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Die Temp-2S – RT-21 – RS-14 - SS-16

Temp-2SAnfang der Sechziger Jahre war Russland klar, das sie im unklaren Wettrüsten im Rückstand waren. Die USA stationierten bis 1965 nicht weniger als 800 Minuteman I Raketen in wenigen Jahren. Es wurden mehrere Programme aufgelegt, um aufzuholen. Neben neuen Typen von ICBM mit lagerfähigen flüssigen Treibstoffen arbeitete man auch an Raketen mit festen Treibstoffen. Doch deren Entwicklung verlief schleppend. Die RT-1, eine Mittelstreckenrakete, hatte schon bei der Erprobung so viele Fehlstarts, dass sie eingestellt wurde. Die RT-2, eine ICBM, wurde zu Ende entwickelt aber nie mehr als 60 Stück stationiert.

Eine zweite Lösung sich einen Vorteil zu verschaffen waren mobile Raketen. Sie konnten vom Gegner viel schwerer ausgemacht und zerstört werden, sodass eine mobile Rakete auch nach einem Erstschlag eine nukleare Abschreckung offerierte. Auch hier verlief die Entwicklung nicht befriedigend. Der erste Versuch – die RT-20P – wurde zwar zu Ende entwickelt, aber danach wie die RT-1 eingestellt. Sie war eine „hybride“ Rakete mit festen Treibstoffen in der ersten und flüssiger Treibstoffen in der zweiten Stufe. Auch sie hatte bei den Tests zahlreiche Fehlstarts und die erreichte Reichweite lag deutlich hinter den Vorgaben zurück.

Noch vor der Erprobung der RT-20 beschloss die Führung einen Neuanfang mit der RT-21. Indem die Anforderungen an die Masse der Rakete gelockert wurden, war mit einer reinen Feststoffrakete die Zielreichweite der RT-20 erreichbar. Der Preis war, dass ein neuer Transporter konstruiert werden musste, da die Startmasse von 30 t bei der RT-20 auf über 40 t gestiegen war.

Untersucht wurde auch eine Stationierung in Silos, dazu kam es aber nie.

Design

Es ist relativ wenig über die RT-21 bekannt. Die erste Stufe verfügt nur über eine Düse. Die Schubvektorsteuerung sollten im ersten Design Stahlruder durchführen. Davon kam man ab. Umgesetzt wurde, das Verbrennungsabgase in die Düse eingespritzt wurden. Die Verbrennungsabgase stammten von einem eigenen Feststofftriebwerk. Eine Eingespritzung von Freon wie bei der Minuteman-ICBM wurde für die beiden oberen Stufen erwogen, aber verworfen.

Alle Stufen bestehen aus einem zylindrischen Glasfasergehäuse mit einem Abschluss aus Metall. Die Glasfasern wurden längst und quer gewickelt und dann in Kunstharz eingebettet und ausgehärtet. Um das Gehäuse aus einem ausgehärteten Verbundwerkstoff zu schützen wurde dieser mit einer Isolationsschicht überzogen. Die Stufenadapter bestehen aus Aluminium und haben vier Öffnungen für Zugänge. Die Zündung der zweiten Stufe erfolgte anders als bei anderen sowjetischen Raketen „kalt“, das heißt, erst nach dem Ausbrennen der ersten Stufe zündet die obere Stufe. Die erste Stufe verwendet zusätzlich zur aerodynamischen Stabilisation acht Gitterrohr-Finnen.

Die erste Stufe hat in 30 km Höhe Brennschluss. Danach gab es eine Pause in der beide Stufen verbunden blieben, dann wurde die Stufentrennung eingeleitet und die erste Stufe mit dem Stufenadapter durch Retro-Feststoffantriebe abbremst.

PBVAuch die beiden oberen Stufen habe nur je eine Düse und eine Schubvektorsteuerung mit einem eigenen Feststoffantrieb der zyklische Nitoamine als Triebstoff einsetzt. Solche Verbindungen sind Bestandteil von Sprengstoffen wie Hexogen oder Octagen, einfache Vertreter zerfallen bei höheren Temperaturen aber ohne zu explodieren und dieses Gas wurde dann in die Düse eingespritzt.

Die zweite und dritte Stufe wurden heiß getrennt, wobei eine Pyrotechnik die Verbindung durchtrennt. Die dritte Stufe hat am Ende 14 Sollbruchstellen, die bei Erreichen der Zielgeschwindigkeit frei gesprengt werden. Der dadurch absinkende Brennkammerdruck führt zum Verlöschen des Antriebs. Bei der letzten Stufe trat die Spitzenbeschleunigung von 100 m/s² auf.

Das PBV-Modul verfügt ebenfalls über vier Feststoffantriebe, mit beweglichen Düsen, die sogar um 180 Grad gedreht werden können um eine Schubumkehr zu ermöglichen. Sie wurden sich symmetrisch um das Instrumentenmodul herum gruppiert.

Das Steuerungssystem soll gemischt Analog-Digital gewesen sein. Die Rakete ist nach dem Start autonom, benötigt keine Steuerbefehle durch ein Kommandofahrzeug. Der Bordcomputer steuerte die Rakete, er basierte auf dem damals in Russland oft eingesetzten Kanalkonzept. Das heißt, es gab nicht einen Computer, der alles steuerte, sondern es gab unterschiedliche Teilfunktionen je ein „Kanal“ für die jeweils eine unabhängige Schaltung zuständig war. Solche Kanäle sorgen für die korrekte Ausrichtung in den Flugpfad, die Stufentrennung und Zündung oder den Brennschluss bei Erreichen der Zielgeschwindigkeit. Das Vorgängermodell RT-20 verfügte über neun dieser Kanäle. Zur Absicherung gegen Fehlfunktionen waren die Kanäle dreifach redundant vorhanden.

SprengopfDazu gab es in Bodenkontrollsystem außerhalb der Rakete, das die genaue Flugbahn berechnete und die daraus sich ergebenden Parameter für das Flugprogramm an das Bordkontrollsystem übermittelte.

Der nukleare Sprengkopf war in zwei Größen verfügbar: mit 0,65 und 1,5 MT TNT-Äquaivalent. Mit einem 540 kg schweren Sprengkopf wurde eine Reichweite von 9.000 km erreicht. Mit dem größeren Sprengkopf von 950 kg Gewicht (auch 1.500 kg werden genannt) sank die Reichweite auf 3.500 km ab, wodurch die Rakete auch als Mittelstreckenrakete einsetzbar war. Die Zielgenauigkeit betrug je nach Distanz zwischen 450 m (kurze Reichweite) und 1.600 m (volle Reichweite). Es wurde zusätzlich zu den drei Stufen ein „Post-Burn-Vehicle“ (PBV) eingesetzt. Der Hauptgrund für das PBV war es aber Täuschkörper mitzuführen. Diese wurden vor dem eigentlichen Atomsprengkopf abgesetzt. So wäre die Rakete aber prinzipiell auch MIRV fähig wie sowjetische Quellen bestätigten. Aufgrund der kleinen Größe und damit begrenzter Nutzlast wurden aber keine MIRV entwickelt. Dies erfolgte erst bei der SS-20 die aus der Temp-2S entstehen wollte. Das PBV steigerte zudem die Reichweite um rund 900 km.

Die Rakete wurde vom Herstellerwerk in einem versiegelten Container ausgeliefert. Diese Technologie wurde von der Sowjetunion für alle kleinen bis mittelgroßen ICBM angewandt. Da die Raketen im Norden der Sowjetunion stationiert waren, wo es im Winter extrem kalt werden konnte, war dies eine gute Lösung, um konstante Lagerbedingungen zu gewährleisten. Der Container beinhaltete eine Heizung. Er hatte einen Durchmesser von 3,22 m und war 20,10 m lang. Nach außen geführt waren Leitungen für das Steuersystem.

Vor dem Abschuss wurde die Temp2S vom Transporter aus der Horizontale in die Vertikale gedreht, der Transporter selbst vorher grob in den Flugpfad gedreht. Ein Feststofftreibsatz im Container entwickelte eine große Gasmenge, die zu einem starken Druckanstieg im Container führte. Bei Erreichen des Solldrucks wurde die Öffnung des Containers gesprengt und die Rakete durch den Überdruck herauskatapultiert. In geringer Höhe (10ß bis maximal 30 m) zündete sie dann ihren eigenen Antrieb. Dieser Mörserstart ist Standard bei den sowjetischen ICBM seit Ende der Sechziger Jahre. Er hat Vorteile, so wirkt der Flammenstrahl viel weniger stark auf den Transporter ein.

Die Entwicklung

Studien für die Temp 2s gab es schon während der Arbeit an der RT-1, RT-2 und RT-20. Dies ist für die Sowjetunion nicht ungewöhnlich, da einzelne Konstruktionsbüros (OKB) in Konkurrenz zueinander waren und um die Gunst der Führung – des Zentralkomitees der KPdSU, aber auch in letzter Instanz der Generalsekretär (Breschnew), wetteiferten. Diese Konkurrenz führte oft dazu, dass mehrere ähnliche Raketenprojekte parallel entwickelt wurden. Im Falle der Feststoffraketen entwickelte das OKB-1 unter der Leitung von Koroljow, nach dessen Tod 1966, Mischin die RT-1 und RT-2, Jangels OKB-586 die RT-20 und mit der RT-21 (Temp 2S) kam ein Newcomer dazu: Alexander Nadiradse. Er leitete das Moskauer Institut für Wärmetechnik (MIT).

SS-16Das war zu der Zeit ungewöhnlich. Mit dem Beginn des Baus von Raketen und der Raumfahrt in den Fünfziger Jahren hatten sich zahlreiche OKB als Raketen- oder Triebwerkshersteller etabliert, aber in den letzten Jahren waren keine neuen hinzugekommen. Warum das MIT den Auftrag erhielt, die RT-21 zu entwickeln, ist unbekannt. Aber es könnte eine Rolle gespielt haben, dass die RT-21 technisch weiter entwickelt war als ihre Vorgänger. Die Stufen setzten eine leichtgewichtige Hülle aus Glasfaser verstärktem Kunststoff ein. Dies war für so große Stufen bisher nie versucht worden, senkte die Masse aber gegenüber einer Stahlhülle deutlich ab. Anstatt vier Düsen wie bei den Vorgängern wurde nur eine Düse eingesetzt, das sparte ebenfalls Gewicht ein.

Ein Grund war das 1965 ein neues Ministerium für die Verteidigungsindustrie gegründet worden war. Der Minister S. A. Zwerew gab am 15. April 1965 einen Befehl für das Design einer neuen Feststoffrakete und beauftrage damit das MIT. Die Befugnisse hatte er dazu eigentlich nicht. Der Vorschlag wurde aber trotzdem angenommen. Ein Dekret des Zentralkomitees vom 6. März 1966 genehmigte die Entwicklung durch das MIT. Das OKB Sojus, als Ausgliederung des OKB-1, bekam die Aufgabe die Triebwerke zu entwickeln. NII-125 sollte die Treibstoffe für die erste und zweite Stufe und NII-6 für die dritte Stufe produzieren.

Das neue Waffensystem bekam vom Hersteller die Bezeichnung „Temp-2S“. Die SU hatte eine mobile Rakete mit der Bezeichnung „Temp“ konzipiert, aber nie gebaut. Gebaut wurde die Kurzstreckenrakete „Temp-S“, die von der NATO als SS-12 beziehungsweise SS-22 (zwei Versionen) bezeichnet wurde. Wie die RS-14 war die Temp-S mobil und setzte den MAZ-543 LKW ein, aus dem der Transporter für die RT-21 entstehen sollte. Sie wurde auch von dem Konstruktionsbüro Alexander Nadiradse, entwickelt ist mit 9,3 t Startgewicht und 850 km maximaler Reichweite aber in einer anderen Klasse angesiedelt. Nadiradse verwandte dann den Namen erneut und bezeichnete die Rakete als „Temp-2S“. Im sowjetischen Kurzssystem für Raketen erhielt sie die Bezeichnung „RT-21“ als Nachfolger der RT-20. Die Streitkräfte selbst hatten wieder eine eigene Nomenklatur und bezeichneten sie als RS-14, wobei RS-14 für das Gesamtsystem mit Container und Transportfahrzeug steht. Zuletzt gibt es noch einen Produktionscode und der lautet 15P642 für das Gesamtsystem und 15Sch42 für die Rakete.

Russische Quellen geben als Grund dafür an, dass zwei straßenmobile Raketen (RT-20 und RT-21 / Temp 2s) entwickelt wurden, mit der Bedrohung durch die Kurzstreckenrakete Pershing an. Diese in Europa stationierte Feststoffrakete hatte zwar eine kurze Startvorbereitungszeit und war mobil, kann mit einer maximalen Reichweite von 740 km aber nicht als Grund für die Entwicklung einer ICBM angesehen werden.

Der erste Entwurf hatte eine Masse von 32 t. Sie kletterte jedoch rasch auf 37 t. Am 17.6.1967 wurde eine Ergänzung des Vorentwurfs herausgegeben.Temp-2S

Parallel wurde untersucht, wie die mobile Rakete transportiert werden konnte. Zwei Transporter kamen in Frage, da das Startgewicht zuletzt über 40 t lag. Das Fahrgestell des T-10 Kampfpanzers, einem schweren Kampfpanzer, der nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde und der MAZ-547 Transporter. Der Transporter MAZ-547 wurde neu entwickelt, basierte aber auf dem Lastwagen MAZ-543. Obwohl der Entwicklungsschritt groß war – der Transporter musste mit 40 t die doppelte Last des MAZ-543 transportieren – und das T-10 Fahrwerk schon für den Transport der 30 t schweren RT-20 eingesetzt wurde, fiel die Wahl auf den MAZ-547 der gegenüber dem MAZ-543 zwei weitere Achsen bekam und so sechs Radachsen (12 Räder) hatte.

Ein möglicher Grund dürfte sein, dass bei einem Straßentransport ein Radfahrzeug besser geeignet ist und der Kettenantrieb, den ein Panzer vor allem für die Geländegängigkeit benötigt, auf Straßen mehr Nach- als Vorteile hat. Der offizielle Grund, der gegen einen Kettenantrieb sprach – auch das Fahrgestell des neuen Panzers T-80 wurde untersucht – war, dass das gemischt analog-digitale Steuersysteme von den durch den Kettenantrieb viel höheren Vibrationen beeinflusst werden könnte. Als Inertialsystem wurden damals schnell rotierende Kreisel verwendet. Sie mussten dauerhaft rotieren um einen Start innerhalb von Minuten zu ermöglichen. Die Fahrgestelle der LKW bewegten sich dagegen ohne größere Vibrationen und waren zudem sehr wendig. Nach einer einstündigen Testfahrt des Chefdesigners mit einem Panzer durch die Steppe, bei dem „die Vibrationen kaum erträglich waren“ fiel die Entscheidung für den Umbau der LKW. Der LKW hatte eine Motorleistung von 650 PS, er wog leer 40 t und erreichte mit der Rakete auf Straßen eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h.

Nachdem nun auch das Gefährt festgelegt wurde, gab es den endgültigen Entwicklungsauftrag für das Gesamtsystem durch das Ministerium am 10. Juli 1969.

RT-211971 begannen die ersten Tests, für die Sowjetunion ungewöhnlich, zuerst nur mit der ersten Stufe. Damals wurde sonst immer die kompletten Raketen getestet. Doch die erste Stufe war der anspruchsvollste Teil der Rakete. Ab dem 14. März 1972 bis zum 9. Januar 1976 erfolgten dann – hier sind die Quellen uneins - zwischen 26 und 35 Tests der vollständigen RT-21 in Plessezk. Parallel dazu wurde ab 1971 die Serienproduktion in der heutigen Maschinenbaubetrieb Wotkinski Sawod (SKB-385) vorbereitet. Dort übernahm man ab 1974 auch die Wartung und Weiterentwicklung der RT-21. Anders als noch wenige Jahre zuvor, lies man sich sowohl mit der Entwicklung, wie auch der Einführung Zeit. So wurden die ersten beiden Regimenter (ein Regiment verfügte über sechs ICBM) erst am 21. Februar 1976 operationell. Insgesamt sechs Regimenter mit 36 bis 40 RT-21 wurden gebildet. Diese geringe Zahl an stationierten Raketen korrespondiert mit der RT-20P, von der auch nur 60 stationiert wurden. Zum Vergleich: die zwei Jahre später eingeführte RS-36M, fünfmal schwerer und entsprechend teurer, wurde 308-mal stationiert, die in etwa gleich schwere UR-100N insgesamt 790-mal.

Für je zwei Raketentransporter benötigte man noch ein Vorbereitungsfahrzug, zwei Fahrzeuge mit zusammen vier Dieselaggregaten für die Stromversorgung mit je 30 kW Leistung, eine mobile Kantine, ein mobiler Wohnraum, ein Sicherheitsfahrzeug und ein Kampfposten. Die Fahrzeuge waren bis auf die Raketentransporters auf Basis des MAZ-543. Der Kampfposten verwendete einen BTR-7 Schützenpanzer.

Drei dieser Einheiten bildeten ein Regiment. Jedes Regiment hatte eine Regimentsleitung. Diese verfügte ebenfalls über die Fahrzeuge mit Dieselgeneratoren, Wohn- und Kantinenfahrzeug und die beiden Sicherheitsfahrzeuge, dazu aber noch einen mobilen Leitstand, ein Fahrzeug mit Kommunikationseinrichtungen und eine Troposphären-Richtfunkstation ebenfalls auf einem LKW-Fahrgestell. Ein Regiment mit sechs Raketen hatte somit neben den sechs Transportern für die Raketen insgesamt 30 Unterstützungsfahrzeuge. Meistens befanden sich die Raketen aber nicht im Gelände, sondern wurden jeweils zwei Stück in einer Garage bei Plessezk gelagert.

Ein Grund für die geringe Anzahl an stationierten Einheiten dürfte der SALT Vertrag sein. Der SALT-I Vertrag sah eine Begrenzung der Offensivwaffen vor, SALT-II auch der Mehrfachsprengköpfe. Zur Zeit der Einführung der RS-14 liefen schon die Verhandlungen für SALT-II, der 1979 abgeschlossen wurde. Eine Forderung der USA war es, mobile ICBM zu verbieten, da man selbst keine entwickelte. Am 18. Januar 1979 unterzeichnete die sowjetische Delegation ein Protokoll, in dem sie sich verpflichtete, keine mobilen ICBM zu stationieren. Nun hätte man die gerade erst eingeführten RT-21 wieder ausmustern müssen. Das tat die SU aber nicht.

TransporterStattdessen versuchte man die RT-21 vor Aufklärungssatelliten zu verbergen, was aber nicht gelang. Die NATO vergab ihnen nach der Entdeckung das Kürzel SS-16 „Sinner“. Die RT-21 befanden sich in Garagen in Plessezk und wurden nur für Manöver herausgefahren, wenn – so hoffte man – Satelliten nicht das Zielgebiet überflogen. Die USA entdeckten sie trotzdem und schätzten den Bestand auf 50 bis 100 Raketen. Zumindest eine russische Quelle geht auch davon aus, dass so viele Raketen stationiert wurden. Da die Sowjetunion natürlich nicht zugab, das sie den SALT-II Vertrag brachen, ist dies heute nicht mehr zu klären. Ebenso wurde von amerikanischen Geheimdiensten vermutet, dass die RT-21 in den 60 Silos der älteren SS-13 (RT-20) untergebracht wurde. Dafür gibt es aber auch keine Beweise. Belegt ist der Bau von mindestens 49 Raketen und 43 Transportfahrzeugen. Ein Problem, dass die US-Nachrichtendienste hatten, ist das inzwischen die Sowjetunion auch die SS-20 einführten und diese Rakete basiert auf der SS-16, zudem waren die Raketen immer in ihren Transportcontainern, sodass nur auf Basis von Aufnahmen nicht feststellbar war, ob es sich um eine SS-16 oder SS-20 handelte.

Die RS-14 waren auch ein Grund warum Ronald Reagan vom „Reich des Bösen“ sprach, da diese Raketen den SALT-II Vertrag verletzten. Erst 1985 wurde seitens der SU die Existenz der Raketen eingeräumt und sie als „RS-14“ bezeichnet. Mit der Machtübernahme durch Michael Gorbatschow wehte ein anderer Wind. Er wollte nicht nur den SALT-II Vertrag einhalten, sondern noch weiter abrüsten. Daher wurden ab 1986 alle RT-21 demontiert. Die letzte wurde 1988 verschrottet.

Datenblatt RT-21, RS-14, Temp 2S, SS-16 „Sinner“

Einsatzzeitraum:

Gebaute Exemplare:

Abmessungen:

Startgewicht:

Maximale Nutzlast:

Reichweite:

1976 - 1988

49

18,31 m Länge, 16,90 m ohne Sprengkopf 1,79 m Durchmesser, 2,90 m Spannweite

40.500 - 41.500 kg, 44.200 kg mit Container

Sprengköpfe mit 540 und 940 kg Gewicht, 0,75 und 1,50 MT Sprengkraft, (Andere Quellen 650, 1000 und 1.500 kg)

maximal 9.200 km, 10.500 km mit PBV


2M3S

2M31

2M32

Länge:

8,58 m

4,40 m

3,90 m

Durchmesser:

1,79 m

1,47 m

1,30 m

Startgewicht:

26.630 kg

8.700 kg

4.800 kg, 6.170 kg mit Sprengkopf

Trockengewicht:



1.000 kg ohne Sprengkopf

Schub Meereshöhe:


330 kN im Mittel


Schub Vakuum:


430 kN maximal

245 kN

Triebwerke:

1 x 15D66

1 x 15D67

1 x 15D68

Spezifischer Impuls (Meereshöhe):




Spezifischer Impuls (Vakuum):




Brenndauer:

63 s

60 s


Treibstoff:

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

SS-20Die RSD-10 „Pioner“ (SS-20, „Saber“)

Die RT-21 war dennoch wichtig für das sowjetische Militär, denn durch Weglassen der letzten, dritten Stufe wurde aus der RT-21 ICBM die Mittelstreckenrakete RSD-10 „Pioner“. Diese dürfte wohl jedem, der in den Achtziger Jahren die Politik verfolgt hat bekannt sein, und zwar unter ihrer NATO-Bezeichnung SS-20 „Saber“. Sie löste die alten Mittelstreckenraketen R-12 und R-14 aus den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren ab. Mit ihrer Reichweite von über 5.000 km konnte sie von Russland aus (anders als ihre Vorgänger, die in den Warschauer Pakt Staaten wegen ihrer kürzeren Reichweite stationiert waren) Ziele in ganz Europa erreichen. Die RSD-10 verfügte über drei anstatt einen Sprengkopf mit je 150 kt Sprengkraft und konnte innerhalb von Minuten gestartet werden. Die RSD-10 Pioner verwandte die ersten beiden Stufen der RS-14 und das PBV. Die Entwicklung der Pioner erfolgte 1973. Da die ersten beiden Stufen nahezu unverändert übernommen wurden konnte die Flugerprobung schon am 21. September 1974 beginnen, sie wurde am 9. Januar 1976 abgeschlossen. Aufgrund der kürzeren Reichweite von maximal 5.500 km erfolgten die Testflüge in Kapustin Jar im Südwesten der Sowjetunion. Am 10. März 1976 akzeptierten die strategischen Raketenstreitkräfte die Pioner und das erste Regiment wurde am 30. August 1976 operationell. Vom 10. August 1979 bis zum 14. August 1980 wurde die erste MIRV-fähige Variante der RSD-10 auf dem Testgelände Kapustin Jar erprobt. Sie wurde zu der am häufigsten stationierte Version.

Für das MIT war die RSD-10 die Möglichkeit die Produktionsstraße auszulasten, da die Führung wegen der SALT-II Verhandlungen nicht viele RT-21 bauen lies. Wie bei der RT-21 machte die Stationierung aber Probleme. Zuerst befürchteten die USA, dass diese Rakete den SALT-II Vertrag verletzte. Die Sowjetunion sagte daraufhin z,u keine dritten Stufen zu produzieren um, die RSD-10 in eine Temp-2S umzuwandeln und sie nicht im Norden Russlands zu stationieren, wo sich die ICBM-Komplexe befanden. Damit waren die Bedenken der USA ausgeräumt.

Nicht jedoch die Befürchtungen der deutschen Regierung. Bundeskanzler Helmut Schmidt sah die SS-20 als eine Bedrohung für Europa an, mutmaßte, dass damit ein atomar ausgetragener Krieg in Deutschlands wahrscheinlicher durch sie wäre und da die USA dann nicht angegriffen werden, sie nicht zurückschlagen würden. Eine SS-20 war mobil, innerhalb von zwei Minuten startbar und konnte drei Ziele in Europa vom Boden der Sowjetunion aus angreifen. Das war eine andere Qualität als bei den veralteten Waffen, die sie ersetzte und es wurden nicht weniger als 441 SS-20 stationiert.

So setzte sich Schmidt für den NATO-Doppelbeschluss ein, der eine Nachrüstung durch Pershing-II Kurzstreckenraketen und Cruise Missles und gleichzeitige Gespräche über die Abrüstung vorsah. Bis zum Antritt von Michael Gorbatschow gab es aber keine Gespräche. Mit dem dann 1986 abgeschlossenen INF Vertrag wurde ab 1989 dann die SS-20 verschrottet.

Für das Militär war die RSD-10 eine einfache Lösung – es musste keine neue Rakete entwickelt werde, die Transporter gab es ebenfalls. Dafür war die Reichweite größer als bei den Vorgängern, es konnten drei Sprengköpfe anstatt einem Sprengkopf mitgeführt werden und die Zielgenauigkeit war höher. Daneben konnten die Raketen schneller auf den Start vorbereitet werden und waren einfacher handhabbar. Aber die politischen Folgen der SS-20 waren fatal. Letztendlich führt die Stationierung aber nicht nur zur Abrüstung in Europa, sondern auch bei den ICBM. Das PBV der SS-20 wurde einige Male in den russischen Feststoff-Trägerraketen Start und Start-1 eingesetzt.

Aus dem Basisdesign der RS-14 wurde ab 1977 die RS-12M „Topol“ entwickelt. Wie bei der RS-36M handelt es sich bei der Bezeichnung um eine Tarnung. Um zu verschleiern, dass man eine neue ICBM baute – das war nach dem SALT-II Vertrag verboten – bezeichnete man sie als RS-12M und damit als Nachfolger der RS-12 (RT-2, SS-13 Savage). Die Topol ist in einer verbesserten Version (Topol-M) bis heute im Einsatz bei den russischen strategischen Nuklearstreitkräften. Anfang 2021 verfügte Russland über 60 Topol-M in Silos und 18 auf Landtransportern. Ab 2024 soll sei durch die RS-24 ersetzt werden, doch auch diese basiert auf der Topol-M und ist damit letztendlich eine Weiterentwicklung der Temp-2S.SS-20 Start

Datenblatt RSD-10, Pioner, SS-20 „Saber“

Einsatzzeitraum:

Gebaute Exemplare:

Abmessungen:

Startgewicht:

Maximale Nutzlast:

Reichweite:

1976 – 1991

441

16,7 m Länge, 1,79 m Durchmesser, 2,90 m maximale Spannweite

37.000 kg

Sprengköpfe mit 1.500 bis 1.740 kg Gewicht, 1000 kt oder 3 x 150 kt Sprengkraft

5.000 bis 5.500 km je nach Sprengkopf.


2M3S

2M31

PBV

Länge:

8,58 m

4,40 m

2,50 m

Durchmesser:

1,79 m

1,47 m

1,40 m

Startgewicht:

26.700 kg

8.700 kg

1.630 kg

Trockengewicht:



420 kg

Schub Meereshöhe:


330 kN im Mittel


Schub Vakuum:


430 kN maximal

64,7 kN

Triebwerke:

1 x 15D66

1 x 15D67


Spezifischer Impuls (Meereshöhe):




Spezifischer Impuls (Vakuum):



2.833 m/s

Brenndauer:

63 s

60 s

53 s

Treibstoff:

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Links:

https://rvsn.ruzhany.info/ss_16.html

https://nuke.fas.org/guide/russia/icbm/rt-21.htm

http://www.themilitarystandard.com/missile/russia/ss-16.php

http://www.astronautix.com/data/7410iim.pdf

http://militaryrussia.ru/blog/topic-527.html

https://missilethreat.csis.org/missile/ss-20-saber-rsd-10/

Artikel verfasst am 27.11.2023


Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 

© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

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