Das wichtigste Weltraumbild

Man kann darüber streiten, was das wichtigste Bild war, das im Weltraum gemacht wurde. Einige Vorschläge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und historische Bedeutung wären:

  • Die Aufnahme der Erde aus dem Mondorbit von Apollo 8
  • Die Aufnahme von Buzz Aldrin auf dem Mond.
  • Die Aufnahme der Marslandschaft durch Viking 1.
  • Das Familienporträt des Sonnensystems durch Voyager 1, 1990.

Für mich, und daher auch für Dich, geneigten Blogleser. Ist es diese Aufnahme. Machen wir einen Zeitsprung, genau 42 Jahre zurück, wie wir ja seit dem Anhalter durch die Galaxis wissen, eine besondere Zahl. Am 11.7.1980 habe ich die Hauptschule abgeschlossen, also genau heute vor 42 Jahren. Ich weiß das aus mehreren Gründen noch ganz genau. Vordergründig, weil das Datum auf dem Zeugnis steht. Aber etwas anderes blieb mir in Erinnerung. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen Preis erhalten. Einen Büchergutschein, den ich bei einer Buchhandlung in der Nähe des Esslinger Bahnhofs einlösen konnte. Also fuhr ich mal dorthin. Welche Bücher ich sah, weiß nicht mehr, aber in meiner Erinnerung achtete ich auch gar nicht auf andere Bücher, außer einem Buch: dem „Planetenlexikon“ von Bruno Stanek. Den Umschlag zierte dieses Foto, na ja nicht ganz. Das Original der NASA ist deutlich gelblicher, ich habe es selbst nachbearbeitet, damit es den rötlichen Originalton und die ziemlich poppige Färbung erhält. Das Bild stand auf dem Kopf, der große rote Fleck liegt eigentlich auf der Südhalbkugel. So war auf der Vorderseite des Buchs der rechte Teil sichtbar – Io über dem großen roten Fleck.

Ich interessierte mich damals schon für Astronomie, was auch der Grund war, warum ich auf dieses Buch stieß. Ich wusste schon, dass der große rote Fleck ein Wirbelsturm ist. Wenn ein Mond, dessen Namen ich damals noch nicht kannte, so klein gegenüber dem Fleck sein musste, wie riesig musste er sein. Vor allem aber beeindruckte mich diese Farbenvielfalt. Irgendwie sah die Abbildung surrealistisch aus, wie ein Gemälde.

Ich habe das Buch gelesen, vor allem aber die Bilder studiert. Aufnahmen des Merkurs von Mariner 10, des Mars von Viking und Mariner 9, der Venus von Mariner 10 und Venera. Und eben die Aufnahmen von Jupiter durch Voyager 1 und 2. Die Schwarz-Weißaufnahmen waren schon beeindruckend, aber noch beeindruckender waren die Farbaufnahmen. Ich gab damals sogar für meine damaligen Verhältnisse viel Geld (150 DM) für fünf Aufnahmen von Jupiter und Saturnmonde aus, die eine ansässige Raumfahrtfirma anbot.

Ich interessierte mich nach Lektüre des Buchs noch mehr für Astronomie als bisher. Aber ich interessierte mich seitdem auch für Raumfahrt. Ich wollte verstehen, wie diese Sonden funktionierten. Das nächste Buch war von Horst Köhler (nein nicht der Ex-Bundespräsident) „100 x Raumfahrt“ und mit einem Taschenrechner konnte man mit Hilfe der Formeln im Buch tatsächlich Nutzlasten berechnen. So kam ich zur Raumfahrt. Aber das war nicht das einzige, was ich dem Buch verdanke. Im Buch wurde auch grob auf die Computer eingegangen, ohne die viele Erkenntnisse gar nicht möglich gewesen wären. Kurz darauf kam in „P.M. – Peter Mossleitners interessantem Magazin“, ein Bericht über einen „Heimcomputer“. Computer für Zuhause? Noch nie davon gehört, aber als ich zwei Jahre später in den großen Ferien Geld verdiente, kaufte ich mir meinen ersten Computer, einen Ti 99/4A. Eigentlich um die ganzen Berechnungen mit Raketen einfacher zu machen, aber ich bin irgendwie dabei geblieben. Das älteste Programm, das ich heute noch bearbeite, stammt vom Oktober 1987 und beschäftigte sich ursprünglich mit der Nutzlastberechnung von Raketen. So verdanken wir diesem Bild letztendlich auch mein Interesse an Computern und Programmieren.

Doch es geht noch weiter. Ich lernte, dass die Venus eine unheimlich dichte Kohlendioxidatmosphäre hatte und die Oberflächentemperatur deswegen 480 Grad Celsius beträgt, obwohl die Atmosphäre sogar 75 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung wieder in den Weltraum zurückwirft. Dafür soll ein sogenannter „Treibhauseffekt“ verantwortlich sein. Einige Jahre später warnten Wissenschaftler vor einer Erwärmung der Erde durch diesen Treibhauseffekt. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich die Konsequenzen von etwas verstanden hatte, bevor sie allgemeine Tatsache wurden. Um so erstaunlicher das Heute, wo dies allgemein bekannte Tatsache ist, es immer noch Leute gibt die es nicht akzeptieren wollen. Ich frage mich immer wieder, wie man so blöd sein kann. Wenn ich die Erkenntnis nur durch Nachdenken als Teenager gewonnen habe, wie dumm muss jemand sein, wenn er heute etwas bezweifelt was nicht nur etablierte Erkenntnis ist, sondern dessen Folgen ja schon seit einigen Jahren deutlich sichtbar sind. Mir wurde klar, das jeder eine Verantwortung für die Natur, den Planeten hat. Das wurde in den Achtzigern natürlich auch durch Katastrophenmeldungen gefördert. Anfang der Achtziger Jahre gab es erstmals Smogalarm – im Ruhrgebiet war die Luft so schlecht, das akute Gesundheitsgefahr bestand. Wenn man es schon so weit kommen lässt, das die Wirtschaft wichtiger ist als die Menschen, dann läuft etwas schief. Leder hat sich daran bis heute nichts geändert, wie man bei den Beschlüssen der Ära Merkel sieht. Wenige Jahre später gab es eine neue Katastrophenmeldung: Der Wald stirbt! Der Wald, irgendwie haben die Deutschen eine tiefe Beziehung zum Wald, auch wenn es heute längst nur ein Wirtschaftswald ist. Aber gefühlt die Hälfte der Grimmschen Märchen spielt im Wald, in einem düsteren, dichten, dunklen Wald. Und der stirbt nun. Noch etwas später explodierte der Reaktor von Tschernobyl. Hmm, hatte es nicht immer geheißen Atomenergie sei ungefährlich, sicher und sauber? Also seitdem glaube ich zumindest nicht mehr alles, sondern prüfe nach.

In den Achtzigern war ich zeitweise radikal. Ich versuchte andere zu überzeugen weniger zu konsumieren. Weniger zu fliegen, weniger Auto zu fahren. Zumindest das ist besser geworden. Ich hatte es auch leicht. Ich ging bis 1985 zur Wchule, dann habe ich studiert. Ich hatte über die ganzen Achtziger wenig Geld zur Verfügung, da ist Konsumverzicht leicht, wenn man sich nichts leisten kann muss man verzichten. Damals ging glaube ich, das ganze Geld, dass ich hatte für Bücher und Computer(zubehör) drauf. Ich hatte noch nie großes Interesse an anderen Ländern oder Kulturen, also bin ich damals wie heute nicht woanders hingeflogen. Letztendlich habe ich so schlechte Augen, das ich keinen Führerschein machen konnte und kann und damit war natürlich das Predigen gegen das Auto leicht. Aber es hat sich gehalten. Bis heute benutze ich, soweit es geht, Fahrrad oder Laufe anstatt Bus oder Bahn zu benutzen – zumindest für Strecken bis etwa 7 km Distanz.

Was wäre aus mir geworden, wenn es dieses Bild nicht gegeben hätte? Damals war mein Berufswunsch Masseur. In meinen Gedanken massierte man da wohlgeformte junge Frauen. Wer weiß, vielleicht würde ich bis heute dann die Problemzonen adipöser Menschen durchkneten. Vielleicht wäre ich auch woanders gelandet, denn bis dahin war mein Lieblingsfach in der Schule Geschichte. Wer weiß vielleicht würde ich mich heute mit Historie beschäftigen oder irgendetwas anderes in diesem Umfeld machen. Aber wahrscheinlich ist das nicht, denn in der nächsten Schule erwachte mein Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern vor allem Chemie und Biologie und die haben nun sehr wenig mit Astronomie, Raumfahrt und Computern zu tun.

Nein, ich bin ganz froh das mein Leben durch dieses Bild eine Wendung genommen hat, wenn auch nur eine kleine. Studiert habe ich ja schließlich als erstes Lebensmittelchemie und nicht Astronomie, Raumfahrttechnik oder Informatik. Ich hätte aber sicher nicht irgendwann begonnen das, was ich über Raumsonden herausfand in eine Website zu packen, später diesen Blog zu erschaffen, wenn ich mich damals nicht für Raumfahrt interessiert hätte.

Ich bin auf den Blog gekommen, weil ich mir überlegt habe, ob ich in mein Buch eine Widmung aufnehmen sollte. Aber keine Widmung für einen Menschen, sondern für Voyager. Von Voyager stammt das obige Bild. Voyager blieb ich über Jahrzehnte verbunden. Kann man für eine Raumsonde eine Widmung verfassen? Ich weiß es nicht, aber ich bin auch nicht sicher, ob ich eine verfasse.

In jedem Falle macht es wieder Spass an meinem Buch zu arbeiten. Das war in den letzten Jahren eher Last, vor allem weil es so lange dauert. Allein bis man nach längerer Pause sich wieder in das eingelesen hat, was man schon geschrieben hat dauert. Jetzt arbeite ich Kapitelweise das Thema ab. Einige Kapitel sind schon fertig und Mario und Elendsoft arbeiten parallel als Korrekturleser an dem Manuskript. Baustellen sind noch der Aufbau der Raumsonden und die Missionsgeschichte. Das liegt daran, dass ich viel über die Sonden erst erfahren habe als ich Maßnahmen, die man im Laufe der Zeit ergriffen, habe gelesen habe, daher kann ich das Sonnenkapitel wohl als letztes abschließen. Aber diese Woche will ich die Experimente abschließen und damit hätte ich in etwa die Hälfte des Textes durch. Inzwischen sind auch aus 140 Seiten schon 240 geworden. So gesehen sieht es gut aus für meinen Zieltermin den 20.8.2022, dem 45-sten Jubiläum des Starts von Voyager 2, aber vielleicht wird es auch der 5.9.2022, der Jahrestag des Starts von Voyager 1.

So viel von mir ausnahmsweise mal etwas Persönliches. Doch wie sieht es beim geneigten Blogleser aus? Gab es auch bei Dir etwas was in deinem Leben die Richtung ein bisschen, etwas oder vielleicht sogar stark geändert hat und das jetzt nicht gleich ein wirklich persönlich einschneidendes Erlebnis war? Das diese einen zum Umdenken bringen, ist ja klar. Aber ich meine eher etwas wie dieses Bild. Etwas was einfach ein neues Interesse geweckt hat, etwas das einen fasziniert und nicht mehr losgelassen hat. Ich denke es gibt viele solche Dinge. Bilder – auch Gemälde können so was sein, Musik, vielleicht Sport oder wahrscheinlich viel häufiger Personen. Ich bin gespannt, was ich an Antworten bekomme.

3 thoughts on “Das wichtigste Weltraumbild

  1. Ich schätze mal, du meinst ausschließlich Fotos außerhalb des Erdorbits?
    Ansonsten hast du mit den Aufnahmen von Hubble die wichtigsten ausgelassen.
    Mit ihren Bildern wurde die Relativitätstheorie bestätigt, die beschleunigte Expansion des Universums entdeckt, schwarze Löcher nachgewiesen, die ersten Galaxien nach dem Urknall untersucht und vieles mehr.
    Und Webb ist ja nun dabei noch eine Schüppe drauf zu legen.

    1. Das natürlich nur am Rande, weil es in deiner Auswahl nicht vorkam. 🙂
      Allerdings gibt es tatsächlich eine Menge beeindruckender Bilder und sich festzulegen fällt schwer.
      Das für mich persönlich wichtigste Weltraumfoto könnte aber tatsächlich die berühmte Deep-Field-Aufnahme von 1995 sein. Da hat mein Kindheits-Ich erst realisiert wie riesig das All tatsächlich ist.
      Allgemein ist das für mich wichtigste Bild wohl ein Ultraschallbild meiner Tochter (Ja, etwas pathetisch und unoriginell, aber es ist wirklich ein lebensverändernder Moment).

  2. Zum Thema Widmung:

    Eine Widmung für die Sonden an sich finde ich eher unpassend, schließlich sind das ja doch nur unbelebte Gegenstände aus Drähten, Instrumenten und Computern, ohne jede eigene Intelligenz.

    Wie wäre es statt dessen mit einer Widmung für all die Menschen, welche die Voyager-Sonden erdacht, entwickelt und gebaut und die sie 45 Jahre lang betrieben haben?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.