ein bestimmter englischer Superfan wieder die Kommentarfunktion mit einer Gegendarstellung zuschreiben wird…..

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