Bernd Leitenbergers Blog

Eine deutsche Trägerrakete

Heute bin ich mit dem Konzept meines nächsten Buches fertig geworden: Band 2 des Raketenlexikons, nun mit den internationalen Trägern. Schlussendlich sind es 104 Träger auf 392 Seiten geworden. Was mir dabei auffällt. Heute will jede noch so kleine Nation eine eigene Trägerrakete haben will. Derzeit führen Süd- und Nordkorea ein Rennen, wer zuerst einen Satelliten in den Orbit zu bringen. Indonesien, Pakistan und Argentinien planen auch eine Trägerrakete und Iran hat ja schon eine.

Wo bleibt Deutschland? Was sind die deutschen Anstrengungen in 50 Jahren Weltraumfahrt bezüglich einer eigenen Rakete? Die OTRAG hat es in das Buch geschafft, und darauf kann man gewiss nicht stolz sein, als einzigen deutschen Beitrag in den letzten Jahrzehnten. Könnte Deutschland heute eine Trägerrakete bauen? Vielleicht eine zusammen gestellt aus Höhenforschungsraketen, wie Indonesiens Lapan. Aber an eigenen Triebwerken, vollständig entwickelt in Deutschland, können wir nur eine Reihe von Satellitenantrieben und das Aestus Triebwerk vorweisen. Echt Toll. Aestus kann mit 30 k N Schub nicht mal 3 t von der Erde hochheben. Zwar entstehen die Boostergehäuse der Ariane 5 bei MT Aerospace, aber eben nur die Gehäuse und nicht die ganzen Booster.

Es ist also mal Zeit für die allseits beliebte Rubrik „Was wäre wenn….?“ Also was wäre wenn wir wirklich innovative, national (im positiven Sinne) gesinnte Politiker hätten, die eine eigene Trägerrakete anstreben würden? Eine die auch Chancen auf dem Markt hätte und nützlich wäre? Nun mir fällt hier eine wichtige Synergie ein: Die CFK Booster für Ariane. Die Fertigung der Boostergehäuse aus CFK Werkstoffen. Dieser Schritt ist als einer von weiteren Ariane 5 Erweiterungen nach der ESC-B geplant. Die Übertragung der Technologie der Vega auf die Ariane 5 Booster soll deren Leermasse auf 27 t senken. die HTPB Mischung 1912 hat eine höhere Ausströmungsgeschwindigkeit und so sollten diese Booster 1000-1500 kg mehr Nutzlast bringen. Warum nehmen wir das nicht selbst in die Hand, entwickeln die Booster auf eigene Faust und nutzen sie für eine eigene Rakete als erste Stufe? Damit wäre erstens die erste Stufe schon fertig und zweitens würde so die Boosterfertigung in Deutschland bleiben, die sonst wenn man nichts tut, garantiert nach Italien abwandert.

So damit haben wie die erste Stufe. Daten der Booster nach ESA Angaben: 281,5 t voll, 27 t leer, v=2747 m/s. Wenn man nun auf einen solchen Booster noch einen weiteren mit einem von 25,9 auf 6 m gekürztes Gehäuse drauf setzt, erhält man auch die zweite Stufe – mit derselben Technologie, analog wie in den USA verkürzte SRB Booster als Stufen gedacht sind. Das führt uns zur zweiten Stufe: 63,8 t voll, 5,0 t leer, v = 2839 m/s (vom Zefiro 23 übernommen). Die dritte Stufe könnte entweder ein weiteres verkürztes Segment sein (1,50 m Länge) oder eine neue Stufe mit 2,0 m Durchmesser und 4,0 m Länge (alle Angaben nur Brennkammerlänge ohne Düsen). Das führt zur dritten Stufe: 18 t voll, 1,3 t leer, v=2839 m/s.

Nun haben Feststoffraketen einen Nachteil: Aufgrund der kurzen Brennzeiten und der fehlenden Wiederzündbarkeit nimmt die Nutzlast für hohe Bahnen schnell ab. Weiterhin ist die Genauigkeit, mit der eine Bahn erreicht wird, nicht sehr hoch. Auch dafür habe ich eine Lösung gefunden: In der VEB braucht man sowieso ein System zur Rollachsenkontrolle, so eines gibt es in der Vega und Ariane 5, betrieben mit Hydrazin und 200 N Triebwerken. Das kann man erweitern auf NTO/MMH und mit größeren Triebwerken in der Längsachse. Astrium Deutschland hat hier 500 N Satellitentriebwerke im Angebot. Diese können benutzt werden um eine elliptische Umlaufbahn, die von den Feststofftriebwerken resultiert, in eine Kreisbahn umzuwandeln. Dazu muss folgendes gegeben sein: Der Geschwindigkeitsunterschied muss innerhalb einer halben Umlaufszeit durch den Schub kompensiert werden. Sonst ist das Apogäum erreicht und der Betrieb des Triebwerkes würde den Gegenteilligen Effekt haben und man braucht einen zweiten Umlauf. In 2700 Sekunden, das entspricht einer halben Umlaufdauer bei erdnahen Bahnen, können 2 x 500 N Triebwerke rund 2,7 Millionen Ns aufbringen. Bei der zu erwartenden Nutzlast von rund 5 t und einem Leergewicht der VEB von 0,63 t entspricht dies einer Geschwindigkeitsänderung von rund 430 m/s. Das reicht aus um rund 2000 km hohe Bahnen zu erreichen. Nun ja nicht ganz, die Gravitationsverluste sind nicht mit kalkuliert, aber sicher mehr als 1000 km hohe Bahnen, und das reicht.

Die VEB nimmt so 870 kg Treibstoff mit auf (entsprechend dem Treibstoffverbrauch des Astrium 500 N EAM in 2700 s) auf und wiegt beim Start 1.500 kg voll und 630 kg leer. Für unsere Schweizer Eidgenossen lassen wir noch die Nutzlasthülle übrig. Die Ariane 4 Verkleidung wäre angemessen. So damit haben wir alle Zutaten für eine Rakete. Nun braucht das Kind noch einen Namen. Ich habe mal kurz über berühmte Persönlichkeiten nachgedacht, aber das wirkt abgenutzt. „Germania“, „Wotan“ oder „Teutonia“ fand ich zu sehr „rechts“ belastet. Ich habe mich dann an die Tradition der Wehrmacht erinnert, Panzer nach Raubtieren zu benennen und bin auf ein echt deutsches Tier gekommen, das sich in etlichen Märchen findet: Nennen wir sie also mal „Wolf“. Übrigens kann man die erste Stufe auch weglassen und erhält eine kleinere Rakete mit 0,9 t Nutzlast, die man dann in Analogie „Fuchs“ nennen kann. Und das wären ihre Daten:

Datenblatt „Wolf“

Einsatzzeitraum:
Starts:
Zuverlässigkeit:
Abmessungen:
Startgewicht:
Max. Nutzlast:
Nutzlasthülle:
?
?
?
54,00 m Höhe, 3,05 m Durchmesser
370.700 kg
5.200 kg in einen 800 km hohen sonnensynchronen Orbit
8,60 m Länge, 4,00 m Durchmesser, 750 kg Gewicht
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 VEB

Länge

29,00 m

9,00 m

7,00 m

1,00 m

Durchmesser:

3,05 m

3,05 m

2,00 m

2,00 m

Startgewicht:

281.500 kg

63.800 kg

18,000 kg

1.500 kg

Trockengewicht:

27.000 kg

5.000 kg

1.300 kg

630 kg

Schub Meereshöhe:

4.820 kN

Schub Vakuum:

5.296 kN

1264 kN

359 kN

+ 2 0,5 kN

Triebwerke:

1 × EAP242

1 × EAP49

1 × EAP17

2 × EAM 500

Spezifischer Impuls
(Meereshöhe):

2500 m/s

Spezifischer Impuls
(Vakuum):

2747 m/s

2839 m/s

2839 m/s

3187 m/s

Brenndauer:

132 s

132 s

132 s

2770 s

Treibstoff:

HTPB1912

HTPB1912

HTPB1912

NTO/MMH

Und für die Fuchs:

Datenblatt „Fuchs“

Einsatzzeitraum:
Starts:
Zuverlässigkeit:
Abmessungen:
Startgewicht:
Max. Nutzlast:
Nutzlasthülle:
?
?
?
25,00 m Höhe, 3,05 m Durchmesser
89.200 kg
900 kg in einen 800 km hohen sonnensynchronen Orbit
8,60 m Länge, 4,00 m Durchmesser, 750 kg Gewicht
Stufe 1

Stufe 2

VEB

Länge

9,00 m

7,00 m

1,00 m

Durchmesser:

3,05 m

2,00 m

2,00 m

Startgewicht:

63.800 kg

18,000 kg

1.500 kg

Trockengewicht:

5.000 kg

1.300 kg

630 kg

Schub Meereshöhe:

Schub Vakuum:

1264 kN

359 kN

+ 2 × 0,5 kN

Triebwerke:

1 × EAP49

1 × EAP17

2 × EAM 500

Spezifischer Impuls
(Meereshöhe):

Spezifischer Impuls
(Vakuum):

2839 m/s

2839 m/s

3187 m/s

Brenndauer:

132 s

132 s

2770 s

Treibstoff:

HTPB1912

HTPB1912

NTO/MMH

Die Nutzlasten sind für 800 m hohe Sonnensynchrone Orbits angegeben (v=10.000 m/s mit Verlusten), das dürfte auch der wichtigste Orbit sein. Wo starten wir die Rakete? Nun am besten von einem Ort, in dem man Richtung Nordpol freie Bahn hat – tja und das ist  bei der deutschen Nordseeküste bei den westfriesischen Inseln, oder noch besser Helgoland, gegeben. Natürlich könnte sie auch Nutzlasten in den GTO Orbit transportieren. Die Nutzlast beträgt dann noch 1,9 t – das ist recht wenig und vor allem gibt es ja schon die Sojus 2 in Kourou. Aber die Wolf wäre eine würdige Trägerrakete und durch den Einsatz von festen Treibstoffen auch nicht zu teuer und es gäbe Synergien zu Ariane. Schade nur, dass unsere Politiker lieber russische und ukrainische Firmen fördern, wohl damit sie nach Abwahl dort einen Managerposten bekommen.

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