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Was ist drin ... In Veggie Aufschnitt Chilli?

Einleitung

Seit einigen Jahren läuft die "Vegetarisch"-Welle. Viele Produzenten von Wurstwaren wie Mühlenhof bringen nun mehr und mehr vegetarische Produkte auf den Markt. Dieser boomt auch, obwohl der Fleischkonsum immer noch relativ hoch in Deutschland ist (rund 60 kg Fleisch/Person/Jahr). Die Produkte sollen Personen ansprechen die ihren Fleischkonsum reduzieren wollen, aber eben nicht die typischen Vegetarier. Sie sind daher so hergestellt wie konventionelle Fleischwaren. Ich habe schon ein sogenanntes Veggie Schnitzel in dieser Reihe untersucht. Heute folgt nun ein Wurstaufschnitt

 Wie immer sind Angaben auf der Verpackung in blauer Schrift wiedergegeben.

Aufmachung

Veggie aufschnittDie Abbildung zeigt die Verpackung. Neben dem Produktnamen "Veggie Aufschnitt Chili" wirbt die Verpackung auf der Vorderseite mit der Unterschrift "Aus hochwertigem Eieiweiß" und größer links davon "Vegetarisch lecker". Unten links prangen die Brennwertangaben (215 kJ, 52 kcal, 3% der Energiemenge für eine Portion von zwei Scheiben. Rechts unten prangt dann eines dieser Phantasiesiegeln einer europäischen Vegetarier-Vereinigung.

Die Rückseite enthält nochmals den Produktnamen darunter die Verkehrsbezeichnung "Vegetarischer Aufschnitt auf der Basis von Eieiweiß mit Chili". Unten die Brennwertangaben und als Informationen noch unter dem Zutatenverzeichnis folgende angaben:

Kann Spuren von Senf und Sellerie enthalten. Dieser fett gedruckte Hinweis ist gesetzlich als Warnhinweis für Allergiker vorgeschrieben.

Glutenfrei √ Eiweißquelle √

Wir finden weiterhin den Hinweis das das Produkt nur für den kalten verzehr gedacht ist, unter Schutzgasatmosphäre verpackt und man es vor Genuss 5 Minuten an die Raumtemperatur angleichen lassen soll. Es folgt das MHD das etwa 3 Wochen beträgt und die Angabe der Lagertemperatur von +7 Grad Celsius.

Man kann die Wurst gut durch die Verpackung erkennen und sehen dass sie mit der Abbildung übereinstimmt.

Zutatenverzeichnis

Trinkwasser: Ist natürlich der Hauptbestandteil des Produktes. Auch bei Wurst wird Wasser zugesetzt, hier ist der Anteil aber durch die Bindemittel noch höher.

Rapsöl: Ist die Fettkomponente. Charakteristisch für Wurst ist das Fett das Eiweiß umgibt und daher ein weiches Mundgefühl erzeugt. Dies wird hier mit pflanzlichem Öl nachgeahmt

Hühnereiweiß (7%): Hühnereiweiß bindet die ganzen Substanzen und sorgt als Eiweiß für die typischen Wursteigenschaften wie die Elastizität und Textur. Es ersetzt das Eiweiß des Fleisches. Die Prozentangabe ist gesetzlich vorgeschrieben, da Hühnereiweiß bei der Verkehrsbezeichnung beginnt wird.

Dextrose: Dextrose ist ein anderer Name für Traubenzucker. Gängiger ist die chemische Bezeichnung Glucose. Da Zucker aber einen schlechten Leumund hat verwenden Hersteller gerne unübliche Namen. Dabei enthält das Produkt nur wenig Zucker. es schmeckt nicht süß und das Nährwertverzeichnis weist 2% aus.

Verdickungsmittel: Xanthan, Johannisbrotkernmehl, Carrageen; Das Wasser muss natürlich auch gebunden werden. In normaler Wurst tun dies die Fleischeiweiße, deren Wasserbindungsvermögen gerne mit Phosphaten "erhöht" wird. In diesem vegetarischen Produkt tun dies klassische Verdíckungsmittel. Xanthan ist eines der besten Dickungsmittel. Es istz unempfindlich gegenüber Säuren und Laugen und bildet gummiartige sehr stabile Gele. Diese Geliereigenschaften dürften zu seiner Verwendung geführt haben. Carrageen bildet Gele die vor allem in fettreichen Lebensmitteln recht stabil sind, es stabilisiert auch Fett und dürfte deswegen gewählt sind.. Johannisbrotkernmehl ist von den Eigenschaften nicht so vielseitig wie Xanthan und Carrageen, aber es hat einen anderen Vorteil: es ist erheblich preiswerter und daher eines der am häufigsten eingesetzten Dickungsmittel.

jodiertes Speisesalz (Speisesalz, Kaliumjodat); Salz gehört natürlich in jede Wurst und so auch in diesen Ersatz. Zudem verbessern kleine Mengen von Salz die Wasserbindungsfähigkeiten von Eiklar, dem Hauptbindemittel der Wurst.

Chili (1%): Die eigentlich namensgebende Substanz. Wegen der Schärfe nur in geringen Mengen.

Gewürze, Gewürzextrakte (Macis, Pfeffer-, Muskat- Paprika-, Koriander-, Bockhirnklee-, Nelkenextrakt): Wie in Wurst gehören auch Gewürze ins Produkt, heute meist als Flüssigextrakt, da dies deutlich preiswerter ist als die Gewürze selbst einzusetzen. Zudem verteilt sich so das Aroma gleichmäßiger in der Masse.

Gemüsepulver (Rote Beete, färbend): Dient zum Einfärben der Wurst die sonst praktisch keine Eigenfarbe hätte.

Gemüseextrakte (Paprika, Karotte): An dieser Position im Zutatenverzeichnis hinter den Gewürzen und färbenden Rote Beete haben die Extrakte keinen geschmacklichen Einfluss mehr sondern dienen zur Einfärbung. Paprika hat ein kräftigeres Rot als die rote Beete die ins Violette geht und Möhren färben gelb-organe ein.

Süßkartoffelkonzentrat: dürfte als weiteres Dickungsmittel zugesetzt werden.

Glucosesirup: Ein weiterer Süßstoff. Glucosesirup wird aus Stärke durch Säurehydrolyse oder enzymatische Spaltung gewonnen und besteht größtenteils aus Glucose mit kleinen Mengen an Fructose und Maltose. Die Süßkraft ist der oben angeführten Dextrose vergleichbar und normalerweise wird Glucosesirup anstatt Glucose eingesetzt, weil er deutlich preiswerter ist.

Säuerungsmittel: Natriumlactat, Natriumacetat: Dies sind die Salze der Milchsäure und Essigsäure. Sie haben zwei Funktionen zum einen haben sie eine milde Säure, die licht den pH-Wert absenken (anders als die Säuren die sehr stark den pH-Wert absenken) zum anderen wirken sie als Puffer und halten diesen pH-Wert konstant.

Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure. Die Ascorbinsäure schützt vor allem die Gewürze vor Oxidation. Umgangssprachlich wird sie auch als Vitamin C bezeichnet. Doch da sie hier nicht zur Vitaminisierung zugesetzt wird, sondern sich in ihrer Schutzfunktion verbraucht darf man nicht mit einem Vitaminzusatz werben.

Farbstoff: beta-Carotin: Beta-Carotin hat eine orangene Färbung ähnlich der von Karotten, wo er natürlich vorkommt. Zusammen mit dem roten Farbstoff der roten Beete wird so die Farbe der Wurst eingestellt.

Brennwertangaben:

  je 100 g 2 Scheiben (25 g) % (25 g)
Brennwert 860 kJ 208 kcal 210 kJ, 52 kcal 3%
Fett 18,0 g 4,5 g 6 %
davon gesättigte Fettsäuren 1,5 g 0,4 g 2%
Kohlenhydrate 3 g 0,8 g < 1 %
davon Zucker 2 g 0,5 g < 1%
Eiweiß 6,5 g 1,6 g 3 %
Salz 3 g 0,75 g 13 %

Beurteilung

Positiv wäre hervorzuheben, das der Hersteller anders als viele andere bei der Brennwertangabe die gesetzliche Angabe KJ groß und die nicht gesetzliche Angabe "kcal" kleinschreibt. Meistens ist es gerade anders herum. Auch die Aussage "mit hochwertigem Eiweiß" stimmt: Hühnereiweiß hat von allen Einzel-Eiweißen die höchste biologische Wertigkeit. Das heißt, man kann aus dem Eiweiß sehr viel körpereigenes Eiweiß herstellen und der Körper muss nur wenig zu Energie verbrennen. Übertroffen wird Hühnereiweiß nur von Kombinationen von bestimmten pflanzlichen Eiweißen mit tierischen Eiweißen wie Kartoffel+Ei.

Der gute Eindruck der Deklaration setzt sich darin fort, dass die Unterüberschrift das Eieiweiß erwähnt und der Verbraucher so ohne die Packung zu drehen schon weiß, was auf ihn zukommt. Wer sich auskennt, weiß das Hühnereiweiß die Basis für die meisten dieser Produkte ist. Der Aufschnitt ist also nichts für Veganer die auch Ei- und Milchprodukte ablehnen. Der typische Verbraucher weis diesen Tatbestand jedoch nicht und wird so gleich auf der Vorderseite informiert.

Ebenso sind alle Angaben gut lesbar und das MHD groß gedruckt. Die Werbung mit "glutenfrei" ist eigentlich eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Dazu müsste man Mehl aus Weizen oder anderem Brotgetreide verwenden. Das Produkt verwendet nicht mal Stärke um die Zutaten zu binden und schon diese wäre glutenfrei. Die gleiche Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist "Eiweißquelle". De Fakto gibt es kaum Lebensmittel, die kein Eiweiß enthalten. Meiner Ansicht nach (siehe weiter unten) enthält es aber relativ wenig Eiweiß, vergleichen mit Wurst als konventioneller Alternative.

Insgesamt ist die Deklaration relativ ehrlich. Rote Bette Saft als Farbstoffersatz mit seiner Funktion wird angegeben. Ganz durchgehalten hat es der Hersteller nicht, sonst hätte er Dextrose als Glucose deklariert und wahrscheinlich auch nur Glucosesirup als billiger Ersatz eingesetzt. So taucht der aber weiter hinten im Zutatenverzeichnis auf und nicht jeder weiß, dass Dextrose das gleiche wie Glucose ist.

Nach den Nährwerten schneidet die Veggie-Wurst etwas besser als normale Paprikalyoner ab. Diese hat 1060 kJ also mehr Energie, 12,3 g Eiweiß also fast die doppelte Eiweißmenge und 25 g Fett, davon aber 10 g gesättigte Fettsäuren. Der Salzgehalt ist mit 2,5 g vergleichbar. Aufgrund des Rapsöls mit hohem Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten ist das Fett ernährungsphysiologisch hochwertiger. Lediglich der Eiweißgehalt ist etwas geringer als bei normaler Wurst, dafür ist die Wurst aber auch etwas energieärmer.

Das Wesentliche ist natürlich der Geschmack und die Textur, also wie sich die Wurst in der Hand und Mund anfüllt.

Das Letztere hat der Hersteller gut hinbekommen. Man kann beim Essen keinen großen Unterschied zu Wurst feststellen. Die "Wurst" schmeckt etwas fester als normale Wurst, in etwa wie solche mit höherem Eiweißanteil. Leider kann man das nicht vom Geschmack behaupten. Zuerst nimmt man einen leichten Geschmack von Gemüsepaprika wahr, dann kommt die Schärfe der Chilis. Es sind nicht viele Chilis enthalten, sodass die Wurst scharf, aber nicht zu stark scharf schmeckt. Ansonsten schmeckt die Masse einfach nur säuerlich, sie erinnert ein bisschen an Gelbwurst, die einen ausgeprägten Sauergeschmack (dort von zugesetzter Zitronensäure) hat. Hier rührt er von der L-Ascorbinsäure her. Ansonsten ist die Masse eigentlich geschmacklich indifferent. Geschmack liefern nur die Chilis und die zugesetzten Gewürze.

Zu bemängeln wäre auch, dass man umgangssprachlich unter "Aufschnitt" eine Mischung mehrerer Wurstsorten versteht. Hier ist aber nur eine Sorte, eben Chili enthalten.

Fazit

Ich würde mich als typisches Mitglied der potenziellen Käufergruppe bezeichnen: Ich versuche seit 3 Jahren, meinen Fleischkonsum zu beschränken. Es geht mir dabei weniger um die Gesundheit, sondern um die Zustände bei der Massentierhaltung. In einer Kleinstadt gibt es Bio-Produkte als Alternative nur beim Discounter. So habe ich in der letzten Zeit auch solche vegetarischen Produkte probiert. Echte Vegetarier haben ihre Verzehrsgewohnheiten geändert und nehmen andere Aufstriche oder belegen ihr Brot mit Käse und hängen nicht daran, dass nun ein Aufschnitt wie eine Wurst aussehen muss und sich so anfühlen muss. Diesem Punkt hat der Hersteller große Aufmerksamkeit gewidmet und ihn auch gut umgesetzt. Auf einer Aufschnittplatte würden die Scheiben nicht auffallen. Sie sehen aus wie Wurst, haben die gleiche Konsistenz und Farbe.

Leider patzt das Produkt bei dem Geschmack auf ganzer Linie. Es schmeckt eigentlich nur nach den Chilis. Die Wurst selbst hat nur einen säuerlichen Geschmack ohne irgendeinen Eigengeschmack. Das ist logisch, denn Hühnereiweiß schmeckt nun mal nach gar nichts, wie jeder beim Weißen eines gekochten Eies feststellen kann. Andere Hersteller setzen, um diesen Mangel zu kompensieren, dann Hefeextrakt zu, der ein intensives Aroma nach Brühe hat und z.B. der Fleischwurst ihr typisches Aroma gibt. Aus unverständlichen Gründen hat der Hersteller darauf verzichtet.

Das Produkt ist für heutige Verhältnisse erstaunlich "Clean", kommt also mit wenigen Zusatzstoffen aus. Die Verdickungsmittel sind nötig um die Masse zu binden. Die Säuerungsmittel für einen leichten Sauergeschmack, und da die Masse eigentlich farblos bis leicht gelblich wäre, eben noch Rote-Beete Saft, der aber als färbende Substanz deklariert ist. Das ist löblich, doch etwas weniger clean und etwas mehr Geschmack wäre besser.

So geht es mir wie vielen anderen Konsumenten: Sie probieren diese neuen vegetarischen Lebensmittel und es bleibt auch beim einmaligen Kauf. Mein Rat an den Hersteller: Verbessern sie ihr Produkt so, dass es zumindest ähnlich wie Wurst schmeckt. Dann können sie es auch in anderen Geschmacksrichtungen verkaufen. Chili anstatt Gemüsepaprika (wie bei Paprikalyoner als konventionellen Vergleich) hat der Hersteller ja vor allem deswegen gewählt, weil sonst der indifferente Geschmack noch mehr aufgefallen wäre. Aber eine Wurst, die nur scharf schmeckt und sonst nach nichts möchte ich nicht essen.

Alternativ solle sich die Branche auf Produkte konzentrieren, die man anbrät und so durch Röstaromen Geschmack erzeugt, den die Zutaten selbst nicht hergeben. Das sind vor allem Produkte wie Buletten. Auch verarbeitetes Hackfleisch ist nur schwer von Sojaproteinen zu unterschieden, wie ich selbst beim Vergleich einer Dose Chili Con Carne und vegetarischer Chili con Sino feststellen konnte. So vergraulen die Hersteller aber nur potenzielle Kunden denn ich zum Beispiel übertrage die Erfahrungen mit diesem Produkt auch auf andere "vegetarische Würste", selbst, wenn diese von anderen Herstellern kommen und vielleicht sogar einen Eigengeschmack haben.

Mein persönlicher Tipp für alle die weniger Fleisch konsumieren wollen: Zumindest, was es den Brotbelag angeht, ist für die Alternative zu Wurst nicht eine vegetarische Wurst, sondern Frischkäse (gerne auch mit Schokogeschmack, Erdnussbutter, Käse allgemein und natürlich Butter und Konfitüre.

 



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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