Bernd Leitenbergers Blog

Stereoisomere

Auch heute wieder mal ein Thema aus dem Bereich der Chemie. Es geht um eine Eigenschaft von Molekülen, eine besondere Art der Isomerie. Unter Isomeren versteht man im Allgemeinen Moleküle mit gleicher Anzahl von Atomen, aber unterschiedlichem Aufbau. Die normale Form der Isometrie ist die Strukturisometrie. Die Summenformel ist identisch, aber der Aufbau unterschiedlich. So haben z.B. Propanol, 1-Propenol und Propenal die gleiche Summenformel C3H6O, aber unterschiedlichen chemischen Aufbau.

Heute geht es um eine Eigenschaft die man bei vielen Biomolekülen findet: Die Stereoisomere. Es ist eine der vielen Formen der Isomere.

Dazu ist es am besten sich das mal selbst vor die Augen zu führen. Was man dazu braucht sind acht Zahnstocher, zwei Käsewürfel und vier unterschiedliche Dinge zum Aufstecken wie z.B. Cocktailkirschen, Silberzwiebeln, Wurst, Gurken. An beide Käsewürfel werden jeweils vier unterschiedliche Dinge gesteckt, wobei der Abstand zwischen zwei Zahnstochern 109 Grad beträgt. Das ergibt eine Dreieckspyramide in deren Zentrum der Käsewürfel steckt – einen Tetraeder. Wenn man nun bei einem der Käsewürfel zwei Enden vertauscht, dann erhält man Stereoisomere – man kann den zweiten Tetraeder drehen wie man will – er wird nicht deckungsgleich zum ersten werden.

Was erreicht werden kann sind zwei Konfigurationen die sich darin unterscheiden, dass in einem Falle z.B. die Cocktailkrische nach links und die Silberzwiebel nach rechts schaut und im zweiten jeweils umgekehrt. Allgemein bezeichnet man diese mit R und S Konfigurationen (von R = rectus = rechts und S = sinister = links). Man dreht den Tetraeder so, dass die Blickrichtung vom höchstwertigen Substituenten zum niedrigstwertigen nach rechts oder nach links geht. Wegen dieser Ähnlichkeit zu den Händen, die es ja auch in einer rechten und linken Form gibt nennt man die Eigenschaft auch Chiralität.

Vom Allgemeinen zum Speziellen. Bei Aminosäuren gibt es bis auf eine Aminosäure immer ein optisches Zentrum, nämlich das C-Atom an dem die Carboxylgruppe und die Aminogruppe hängen. Dreht man es so, das Carboxylgruppe nach rechts und Aminogruppe nach unten schaut, so ,liegt die S-Konfiguration vor. Alle von Organismen erzeugten Aminosäuren haben diese Form die man auch als L-Form bezeichnet wird. Bei chemischen Synthesen entstehen meistens beide Formen gleichzeitig, manchmal in unterschiedlichen Mengen. Es ist eine Charakteristik des Lebens dass sie in der Regel von den zwei Formen eine bevorzugt. Bei den Aminosäuren sind es die L-Formen, bei den Zuckern dagegen die D-Formen.

Zucker sind noch etwas spezieller, denn sie haben mehr als ein Chiralitätszentrum, es gibt also pro Molekül mehr als zwei Isomere. Bei den Aldosen (den Zuckern mit sechs Kohlenstoffatomen und einer Aldehydgruppe). Gibt es vier Chiralitätszentren mit 16 Isomeren. Die Nomenklatur ist daher komplizierter und umfasst die genannten D- und L- Formen.

Zuerst einmal ordnet man die Kette so an, dass die funktionelle Gruppe (Aldehyd oder Ketogruppe) oben ist. Dann gibt die Position der nächsten OH-Gruppe vor was die D- oder L- Konfiguration ist. Schaut sie nach rechts, so ist es die D-Konfiguration, nach Links so ist es die L-Konfiguration. Da es 16 mögliche Konfigurationen einer Aldose gibt aber nur zwei Konfigurationen entsprechen diese acht verschiedenen Zuckern nämlich der Glucose, Galactose, Mannose, Idose, Alose, altrose, Gulose und Talose.

Zum Glück für euch (und alle Chemiker) gibt es von den Konfigurationen aber nur drei recht häufig in der Natur nämlich die D-Formen von Glucose, Galactose und Mannose. Auch hier war die Natur so nett aus einer Vielzahl an Konfigurationen nur einige auszusuchen. Dieses D/L System (ebenfalls abgeleitet von den Ausrücken (dexter für rechts und lavus für links) wurde dann auch auf andere Biomoleküle wie Ascorbinsäure, Aminosäuren und organische Säuren übertragen. Am bekanntesten ist vielleicht die Milchsäure die mal rechtsdrehend und mal linksdrehend ist.

Das führt uns zur letzten Eigenschaft zahlreicher Stereoisomere: Ihre Kristalle drehen das polarisierte Licht. Wenn man im Mikroskop dann bestimmt in welche Richtung die Polarisationsebene gedreht wurde dann kann dies einmal nach rechts geschehen oder einmal nach links. Die meisten Zucker drehen nach rechts, die meisten Aminosäuren nach links.

Bakterienkulturen die Milchsäure als Abfallprodukt ihres Stoffwechseln produzieren erzeugen meistens auch eine Form mehr, entweder die D oder L-Form (auch hier zeigt die OH-Gruppe nach rechts bzw. links). Die Drehungsrichtung hat übrigens nichts mit der Form zu tun. Bei Milchsäure dreht z.B. die D-Form nach links und die L-Form nach rechts, also genau umgekehrt wie die Bezeichnungen der Formen suggerieren.

Während bei der Milchsäure nur eine Form etwas häufiger erzeugt wird ist bei den höheren Biomolekülen die Situation völlig anders. Alle Aminosäuren in der Natur sind L-Formen, die meisten Zucker nur D-Formen. Das ist bedingt dadurch dass nur ein Form bei der Synthese in das aktive Form eines Enzyms passt welche es synthetisiert oder mit anderen Molekülen verknüpft. Die Natur ist in dieser Hinsicht sehr selektiv und die Tatsache dass dies bei allen Organismen so ist, auch den ältesten, ist ein Indiz dafür dass das Leben oder die Urzelle genau einmal entstand (oder alle anderen Formen aufgefressen hat).

So für alle Blogleser, die auch Aufsätze anderer Art lesen: Welche Aminosäure weist keine Stereoisomere auf?

Die mobile Version verlassen