Bernd Leitenbergers Blog

Der Verlust von Wissen

Heute bekam ich eine Mail, in der ich auf einen Artikel hingewiesen wurde, in dem darauf hingewiesen wurde, das die Wiederaufbearbeitung von Sprengköpfen für die Trident U-Boot Raketen gestoppt wurde, weil man nicht mehr wusste, wie das Aerogel hergestellt wird. Das brachte mich auf die Idee für heute: Wie wertvoll ist Wissen, wie gehen wir damit um und wie gewährleisten wir, dass wir es auch nach Jahrzehnten darauf zugreifen können, wenn etwas aus der Produktion gerät?

Ich habe mich mal diesem Thema angenommen und es mal auf die Raumfahrt übertragen. Die meisten Projekte bauen ja auf anderen Projekten auf, es entwickeln sich Technologien weiter oder werden obsolet. Neue Werkstoffe werden eingeführt und machen alte überflüssig. Doch es gibt immer wieder den Fall, dass eine Entwicklung abgeschlossen wird, es dann eine lange Pause gibt und dann diese Technologie wieder gebraucht wird. spontan fallen mir hier zwei Dinge ein:

Nach der Entwicklung des F-1 wurden die Produktionsstraßen abgebaut und die Mitarbeiter entlassen. Die Dokumentation wie Blaupausen oder Pläne wurden eingelagert.

Nach Viking gab es eine 20 Jahres Pause bis wieder ein Marslander anstand. Obwohl es mit Viking Erfahrungen gab, rissen bei den MER Fallschirmen diese bei der Erprobung auf der Erde und die Aeroshell vom MSIL ist eines der Systeme, welches wegen seiner viel größeren Abmessungen als bei den bisherigen Rovern recht teuer und komplex in der Entwicklung wurde. Dabei ist er nicht größer als der von Viking.

In einem Fall gelang es also nicht Erkenntnisse von vor 20 Jahren auf aktuelle Projekte zu übertragen. Würde dies beim F-1 Triebwerk gelingen? Ich habe meine Zweifel. Das erste: warum sollte man es nachbauen? Sicher es ist nicht der aktuelle Stand der Technik. Ein neues Triebwerk nach dem Stand der Technik wäre vielleicht um 20 % leichter und würde einen um 10 % höheren spezifischen Impuls erreichen. Doch wäre dieser Gewinn die Kosten für eine Neuentwicklung (insbesondere für ein Erststufentreibwerk mit geringem Einfluss auf die Nutzlast) wert?

Die Frage ist nun: Könnte man das F-1 heute noch mal bauen und so viel Geld sparen? Ich habe meine Zweifel. Nicht weil Materialien sich ändern und Technologien, wie das Verschweißen der Kühlröhren der Brennkammer. Es ist, dass die praktische Erfahrung mit dem Triebwerk und der Fertigung fehlen. Bis diese wieder gewonnen wird, vergeht Zeit, was da ist, ist wie das Triebwerk aufgebaut wird, aber nicht wie es gebaut wird.

Gibt es eine Lösung? Ich habe gehört, dass bei der Rosetta Sonde wegen der langen Missionszeit von 14 Jahren Interviews mit den am Projekt Beteiligten geführt wurden. Sie sollten damit das weitergehen, was sie vielleicht nicht in Verfahrensvorschriften und Dokumenten gepackt haben, aber im Kopf haben. Vielleicht gibt es kein Geheimrezept das Wissen zu erhalten, aber es ist sicher kein dummer Ansatz. Aber dieser Ansatz ist neu. In den 60 er und 70 er Jahre verstand man unter Dokumentation: Blaupausen, Teilelisten, Verfahrensvorschriften.

Ein zweiter Punkt, der angesprochen wird, ist aber vermeidbar: Es ist das Out-Sourcen. Es ist ja in der Wirtschaft überall en vogue. Aber ich will mich wieder mal auf die Raumfahrt beschränken. Mir fallen hier zwei Dinge ein: Die Saturn V auf der einen Seite und das Apollo Raumschiff auf der anderen Seite und das Space Shuttle.

Die Saturn V war ein großer Sprung für Amerika. Sie war 20 mal größer als jede Rakete welche sie vorher gebaut haben. Trotzdem wurde sie im Zeitplan entwickelt und war (mit Ausnahme von POPG Effekten beim zweiten Testflug) ein Träger ohne jede Probleme beim Flug. Eine echte Ausnahme in den 60 er Jahren (und wie Ariane 5,H-2 und Falcon zeigen – auch heute nicht selbstverständlich). Die Saturn V wurde von Wernher von Braun entwickelt und gebaut in Huntsville. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, die Arbeit aus einem NASA Zentrum nach außen zu geben, musste aber nachgeben. Zumindest blieb die Entwicklung in Huntsville, während die Serienfertigung dann in der Industrie erfolgte.

Bei der Apollo Kapsel vergab die NASA dagegen wie sonst üblich den Auftrag an die Industrie. Hier zählte mehr Termintreue und Kostenreduktion als übergeordnete Faktoren wie Sicherheit und Sorgfalt. Es kam zum Brand bei Apollo 1. Das die Industrie nicht die Sicherheit als höchste Priorität hatte, ist nur eine von mehreren Ursachen für den Verlust der Besatzung. (Eine andere war der Konstruktionsmangel bei der Tür). Aber es zeigt, dass die Industrie vielleicht andere Ziele als eine NASA Behörde hat.

Nach Apollo wurde das Space Shuttle nach denselben Kriterien entwickelt: Es wurden Industrieaufträge vergeben wer am wenigsten bot bekam en Auftrag. So erhielt Thiokol den Auftrag für die Booster, obwohl die einzige Firma, welche große Booster fertigte, damals Alliant war. Das war nicht ursächlich für die Challenger Katastrophe, bei der Ingenieure gegen den Start votierten. Aber vielleicht hätten Alliant Techniker mit mehr Erfahrung sich nicht vom Management kleinkriegen lassen.

Später wurde auch noch die gesamte Wartung an die Industrie outgesourct, so dass heute die NASA das Shuttle Programm mehr verwaltet als dass sie es durchführt. Das ist in meinen Augen ein großer Fehler. Natürlich muss die Industrie beteiligt sein. Eine Regierungsbehörde kann nicht alles alleine tun. Aber man kann die Entwicklung gemeinsam durchführen und dann die Fertigung von der Industrie durchführen lassen. Aber das Wissen sollte bei dem Staat oder der Behörde bleiben.

Ist es in Europa besser? Nein es ist noch schlimmer. Zum einen gibt es bei uns durch den multinationalen Konzern EADS/Astrium praktisch keine Konkurrenz für Aufträge mehr. Das ist sehr schlecht. Das ist ein Monopol. Es ist jedoch noch schlimmer: Bei der Trägerraketenentwicklung achtet Frankreich darauf, dass alle technologisch wichtigen Entwicklungen, wie z.B. in der Reihe HM-7 → Vulcain → Vinci in Frankreich erfolgten. Gerne dürfen andere Nationen die Tanks oder Strukturteile produzieren. Das funktioniert deswegen so gut, weil die völlig unfähige Bundesregierung (und ich beziehe dies in diesem Aspekt auf alle Regierungen der letzten 30 Jahre) sich das gefallen lässt. Anstatt darauf zu pochen, dass technologisch wichtige Teile in Deutschland entwickelt werden, lässt man die Franzosen gewähren. Warum? Es könnte ja sein, dass man dann auch mehr für die Entwicklung zahlen müsste.

So nun noch ein paar Neuigkeiten. Ich brauche Inspiration. Ich schreibe gerade an einem positiven Gegenstück zum "Schlamperei in der Raumfahrt" Aufsatz. Er behandelt Missionen, die fast gescheitet wären, und dann noch erfolgreich durchgeführt wurden. Ich habe schon zwei Missionen angeführt: Voyager 2 und Skylab. Hat jemand noch Ideen für solche Missionen? Das zweite ist der Fortschritt am Buch. Ich habe mich mittlerweile entschlossen (wie auch von der Mehrheit bei der Umfrage gewünscht) es zu spalten. Es gibt nur wenige Überschneidungen zwischen den einzelnen Kapiteln, so dass es recht einfach war. Es erlaubt mir aber ein Buch abzuschließen und die Arbeit für das Korrekturlesen und Zusammenfassen reduziert sich. Es wird also zwei Bücher geben. Eines über die Diamant bis Ariane 4 (derzeit 224 Seiten, allerdings ohne Abbildungen) und über Ariane 5 und Vega (129 Seiten). Ich hoffe bis Ende dieser Woche das Sammeln von Daten über die Ariane 1-3 abzuschließen und in der nächsten Woche dann über die Ariane 4. Danach kann ich daran gehen das ganze ins Reine zu schreiben und Korrektur zu lesen. Danach schlägt die Stunde der Korrekturleser und ich kann mich an die Abbildungen machen, die immer noch ein Problem darstellen. Zumindest Diagramme und Schnittzeichnungen in Druckqualität denen man nicht ansieht, dass sie eingescannt sind. Die halte ich für wichtig, weniger Startfotos. Wer die bisherigen Bücher von mir kennt weiss ja, dass ich nicht so viele Abbildungen verwende. Für mich sind sie nicht so wichtig, zumal ich aus Kostengründen auf Farbe verzichte – nun ja nicht ganz. Diesmal wird pro Rakete ein schönes Startfoto in Farbe enthalten sein.

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