Gestern sah ich den Beitrag über Atommüll auf Arte. Die Entsorgung ist ja noch immer nicht gelöst. Dabei gab es ja schon viele Ideen wie man ihn endgültig wegbekommt. Nicht zuletzt hat man auch das All dafür vorgeschlagen. Die NASA hat in den Zeiten, in denen sie noch annahm, das Space Shuttle wäre billig und würde häufig fliegen, unter anderem auch nach der Entsorgung von Atommüll ins All untersuchen lassen.
Die Idee war, den Atommüll so aufzubereiten, dass man nur den Teil erhält der sehr lange radioaktiv ist, also der bei Erdlagerstätten für die Forderung für Stabilität über Millionen von Jahren verantwortlich ist. Die anderen Isotope die nach einigen Jahrhunderten bis Jahrtausenden abgeklungen sind haben Halbwertszeiten, die im Bereich liegen, in dem wir heute schon Erfahrungen mit Lagerungen haben oder der Stabilität von Bauwerken. Im folgenden will ich Daten von Jesco von Puttkamer „Der erste Tag der neuen Welt“ S. 253 ff verwenden
Je Tonne Kernbrennstoff sollten im „Purex“ Verfahren der Großteil des nicht umgesetzten Kernbrennstoffs und des gebildeten spaltbaren Materials wieder verwendet werden und so nur noch 40 kg reiner Atommüll zurückbleiben. Ein Kernkraftwerk der 1 GW Klasse produziert so aus 30 t Brennelementen 1,2 t hoch strahlenden Atommüll. Die USA sollten so 1980 aus 4300 t Brennelementen rund 175 t Atommüll pro Jahr erzeugen. (Arte Bericht: 20 t Brennelemente pro 1 GW Kraftwerk)
In Deutschland sollen es heute 400 t pro Jahr sein (nach Greenpeace Angaben), doch da wir heute bedeutend weniger Atomkraftwerke als die USA 1980 haben und zudem es ja die Zahl 20-30 t Brennstäbe pro 1 GW Kraftwerk gibt, vermute ich handelt es sich bei dieser Zahl nicht um den Atommüll, sondern die abgebrannten Element handelt. Wenn diese nun ebenfalls aufbereitet werden, so bleiben noch 16 t reiner Atommüll. Einer anderen Quelle nach beträgt der Gewinn aller noch laufenden Atommeiler für die Stromerzeuger rund 3 Milliarden Euro pro Jahr. Da sollte doch was für die Entsorgung übrig bleiben oder?
Zurück zur NASA. Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Atommüll zu entsorgen. Sie unterscheiden sich in der Energie die notwendig ist, der Entfernung von der Erde, der Sicherheit und psychologischen Effekten.
Zwei extreme Beispiele: Für die meisten am sichersten wäre, wenn der Atommüll endgültig verschwunden wäre – das ist ein psychologischer Effekt. Das könnte man erreichen indem man Atommüll aus dem Sonnensystem befördert (v=8,8 km/s) oder in die Sonne schießt (v=24 m/s, beide werte relativ zur Erdumlaufbahn). Nur ist das heute technisch kaum machbar. Dagegen sind Erdumlaufbahnen die über geologische Zeiträume stabil sind, recht leicht zu erreichen. H.O.Ruppe schlug erdnahe Bahnen vor, die NASA 55.000 km hohe Bahnen. Hierfür werden nur 4 km/s benötigt. Die NASA kam zu dem Schluss, dass eine Deponie in einer Umlaufbahn von 0,85 AE Entfernung – auf halbem Weg zwischen Venus und Erde am besten wäre. Das erfordert 3800 m/s relativ zur Erdbahn und nach 160 Tagen ein erneutes Schubmanöver um weitere 1300 m/s. Beim chemischen Antrieb beträgt der Gesamtaufwand dann etwa 12400 m/s relativ zur Erdoberfläche oder 4600 m/s relativ zu einer niedrigen Erdumlaufbahn.
Die NASA rechnete weiterhin, dass 60 Shuttle Flüge eines „Upgraded“ Shuttles mit 45 t LEO Kapazität pro Jahr rund 300 t Fracht, davon 175 t Atommüll (5 t pro Flug) entsorgen könnten und dies 0,211 ct/kWh kosten würde (bei 40 Millionen Dollar Flugkosten). Selbst mit den heutigen Shuttle Preisen (600 Millionen Dollar) wären das nur rund 3 US-ct, also etwas mehr als 2 Euro-Ct pro kWh. Also warum macht man es nicht?
Hier mal meine Gegenrechnung, mit einem etwas gängigeren Träger: Der Sojus von Kourou aus. Angenommen man packt den Atommüll in eine Foton Kapsel, auch um sicher zu sein bei einem Fehlstart und erreicht dabei einen Gewichtsanteil von 50 %, der reine Atommüll soll wie bei der NASA Annahme nur 60 % ausmachen, der Rest ist Keramik um ihn sicher einzuschließen. Eine Sojus transportiert rund 8,4 t in eine Umlaufbahn, das wären 2,5 t reiner Atommüll. Nur ist man da erst in einer Erdumlaufbahn. Die NASA hat dafür eine gepanzerte Centaur Version verwendet. Ich würde einen Ionenantrieb bevorzugen – die Nutzlastmasse ist geringer und der Atommüll ist ja sicher in der Foton Kapsel, deswegen muss die Stufe selbst nicht gepanzert sein. Ein Ionenantrieb kann heute den Transport wesentlich besser leisten. Die folgende Tabelle zeigt die Nutzlast die in Bahn befördert wird in Abhängigkeit von der Reisedauer an. Ausgangspunkt ist jeweils eine Nutzlast von 8400 kg in einen LEO Orbit der Sojus:
| Tage | 60 | 90 | 120 | 160 | 200 |
|---|---|---|---|---|---|
| Kapsel | 4000 | 4800 | 5150 | 5450 | 5600 |
| Treibstoff | 1596 | 1596 | 1596 | 1596 | 1596 |
| Struktur | 499 | 499 | 499 | 499 | 499 |
| Triebwerke | 91 | 61 | 46 | 34 | 28 |
| Gewicht Triebwerke | 637 | 427 | 322 | 238 | 196 |
| Gewicht Solargenerator | 1519,7 | 1018,7 | 768,2 | 567,8 | 467,6 |
| Gesamt | 8400 | 8400 | 8400 | 8400 | 8400 |
Ab einer Reisedauer von 90 Tagen (dazu kommen noch 160 Tagen Reisezeit zum Orbit) verändert sich die Nutzlast kaum. Bei 50 % Atommüll-Glass und 60 % Atommüll im Glas entspricht dies bei 90 Tagen Flugzeit 1,44 t reinen Atommüll. Die 400 t Brennelemente ergeben nach dem Purex Verfahren rund 16 t Atommüll. 11 Flüge der Sojus pro Jahr reichen also aus um den hochradioaktiven Atommüll im Weltraum zu entsorgen. Bei 3 Milliarden Reingewinn dürfte ein Flug also rund 266 Millionen Euro kosten.
Ein Sojus Start ist aber für 50 Millionen Dollar zu haben (bei 11 Starts pro Jahr wohl eher preiswerter). Eine Foton Kapsel müsste billiger sein, denn ein kompletter Sojus Flug ist ja für rund 75 Millionen Dollar zu haben (berechnet aus dem, was der letzte Tourist gezahlt hat). Dazu kommt noch der Ionenantrieb. Geht man von 100 Millionenen Dollar pro Einzelflug aus, so müssten mit Rabatt bei 11 Starts pro Jahr die Entsorgung für 500 Millionen Euro zu haben sein – Also nur ein Sechstel des Gewinns den die Atomkraftwerke abwerfen.
Warum geht man es nicht an? Nun weil unsere Stromwirtschaft eine gute Lobby in der Politik hat. Nicht nur zahlt der Steuerzahler die Sanierung der Asse, nein nun wird auch noch die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert – warum beschließt eigentlich keine Bundesregierung dass der dann anfallende Gewinn wieder an den Staat fällt und für die Entsorgung und Sanierung verwendet wird? Oder noch besser zu Förderung von alternativen Energien?