Der Mars und Musks (Ver)sprechen

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Wie gestern angekündigt, wollte ich mich heute mal mit den Flügen zum Mars mit dem Starship beschäftigen, 2029 soll es ja soweit sein – das Datum ist mit dem sechzigsten Jubiläum der Mondlandung sicher nicht zufällig gewählt.

Aber zuerst möchte ich etwas zu den Marsplänen selbst schreiben und das wurde so umfangreich, das ich die Folge auf morgen verschiebe. Gestern kam auf ZDF-Info ein großer „Musk & Bezos Abend“. Drei Dokus nacheinander über Teslas Autopilot, Musk und Bezos angebliches Weltraumrennen und Bezos Erfolg mit Amazon. Den Beitrag über Tesla und den Autopiloten kann ich euch auch empfehlen, denn auch wenn er nichts mit SpaceX zu tun hat sieht man doch das gleiche Schema der Vorgehensweise bei Musk. Sich laufend widersprechende Aussagen, das Wecken von Erwartungen die man nicht erfüllen kann, das Einsparen von Systemen die sonst industrieweit üblich sind wie Radar und Lidar und Sicherheit bringen, dafür aber das Abkassieren von 10.000 Dollar für einen Autopiloten der nur noch aus Kameras und Software besteht und kein Autopilot sondern ein Fahrassistenzsystem ist. (Bei Raketen spart man dann Prallbleche und Retroraketen ein und weil es billiger werden muss baut man ein wiederverwendbares! (also die Herstellungskosten fallen nur einmal an) Gefährt aus Stahl anstatt Aluminium oder CFK-Werkstoffen.

In dem nächsten Beitrag ging es auch darum wie Musk zu seinen Marsplänen kam, und das wurde so dargestellt: Musk wollte Mäuse zum Mars entsenden, flog mit der Absicht eine ICBM zu kaufen zu Roskosmos und wurde abgewiesen. Auf dem Rückflug kam er auf die Idee es selbst zu tun und gründete SpaceX. Ich sage so wurde es beschrieben, weil der Beitrag auch sonst sehr viele falsche Aussagen hat und noch mehr falsch durch Verschweigen darstellt. So kann auch hier einiges falsch sein, in Abwandlungen habe ich die Geschichte aber immer wieder gehört. Nur: Macht sie euch nicht stutzig?

Also fangen wir erst mal damit an, dass bisher überhaupt nicht bekannt war was Musk auf dem Mars wollte. In anderen Darstellungen wollte er auch eine Raumsonde starten. Man sollte doch annehmen das wenn er Millionen für eine ICBM ausgibt, die Mission zumindest mal durchgeplant hat, das ist schon nötig weil das die Performance der Rakete festlegt. Niemand kauft eine Rakete für Millionen Dollar wenn er nicht mal genau weiß was er damit machen will. Okay, nun sollen es Mäuse als Nutzlast sein. Doch ist das sinnvoll? Mäuse brauchen wenig Platz. Die kann man sicher zum Mars befördern und landen, selbst mit einem Vorrat an Nahrung und Wasser über ihr ganzes Leben, das bei Mäusen sowieso nur zwei bis die Jahre währt. Nur wer reinigt dann den Behälter von Kot? Wenn die Mäuse auf dem Mars sind, was beweist das? Aufgrund ihrer kurzen Lebensspanne kann man nicht die Auswirkung von kosmischer Strahlung erproben und dazu müsste man sie für eine Obduktion auch wieder zur Erde zurückbringen. Kurz das ist eine Idee, die ich von einem Kind erwarte, nicht von jemand der nach eigenen Angaben einen sehr hohen IQ hat.

Es geht weiter. Roskosmos ist die russische Weltraumorganisation für die wenigen zivilen Projekte Russlands. Wenn Musk eine ICBM haben will, muss er nicht zu Roskosmos gehen, sondern zu den Raketenstreitkräften. Das ist die falsche Adresse. Vor allem nützt ihm eine ICBM für eine Marsmission nichts. Eine ICBM hat zwei Stufen die ausreichen eine Sprengkopf auf 7 km/s zu beschleunigen. Eine Marsmission braucht rund 5 km/s mehr, das schafft eine ICBM selbst ohne Nutzlast nicht.

Weiter: wenn Musk russische Raketen haben will, weil US-Raketen ihm zu teuer sind, so kann er diese Träger im Westen erwerben. Damals gab es etliche Firmen die frühere russische Trägerraketen und konvertierte ICBM anboten wie die Rocket, Dnepr, Strela, Zyklon, Sojus, Proton, Kosmos, Start

Fast alle russischen Trägeranbieter hatten westliche Kooperationspartner für die Vermarktung, warum also nach Russland reisen?

Zuletzt: wenn Musk meint eine ICBM wäre billig, weil die USA und Russland viele verschrotten müssen weil sie den Start-Abrüstungsvertrag unterzeichnet haben, warum wendet er sich nicht an das US-Militär, die müssen ja auch ICBM abrüsten? Orbital baute aus der Peacekeeper die Taurus-XL Rakete. Erweitert um eine weitere Stufe aus einer anderen ICBM könnte diese den Mars erreichen, mit einer kleinen Nutzlast von etwa 200 bis 250 kg Masse. Analog hätte ja auch Musk vorgehen können.

Was dann kommt, glauben nur SpaceX Fans. Also Musk will zum Mars, bekommt keine ICBM von Russland (die größten sind immerhin 200 t schwer) dann gründet er seine eigene Firma, um so was selbst zu bauen. Wirklich? Also erstens ist eine Raketenentwickelung immer teurer als eine Rakete zu kaufen und es gäbe ja außer den Russen schon etablierte Trägerraketen. Für die 90 Millionen Dollar, die Musk in die Falcon 1 steckte, hätte Musk problemlos eine Ariane 4 bekommen die ebenso problemlos den Mars erreicht hätte. Vor allem ist das was SpaceX dann herstellt – die Falcon 1 zehnmal kleiner als eine ICBM und noch weniger fähig zum Mars zu fliegen, genauso wenig wie die folgenden wieder eingestellten Falcon 1e und Falcon V.

Aber es könnte ja sein, das Musk auf die Idee gekommen ist, das Vorhaben zurückzustellen bis er eine wirklich dazu geeignete Trägerrakete hat. Die erste Version der Falcon 9 hätte nach offiziellen Angaben 1.350 kg zum Mars bringen sollen, leider stimmt diese Angabe genauso wenig wie die Leo Nutzlast (angeblich 10,45 t, keine Falcon 9 v 1.1 transportiere aber mehr als 7 t in den Leo), aber für 300 kg hätte es nach den publizierten Daten der Rakete gereicht. Völlig ausreichend, um einen Mäusekontainer auf dem Mars zu landen.

Aber ich glaube zu dem Zeitpunkt, wenn er den Plan jemals hatte, hat er sich davon längst verabschiedet. Er hat die Chance gesehen, zuerst bei Tesla, später bei SpaceX einen Hype um sich aufzubauen. Einen Hype indem er suggeriert, das das was er oder die Firmen machen, megacool wäre, Elektroautos mit Autopiloten, wiederverwendbare Raketen. Das hat zwei Vorteile für Musk. Zum einen ist er einer der wenigen Milliardäre um die es einen Rummel wie um einen Film- oder Popstar gibt und das scheint ihm zu gefallen. Zum anderen hebt das den Wert seiner Firmenanteile, weil deren Wert in den USA nicht nach wirtschaftlichen Zahlen gemessen wird, sondern nach Erwartungen. Das die Wirklichkeit komplett anders ist, geht dabei unter. Der Autopilot von Tesla ist nur ein Fahrassistenzsystem das für Autobahnen ohne Gegen- und Querverkehr zugelassen ist und bei dem man nicht die Hände vom Lenkrad nehmen darf und die Falcon 9 sind, inzwischen auch nicht mehr viel billiger als die Konkurrenz, nachdem diese ihre Produktion umgestellt haben. Und sie sind weit weg von dem versprochenen Startpreis in Höhe von 180.000 Dollar für eine Falcon 9 und 1 Million für ein Starship.

Was mich wundert ist das Musk nicht trotzdem einen Marsflug mal wagte, also den einer Sonde oder etwas ähnliches. Alleine aus PR-Gründen. Es gab mal die Ankündigung einer „Red Dragon“, also eine Dragon die auf dem Mars landet, genauso wie Ankündigungen das die Dragon überall landen könnte – wohlgemerkt wir reden hier von der Fachtdragon, das war noch vor Erteilung des Ccdev Kontraktes. Aber die NASA, die eingeladen war, stieg nicht drauf ein. Dann wurde nichts daraus. Es lief nämlich so wie öfters bei SpaceX: man offeriert etwas was angeblich schon ganz weit fortgeschritten ist Investoren oder der NASA, und hofft das diese dann einsteigen und es im Prinzip vollständig bezahlen. So schlug SpaceX allen ernstes vor, bei CCDEV die Frachtdragon einfach zu Crew-Dragons umzubauen. „Wir müssen nur noch ein Fenster ausbauen, alles andere ist schon fertig!“ hieß es. Okay, der Einbau der Fenster kostete dann über 2 Milliarden Dollar und brauchte acht Jahre. Oder es sollte eine Gray Dragon geben, die eine bemannte Mondumrundung mit der Falcon Heavy durchführen sollte, schon 2017, also noch vor dem Jungfernflug der Falcon Heavy. Auch hier fand sich niemand der das finanzieren wollte. Immerhin klappte es beim Lunar Starship. Das auch Thema des zweiten Beitrags im Fernsehen war. Die NASA entschloss sich tatsächlich für das SpaceX-Projekt weil es am günstigsten angeboten wurde. Keine Rede davon das es nicht existiert, auf noch zu entwickelnder Technologie basiert, viel zu schwer ist und eigentlich auch kein Mondlander ist. Jeff Bezos mit seinem durchaus realistischeren Plan ging leer aus. Inzwischen sind fast zwei Jahre rum und man ist schlauer. Die Kosten haben sich jetzt schon verdoppelt, der erste Flug wird nur landen, keine Lebenserhaltungssysteme an Bord haben und es geht nur darum ob das Ding überhaupt heil landen kann, ein zweiter Flug musste von der NASA gekauft werden und ob der bemannt erfolgt, ist auch noch offen.

Es gab in den gut 20 Jahren in denen SpaceX existiert, eine Gelegenheit in der Elon Musk doch allen zeigen konnte, das er es ernst meint mit dem Marsunternehmen: Dem Jungfernflug der Falcon Heavy 2018. Die Falcon Heavy hatte keine gebuchte Nutzlast, also konnte sie starten was Musk wollte. Fracht-Dragon Kapseln, die ja überall landen können – so Musk – hatte die Firma ebenfalls auf Lager, denn anfangs bestand die NASA bei jedem Flug auf einem neuen Raumschiff, inzwischen nicht mehr, was die Flüge natürlich – Wiederverwendung ist teuer, wie man auch an den trotz enormer Flugrate gestiegenen Falcon 9 Preisen sieht deutlich verteuert hat, inzwischen ist SpaceX von den Firmen welche die ISS versorgen, das Unternehmen das als einziges eine wiederverwendbare Trägerrakete und Kapsel einsetzt und dabei pro Kilogramm Facht nach offiziellen Angaben am teuersten ist.

Musk hätte also eine Dragon einfach auf die Falcon Heavy setzen können – kompatibel sind sie ja bei gleicher Oberstufe, und zum Mars schicken können. Gut am 6. Februar 2018 gab es kein Startfenster zum Mars. Aber die Dragon kann 1.290 kg Treibstoff aufnehmen und wiegt trocken 4,9 t. Vom 10 bis 26 Mai 2018 gab es ein Startfenster zum Mars mit einem dV von kleiner als 3.600 m/s zu einem LEO. Mit 1.290 kg Treibstoff kann man bei einem angenommenen spezifischen Impuls von 2.900 m/s die Dragon um 677 m/s beschleunigen. Bleiben noch 2.933 m/s aufzubringen. Würde die Falcon Heavy die Dragon in eine 200 x 120.000 km Bahn bringen, so hat diese 2.948 m/s davon schon erbracht und die Dragon könnte in dieser Parkbahn nach 3 Monaten zum Mars aufbrechen. Dort würde sie landen. Sie könnte unterwegs und auf dem Mars das Lebenserhaltungssystem das sie Siedler brauchen erproben und natürlich ganz tolle Bilder aus dem Fenster von Mars und seiner Oberfläche machen. Und natürlich hätten die Mäuse in der Kapsel auch wirklich genug Raum um sich wohl zu fühlen.

Aber noch cooler, aber völlig sinnlos, ist es einen ausgedienten Tesla Roadster mit einem Raumanzug zu bestücken und in eine 0,986 x 1,66 AE Bahn zu schicken, bei der er übrigens den Mars nie erreichen wird.

Es gibt natürlich noch einen anderen Grund warum die Dragon nie zum Mars flog – sie hätte dort nicht landen können, denn nur weil Elon Musk das so sagt, muss es ja nicht stimmen. Die Entwicklung eines Landesystem wurde 2017 eingestellt. Aber nun wird ja das Starship dort landen. Tipp: schaut euch mal in der ersten Doku an, wie Musk über ein Jahrzehnt verspricht, das in genau zwei Jahren der Autopilot vollständig autonom ist ….

4 thoughts on “Der Mars und Musks (Ver)sprechen

  1. Letztens hat übrigens ein Golem Redakteur, der ein begeisteter SpaceX Fan ist, als die Falcon 9 irgendeinen vermeindlichen Flugrekord gebrochen hat auf einen deiner alten Blogs aus dem Jahr 2008 verlinkt als Beispiel „Die sagten alle, das geht nicht“. (Lustigerweise ging es in dem Blog übrigens nicht über die normale Falcon, sondern um die Heavy..)

    Ich sag das nur, weil sicher wieder die üblichen Verdächtigen bald auftauchen werden.

    Und ja, die Frühzeit der „Lieblingsfirma“ ist etwas undurchsichtig. Wurde eigentlich FASTRAC in der Doku erwähnt?

    Und zum Thema Autopilot:

    Wird dich vielleicht interessieren:

    https://blog.piekniewski.info/2023/02/07/ai-psychosis/

    Ein Blog von einem K.I. Forscher, welcher sich schon seit ettlichen Jahren kritisch mit dem Hype auseinandersetzt. Hier schreibt er wer demnächst um seinen Job fürchten muss und wer wahrscheinlich nicht.

    Wundere dich nicht, dass er in der „Nicht“ Liste als erstes Radiologen erwähnt. Google da einfach Radiologen, IBM und Watson. Als ich mal vor einiger Zeit mit einem Kerl, der ebenfalls K.I. Programmierer ist, über Watson gesprchen habe, hat er gelacht und mir eine Geschichte erzählt, wie IBM Marketing Leute seinem Chef mal eingeredet haben die Software zu kaufen. Er selbst hat ziemlich schnell gemerkt, dass diese im Prinzip total nutzlos war, zumindesten hat sie nicht mal ansatzweise gekonnt, was versprochen war.

    1. „Ich sag das nur, weil sicher wieder die üblichen Verdächtigen bald auftauchen werden.“
      Wenn Du WeltraumHolzbankklasse meinst, der wird nicht mehr auftauchen. Seine Kommentare landen zuerst auf Prüfung und solange die zeigen das er entweder den Inhalt nicht verstanden hat oder die Übersetzung eben falsch verstanden hat, in englisch schreibt und sich herablassend äußert wird auch keiner mehr veröffentlicht.

      1. Ich gebe mir mir ja leider die Schuld, dass er hier aufgetaucht ist, weil ich ja vor ein paar Jahren ein paar Blogs auf Reddit übersetzt habe. (Wobei mir hier auch Fehler unterlaufen sind. DeepL ist zwar großartig, hat aber mit einigen sprachlichen Eigenheiten doch ein paar Probleme.) Der Typ hat es sich echt zum Hobby gemacht, Kritiker des großen Vorsitzenden zu belästigen. (Ich hab da ohne es wollen mal was auf Twitter gefunden, aber lassen wir das….)

        Im Prinzip ist vom Musk Fandom sowieso quasi nur noch SpaceX übriggeblieben. Tesla bröckelt schon seit ein paar Jahren und über Twitter müssen wir glaube ich nicht reden. (Den komischen tanzenden „Roboter“ verdrängen glaube ich sogar Hardcorefans.) Aber Raumfahrtfans tendieren sowieso schon seit Jahrzehnten nach jedem Strohhalm zu greifen. (Ein paar 90er Jahre Bücher, die ich habe, sind aus heutiger Sicht recht witzig, vor allem wen man sieht wie die frühen „Newspacer“ wie Zubrin und Co. sich ettliche „Wahrheiten“ zurechtbiegen…)

  2. „Zum anderen hebt das den Wert seiner Firmenanteile, weil deren Wert in den USA nicht nach wirtschaftlichen Zahlen gemessen wird, sondern nach Erwartungen.“
    Das ist nicht nur in den USA so sondern überall. Die Wirtschaftlichen Zahlen der Vergangenheit sind nur ein Hinweis wie es weiter laufen könnten.

    Zu den Startkosten. Ich gehe davon aus das SpaceX sich da derzeit eine goldene Nase verdient. Der Marktanteil ist in einem Bereich wo man, je nachdem welche Länder und Auftraggeber man rechnet, von einem Monopol sprechen kann. Die haben also überhaupt keinen Grund die Preise zu senken. Schade das die keine Aktiengesellschaft sind, dann hätte man Geschäftsberichte.

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