Bernd Leitenbergers Blog

Der Mehrstufenplan für Ionentriebwerke

Es gibt immer wieder Dinge die mich überraschen. Eines ist das Beharren in eingetretenen Pfaden. Wer Bücher vor 40-50 Jahren liest, der stolpert über die exzellenten Zukunftsaussichten von Ionentriebwerken. Doch was ist daraus geworden? Nicht viel. Es ist zum Teil erklärbar. Ionentriebwerke benötigen viel Strom und in den sechziger Jahren meinte man diesen nur durch Kernreaktoren bereitstellen zu können. Doch deren Entwicklung wurde in den USA eingestellt und in den UdSSR erreicht man auch nur mäßige Leistungswerte.

Doch mittlerweile haben Solarzellen enorme Fortschritte gemacht. Die Solarpanels der ISS haben eine Leistungsdichte von 30 W/kg. Also die Solarzellen die 30 Watt Strom erzeugen, wiegen ein Kilogramm. Bei Dawn sind es schon 80 Watt/kg. Bei dem Technologie-Satelliten ST-8 sollten faltbare Solarzellen mit wesentlich leichterer Trägerstruktur mit einer Leistung von 175 W/kg erprobt werden. Nach diesem Papier soll ein Prototyp mit einer Leistung von 300 W/kg existieren. Die Stromversorgung ist der Dreh- und Angelpunkt eines Ionentriebwerks, da sie viel Strom brauchen. Ein Modell, RIT-22 von EADS, wiegt 7 kg und benötigt 5000 Watt Leistung. Selbst bei 175 Watt pro Kilogramm wiegen aber die Solarzellen die eine solche Leistung liefern 28,6 kg. Berücksichtigt man, dass man bei Missionen ins äußere Sonnensystem aufgrund der absinkenden Leistung eine noch größere Fläche braucht zeigt dies das hier noch Optimierungsbedarf besteht. Trotzdem gab es in den letzten Jahrzehnten bei Solarzellen deutlich Fortschritte, während Kernreaktoren praktisch immer noch die gleichen Leistungswerte wie vor 40 Jahren haben. Die besten kommen auf 10 Watt/kg.

Bei den Ionentriebwerken ist es so, dass die heutigen Modelle mit einem Leistungsbedarf von einigen Kilowatt sicher ausreichen für kleine unbemannte Sonden. Heute setzt Dawn 5 Triebwerke ein. Mit leistungsfähigerer Stromversorgung könnte eine Sonde mehr dieser Triebwerke einsetzen und schneller ihr Ziel erreichen, bzw. auch von einer Erdumlaufbahn aus starten. Der Vorteil vieler kleiner Triebwerke ist auch, das bei abnehmender Leistung mit zunehmender Entfernung von der Sonne, man einfach weniger Triebwerke betreiben kann und sich so besser den Verhältnissen anpassen kann. Wenn es aber deutlich über 10-20 Triebwerke geht, dann ist sicher eine Weiterentwicklung zu größeren nötig.

Im Prinzip ist die Leistung steigerbar indem man den Auslass vergrößert. EADS hat ja schon Triebwerke mit 10 – 22 cm Auslassöffnung im Angebot. Noch größerwer Durchmesser = mehr Schub. Physikalisch ist die Stromdichte pro Fläche begrenzt, das heißt vierfache Leistung erfordert den doppelten Durchmesser. Leider steigt aber das Gewicht nicht so, sondern doppelter Durchmesser bedeutet meistens achtfaches Gewicht. Weiterhin wird spätestens bei bemannten Raumfahrzeugen dann auch das Volumen ein Problem. Die Lösung ist es neue Techniken einzusetzen. Die ESA hat eine Studie gemacht, die vier Gitter in der Beschleunigungsstufe einsetzt anstatt nur zwei. Das entspricht praktisch zwei hintereinander geschalteten Beschleunigungsstufen. Die Folge ist dass ein Triebwerk mit 20 cm Durchmesser nun 250 kW Leistung verbraucht und 2,5 N Schub erzeugt. Konventionelle Triebwerke liegen dagegen bei 7 kW nur 0,2 N Schub. Die magnetoplasmadynamische Triebwerke, die so gerne als Alternative postuliert werden sind in meinen Augen keine Alternativen, da sie nicht wesentlich leichter oder leistungsfähiger als konventionelle Triebwerke sind. Schon der 50 kW Prototyp hat einen Durchmesser von 1 m.

Bei vielen Triebwerken gewinnt auch die Frage der Kühlung an Bedeutung. Typisch erreichen Triebwerke Wirkungsgrade von 60 – 75%. Bei 100 kW Eingangsleistung gibt es also noch 25 – 40 kW Abwärme die abgeführt werden muss. Bei dem Einsatz von Solarzellen wäre es sicher eine gute Lösung auf der Rückseite eines Teiles der Paneele Radiatorflächen  zu platzieren, da so Strukturmasse eingespart wird und die Fläche auf der Schattenseite sind.

Als Treibstoff wird heute Xenon verwendet. Es hat den Vorteil, dass es als Gas leicht förderbar ist. Es gibt auch Alternativen wie Cäsium und Quecksilber. Sie sind schwerer zu fördern, doch könnten sie von Bedeutung sein, wenn auch das Gewicht der Tanks, die bei Xenon etwa ein Fünftel bis ein Achtel des Inhalts betragen, eine Rolle spielt, was bei Missionen mit hohem Antriebsbedarf gegeben ist.

Wie könnte meiner Meinung nach die weitere Entwicklung aussehen? Ich konzentriere mich auf die staatlich geförderte Raumfahrt. Der Privatsektor ist ja eher noch konservativer (es gibt schon Ionentriebwerke für geostationäre Satelliten zur Lagereglung, aber eingesetzt werden sie selten). Der Plan:

allgemein: Steigerung der Leistung aller Subsystem. Ionentriebwerke mit höherer Leistung, niedrigerem Gewicht oder Volumen. Leistungsfähigere Stromkonverter mit höherer Lebensdauer (Hochspannung muss erzeugt werden), Leistungsfähigere Solarzellen mit niedrigerem Flächengewicht, geringere Tankmassen …

Erprobung in Demonstrationsmissionen:

Trotzdem wird eine bemannte Mission nochmals zehnmal leistungsfähiger sein müssen und sie ist zeitkritischer als alle unbemannten Missionen. Doch immerhin hat man bis dahin einen Quantensprung zu dem was man heute erreicht hat (Dawn: ca. 1 t Startmasse, 11 km/s Geschwindigkeitskorrektur in rund 4 Jahren – Demonstrationsmission 4: 20 t Startmasse, 14 km/s, 14 km/s in ca. 1-1,5 Jahren.

Vor allem aber entsprechen die Demonstrationsmissionen Anforderungen die es gibt: Start von Raumsonden zum Mars, Jupiter bis Pluto, Bodenprobenrückführung vom Mars,. Aus Demonstrationsmission 1 könnte sogar ein kommerzielles Produkt werden. Als Nebeneffekt könnte die bisherige Praxis Raumsonden mit schubstarken Trägerraketen zu ihren zielen zu befördern eingestellt werden und man stattdessen sie mit ihrem eigenen Antrieb langsam zum Ziel hin spiralt. Bei Juno würde es sogar schneller gehen und Zeit sparen. Aber so ofrtschrittlich sind ESA und NASA nicht. Sie entwickeln lieber neue Schwerlastraketen…

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