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Gravitationsverluste - am Beispiel demonstriert

Der folgende Artikel ist eine Zusammenfassung von zwei Blogeinträgen, die man hier und hier findet. Im Blog kann man auch fragen stellen, ich denke aber das er auch in die Grundlagenrubrik gut passt, habe ihn dafür aber nicht neu geschrieben. Wie alle Blogbeiträge ist der Fokus etwas enger und ich versuche an Beispielen Prinzipien zu demonstrieren.

Die Größe von Oberstufen und ihr Schub

Vieles kann man mit der Raketengrundgleichung berechnen, aber manchmal führt sie einen doch in die Irre. Dinge, die dazu gehören, sind Masse und der Schub von Oberstufen. Aber ich erkläre erst mal das Problem.

Eine Rakete hat, bis sie die Bahn erreicht "Verluste", klingt als Wort etwas blöd, aber hat sich sogar im englischen eingeprägte, dort wird von "losses" geredet. Die Hauptverluste sind die Gravitationsverluste. Sie entstehen dadurch das damit eine Rakete einen stabilen Orbit erreicht sie erst einmal die Höhe erreichen muss in der dieser stabil ist, erst dann kann sie beginnen den größten Teil der Orbitgeschwindigkeit, die tangential zur Erdoberfläche zu erbringen ist aufzubringen. Das tut zum größten Teil die Oberstufe(n). Vorher muss sie vertikal beschleunigen, wobei die Endgeschwindigkeit in der Vertikalen so hoch sein muss das sie zumindest die Höhe erreicht, in der ein Orbit stabil ist, das sind etwa 160+ km. Diese Hubarbeit verringert zwar etwas die Orbitalgeschwindigkeit, aber nur wenig, sie ist daher ein Verlust.

Ein zweiter Verlust entsteht dadurch das während die erste Stufe das tut sie auch Treibstoff in diese Höhe transportiert, das heißt je schneller sie die vertikale Mindestgeschwindigkeit aufbaut desto geringer sind die Verluste. Beide zusammen werden im Englischen unter "gravitational losses" zusammengefasst,

Aus den beiden Aussagen ergibt sich, das die Verluste am kleinsten sind, wenn die Startbeschleunigung hoch ist. Ordnet man Raketen nach ihren Verlusten, so haben die kleinsten Feststoffraketen, dann folgen frühe Trägerraketen mit kleinen und schubstarken Oberstufen. Heutige Träger haben dagegen relativ hohe Verluste. Am hinteren Ende stehen dann Träger wie Ariane 5. In gewisser Weise korrespondiert das mit der Zeit die eine Rakete braucht den Orbit zu erreichen: eine Atlas oder Sputnik schaffte das in rund 300 s, eine Ariane 5 ECA braucht die doppelte Zeit dafür. Der Zusammenhang ist aber nicht linear, das heißt doppelte Zeit <> doppelte Gravitationsverluste.

Betrachtung der Erststufe

So gesehen wäre eine Erststufe mit einem hohen Schub also starker Startbeschleunigung besser. Es gibt aber zwei "Abers". Das eine ist mathematisch leicht nachweisbar. Auch wenn eine Rakete nicht linear beschleunigt, richtet sich der Zusammenhang von Weg und Geschwindigkeit nach den bekannten physikalischen Formeln:

v = a * t

s = ½ a * t²

Nur ist a nicht konstant, sondern variabel. Es gilt aber auch, das bei gegebener Treibstoffmenge und spezifischem Impuls die Brennzeit t sich so ergibt:

t = Spez Impuls * Treibstoffmenge / Schub

Wenn nun der Schub steigt, so sinkt t ab, entsprechend sinkt die Brennschlusshöhe ab, allerdings weil a schneller ansteigt, denn von ihm wird ja immer g abgezogen, nicht so deutlich. Hier die Werte für eine Rakete mit ansonsten selben Daten und einem Startwinkel von 70 Grad:

Brenndauer [s]

Startbeschleunigung [m/s]

Gipfelhöhe [km]

Endgeschwindigkeit [m/s]

100 s

24,7

164,7

7.163

120 s

20,6

185,2

7.019

140 s

17,7

202,5

6.873

160 s

15,5

215,9

6.724

180 s

13,7

225,3

6.571

200 s

12,3

230,8

6.414

Man sieht: bei diesem Extremfall nimmt trotz niedriger Startbeschleunigung die Gipfelhöhe zu, obwohl die erreichte Endgeschwindigkeit um 700 m/s kleiner ist. Die theoretische Endgeschwindigkeit wäre übrigens 8008 m/s. Das heißt, es gab zwischen 650 und 1600 m/s Gravitationsverluste. Die schnellere Beschleunigung äußert sich also in kleineren Gravitationsverlusten. Aber der Brennschluss erfolgt bei niedriegr Beschleunigung in immer größerer Höhe.

Trotzdem wird man die Startbeschleunigung so niedrig wie möglich ansetzen, früher waren 1,25 g rund 12,3 m/s üblich, heute gibt es Raketen, die beschleunigen noch gemächlicher bis hinab zu 11 m/s. Warum? Nun wir könnten eine Rakete, die mit 1,5 g startet, nehmen und die Tanks der ersten Stufe so verlängern, das sie nur noch mit 1,25 g startet. Durch den Verbrauch des Treibstoffs wird sie dann irgendwann auch auf 1,5 g Beschleunigung kommen, dann hat sie aber schon eine gewisse Höhe erreicht (steigert den Schub durch geringeren Luftwiderstand und damit den spezifischen Impuls) und eine gewisse Geschwindigkeit. Die kommt nun zu dem Wert von 1,5 g hinzu, das heißt, bei Brennschlussende ist sie schneller. Dafür ist das Trockengewicht etwas höher, da die Tanks ja auch Gewicht darstellen, aber in der Summe bleibt ein deutliches Plus, zumal Tanks viel billiger als Triebwerke sind. Nur wenn ich die Möglichkeit habe, den Schub ohne größere Kosten zu variieren, wie das bei Feststoffraketen der Fall ist, lohnt es sich schnell zu beschleunigen, wobei Startbeschleunigung und Spitzenbeschleunigung zusammenhängen, zu schnell sollte es also auch nicht sein. Bei hoher Startbeschleunigung reicht die Zeit nicht aus, die benötigte Mindesthöhe zu erreichen. Reine Feststoffraketen haben daher Freiflugphasen, in denen die Restrakete weiter steigt. Allerdings verliert sie dabei an Geschwindigkeit. Freiflugphasen sind daher auch nicht optimal.

Aus der Modellierung kann ich als Erfahrungswert einbringen, das eine Rakete mindestens 300 s benötigt um ohne Freiflugphase einen Orbit zu erreichen. Träger, die darunter liegen, kommen meist nicht ohne Freiflugphase aus. Auch eine moderne Feststoffrakete wie die Vega hat eine, allerdings ist die durch die Verlängerung der Brennzeit der ersten Stufe deutlich kürzer geworden. Dass die Brennzeit wichtig für die Höhe der Verluste ist, bedeutet auch, das Erststufen mit hochenergetischen Treibstoffen, die dann natürlich länger brauchen, um die gleiche Treibstoffmenge zu verbrennen, höhere Gravitationsverluste haben als Stufen mit festen Treibstoffen oder mittelenergetischen Treibstoffen.

Als Lösung aus dem Dilemma gibt es bei einigen Trägern die Möglichkeit den Schub zu drosseln, das verlängert die Brennzeit. Das wird z.B. bei der Atlas V so eingesetzt. Die Schubdrosselung setzt erst spät ein und ist meinst an eine Spitzenbeschleunigung gekoppelt, z.B. um sie bei maximal 5 g zu halten.

Die ideale Erststufe würde in der späteren Orbithöhe Brennschluss haben und dann würde die Oberstufe tangential zur Erdoberfläche zünden. Das Gipfelpunkt und Brennschluss zusammenfallen (das ist bei einem konstanten Winkel unmöglich) erreicht man, indem man die Rakete langsam aus der Vertikalen in die Horizontale umlenkt, sodass ein immer kleinerer Teil der Beschleunigung vertikal wirkt und sobald dieser 1 g unterschreitet, die Vertikalbeschleunigung und damit Vertikalgeschwindigkeit wieder abnimmt. Einige frühe Raketen flogen auch genau dieses Profil, so die Scout, Diamant oder Black Arrow. Da die Oberstufe mit Nutzlast wieder fällt, sobald sie diesen Gipfelpunkt der Bahn erreicht hat, ist eine möglichst kurze Brennzeit der Oberstufe von Vorteil. Auch das finden wir bei vielen frühen Oberstufen so der Altair oder den Sergeants.

Bei einer schweren Oberstufe geht das aber meistens nicht. Die erste Stufe hat dann Brennschluss, lange bevor sie die benötigte Orbithöhe erreicht, auch weil die Oberstufe eine zusätzliche Masse darstellt und die die Spitzenbeschleunigung absenkt. Dann muss sie einen "Beschleunigungsvorrat" schaffen - die Oberstufe wird von der Erde angezogen, baut zuerst die noch vorhandene vertikale Geschwindigkeit ab und dann sinkt ihre Bahn wieder ab. Damit sie nicht zu tief sinkt, muss die erste Stufe sie auf eine Bahn schicken, deren Gipfelpunkt deutlich höher als die spätere Orbithöhe ist, das kostet Treibstoff. Als Beispiel habe ich hier die Bahn der Ariane 5 ECA für eine GTO-Bahn wiedergegeben. Der "Buckel" ist deutlich zu erkennen. Die EPS ist so schubschwach, dass sie für LEO Missionen nicht einmal voll betankt werden darf, dann werden nur 50 % des Treibstoffs zugeladen. Der Anstieg am Ende liegt daran, das sobald die Oberstufe die Orbitalgeschwindigkeit erreicht hat sie nicht mehr absinken kann, nun hat sie Schubüberschuss und steigt so wieder an, weil auch ihr Orbit ansteigt. Für die Modellierung sind daher GTO-Bahnen einfacher. Die rote Linie "Sattelhöhe" ist eine Nebenbedingung der Simulation, sie gibt eines Mindesthöhe auf die die Oberstufe durch den geringen Schub nicht unterschreiten darf-

Aber wie schubstark sollte nun eine Oberstufe sein? Das kommt wirklich auf den Einzelfall an. Es hängt von der genauen Auslegung der Rakete ab. Im Allgemeinen ist eine schubstärkere Oberstufe besser als eine schubschwache (bei gleicher Masse). Es kommt aber auch auf die Masse an. Nach der Raketengleichung kann man als Faustregel formulieren (gilt wenn erste Stufe und zweite Stufe ungefähr gleichen spezifischen Impuls haben):

Nehmen wir die Atlas mit rund 129 t Startmasse und einer Nutzlast von (geschätzt) 3 t für einen Orbit bei einer mittelenergetischen Stufe. Dann kommt man auf den Teiler 6,5. Die Oberstufe sollet also rund 19 t wiegen. Berechnet man die Nutzlast (bei kontanten Verlusten) für verschieden schwere Oberstufen, so wird man auch die höchste Nutzlast in dieser Region finden.

In der Simulation ist es nicht ganz so einfach. Die schwere Oberstufe macht es nötig, das man diesen "Buckel" in die Aufstiegsbahn hinimmt, was die Nutzlast wieder absenkt. Ich will dies an der Atlas Agena verdeutlichen. Diese wurde in drei Versionen gebaut, mit der Agena A,B und D Oberstufe, wobei die Agena B und D technisch fast die gleichen Leistungsdaten haben, nur war die Agena D universeller ausgelegt. Agena A und B unterscheiden sich in der Verdoppelung des Treibstoffvorats. In der Nummerierung fehlt die Agena C, das ist eine Agena mit nochmals doppelter Treibstoffzuladung. Sie wurde nie gebaut, wie man an meinen Simulationsergebnissen sehen kann, ist auch klar warum. Dazu kommt noch eine Version, die es ebenfalls nicht gab, eine Agena C mit zwei anstatt einem Triebwerk. Hier erst mal die Nutzlasten dieser Versionen für einen 200-km-Orbit vom CCAF aus:

Typ

Schub

Startmasse

Nutzlast

Startbeschleunigung

Agena A

67,4 kN

3.790 kg

1.900 kg

11,8 m/s

Agena B

71,2 kN

6.667 kg

2.600 kg

7,7 m/s

Agena C

71,2 kN

14.821 kg

2.200 kg

4,2 m/s

Agena C2

142,2 kN

14.821 kg

2.900 kg

8 m/s

Agena D

71,2 kN

6.821 kg

3.000 kg

7,2 m/s

Aufstiegskurven Atlas-Agena VariantenSchaut man sich nun die Aufstiegskurven aller vier Varianten an, so fällt der "Buckel" auf, er tritt bei allen Varianten auf, außer der Agena A die vom Start weg mit mehr als 1 g beschleunigt. Besonders ausgeprägt ist er natürlich bei der Agena C mit der besonders niedrigen Beschleunigung und damit assoziiert auch langen Brennzeit. Sieht man nun die Verluste an, die nach der Ziolkowski Gleichung auflaufen, so ergibt sich folgendes Bild:

Typ

Verluste

Agena A

1.747 m/s

Agena B

1.878 m/s

Agena C

2.536 m/s

Agena C2

1.917 m/s

Agena D

1.678 m/s

Erneut zeigt sich der Zusammenhang zwischen Startbeschleunigung und Verlusten. Die mit 7-8 m/s beschleunigenden Raketen liegen in einer Zone. Die Agena D liegt etwas günstiger als die Agena B da die Leermassen und spezifischen Impuls günstiger liegen. Das drückt sich auch in geringeren Aufstiegsverlusten aus.

Relativ deutlich wird bei der Agena C2, das eine Verdopplung des Schubs eine Nutzlaststeigerung und Reduzierung der Gravitationsverluste bringt. Das ist aber nicht verallgemeinbar. Ich war lange Zeit der Meinung, dass eine Ariane 5 mit einer ECA mit zwei oder drei Triebwerken die Nutzlast deutlich steigert, doch Simulationen zeigen, das dem nicht so ist, bzw. der Gewinn relativ klein ist. Der wesentliche Grund ist, dass die Stufe schon bei Zündung fast Orbitalgeschwindigkeit hat. Die Gravitationsverluste schlagen bei der Erststufe zu.

Ariane 5 - Gravitationsverluste

Nun folgt Teil 2, der sich etwas genauer mit den Erststufen am Beispiel der Ariane 5 beschäftigt. Sie steht stellvertretend für Raketen, die ohne Booster gar nicht mehr abheben können, wie die Delta 2, H-2 oder das Space Shuttle.

Eine der Raketen, die sehr hohe Gravitationsverluste haben, ist die Ariane 5. Das liegt an der Konzeption, aber auch der Geschichte. Die Konzeption ging schon davon aus, dass die Rakete nicht ohne Feststoffbooster abheben kann. Das Haupttriebwerk, ursprünglich 1.000 kN schubstark, wurde schon entwickelt, bevor man die Rakete komplett designt hatte. Als die Rakete genehmigt wurde, das war nach einem dreijährigen Vorentwicklungsprogramm für das Vulcaintriebwerk 1988, war sie primär dazu gedacht den Raumgleiter Hermes zu starten, doch der wurde innerhalb weniger Jahre immer schwerer. Das kompensierte man, indem man Booster, Zentralstufe und Oberstufe vergrößerte, doch das Triebwerk bleib im Schub. Als Folge sinkt die Beschleunigung nach Abtrennung der Booster unter 1 g, eine Situation, die man sonst erst bei Oberstufen hat, aber nicht schon nach 130 s im Flug. Die Rakete lebt dann eine kurze Zeit von der Beschleunigung durch die beiden Booster, bis sie durch den verbrannten Treibstoff wieder leicht genug ist, um mit mehr als 1 g zu beschleunigen. Das ist aber energetisch ungünstig.

Ariane 5 hat daher mit die höchsten Aufstiegsverluste. Sie betragen:

Version

Aufstiegsverluste

Ariane 5G

2.307 m/s

Ariane 5G+

2.298 m/s

Ariane 5GS

2.257 m/s

Ariane 5 ES

2.040 m/s

Ariane 5 ECA

2.000 m/s

Ariane 5 ECB (Ariane 5 ME)

2.002 m/s

Man sieht: innerhalb einer Gruppe (G: Basisvariante, E: Evolutionvariante) sind die Verluste in der gleichen Größenordnung. Bei der Evolution Variante wurde die Zentralstufe verlängert, erhielt aber auch ein neues Triebwerk.

Die ESA untersuchte 2002 Ausbaumöglichkeiten der Ariane 5, darunter auch den Einsatz eines schubstärkeren Triebwerks und kam auf folgende Möglichkeiten:

Schub

Spezifischer Impuls

Zusätzliche Nutzlast laut Dokument

1390 kN Vulcain 2

4248 m/s

0

1500 kN

4228 m/s

+700 kg

1700 kN

4316 m/s

+1.500 kg

2000 kN

4266 m/s

+1.900 kg

Es wurden zwei Varianten eines 1500 kN Triebwerk, ein 1700 kN Triebwerk und sechs unterschiedliche Varianten eines 2.000 kN schubstarken Triebwerks untersucht. Ich habe die Variante, die sich am Vulcain 2 orientiert, aufgenommen. Wie man sieht, steigt die Nutzlast an, aber nicht proportional. Das war jedoch 2002. Seitdem ist einiges passiert. Neben dem Upgradeprogramm gab es zahlreiche kleinere Verbesserungen, die innerhalb von zehn Jahren die Nutzlast der Ariane 5 ECA von 9.600 auf 11.250 kg ansteigen ließen.

Ich habe nun die Versionen selbst simuliert, wobei ich die Daten des Vulcain 2 übernommen habe, nur den Schub angehoben. Pro 100 kN mehr Schub habe ich die Masse um 150 kg erhöht, da das dem Gewichtsanstieg von Vulcain 1 zu Vulcain 2 entspricht.

Schub

Berechnete Nutzlast

zusätzliche Nutzlast

1390 kN Vulcain 2

11.250 kg


1500 kN

12.400 kg

+1150 kg

1700 kN

12.000 kg

+750 kg

2000 kN

12.300 kg

+1.050 kg

Wie man sieht, bringt der höhere Schub eine weitere Nutzlaststeigerung (sie lag, allerdings mit einer anderen Oberstufe beim Übergang von der G auf die E Variante schon bei 900 kg), oberhalb von 1500 kN sinkt die Nutzlast aber wieder ab, da natürlich auch die Rakete schwerer wird. Der Effekt beruht auf zwei Dingen:

der höhere Schub erhöht die Beschleunigung, damit sinkt diese nach Brennschluss der Booster nicht so stark ab, daneben ist auch die Gesamtbeschleunigung höher.

Weiterhin benötigt das Triebwerk für den erhöhten Schub mehr Treibstoff. Dadurch sinkt zum einen die Gesamtbrennzeit, zum anderen hat die Rakete in den 132 s Brennzeit der Booster mehr Treibstoff verbraucht und ist leichter. Hier eine Übersicht dieser Daten (für 12 t Nutzlast)

Schub

Gesamtbrenndauer

Beschleunigung nach 132 s

Restmasse

1150 kN Vulcain 1

583,8 s

7,1 m/s

161,5 t

1390 kN Vulcain 2

533,3 s

7,7 m/s

180,4 t

1500 kN

494,2 s

8,5 m/s

177,2 t

1700 kN

436,0 s

9,9 m/s

171,2 t

2000 kN

370,6 s

12,3 m/s

162,4 t

Aufstiegsdiagramm Ariane 5 ECA VersionenDie Ariane 5 G hatte eine leichtere Erststufe, die rund 17 t weniger als der Ariane 5 E wog. Daher ist ihre Masse bei der Trennung geringer.

Warum untersuchte die ESA schubstärkere Triebwerke, obwohl das Optimum bei 1500 kN lag? Nun ein weiterer Grund waren Kosteneinsparungen von 15 bis 30 Prozent bei einfacheren Triebwerken mit höherem Schub aber niedrigem spezifischen Impuls - der Schub kompensierte so den Verlust durch die weniger effiziente Ausnutzung des Treibstoffs. Die schubstärkeren Triebwerke ließen sich zum Teil deutlich preiswerter fertigen, da sie einfacher aufgebaut waren.

Ein zweiter Grund ist, dass eine schubstärkere Rakete mehr Reserven für schwerere Oberstufen und Nutzlasten hat. Schon bei dem Übergang von der Ariane 5 G zur Ariane ECA stieg die Masse der Oberstufe von 12 auf 19 t an. Die projektierte ESC-B Oberstufe wäre 28 t schwer gewesen.

Schub

Nutzlast mit ESC-B

1150 kN Vulcain 1

10,6 t

1390 kN Vulcain 2

12,6 t

1500 kN

13,3 t

1700 kN

13,9 t

2000 kN

14,7 t

Bei der deutlich schweren Oberstufe bringt mehr Schub einen deutlicheren Nutzlastgewinn. Die Ariane 5G mit ESC-B Oberstufe ist natürlich nur eine hypothetische Rakete. In der Grafik der Aufstiegsbahnen sieht man bei den schubstärkeren Versionen den "Buckel", das heißt, weil die Rakete durch den geringen Schub wieder absinkt, beschleunigen die Feststoffbooster sie zuerst so stark das sie ein temporäres Maximum erreicht. Das ist energetisch ungünstig. Der Anstieg der Stufen zum Ende des Diagrammes hat ihre Ursache darin, das sobald die Rakete Orbitalgeschwindigkeit erreicht hat sie die Bahn ausweitet und an Höhe gewinnt. Auch dieses Gewinnen an Höhe ist energetisch ungünstig und auch hier haben die höchsten Brennschlusshöhen die Versionen mit niedrigem Schub, Bei der 2000-kn-Variante kann man auf diesen "Buckel" komplett verzichten und dafür langsam an Höhe gewinnen, dies aber kontinuierlich. Daher ist hier die Nutzlast auch deutlich höher als bei den anderen Optionen.

Auch bei der Ariane 6 dürften Gravitationsverluste an dem deutlichen Nutzlastunterschied zwischen der Ariane 62 und 64 schuld sein, also den Versionen mit zwei oder vier Feststoffboostern. Jeder der Feststoffbooster, P120C wiegt rund 155 t, hat aber einen Schub der 350 t gegen die Erdanziehung anheben kann. Der Schubüberschuss ist damit noch höher als bei den alten Boostern, daher kommt eine Ariane 62 auch nur mit zweien aus (vier Booster haben in etwa die gleiche Masse wie die zwei alten der Ariane 5), aber die Startbeschleunigung sinkt on 17,4 auf 14,2 m/s ab. Entsprechend kann die Rakete nicht so stark während der Betriebsphase der Booster in die Horizontale umgelenkt werden, sie müssen vor allem die Vertikalgeschwindigkeit aufbauen, von der die Ariane 6 wie die Ariane 5 zehrt, wenn die Booster Brennschluss haben und die Masse dann auf 220 t absinkt, das Triebwerk aber nur 140 t Schub hat. Ariane 6 hat eine noch schwerere Oberstufe und der Einfluss der Booster ist daher noch etwas stärker. Während Ariane 64 über 11 t in den GTO bringen soll, sind es bei Ariane 62 nur 4,5 t.

Vergleichsdigramm lokales MaximaAbsinken erlaubt?

Speziell bei schubschwachen Oberstufen mit langer Brennweite ist eine Frage, wie tief die Rakete sinken kann, wenn sie den "Buckel", also das lokale Maximum passiert hat. Je niedriger dies ist desto höher die Nutzlast. Hier ein Vergleich der Ariane 5 bei GTO Bahnen:

Tiefster Punkt der Aufstiegsbahn Perigäum Nutzlast  
210 km 603 km 7.100 kg  
190 km (normale Ariane 5 G) 575 km 7.300 kg  
170 km 452 km 7.600 kg  
150 km 430 km 7.800 kg  
130 km 405 km 8.000 kg  

Ein Effekt ist das das Perigäum absinkt, da die Rakete ,mehr Zeit in niedriger Höhe verbringt, das erhöht etwas den Treibstoffverbrauch den der Satellit dann hat wenn er den GEO zirkualarisiert. Dies sind jedoch nur 21 m/s, was in etwa 60 kg Treibstoff bei einem 8.000 kg schweren Satelliten entspricht. Das Erlauben des Absinkens erhöht also die Nutzlast um mehr als 800 kg. Es ist allerdings auch riskanter, denn gibt es eine Störung, z.B. einen zu geringen Schub dann ist die Chance groß das das Gespann noch tiefer sinkt und entweder gar keinen Orbit mehr erreicht, oder der Satellit durch die dichtere Atmosphäre beschädigt wird. Eine Mindesthöhe von 150 bis 160 km garantiert bei einem Satelliten eine Verweilzeit im Orbit von etwa einem Tag, bei 180 km sind es schon mehrere Tage bis eine Woche, daran sieht man das die Reibung durch die Atmosphäre rasch mit der Höhe abnimmt.

Diese Betrachtung gilt vor allem für Stufen die elliptische Bahnen erreichen. Da bei LEO-Bahnen der Brennschluss normalerweise direkt nach Durchlaufen des Tiefpunktes erfolgt bringt hier ein sehr tiefer Tiefpunkt geringere Vorteile. Bei elliptischen Bahnen mit Überschussgeschwindigkeit - erkennbar im Diagramm an den am Schluss stark ansteigenden Kurven führt er hingegen zu einem Brennschluss in niedriger Höhe und Reduktion der Gravitationsverluste durch die so erfolgte Hubarbeit.

Artikel verfasst am 25.3.2020



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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