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Mercury Redstone 2 (MR-2, 31.1.1961)

MR-2Der zweite und letzte geplante Qualifikationsflug der Redstone wurde genutzt, um einen Passagier mitzuführen: der Schimpanse Ham. Wie die Rhesusaffen bei Little Joe 2 und Little Joe 1B wurde er in einem Container fixiert, der wiederum dort angebracht wurde, wo der Pilot sitzen würde. Schimpansen können anders als die Hunde, die Russland zum Testen der „Manntauglichkeit“ nutzte, trainiert werden.

So wurde Ham darauf geschult, innerhalb kurzer Zeit, wenn bestimmte Lichter auf dem Instrumenten­brett leuchteten, auf einen Knopf links oder rechts neben sich zu drücken. Als Belohnung gab es eine Pille mit Bananengeschmack. Wenn er das nicht tat, oder den falschen Schalter drückte, bekam er einen Elektroschock – Tierschutzgesetze gab es noch nicht. Mit dem Experiment wollte man feststellen, ob der Passagier den Trip nicht nur überlebt, sondern auch noch zu Tätigkeiten fähig ist und wie hoch seine Reaktionszeit ist.

Ham, so benannt nach dem Holloman Aerospace Medical Center, war einer von sechs trainierten Affen und stammte aus dem Kongo. Die Air Force hatte ihn am 9.7.1959 dort gekauft. Er war beim Startzeitpunkt drei Jahre acht Monate alt, nach menschlichen Maßstäben also noch ein Kind.

Die Mercurykapsel #5 hatte erstmals ein Umweltkontrollsystem an Bord, ein Kontrollsystem zur Stabilisierung der Lage, die Sender für die Sprachkommunikation, den ausfahrbaren Landesack und verbesserte Retroraketen. Erstmals arbeitete das ASIS im geschlossenen Kreislauf, konnte also nicht mehr durch ein Funkkommando überstimmt werden.

Die Vorbereitung zum Start dauerten lange. Die Kapsel wurde zuerst von McDonnell am 3.9.1960 nach Huntsville transportiert, dort von dem Team um von Braun auf Kompatibilität mit der Redstone geprüft, einem Schritt, auf dem er bestand. Diese Vorgehensweise war vor Mercury Redstone 1 als überflüssig angesehen worden. Das falsch abgelaufene ASIS-Programm bei MR-1 zeigte aber, dass dies notwendig und sinnvoll war.

Am 16.10.1960 kam die Kapsel am Cape an, wo man 150 Abweichungen feststellte. So brauchte die Kapsel weitere 50 Tage für Systemprüfungen und 60 Tage für Korrekturen. Währenddessen war am 20.12.1960, einen Tag nach dem Flug von MR-1A, die Trägerrakete am Startplatz eingetroffen.

Die Bahn von MR-2 war flacher als die von MR-1A. MR-1A wurde von Höhenwinden nahe an die Sicherheitszone getrieben, bei der sie hätte gesprengt werden müssen. Daher veränderte man die Bahn, die weiter aufs Meer herausführte, dafür eine niedrigere Gipfelhöhe hatte. Damit man trotzdem 5 Minuten Schwerelosigkeit und die von der STG geforderte mittlere Maximalverzögerung von 12 g hatte, musste man den Brennschluss der Redstone verschieben.

Schon Mercury Redstone 1A hatte nach dem kurzen Flug von MR 1 eine Sicherheitsschwelle erhalten, die verhinderte, dass der Fluchtturm vor 130 s ausgelöst werden sollte. Basierend auf den Daten über Treibstoffverbrauch bei den vorhergehenden 68 Test- und Einsatzstarts der Redstone, prognostizierte man eine minimale Brenndauer von 141,2 s. So wurde der späteste Zeitpunkt, bei der der Fluchtturm auslösen konnte, mit einer 2 s Toleranzschwelle auf 139,2 s gesetzt.

Während des Countdowns machte ein Konverter von Gleich- in Wechselstrom (Inverter) in der Kapsel Probleme, der zu hohe Temperaturen aufwies. Trotzdem wurde Ham in die Kapsel gebracht. Als der Countdown die 20 Minutenmarke erreicht hatte, musste er wegen der drohenden Überhitzung des Inverters angehalten werden. Er kühlte dann ab. Sobald der Countdown wieder aufgenommen wurde, stieg die Temperatur des Konverters wieder an. Das Spiel wiederholte sich, bis man beschloss, den Countdown so lange anzuhalten, bis die Temperatur des Elektronikteils 65 Grad unterschritt und ihn dann bis zum Ende durchlaufen zu lassen. So musste Ham fast vier Stunden warten, bis die Kapsel abhob.

Doch die Redstone hatte einen höheren Schub als Normal. Nach 137,5 s (nominelle Brenndauer 140 bis 143 s) war dadurch der Sauerstoff verbraucht und der Brennkammerdruck fiel und das Triebwerk schaltete automatisch ab. ASIS registrierte den Verbrauch des Sauerstoffs vor dem Sinken des Brennkammerdrucks und löste 0,5 s nach Abschalten des Triebwerks den Fluchtturm aus. Er beschleunigte die Kapsel weiter. Die Kapsel #5 war nun erheblich schneller als vorgesehen, erreichte eine größere Weite und Gipfelhöhe. Meldungen gingen zur Bergungsflotte, um sie an den neuen Landeort zu dirigieren.

Ham wurde durch den Fluchtturm einer sehr viel höherer Beschleunigung ausgesetzt als geplant: 17 g waren es. Bei der Landung aufgrund der steileren Bahn ebenfalls 14,9 anstatt 12 g. Direkt nach Abtrennung fiel der Druck in der Kapsel von 380 auf 70 mbar ab. Ein Ventil sollte nach der Landung Luft einlassen, eine Feder, die es bis dahin geschlossen halten sollte, war durch die Vibrationen zerbrochen. Im hermetisch abgeschlossenen Behälter waren die Temperaturen und die Sauerstoffversorgung normal.

Ham erfüllte seien Aufgaben und betätigte auf Signal 50-mal den Knopf. Er tat das, obwohl er durch eine Fehlschaltung er zweimal, obwohl er den richtigen Knopf drückte, jeweils 15 Sekunden lang Elektroschocks bekam. Die spätere Auswertung zeigte, dass die durchschnittliche Reaktionszeit mit 0,82 s nur minimal von der bei den Übungen von 0,8 s abwich.

Ham erhält einen Apfel nach der LandungBei der Landung gab es Schäden bei der Kapsel. Hitzeschutzkacheln aus Beryllium lösten sich und punktierten die Druckhülle. Dadurch trat Wasser ein. Das Raumschiff wurde nach 27 Minuten von einem Flugzeug gesichtet, war aber 97 km vom nächsten Schiff, dem Zerstörer Ellison, entfernt, der so über zwei Stunden brauchte, bis er sie erreichte. Die STG orderte Hubschrauber vom nächstgelegenen Schiff, dem Bergungsschiff Donner, um sie zu bergen. Als die Hubschrauber die Kapsel 40 Minuten nach der Landung erreichten, hatte die Kapsel schon Schlagseite und begann zu sinken. Der Landeairbag war abgetragen und der Hitzeschutzschild zerrissen. Die Kapsel wurde an Bord des Landungsschiffs Donner gebracht und Ham nach weiteren neun Minuten befreit. Ham freute sich über einen Apfel und eine Orange nach der Landung, war aber nicht mehr dazu zu bringen, erneut für Fotos die Kapsel zu besteigen.

Die Auswertung der Telemetrie zeigte drei Probleme beim Flug der Redstone:

Primäre Ursache für den zu hohen Schub und damit die zu steile Bahn und den vorzeitigen Verbrauch des Sauerstoffs, war ein sich zu stark öffnendes Ventil, dass Wasserstoffperoxid in den Gasgenerator ließ. Der Gasgenerator wiederum betrieb die Sauerstoffpumpe, was zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch führte. Hätte man den Zeitgeber für die Scharfschaltung des Fluchtturms nicht verändert, die Folgen für die Mission wären erheblich kleiner gewesen.

Auf der anderen Seite war die Kapsel auch in schlechtem Zustand. Es gab Ausfälle und sie wäre fast gesunken, aber Ham hatte in seinem Weltraumanzug den Ritt überlebt und auch sein Arbeitspensum durchgeführt (trotz Elektroschocks). Bei einem Menschen würde man das Gleiche erwarten. Auf der anderen Seite waren Start- und Wiedereintrittsbeschleunigung extrem hoch, selbst für die damals hohen Werte (heute werden selbst bei Sojus Starts maximal 5 g erreicht). So begann die Diskussion, ob es einen weiteren Testflug der Redstone geben sollte. Chis Kraft, Flugdirektor und Robert Gilruth, Manager des Programms waren dagegen, Wernher von Braun, Leiter des MSFC und Joachim Küttner, Beauftragter des MSFC für das Programm waren dafür.

Ham kam nach dem Flug in den Nationalzoo in Washington, 1981 in eine Schimpansenkolonie in North Carolina. Er starb am 19.1.1983 mit 26 Jahren.

Parameter

Vorgabe

Real

Spitzengeschwindigkeit:

1.970 m/s

2.298 m/s

Gipfelhöhe:

183 km

253 km

Distanz:

470 km

679 km

Maximale Beschleunigung beim Start:

12 g

17 g

Maximale Verzögerung bei der Landung:

11 g

14,7 g

Brenndauer Redstone:

140 – 143 s

137,5 s

Schwerelosigkeit:

5 Minuten

7 Minuten

Bücher vom Autor

Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.

Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.

Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.

Mein zweites Buch, Das ATV und die Versorgung der ISS: Die Versorgungssysteme der Raumstation , das ebenfalls in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema: Der Versorgung des Raumstation, besonders mit dem europäischen Beitrag dem ATV. Dieser Transporter ist nicht nur das größte jemals in Europa gebaute Raumschiff (und der leistungsfähigste Versorger der ISS), es ist auch ein technisch anspruchsvolles und das vielseitigste Transportfahrzeug. Darüber hinaus werden die anderen Versorgungsschiffe (Space Shuttle/MPLM, Sojus, Progress, HTV, Cygnus und Dragon besprochen. Die erfolgreiche Mission des ersten ATV Jules Verne wird nochmals lebendig und ein Ausblick auf die folgenden wird gegeben. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Ausbaupläne und Möglichkeiten des Raumfrachters bis hin zu einem eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die dritte und finale Auflage enthält nun die Details aller Flüge der fünf gestarteten ATV.

Das Buch Die ISS: Geschichte und Technik der Internationalen Raumstation ist eine kompakte Einführung in die ISS. Es wird sowohl die Geschichte der Raumstation wie auch die einzelnen Module besprochen. Wie der Titel verrät liegt das Hauptaugenmerk auf der Technik. Die Funktion jedes Moduls wird erläutert. Zahlreiche Tabellen nehmen die technischen Daten auf. Besonderes Augenmerk liegt auf den Problemen bei den Aufbau der ISS. Den ausufernden Kosten, den Folgen der Columbia Katastrophe und der Einstellungsbeschluss unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Angerissen werden die vorhandenen und geplanten Transportsysteme und die Forschung an Bord der Station.

Durch die Beschränkung auf den Technischen und geschichtlichen Aspekt ist ein Buch entstanden, das kompakt und trotzdem kompetent über die ISS informiert und einen preiswerten Einstieg in die Materie. Zusammen mit dem Buch über das ATV gewinnt der Leser einen guten Überblick über die heutige Situation der ISS vor allem im Hinblick auf die noch offene Versorgungsproblematik.

Die zweite Auflage ist rund 80 Seiten dicker als die erste und enthält eine kurze Geschichte der Raumstationen, die wesentlichen Ereignisse von 2010 bis 2015, eine eingehendere Diskussion über die Forschung und Sinn und Zweck der Raumstation sowie ein ausführliches Kapitel über die Versorgungsraumschiffe zusätzlich.

Das bisher letzte Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation ist mein bisher umfangreichstes im Themenbereich bemannte Raumfahrt. Die Raumstation wurde als einziges vieler ambitioniertes Apollonachfolgeprojekte umgesetzt. Beschrieben wird im Detail ihre Projektgeschichte, den Aufbau der Module und die durchgeführten Experimente. Die Missionen und die Dramatik der Rettung werden nochmals lebendig, genauso wie die Bemühungen die Raumstation Ende der siebziger Jahre vor dem Verglühen zu bewahren und die Bestrebungen sie nicht über Land niedergehen zu lasen. Abgerundet wird das Buch mit den Plänen für das zweite Flugexemplar Skylab B und ein Vergleich mit der Architektur der ISS. Es ist mein umfangreichstes Buch zum Thema bemannte Raumfahrt. Im Mai 2016 erschien es nach Auslaufen des Erstvertrages neu, der Inhalt ist derselbe (es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse über die Station), aber es ist durch gesunkene Druckkosten 5 Euro billiger.

Mehr über diese und andere Bücher von mir zum Thema Raumfahrt finden sie auf der Website Raumfahrtbücher.de. Dort werden sie auch über Neuerscheinungen informiert. Die Bücher kann man auch direkt beim Verlag bestellen. Der Versand ist kostenlos und wenn sie dies tun erhält der Autor auch noch eine etwas höhere Marge. Sie erhalten dort auch die jeweils aktuelle Version, Bei Amazon und Co tummeln sich auch die Vorauflagen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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