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Nachdem mein Falcon 9 Artikel sowie der über die Entwicklung der Falcon 9 doch etwas abgehangen ist, denke ich, mache ich mal einen Artikel dazu. Das ich die Artikel zu den Falcons nicht mehr aktualisiert habe liegt zum einen an den schnell steigenden Startzahlen die dies aufwendig machen und zum anderen daran dass die Firma selbst immer weniger technische Informationen veröffentlichte, seit einem Jahrzehnt praktisch gar keine mehr. Zuerst mal, worum es hier NICHT geht: nämlich eine Einsatzgeschichte der Falcon 9. Ebenso habe ich die wirtschaftliche Seite weitestgehend weggelassen, die kennt auch kein Außenstehender, auch wenn eine Recherche ergab, dass die Falcon 9 trotz Wiederverwendung in der Herstellung erstaunlich teuer ist. Die wenigen Daten, die man hat, zeigen, dass das Merlin-Triebwerk trotz der enormen Stückzahl (12 neue Erststufen und 150 Zweitstufen = ~250 Triebwerke pro Jahr) recht teuer ist, und die Zweitstufe, obwohl auch von ihr 10–20-mal mehr Exemplare als von der Konkurrenz gefertigt werden,.
Ich nutze den Artikel, um einige Kritikpunkte, die ich schon vor einem Jahrzehnt machte, nochmals anzubringen und konsolidiert zu erklären. Es handelt sich um bewusste Falschinformationen, oder umgangssprachlich "Lügen". Ich weiß, SpaceX-Fans ignorieren dies, aber wenn eine Firma einen schon bei technischen Angaben belügt, wie ist es dann erst bei wirtschaftlichen Daten? Wobei ich denke, die schlechte Bilanz der Testflüge des Starships und der Tatsache, dass die bisherigen Versionen praktisch keine Nutzlast haben, vielleicht dem einen oder anderen Fan zum Umdenken bringen.
SpaceX spricht von mehreren Versionen der Falcon 9. Die Benennung ist nicht eindeutig; mal gibt es eine Versionsnummer "1.0", mal eine Blocknummerierung wie bei der Saturn, mal eine Abkürzung wie FT für "Full Thrust". Da es für keine Version außer der ersten viele technische Daten gibt, kann ich nur drei Versionen unterscheiden:
Die erste Version wog 314 t und war mit Nutzlastverkleidung knapp 55 m lang. Sie wurde mit Merlin 1C angetrieben, denselben Triebwerken wie bei der Falcon 1. Ihre Nutzlast war zu gering, sie reichte aus für die COTS-Testflüge der Fracht-Dragon (aber ohne nennenswerte Nutzlast) und leichte Kommunikationssatelliten in den GTO. Reklamiert wurden 10.450 kg Nutzlast in den LEO und 4.536 kg in den GTO. Erst nach dem Ausmustern wurde bekannt, dass sie nur eine Nutzlast von 6.800 / 3.000 kg hatte, was ich auch anhand der Startmasse abgeleitet habe. Sie wurde nur fünfmal eingesetzt.
Danach wurde die Rakete gestreckt. Der Transport über die Straße ließ keine Verbreiterung zu; zudem ist das Strecken einfacher, ein größerer Durchmesser bedeutet praktisch eine Neukonstruktion. Neben der Verlängerung wurde auch die Triebwerksanordnung von einer 3×3-Matrix auf einen Kreis geändert. Mich wunderte schon damals diese komische Anordnung, da sie die Schubvektorregelung unnötig umständlich macht. Eine kreisförmige Anordnung ist nicht nur spiegelsymmetrisch zu bestimmten Achsen, sondern für jeden Drehwinkel.
Die erste Version wog rund 505 t, die heutige 549 t. Sie sind 68,3 bzw. 70,1 m lang. Die kleine Verlängerung wurde durch eine leichte Schubsteigerung der Merlins erreicht. Diese Version setzt Merlin 1D ein, die mit bedeutend höherem Brennkammerdruck arbeiten und so mehr Schub liefern. Damit begannen die Bergungsversuche, die nach einigen Fehlschlägen inzwischen fast immer klappen. Nach geleakten Informationen beträgt die Nutzlast dieser Version 6,5 t in den GTO ohne Wiederverwendung bzw. 5,5 / 3,5 t bei See-/Landbergung. Einen versteckten Hinweis liefert die Preisangabe, die sich auf eine Nutzlast von 5,5 t bezieht, dem Maximum für einen GTO. Die maximale LEO-Nutzlast kann man aus den Starlink-Starts ableiten; je nach Bahnhöhe/-neigung liegt sie bei 16 bis 17 t. Die Webseite gibt dagegen seit Jahren die falsche Angabe 8,3 / 22,7 t an.
Die Falcon 9 ist von der Technik her Stand der Sechzigerjahre, als die USA LOX/Kerosin-Raketen mit Nebenstromtriebwerken einsetzten, wie bei der Thor, Atlas oder Saturn. Das gilt auch für das Merlin-Triebwerk. Es ist ein Nebenstromtriebwerk, in der aktuellen Version im Schub vergleichbar mit dem H-1 der Saturn V oder dem LR-79 der Atlas oder Thor. Besonders ist die enorme Schubsteigerung, die seit der ersten Version den Schub verdoppelt hat.
Neben den Nutzlastangaben, die nicht stimmen, beginnen bei den Merlins schon die falschen Angaben. So soll es nur 470 kg wiegen, was ein Schub-/Gewichtsverhältnis von 180 bedeutet. Wer sich mit Triebwerken auskennt, der weiß, dass selbst große Nebenstromtriebwerke selten auf ein Schub-/Gewichtsverhältnis von mehr als 80 bis 100 kommen. Hauptstromtriebwerke, wie sie bis vor wenigen Jahren nur die Sowjetunion entwickelte, liegen etwas besser bei 120 bis 150. Das aktuelle Raptor in dieser Technik hat ein Schub-/Gewichtsverhältnis von 140, also ein typisches für Hauptstromtriebwerke. Es wäre somit trotz überlegener Technik schlechter als das zehn Jahre ältere Merlin.
Wie soll das möglich sein? Es ist eigentlich nicht möglich. Aus physikalischen Gründen sind Hauptstromtriebwerke bei gleichem Schub immer leichter. Ich bin ein Mensch, der alles logisch durchdenkt, und so suche ich nach einer Erklärung der Massenangabe von 470 kg. Was zu den 470 kg passen würde, wäre die reine Brennkammer ohne Turbopumpen und Düse. So wiegt die Brennkammer des etwas schubstärkeren Vulcain (ebenfalls Nebenstromtriebwerk) rund 600 kg. Letztendlich spricht die geringe Nutzlast ohne Wiederverwendung gegen die Angabe, denn bei einer LOX/Kerosin-Rakete machen die Triebwerke den Großteil der Masse aus (bei der Version 1 wog der Triebwerksblock ungefähr die Hälfte der ersten Stufe; solche Angaben waren damals noch verfügbar).
Das Erhöhen des Brennkammerdrucks hat auch den spezifischen Impuls, der zuerst relativ niedrig war, auf 3.050 m/s im Vakuum bei der ersten Stufe gesteigert. Das Merlin Vacuum der zweiten Stufe soll dagegen einen spezifischen Impuls von 348 s = 3.413 m/s aufweisen. Diese enorme Steigerung um 400 m/s nur durch eine verlängerte Düse ist unmöglich. Man kann dies qualitativ abschätzen, indem man die spezifischen Impulse anderer LOX/Kerosin-Triebwerke von Erst- und Oberstufen vergleicht. Diese erreichen je nach Düsenlänge 100 bis 200 m/s mehr. Quantitativ kann man dies mit Tools wie FCEA2 bestimmen. Setzt man die bekannten Daten dort ein und bildet ein gewichtetes Mittel aus eingefrorenem und freiem Gleichgewicht (20:80 – diesen Wert erhält man, wenn man bei anderen LOX/Kerosin-Triebwerken ähnliche Vergleiche anstellt), so kommt man auf 3.265 m/s für das Erststufentriebwerk und 3.597 m/s für die Vakuumversion, also ein Unterschied von rund 300 m/s.
Der Unterschied der FCEA-Ergebnisse zu den realen Angaben beruht auf der Tatsache, dass ein Teil des Treibstoffs nicht für Antriebszwecke verwendet wird, sondern für den Antrieb der Turbinen – daher auch die Bezeichnung Nebenstromtriebwerke. Wenn das Erststufentriebwerk um rund 210 m/s schlechter als die theoretische Performance ist, so sollte dies auch für die Vakuumversion gelten, bei ihr sogar noch mehr, da durch die längere ungekühlte Düse mehr Energie verloren geht – sie glüht auf den Abbildungen. Bei einer gekühlten Düse wird diese Energie wenigstens genutzt, um den Treibstoff zu erwärmen, sodass dafür nicht die Energie aus der Verbrennung stammt. Ich habe in meinen Simulationen das Triebwerk mit einem spezifischen Impuls von 3.340 m/s angenommen. Auch hier suche ich nach einer logischen Erklärung, und wenn man ignoriert, dass das Triebwerk Treibstoff für die Turbopumpenförderung benötigt – man also nicht den spezifischen Impuls des ganzen Triebwerks, sondern nur der Brennkammer nimmt – dann wäre der Wert von 3.413 m/s möglich. Auch das ist eine bewusste Falschangabe.
Bei der ersten Version gab Elon Musk an, dass die Tanks aus der Aluminium-Legierung 2195 bestehen. Dies ist die modernste Legierung, die auch beim Space-Shuttle-Tank eingesetzt wurde und dafür sorgte, dass die Nutzlast für die ISS entscheidend anstieg. Je nach Temperatur ermöglicht sie um 25 bis 40 Prozent Gewichtseinsparungen. Doch sie ist auch teurer, weshalb die NASA sie erst beim ISS-Aufbau einsetzte, der sonst viel mehr Flüge erfordert hätte. Tanks machen bei der Treibstoffkombination LOX/Kerosin mit seiner hohen Dichte aber sowieso nicht den Löwenanteil am Leergewicht aus. Schon mit der Standard-Aerospace-Legierung 2219 wiegt ein Tank nur ein 75-stel des Inhalts. Zum Vergleich: Eine 1,5-l-PET-Flasche wiegt 48 g oder 1/31-stel des Inhalts.
Ebenso ambitioniert ist, dass beide Stufen Integraltanks aufweisen. Das ist ein Tank, der durch einen flachen Zwischenboden die beiden Flüssigkeiten trennt. So ein Zwischenboden ist aufwendig zu fertigen. Er muss flach sein, damit man den unteren Tank maximal füllen kann; er muss isoliert sein, sonst würde der um 200 Grad Celsius kältere Sauerstoff verdampfen und das Kerosin zu Eis erstarren. Neue kommerzielle Entwürfe (Atlas V, Ariane 6) setzen eher auf getrennte Tanks, auch wenn die zusätzliche Leermasse der Böden und vor allem der Zwischentanksektion, die nicht durch Innendruck stabilisiert ist, die Nutzlast absenkt. Aber so kann man pro Stufe vier identische Tankdome fertigen, anstatt zweierlei verschiedene. Das ist kostengünstiger.
Alles zusammen spricht Elon Musk von einem Start-/Leermasseverhältnis von 30 bei der ersten Stufe (ohne Adapter) und „nahezu 25“ bei der zweiten Stufe. Damit wäre die um 60 % größere Erststufe sogar um 3 t leichter als die der ersten Falcon-Version ( Start-/Leermasseverhältnis 16). Das erscheint kaum glaubhaft; auf so niedrige Werte kamen nicht mal die ICBM-Versionen der Erststufen der Titan und Atlas, und diese waren bedeutend leichter als die für Trägerraketen vorgesehenen Versionen. Der Unterschied beruht auf den höheren Belastungen bei Max-Q durch die oberen Stufen und die Nutzlastverkleidung die eine Versteifung nötig machte. Bei Stufen mit einer Mischung über 100 t Masse liegen bei verschiedenen Trägern die Strukturfaktoren bei 17 bis 18. In diesem Bereich liegen Atlas, Titan, Saturn V, Atlas V und Superheavy-Erststufen. Gerade die SuperHeavy spricht dafür, dass sich der Wert von 30 bzw. 24 vielleicht nur auf die Masse ohne die Triebwerke bezieht.
Ein einziges System wurde beim Übergang von der ersten zur heutigen Version kleiner: Die Nutzlastverkleidung wurde von 15,24 auf 13,9 m verkürzt. Sie reicht aus für Kommunikationssatelliten in GTO-Bahnen, ebenso wie die meisten kommerziellen Starts in den LEO, da dort selten die maximal mögliche Nutzlast der Falcon 9 ausgeschöpft wird. Wäre dies der Fall, so wäre sie zu klein. Bei Abbildungen der Starlink-Satelliten vor der Verkleidung wird deutlich, dass sie auch hier an die Grenze gekommen ist. Das schränkt, weil die Verkleidung dieselbe ist, den Einsatz der Falcon Heavy ein. Das dürfte auch der Grund sein, warum SpaceX keine Falcon Heavy für Starlink-Transporte einsetzt, obwohl man so dreimal schwererer Nutzlasten transportieren könnte, aber man hat eben nicht den Platz dafür.
Nach Elon Musk macht die Verkleidung aus CFK 10 Prozent des Startpreises aus – das ist viel für eine Verkleidung. Es gab daher auch eine Klage von SpaceX gegen ULA, dass ihre Vertragsfirma Oerlikon Contraves, die die Nutzlastverkleidungen für Atlas V, Vulcan, Ariane 1–6 und die Vega fertigt, auch Aufträge von SpaceX annehmen dürfen sollte. Offensichtlich sind diese Verkleidungen entweder besser oder billiger als die selbst produzierten.
Die Verkürzung der Nutzlastverkleidung ist ein weiterer Hinweis, dass die Rakete nicht mehr weiter verlängert werden kann. Auf sie wirken aerodynamische Kräfte beim Aufstieg ein, und vor allem bei dem langen Erststufentank sind diese dann wohl so groß, dass man bei einer weiteren Verlängerung die Tanks versteifen müsste, was die Leermasse wohl mehr erhöht als den Nutzen durch mehr Treibstoff.
Es gab Versuche, die Verkleidung zu bergen, was auch gelang, doch nach einigen Versuchen hat man dies wieder eingestellt. Die hohen Kosten der CFK-Verkleidung sind vielleicht ein Grund, warum Elon Musk beim Starship auf den viel billigeren Edelstahl setzt.
Bei den ersten Starts gab SpaceX noch die Treibstoffzuladung bekannt, bei dem aktuellen Modell ist sie nur aus der Brennzeit, dem Schub und dem spezifischen Impuls berechenbar. Man kommt mit den Werten auf der Website auf 114.080 kg bei der zweiten Stufe und 437.975 kg bei der ersten – mithin mehr, als die Rakete wiegt (551.055 kg Treibstoff versus 549.054 kg für die ganze Rakete). Allerdings können die Triebwerke, die drosselbar sind, dieses Feature zum Ende der Brennzeit nutzen, und die Angabe ist daher zu hoch.
Bei den letzten Versionen wurde dann noch unterkühlte Flüssigkeiten getankt. Jede Substanz wird dichter, wenn die Temperatur sinkt, da sich die Moleküle dann weniger stark bewegen. Kerosin ist ein Substanzgemisch; ab −20 Grad Celsius fallen die ersten Wachse aus. Das darf nicht geschehen, sonst blockieren sie Leitungen oder schädigen Turbopumpen, wie dies beim Starship passiert(e). Komplexer ist es beim flüssigen Sauerstoff. Wie jedes verflüssigte Gas hat er bei der Produktion eine Temperatur knapp unter dem Siedepunkt von 90 K. Bei 51 K gefriert er. Weiter abkühlen kann man ihn direkt nur mit verflüssigten Gasen mit einem noch niedrigeren Siedepunkt, das sind Stickstoff, Wasserstoff und Helium. Das wäre aber sehr teuer. Stattdessen nutzt man eine Eigenschaft jeder Flüssigkeit aus: Es verdampft ständig Sauerstoff; zum Verdampfen braucht er Energie, die er der Umgebung – und das ist vor allem der restliche Sauerstoff – entzieht. Dieser flüssige Sauerstoff kühlt dadurch ab. Saugt man nun den verdampfenden Sauerstoff ab und forciert so das Verdampfen und ersetzt den Verlust durch frischen Sauerstoff, den man unten in die Tanks einbringt, so kann man ihn abkühlen.
Der Effekt ist aber klein. Der Wärmeausdehnungskoeffizient der Flüssigkeiten beträgt 0,83–0,87×10⁻³ K-1 bei Kerosin und 0,9–0,93×10⁻³ K-1 bei Sauerstoff. Maximal um 40 K kann man beide Substanzen abkühlen. Wenn man das Mischungsverhältnis nicht verändert, so begrenzt der niedrigere Wert für Kerosin die Temperaturspanne. Doch selbst bei 40 K Unterschied kann man so nur maximal 3,4 Prozent mehr Treibstoff zuladen. Genutzt wird eine Abkühlung des Sauerstoff sauf -207 ° Celsius und des Kerosin auf -7 ° Celsius. Das entspricht etwa 2,5 Prozent mehr Zuladung. Die Technik ist kein Feature, sondern eher das Eingeständnis, dass man die Rakete nicht mehr verlängern kann und so auf diesen Trick zurückgreifen muss, anstatt die Tanks weiter zu verlängern. Die Technologie von unterkühlten Treibstoffen wird eher selten eingesetzt, bekannt ist zum Beispiel der geplante Einsatz bei der sowjetischen N-1, die in der ersten Version auch weit unter der geplanten Nutzlast lag.
Nimmt man die offiziellen Angaben für Schub, spezifischen Impuls und Abmessungen und die Strukturfaktoren von 30 und (nahezu 25, ich setze hier 24 an), so kann man die Rakete, wie sie wäre, rekonstruieren, und diese habe ich in meine Aufstiegssimulation eingespeist, die sehr akkurat ist und die Nutzlasten auf 1 % genau berechnen kann. Und – nicht sonderlich überraschend – kommt tatsächlich die Nutzlast heraus, die SpaceX reklamiert: Ich errechne 8.200 kg in den GTO. Ich vermute, so war dies geplant, aber das war vor den Bergungsversuchen.
Bei diesen kamen die ersten Raketen in Bruchteilen zurück zur Erde. SpaceX hat wohl keine Computersimulation durchgeführt und die Kräfte, die entstehen, wenn eine Rakete mit dünnen Tankwänden mit Mach 8 bis 10 auf die Atmosphäre trifft, unterschätzt. Danach muss man wohl die Struktur massiv verstärkt haben, was zusätzliche Leermasse addiert. Zusätzlich führt die Falcon 9 ein Bremsmanöver durch, sonst würde sich die Haut aus Aluminiumlegierungen zu stark erhitzen und an Festigkeit verlieren. Bei der Superheavy mit Edelstahl als Werkstoff und höherem Schmelzpunkt ist diese Abbremsung nicht nötig.
Die echten Nutzlasten sind aus einer Präsentation von Königsmann bekannt, sie betragen für einen GTO-Orbit mit einem Δv von 1.800 m/s:
3.500 kg bei einer Rückkehr zum Startplatz
5.500 kg bei einer Landung auf dem Dronenschiff
6.500 kg, wenn die Erststufe verloren geht
Für die Falcon Heavy gilt:
8.000 kg, wenn die Booster an Land landen, die Zentralstufe auf dem Dronenschiff
10.000 kg, wenn alle Booster auf Dronenschiffen landen
15.000 kg, wenn alle Booster verloren gehen
Die Einbuße bei der Falcon Heavy ist noch größer, weil ihre Umsetzung sich als nicht so einfach entpuppte. Damit man die Booster so anbringen konnte, dass diese den Belastungen beim Start standhielten, musste die Zentralstufe massiv verstärkt werden, was das Gewicht nach Musk um mehrere Tonnen erhöhte. Die Umsetzung war so schwierig, dass Musk die Rakete einstellen wollte, doch Gwen Shotwell konnte dies verhindern. Die Falcon Heavy fliegt zwar selten, ist aber wichtig für das Portfolio, vor allem für Aufträge seitens des DoD und der NASA. Das dieses "Upgrade" mehr als das Zusammenfassen von drei Stufen war, zeigt auch das die Falcon Heavy erst fünf Jahre nach der Falcon 9 ihren Jungfernflug hatte, geplant war das sie ein Jahr nach der kleineren Schwester ihren Einstand hat.
Aus dem gleichen Grund hat man das angekündigte Cross-Feeding – also das Verbinden der Treibstoffleitungen der drei Stufen, sodass zuerst der Treibstoff der beiden Seitenbooster verbraucht wird – aufgegeben. Das hätte mehrere Vorteile gehabt. Zum einen sinkt deren Brennzeit um ein Drittel, was die Gravitationsverluste reduziert; dann ist die Beschleunigung größer, da das zentrale Triebwerk nicht heruntergefahren werden muss, sonst hätte es mit den Seitenboostern Brennschluss, und zuletzt sorgt die kürzere Brennzeit dafür, dass der Brennschluss näher am Startort stattfindet und man weniger Treibstoff für die Landung braucht.
Bisher wurde keine Zentralstufe der Falcon Heavy erfolgreich geborgen. Bei 11 Missionen gab es 19 Bergungen, würde man alle Stufen bergen so wären es 33. Auch von der Wiederverwendung her ist diese Version auch nicht ideal, was schon ein Vorgeschmack auf die Probleme beim Starship lieferte. Für eine Reihe von Orbits kann man die reale Performance der Raketen bei der NASA-Performance-Website einsehen. Für einen Mars-Transferorbit (c3 von 16 km²/s²) liefert sie für die Falcon Heavy 4.340 kg bei Bergung und 10.975 kg bei Bergung, SpaceX reklamiert 16.800 kg.
Auch wenn SpaceX dies betont, ist die Bergung an sich nichts Komplexes. Sie stellt keine technische Herausforderung dar, sondern eine wirtschaftliche. Sowohl bei der Landung auf dem Dronenschiff, wie auch an Land wird die Stufe vor der Landung abgebremst, um die aerodynamischen Kräfte zu reduzieren. Bei der Landlandung muss der Weg zum Startort zusätzlich zurückgelegt werden, was weiteren Treibstoff kostet. Bei der Landung selbst wird die verbliebene Restgeschwindigkeit durch ein einzelnes Triebwerk vernichtet. Der Treibstoff steht nicht für den Aufstieg zur Verfügung und dies senkt die Nutzlast.
Die punktgenaue Landung sieht beeindruckend aus, beruht aber auf der heute möglichen Positionsbestimmung mit GPS auf wenige Zentimeter genau und Computern die im Bruchteil einer Sekunde die nötigen Korrekturen berechnen können. Eine ähnliche Technik nutzen auch Landwirte, die ihre Maschinen unbemannt nur durch GPS durch die Felder steuern und dabei weder Grenzen verletzen noch neben dem Unkraut auch das Gemüse entfernen.
Es ist ja nicht so, dass man Wiederverwendung schon vor der Falcon 9 nicht untersucht hätte. In allen Fällen war es so, dass sie technisch möglich war, aber es nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Neben den Kosten für die Bergung kommen weitere für eine Inspektion hinzu. Die aufwendige Wartung war auch der Grund, warum das Space Shuttle, das ja schon 30 Jahre vor der Falcon 9 die Wiederverwendung durchführte, nicht billiger als eine Trägerrakete war. Auch von ULA hört man seit Jahren nichts mehr von der geplanten Bergung der Triebwerke der ersten Stufe, die bei Entwicklungsbeginn der Vulcan angekündigt wurde.
Das Hauptproblem ist aber, dass durch die Wiederverwendung die Produktionszahlen sinken. Dann kommt man rasch an eine Grenze, wo die Belegschaft nichts zu tun hat, aber als qualifiziertes Personal nicht entlassen werden kann, ohne dass Erfahrung verloren geht. Eine US-Firma hat eine Chance, auf genügend hohe Starts zu kommen, selbst wenn man durch die Bergung weniger Erststufen produziert, da DoD, NRO und NASA zusammen mehr Starts benötigen als der Rest der Welt (ohne China) und so auf die benötigten Stückzahlen kommt. Durch die Starlink-Starts, die inzwischen die meisten Starts ausmachen, ist dies erst recht gegeben. Der Aufbau der Falcon 9 - identischer Durchmesser der stufen, gleiche Triebwerke in beiden Stufen - sorgt zudem für Synergien, so hat man selbst wenn man weniger Erststufen produziert durch die immer noch benötigten Oberstufen einen hohen Bedarf an Merlins und Tanksegmenten. Die meisten anderen Träger setzen in beiden Stufen dagegen unterschiedliche Triebwerke und meist auch andere Treibstoffe ein.
Seltsamerweise ist die Falcon 9 seit der Einführung nicht billiger geworden. Elon Musk versprach eine Reduktion, wenn die Wiederverwendung klappt, des Startpreises auf 5 bis 6 Millionen Dollar. Aber stattdessen stieg er von 59 auf 69,5 Millionen Dollar. Veröffentlichte Startpreise der NASA und des DoD liegen nochmals deutlich höher. Real ist ein Falcon 9-Start nicht preiswerter als bei anderen Launch-Service-Providern, nachdem diese ihre Fertigung verbessert haben und neue Modelle herausbrachten (Vulcan, Ariane 6). Bei der letzten Bestellung im März 2025 des DoD erhielt SpaceX 5,8 Milliarden Dollar für 28 Missionen, ULA 5,3 Milliarden für 19 Missionen, Blue Origin 2,3 Milliarden Dollar für sieben Missionen. Berücksichtigt man das Vulcan und New Glenn in der Nutzlast vergleichbar mit der Falcon heavy sind, der Auftrag aber auch Starts für die Falcon 9 enthält so ist SpaceX nicht günstiger als die Konkurrenz. Der durchschnittliche Startpreis liegt bei 211 Millionen Dollar, die Website nennt 69,5 bzw. 97 Millionen Dollar. Der Start ist also mehr als doppelt so teuer wie angegeben. Der Hauptvorteil von SpaceX ist nicht der Startpreis, sondern die Flexibilität, die sich daraus ergibt, dass durch die hohe Startfrequenz immer Träger zur Verfügung stehen, um kurzfristig Aufträge anzunehmen.
Letztendlich hat SpaceX mit den Starlink-Netzwerk selbst für die hohe Tastfrequenz gesorgt, damit eine Fertigung trotzdem wirtschaftlich ist. Anders als in Kommentaren verdient sich die Firma aber nicht "Dumm und dämlich", obwohl - selbst wenn es keine Wiederverwendung gäbe - alleine durch die viel höhere Stückzahl die Fertigungskosten drastisch gesunken sein müssen. Für 2025 wird ein Umsatz von 15,5 Milliarden Dollar bei einem Gewinn von 20 Prozent des Umsatzes prognostiziert. Das ist prozentual mehr als bei klassischen Aerospace-Firmen bei denen etwa 10 Prozent des Umsatzes als Gewinn übrig bleiben. Ein Großteil - 12 Milliarden entfällt aus Starlink, 1,1 Milliarden auf die NASA. Starlink scheint nun aber an einer Sättigungsgrenze angekommen zu sein. In Großstädten in Afrika wie Nigeria akzeptiert die Firma keine neuen Kunden und in den letzten Wochen gab es mehrmals globale Ausfälle des Netzwerks über Stunden. Die Datenrate ist in den meisten Regionen kontinuierlich gesunken und inzwischen garantiert SpaceX nur noch 8 MBit/s. Alle Faktoren zeigen, dass die Firma zunehmend Probleme hat die Kunden zu versorgen und dringend weitere Satelliten benötigt, die eigentlich ja mit dem Starship gestartet werden sollten.
Allerdings hat Donald Trump die Förderrichtlinien für Breitbandanschlüsse für schlecht erschlossene Regionen abgeändert, sodass nur noch Funknetzwerke gefördert werden. Dies könnte SpaceX weitere 38 bis 42 Milliarden Dollar einbringen, ein Vielfaches des derzeitigen Umsatzes.
Seit April 2023 erfolgen nun die Testflüge des Starships; derzeit sind zehn erfolgt. Kein einziger erreichte einen Orbit. Nur ein- bis zweimal gelang das weiche Landen eines Starships. Ein Starship wurde sogar am Boden zerstört. Dazu kommen weitere Prototypen, die nicht einmal eine suborbitale Bahn erreichten. Gebaut wurden bisher 37 Starships und 17 Superheavy-Erststufen.
SpaceX hat in den letzten Jahren die meisten Starts weltweit durchgeführt, 2024 sogar mehr als alle anderen Länder und Firmen zusammen. Die Firma sollte durch die vielen Starts über eine enorm hohe Expertise verfügen. Warum scheitert sie beim Starship?
Bei der Falcon 9 war SpaceX noch klein und vergab viele Aufträge an andere Firmen. Diese mussten Komponenten wie Turbopumpen bauen, die auf Jahrzehnten technischer Expertise basieren, denn die Falcon 9 ist größtenteils Technik der Sechzigerjahre. Das ist, wie wenn man Porsche beauftragt, den Motor des VW-Käfers nachzubauen.
Beim Starship entwickelt SpaceX selbst. Meiner persönlichen Meinung nach hat SpaceX zwar gelernt, die Designs, die Drittfirmen entwickelten, zu kopieren und zu verbessern, aber sie haben bisher eben nichts selbst entwickelt. Die fehlende Kompetenz zeigt sich in den skurrilen Ursachen der Fehlschläge der Tests. Es ist auch ein Unterschied, eine Rakete zu fertigen oder sie zu konstruieren. Wie bei anderen Gütern, z. B. Autos, braucht man für das Fertigen nur Facharbeiter, für die Konstruktion dagegen Ingenieure, die Erfahrung haben und nicht frisch von der Hochschule kommen. Das erklärt meiner Ansicht nach die bisher eher schlechte Bilanz der Testflüge.
Beim Starship kommt hinzu, dass hier die Firma in vielen Bereichen technologisches Neuland betreten muss. So wurde noch kein Triebwerk mit der Arbeitsweise der Raptoren in den USA entwickelt, bei dem BE-4 von Blue Origin, das mit einer ähnlichen Technologie arbeitet, verzögerte sich die Entwicklung um Jahre. Ebenso wurde das Material für den Hitzeschutzschild zwar schon in den Neunzigern von der NASA entwickelt und seitdem in der X-37B eingesetzt, aber alleine durch die große Oberfläche und die Form können Erfahrungen vom X-37B nicht auf das Starship übertragen werden.
Das Versagen bei den Tests beruht aber nicht auf der Tatsache, dass man kein komplettes Starship oder auch nur eine Superheavy über die volle Brenndauer testen kann. Das konnte man bei den Falcon-9-Erststufen auch nicht. Die inkrementelle Entwicklung erfordert mehr Tests, doch dass diese scheitern, ist mehr mangelnder Sorgfalt, Leichtsinn und mangelnden Tests im Vorfeld, die mit dem Start nichts zu tun haben, zuzuschreiben. So explodierte das Starship 36, nachdem eine Druckgasflasche barst. Erst danach fing man an, diese vor dem Einbau zu überprüfen und entwickelte nicht-destruktive Testmethoden.
Was dagegen gleich blieb, ist, dass unrealistische technische Werte genannt werden, so physikalisch nicht erreichbare spezifische Impulse beim Raptor Vakuum oder Nutzlastangaben, die – das ist aus dem verbleibenden Resttreibstoff bei den Testflügen errechenbar – bei weitem nicht erreicht werden. Das Starship V1 sollte 100 t Nutzlast haben, lag bei den vier Tests, die einen Orbit erreichten, aber bei 30 bis 45 t mit abnehmender Tendenz. Das Starship V2 soll 200 t Nutzlast erreichen, die beförderten Starlink-Simulatoren wiegen aber nur 12 bis 20 t, und die Nutzlast kann man auf etwa 70 t anhand des Resttreibstoffs abschätzen.
Artikel erstellt am 18.9.2025, Artikel zuletzt geändert am 19.9.2025.
Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.
Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:
Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.
Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.
Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.
Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:
und
Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)
Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:
US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)
US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie
2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.
Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.
Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.
Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.
Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.
Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.
© der Bilder: SpaceX
© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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