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Militärische Raketen zu Trägerraketen – Parallelen in den USA und UdSSR

Bei dem Behandeln der Technik und Geschichte einzelner Trägerraketen vergisst man oft die Zusammenhänge zu erläutern. Das soll hier nachgeholt werden. Dieser Artikel beschriebt militärisch entwickelte Trägerraketen in den USA und UdSSR die für den Start von Satelliten, Raumsonden und Raumschiffen genutzt wurden und ihre Entwicklung in West und Ost.

A-4Nach dem zweiten Weltkrieg

Peenemünde wurde zu Kriegsende vor den heranrückenden Sowjets evakuiert. Des begann am 17. Februar 1945 und in dieser ersten Phase waren es mehrere Tausend Beschäftigte, dazu nicht nur die Akten sondern auch Büromöbel und alles andere, was man am neuen Bestimmungsort zum Arbeiten brauchte das mit der Eisenbahn nach Mitteldrutschland verschoben wurde. Jeder wusste das es unmöglich war aus dem Stand dort weiterzuarbeiten und von beiden Seiten die Alliierten näherrückten, aber Befehl war Befehl. Die Gruppe reiste zuerst nach Bleicherrode wo sie sich aufgrund der Anzahl und zur Sicherheit auf mehrere Ortschaften verteilte. Als im April 1945 dann die Alliierten auf den Harz zu rückten gab Wernher von Braun Befehl die wichtigsten Akten zu verstecken, was Dieter Huzel mit drei Lastwagen und zwei Anhängern in einem leeren Bergwerkstollen im dortigen Sprengtresor auch tat. Von Braun selbst setzte sich nun mit einer viel kleineren Gruppe in die Nähe von Pfronten in Bayern ab. Als Ende April auch dort die US-Armee einmarschierte knüpfte Magnus von Braun, Wernher von Brauns Bruder der gut englisch sprach, Kontakte an und die Raketenspezialisten wurden zuerst in Bayern untergebracht.

Ich habe nicht herausfinden können, wie dies bei Helmut Gröttrup und der Teilgruppe war, die sich den Sowjets anschlossen, das heißt ob diese sich von der Hauptgruppe abspalteten und auf die rote Armee zugingen oder einfach in Bleicherrode blieben.

Es gab dann noch im Oktober 1945 eine gemeinsame Zusammenarbeit der Alliierten beim Abschuss von drei V-2 Raketen von Cuxhafen aus. Geleitet wurde dies von der englischen Armee, die einige Spezialisten aufgegabelt hatten und eine komplette militärische Abschusseinheit für V-2 Raketen gefangen nahmen. Die USA stellten einen Teil „ihrer“ Spezialisten, die vertraut mit den Vorbereitungen des Starts waren, ab. Russland stellte Beobachter, darunter Koroljow. Diese Operation „Backfire“ war sehr wichtig, denn dabei wurden zum ersten Mal eine umfassende Dokumentation über das Gesamtsystem erstellt. Aus Geheimhaltungsgründen war dies vorher genau getrennt, jeder wusste nur über seinen Bereich Bescheid.

Anfang Januar 1946 begann dann der Abtransport der Spezialisten nach Fort Bliss in Texas in mehreren Gruppen zu je etwa 20 Personen, insgesamt 116. Als die Rote Armee am 1.7.1945 im Mittelbau Dora einmarschierte, waren noch Bauteile für etwa 40 A-4 vorhanden, die nun zusammengebaut wurden. Im zweiten Weltkrieg hatte die US-Army das Gelände zuerst erreicht und alles was verwertbar war, darunter je nach Quelle 64 bis 70 komplette A-4 in 341 Güterwagons abtransportiert. Gröttrup konnte rund 4.000 Mitarbeiter rekrutieren, welche die Konstruktionszeichnungen auf Basis der vorhandenen Bauteile neu erstellten. Im Juli 1946 versuchten der amerikanische und britische Geheimdienst Gröttrup anzuwerben, was aber vom russischen Geheimdienst NKWD aufgedeckt wurde. Schon am 13.5.1946 beschloss Russland die deutschen Spezialisten in die Sowjetunion zu überführen, diese Operation wurde nun beschleunigt und in einer Nacht- und Nebelaktion wurden am 22.10.1946 insgesamt 160 Ingenieure mit ihren Familien in die Sowjetunion verschleppt. Es folgten später weitere. Russland hatte mit Helmut Gröttrup, dem Spezialisten für Aerodynamik, Werner Albring, dem Ingenieur für Steuerungs- und Messtechnik Heinrich Wilhelmi und dem Experten für Kreiselsysteme Kurt Magnus vor allem die Personen, die bei der A-4 für die Steuer- und Regelungstechnik verantwortlich waren, während die USA die Experten für die Konstruktion und Triebwerksentwicklung zur Mitarbeit gewinnen konnten. Später folgten weitere. Insgesamt kamen in die USA 116 Spezialisten und in die Sowjetunion 302.

A-4 Tests

Die erbeuteten A-4 wurden dann sukzessive in den USA gestartet. Dabei lernten die Amerikaner das System, später wurden die A-4 zur Forschung genutzt, transportierten Strahlenmessgeräte, machten die ersten Aufnahmen der Erde aus dem All. Die letzten A-4 trugen eine US-Rakete WAC Corporal (WAC: Without Attitude Control - ohne Lagenkontrolle) als zweite Stufe die so eine Rekordhöhe von 392 km erreichte. Die Starts der A-4 erfolgten bis zum 19.9.1952.Es gab insgesamt 76 Starts der A-4, davon 17 mit starken Modifikationen.

Die UdSSR waren von Anfang an im Nachteil. Sie hatten keine kompletten A-4, mussten diese erst zusammenbauen. Was noch wichtiger war, sie hatten auch keine Unterlagen. Die Konstruktionszeichnungen rekonstruierte Gröttrup mit vielen Helfern, aber was die USA hatten, war die gesamte Dokumentation aller Versuche, Tests, Fehlschläge, aus denen man lernen konnte, wie es zu einer spezifischen Lösung kam. Das sollte sich später noch auswirken. Die UdSSR gingen sehr schnell zu eigenen Raketen über und beendeten ihre A-4 Tests nach nur 11 Starts ein Jahr nach dem ersten Test am 13.11.1947

Russland bezeichnete die nachgebaute A-4 als R-1. Die erste A-4 von US-Boden aus startete am 16. April 1946, die erste „russische“ V-2 wurde dagegen erst ein Jahr später am 18. Oktober 1947 von Kapustin Jar aus gestartet, schon hier sieht man den zeitlichen Nachteil.

Beide Nationen planten zuerst keine Raketen. Die A-4 war zwar beeindruckend, aber ihre Reichweite gering und vor allem ihre Zielgenauigkeit war gering. Sie konnte nicht mal auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden, weil selbst für eine Atombombe die Streuung zu groß war.

Zuerst setzten beide Nationen auf Marschflugkörper, die aber auch Raketentriebwerke brauchten. In beiden Fällen würde eine Rakete den eigentlichen Marschflugkörper auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigen und dieser dann mit einem RAMJet, einem einfachen Jetantrieb, der nur bei hohen Geschwindigkeiten funktioniert, seine Reise fortsetzen. Obwohl mit Mach 3 für die damalige Zeit enorm schnell, wurden die Entwürfe bald wieder verworfen, denn der Marschflugkörper war für die Luftabwehr zu verwundbar – anders als ein bemanntes Flugzeug fliegt er vorausberechenbar und weicht nicht Feuer aus. Der Entwurf von Raketentriebwerken für eine solche Waffe beschäftigte die Spezialisten in den USA in den Jahren von 1946 bis 1950, in denen keine Rakete entwickelt wurde. Das Triebwerk der späteren Redstone wurde für die SM-64 Navaho entwickelt, die nach den ersten Tests jedoch eingestellt wurde. In der UdSSR erarbeiteten sowohl die deutschen Spezialisten um Gröttrup ein Konzept aus, wie auch das OKB-1 unter der Leitung von Koroljow. Hier kam man noch früher darauf, das diese Idee keine Gute war und setzte die Entwürfe nicht um.

RedstoneDie ersten selbst entwickelten Raketen

Den Vorsprung den die kompletten A-4 und die Elite der Raketenforscher ihnen gaben verspielten die USA. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde erst mal abgerüstet. Die US-Regierung wähnte sich im Alleinbesitz der Atombombe als damals „ultimativer“ Waffe und plante nicht die Entwicklung von Raketen. Eine Atombombe konnte auch von einem Bomber transportiert werden und die USA hatten die beste strategische Bomberflotte weltweit. Drei Ereignisse innerhalb eines Jahres änderten die Einschätzung. Zuerst zündeten die Sowjets am 29.8.1949 ihre erste Atombombe. Das kam völlig überraschend. Man rechnete nicht damit das die UdSSR den Vorsprung in nur vier Jahren aufholen würden können. Am 1.10.1949 gründete Mao die Volksrepublik China, damit war neben den von den Sowjets besetzten osteuropäischen Staaten ein zweiter Staat kommunistisch geworden und zwar der mit der größten Einwohnerzahl weltweit. Dann überrannte am 25.6.1950 die nordkoreanische Army Südkorea und der Koreakrieg brach aus.

Eine mitursächliche Konfrontation mit der UdSSR oder ihren Satellitenstaaten erschien nun wahrscheinlicher und die Entwicklung der ersten taktischen US-Rakete „Redstone“ begann am 1.4.1952. Russland ging früher an die Entwicklung einer eigenen Rakete, der R-2. Im April 1947 bekam das OKB-1 von Koroljow den Auftrag für das Design einer Rakete mit 600 km Reichweite, dann besann man sich auf die deutschen Spezialisten und diese bekamen am 22.5.1947 ebenfalls einen Entwicklungsauftrag. 1948 lagen die beiden Entwürfe vor. Obwohl der deutsche Entwurf der bessere war – höhere Nutzlast, höhere Zielgenauigkeit siegte das Misstrauen. Schlussendlich hatte die Sowjetunion am meisten im zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung gelitten und auch die meisten Todesopfer zu beklagen. Koroljow dürfte die R-2 entwickeln, die erstmals am 1.10.1950, das war fast drei Jahre vor der Redstone deren erster Start am 20.8.1953 war – allerdings dauerte ihre Entwicklung nicht so lange. Beide Raketen sind direkte Nachfolger der A-4: das Triebwerk ist leicht verbessert, vor allem wurden die Tanks durch leichtere ersetzt. Sie setzten auch die ungewöhnliche Treibstoffmischung der A-4 nämlich Ethylalkohol ein.

Die Redstone wurde in Deutschland stationiert, die R-2 dagegen nur in der Sowjetunion. Obwohl sie niemals zu einem Satellitenträger konvertiert wurde – dafür waren ihre technischen Daten einfach zu schlecht – spielte sie im sowjetischen Weltraumprogramm noch eine Rolle. Eine Version die R-2W oder R-2V diente als Höhenforschungsrakete. Mit ihr wurden später auch Hunde auf über 200 km Höhe transportiert. Diese Tests gaben Sicherheit das auch ein Mensch den Auf- und Abstieg überleben konnte und aus einem Tarnsportbehälter konnte sehr schnell die Box entwickelt werden die für den Start von Laika (Sputnik 2) benötigt wurde. Etwas später wurde die ebenfalls auf A-4 Technologie basierende R-5 stationiert. Die R-5 hatte erstmals einen Antrieb der mehr Schub als das A-4 Triebwerk hatte, das erste russische Triebwerk RD-103 war jedoch durch nur durch die Mitarbeit der deutschen Spezialisten zustande gekommen, da es vorher unlösbare Probleme beim stabilen Verbrennen gab, so ging man auch wieder von dem energiereicheren LOX/Kersosin auf LOX/Alkohol zurück. Die geplante Reichweite von 3.000 km wurde so mit 1.200 km aber nicht erreicht.

Die Redstone hatte eine wichtiger Rolle im Raumfahrtprogramm. Mit einem primitiven Oberstufenbündel ausgerüstet transportieren Redstones als Juno I aka Jupiter-C den ersten US-Satelliten Explorer 1 in den Orbit. Später starteten Redstone die Mercury-Raumschiffe bemannt und unbemannt auf suborbitale Bahnen. Zuletzt wurde eine bei Raketentests übrig gebliebene Redstone von Australien zum Start ihres ersten eigenen Satelliten Wresat genutzt.

R-7Die zweite Generation

In Russland beauftragte die Führung erneut das OKB-1 unter der Führung von Koroljow mit dem Auftrag nun eine noch größere Rakete zu entwickeln, die von Russland aus Westeuropa erreichen konnte. Erneut vergab man denselben Auftrag an die deutschen Spezialisten. Erneut war der deutsche Entwurf der bessere. Diesmal konnte man sich bei den Entscheidern allerdings nicht dazu überwinden den unterlegenen sowjetischen Entwurf umzusetzen, aber einen deutschen Entwurf wollte man auch nicht bauen. Beide Raketen (R-3 / R-6) blieben so Studien.

Das mag Koroljow dazu bewegt haben, darauf hinzuarbeiten das die Deutschen zurückgeschickt wurden, das erfolgte ab Juni 1952. Helmut Gröttrup war der letzteder die UdSSR am 22. November 1953 verlies. Er floh danach über Berlin in den Westen, wurde verhört und warnte vor der russischen Raketenentwicklung. Bis dahin nutzte Koroljow die Spezialisten dahingehend, dass sie bei Problemen hinzugezogen wurden. So lösten sie das Problem des ersten selbst entwickelten Triebwerks RD-103, das Verbrennungsinstabilitäten zeigte. Ohne die Dokumentation der A-4 war das Erfahrungswissen der deutschen Spezialisten ein wichtiger Beitrag, denn solche Probleme waren auch bei der a-4 Entwicklung aufgetreten.

Nun scheiden sich die Entwicklungslinien. In den USA ging man zuerst an Mittelstreckenraketen mit über 2.000 km Reichweite, wie sie auch die R-3/R-6 Entwürfe waren. Es entstanden als Parallelentwicklung die Thor und Jupiter. Beide wurden später zu Satellitenträgern. Die Jupiter transportierte einige Raumsonden und Satelliten, hatte aber nur eine kurze „Karriere“, weil 1958 beschlossen wurde das von nun an die US-Air Force alleine für Raketen verantwortlich ist und die Jupiter stammte von der US-Army. Die USAF stellte sie ein, hatte sie doch die Thor als eigene Entwicklung. Die Thor wurde dann mit Oberstufen und boostern militärisch (Thor-Agena, Thor mit Feststoffoberstufen) und zivil (Delta) eingesetzt. Die letzte Delta die auf einer Thor stufe basierte Delta startete erst 2018.

In der Sowjetunion konnte Koroljow die Führung überzeugen, gleich die Interkontinentalrakete anzugehen. Angesichts der Unterlegenheit der eigenen Bomberflotte hatte er damit Erfolg. Als letzter Beitrag der deutschen Spezialisten übernahm Koroljow den Entwurf der Bündelrakete „G-5“ und verkaufte ihn als eigenen Entwurf. Sehr bald kam man in die gleichen Probleme wie vorher bei der Entwicklung, doch deutsche Experten gab es nun keine mehr. So beschloss man den Schub eines Triebwerks unter den Wert zu begrenzen den die A-4 hatte. Ebenso rüttelte man bei der R-7 nicht an dem separaten Kreislauf des Gasgenerators, mit Wasserstoffperoxid und katalytischer Zersetzung. Zu der Zeit ging man in den USA schon über zur heutigen Technologie der Triebwerke und steigerte deren Schub deutlich.

Die Entwicklung dauerte wegen dieses Sprungs aber. Genehmigt wurde die R-7 am 17.2.1953, doch erst am 15.5.1957 fand der erste Teststart statt. So überholte bei der Stationierung auch die Mittelstreckenrakete R-12 die R-7 (die Nummerierung der Raketen schließt auch nicht umgesetzte Projekte ein). Die R-12 verwandte dasselbe Prinzip wie die R-7: anstatt einem schubstarken Triebwerk setzten die Sowjets auf vier Brennkammern. Mit 1.500 km Reichweite war die R-12 etwas leistungsschwächer als die US-Gegenstücke Thor und Jupiter, es reichte aber für den Transport kleiner Satelliten. Die R-12 flog erstmals am 22.7.1957. Die Stationierung dieser Raketen auf Kuba löste 1961 die Kuba-Krise aus. Als Komos 11K63 oder Kosmos B-1 war sie bis 1977 im Einsatz. Sie wurde bald durch die Kosmos 11K65 (Kosmos 3M) ergänzt und ersetzt die auf einer doppelt so schweren Mittelstreckenrakete R-14 basiert. Diese war bis 2010 im Einsatz.

Zyklon 2ICBMs und lagerfähige Treibstoffe

Die USA starteten deutlich später mit der Entwicklung von ICBM, forcierten dann aber die Entwicklung sodass die Atlas, deren Entwicklung am 15.5.1955, 15 Monate nach der R-7 beschlossen wurde, weniger als zwei Monate nach der R-7 am 6.7.1957 ihren ersten Testflug hatte und vor ihr stationiert wurde. Die Atlas setzte wie die R-7 auf das Konzept beide Stufen am Boden zu zünden. Während bei der R-7 die Außenblocks abgeworfen wurden, war es bei der Atlas ein Teil des Triebwerksblocks. Damit trotzdem noch eine signifikante Masse (Sprengkopf) transportiert wurde, musste die Masse der Tanks weitestgehend reduziert werden. Das geschah indem sie nur durch Innendruck stabilisiert wurden. Während der Atlas-Entwicklung bekam die Air Force Zweifel, ob so viele radikale Neuerungen nicht zu viel des Guten wären und vergab den Auftrag ein Konkurrenzmuster die Titan I mit zwei Stufen und konventioneller Bauweise zu entwickeln. Die Titan I wurde nie als Raumfahrtträger eingesetzt, anders als die Atlas die in ihrer Technologie bis 2004 als Erststufe eingesetzt wurde.

Beide Nationen waren mit den ersten ICBM aber unzufrieden. Sie nutzten als Oxidator flüssigen Sauerstoff, der dauernd nachgetankt werden musste, weil er verdampft und brandfördernd ist. In Silos konnten solche Raketen nicht stationiert werden und längere Zeit betankt konnten sie auch nicht bleiben. Die zweite Generation setzte daher auf einen anderen Oxidator, zuerst Salpetersäure, dann aber recht schnell auf das noch bessere Anhydrid Stickstofftetroxid. Die R-12 setzte Salpetersäure mit Kerosin ein. Sehr bald wurde Kerosin aber durch Hydrazinderivate ersetzt, da dieses mit Salpetersäure selbstentzündlich ist, was die Konstruktion vereinfacht. Dir schon erwähnte R-14 war die erste Rakete der UdSSR die diese Kombination nutzte. Bei den USA war es das Nachfolgemuster der Titan I, die Titan II. Sie wurde dann auch als Satellitenträger bis 2005 eingesetzt. Danach verabschiedeten sich die USA von flüssigen Treibstoffen. Alle folgenden größeren Raketen setzten feste Treibstoffe ein.

Die UdSSR blieb bei der Treibstoffkombination und entwickelte zahlreiche ICBM und U-Boot ICBM mit dieser Kombination. Als Raumfahrtträger wurde die R-36 eingesetzt, mit der Titan II in Masse und Abmessungen vergleichbar. Sie wurde auch nahezu zeitgleich entwickelt. Russland setzte sie bis 2008 als „Zyklon“ Satellitenträger ein aber auch zum Test eines Systems das Sprengköpfe in einen Orbit brachte und vor dem Durchlaufen eines Orbits wieder abbremste. Dadurch hätte es die USA von Süden aus angreifen können. Die in den Siebzigern erfolgten Abrüstungsverhandlungen führten dazu dass dieses System aufgegeben wurde.

Die R-36 wurde aber weiterentwickelt. Die R-36M mit einem durchgängigen Durchmesser von 3 m war mit 208 bis 211 t Startmasse nochmals 50 t schwerer als die R-36. Auch sie setzte Russland als „Dnepr“ für Satellitenträger ein, nachdem die Raketenstreitkräfte durch den Start-II Vertrag verkleinert werden mussten. Inzwischen wird die Rakete sogar neu gebaut, da die Einsatzexemplare am Ende ihrer Stationierungsdauer angekommen sind, damals aber in der Ukraine gebaut wurden. Unter dr Bezeichnung RS-28 Sarmat finden seit 2017 Testflüge statt, bisher wurden aber keine Raketen stationiert.

Zuletzt wäre noch eine Rakete zu erwähnen: die UR-500, ursprünglich entwickelt. um einen Atomsprengkopf von 50 bis 100 MT Sprengkraft zu transportieren. Doch schon während der Entwicklung wechselte die politische Führung und Breschnew setzte auf mehr und kleinere Raketen. Die Rakete wurde trotzdem zu Ende entwickelt und als Proton bis vor wenigen Jahren als Trägerrakete eingesetzt.

RockotNeue Typen durch Abrüstung

Während die bisher vorgestellten Träger ihren Einstand in den späten Fünfziger Jahren bis Mitte der Sechziger Jahre hatten, folgt nun ein Sprung in die Neunziger. Durch das START-II Rüstungsabkommen wurden viele ICBM frei, die nun in Ost- und West als Träger genutzt wurden. Schon etwas früher geschah dies mit den Titan II die ab Mitte der Achtziger Jahre nach 20 Jahren Dienst ausgemustert wurden. In den USA wurden Minuteman und MX Peacekeeper frei. Die Minuteman wurden um die Oberstufen der zivil entwickelten Pegasus ergänzt und als Minotaur I zwölf Mal gestartet, der letzte Start war 2021. Da es inzwischen mit der Elektron eine preiswerte zivile Alternative gibt ist mit wenigen oder gar keinen neuen Flügen zu rechnen. Aus der MX Peacekeeper entstand die Minotaur IV die mit weiteren Oberstufen zur Minotaur V und VI ausgebaut wurde. Die Minotaur IV wurde sieben Mal eingesetzt, das letzte Mal 2020, die Minotaur V nur einmal für den Start des NASA Mondsatelliten LADEE, die Minotaur VI wartet noch auf ihren Jungfernflug.

Erheblich mehr neue Raketen stellte Russland in Dienst. Die Rockot und Strela basieren beide auf der UR100 ICBM, eine mit flüssigen Treibstoffen angetriebene Rakete. Die Strela, die nur wenige Flüge mit russischen Nutzlasten absolvierte, ist die nahezu unveränderte ICBM, während die kommerziell angebotene Rocket eine neue Oberstufe bekam welche die Nutzlast deutlich anhob. Guter Kunde war die ESA, die letzte Rockot startete 2019, die letzte Strela 2014. Gerade die mit flüssigen Treibstoffen angetrieben russischen ICBM wie die UR100 und RS-36M haben nur eine begrenzte Lebensdauer, da die Treibstoffe langsam aber sicher zu Korrosion führen. Daher ist mit weiteren Starts auch durch Russland nicht mehr zu rechnen.

Aus der modernsten Feststoff-ICBM Russlands der RS-12 Topol entstanden die Start und Start-1 indem man auf die Raketen einfach weitere Feststoffoberstufen von Mittelstrecken packte. Beide Muster hatten nur wenige Starts und sind seit 2006 nicht mehr Einsatz. Das gilt auch für die Konversion von U-Boot ICBM des Typs R-29 in zwei Versionen als Shtil und Wolna. Auch hier erfolgten seit 2006 keine Starts mehr.

Was es in Russland überhaupt nicht gibt ist eine zivile Raketentwicklung. Die USA gaben diese nach dem Challenger Desaster auf, fördern aber private Entwicklungen. In China etablierten sich in den letzten Jahren eine Reihe von halbstaatlichen Firmen die neue Raketen entwickelten. In Russland gibt es nur zahlreiche Projekte, vorgeschlagen von den ehemaligen OKB für die aber die Finanzierung fehlt.

Artikel geschrieben am 27.7.2023


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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