Bernd Leitenbergers Blog

Macht nur weiter wie bisher…

Kennen sie das Lieblingszitat von Joachim Bublath? Selbst Switch hat es gut herausgearbeitet: „Ein Ergebnis der modernen Weltraumforschung ….“. Ja Raumfahrt ist hipp, Raumfahrt steht an der Spitze des Fortschritts. Heute erfunden, morgen in der nächsten Raumsonde. Manche glauben es sogar, so unsere Kanzlerin Frau Merkel, die bei der Übergabe von Columbus doch meinte, der Raumfahrt verdanken wir den CD-Spieler.

Hah! Weit gefehlt. Keine andere Branche ist so konservativ. Seit 10 Jahren testet die NASA den Einsatz des Ka-Bandes bei Raumsonden. Bei gleicher Sendeleistung und gleichen Antennen ist es fähig 4,3 mal mehr Daten als das X-Band zu übertragen. Routineeinsatz? Fehlanzeige. Oder mein Lieblingsthema Ionenantriebe. Seit Mitte der sechziger Jahre erprobt und bis heute Nischenlösungen, dabei könnten sie bei dem Brot- und Butterorbit dem geostationären Orbit glatt die Nutzlast verdoppeln und noch mehr Treibstoff bei dem betrieb einsparen.

Wohin man schaut, überall derselbe Konservatismus. Curiosity startet 2011 mit 2 MPixel Kameras und fester Brennweite – es waren mal welche mit Zoomfunktionen geplant, doch das war der NASA zu riskant. Selbst als Malin Space sie auf eigene Rechnung entwickelte, waren sie der NASA noch nicht ausgereift genug.

Die Spitze ist das Vorhaben, dass derzeit die kanadische Firma MDA vorantreibt. Sie will Kommunikationssatelliten im geostationären Orbit neu befüllen. Zur Erklärung. Die Lebensdauer eines Kommunikationssatelliten ist heute durch zwei Dinge begrenzt, wenn es kein unvorhersehbares Ereignis wie einen Strahlensturm gibt: Die Leistung der Solarzellen und vom Treibstoff. Die Solarzellen verlieren laufend an Leistung, doch das ist noch gut abfederbar, wenn man anstatt alle Transponder zu betreiben eben einige abschaltet. Der Gewinn ist natürlich kleiner, aber der Satellit kann weiter arbeiten. Problematischer ist der Treibstoffvorrat. Es wird laufend Treibstoff benötigt um den Satelliten auf Position zu halten. Das Gravitationsfeld der Erde ist nicht gleichmäßig. Es gibt „Dellen“ und „Hügel“ und wie Wasser in Dellen fließt, neigen auch Kommunikationssatelliten ihre Plätze zu verlassen, was nicht so toll, ist wenn einige Millionen Konsumenten ihre Schüsseln auf sie ausgerichtet haben. Heute bestehen manche Kommunikationssatelliten beim Start zu fast 2/3 aus Treibstoff. Den größten Teil davon (rund 40% des Startgewichts) brauchen sie um den geostationären Orbit zu erreichen. Der Rest für die Aufrechterhaltung der Position im Orbit und die räumliche Lage. So müssen ab und an die Drallräder entsättigt werden und der Impuls dann durch Zündungen kompensiert werden. Gut befüllt erreichen heute Kommunikationssatelliten Betriebsdauern von 12 bis 15 Jahren.

Also wenn es gelingt, den Treibstoffverbrauch zu senken oder einen effektiveren Treibstoff zu nutzen, so wäre dies sehr hilfreich. So wären gerade Kommunikationssatelliten die idealen Kandidaten für Ionentriebwerke, die inzwischen auch die Hersteller im Angebot haben (SNECMA das PPS-1350, Boeing das NSTAR-100). Doch der Einsatz geschieht nur zögerlich. Noch 2000 war der Einsatz auf Artemis „experimentell“. Ja man muss schon einige Jahrzehnte rumexperimentieren, bis man richtig sicher ist. Artemis wurde durch die Triebwerke übrigens gerettet und anstatt nach der Rettung prognostizierter 5 Jahren arbeitet er immer noch ….

Dann gab es vor einigen Jahren die Idee ein Ionenantriebsmodul mit Ariane 5 als Sekundärnutzlast zu starten. Das wurde sogar im ESA Journal vorgestellt. Es hätte sich in der Düse des Kommunikationssatelliten festgekrallt und dann die Steuerung für ihn übernommen. Wie ich denke eine gute Idee. Es wäre praktikabel und durchführbar gewesen. Man verbindet die Effizienz eines Ionenantriebs mit der Möglichkeit von Ariane mittelgroße Sekundärnutzlasten zu transportieren. Doch auch davon hat man nichts mehr gehört.

Nun hat wohl der Konservatismus erneut gesiegt. Die Firma MDA Corp., dem einen oder anderen bekannt als der erste kommerzielle Kunde von SpaceX (und das schon seit 6 Jahren, sie sind echt geduldig…) will Kommunikationssatelliten (erster Kunde soll Intelsat sein) im Orbit nachfüllen. Ja sie haben richtig gelesen. Also ob es prinzipiell geht, könnten die Leser von EADS beantworten, die es hier auch gibt. Ich kenne mich da nicht so aus. Es wird sicher schwieriger zu sein als die recht große Düse festzukrallen. Der Tankstutzen wird nicht einfach zu treffen sein. Es gibt keine Kopplungsmöglichkeit wie bei der ISS  wo ja auch nachgetankt wird. Dann muss es gegen den Innendruck erfolgen und der muss auch nach dem Tanken noch gewährleistet sein (das Druckgas Helium wird man nicht nachfüllen können, was auch ein Manko ist). Also es gibt schon technisch einige „Wenns“ und „Wie“.

Aber ich denke primär an den enormen Aufwand. Die Firma will mit einem konventionellen Start Treibstoff in den geostationären Orbit bringen. Da bleibt schon mal nicht viel übrig. Geplant war ein Start mit der Proton, da kommen im geostationären Orbit von 6000 kg im Übergangsorbit noch 3600 kg an. Die Nachfüllvorrichtung, aber auch das Gefährt drumherum wird etwas wiegen. Das Triebwerk und Tanks für den Treibstoff auch. Vielleicht bleiben dann noch 2000 kg Treibstoff zum Nachfüllen übrig. Und dafür ein eigener Start? Man fasst es nicht. Selbst wenn ich das Geschäftsmodell habe, Kommunikationssatelliten nachzufüllen, weil die Kunden keine Ionentriebwerke wollen, so kann mich dass doch nicht mich hindern den Treibstoff mit einem Ionenantrieb in den Orbit zu bringen. Zeit genug habe ich ja. Die Proton transportiert rund 20 t in eine Leo-bahn und man wird nur etwas mehr als 2 t davon brauchen um den geostationären Orbit zu erreichen. Selbst bei großzügigen Systemen für die Stromversorgung, Struktur, Triebwerken und Tanks kann man mit 8-10 t Treibstoff zum Nachfüllen rechnen, anstatt mit 2 t.

Aber darum scheint es nicht zu gehen, sondern um Subventionen, denn erst kürzlich verlautbarte MDA dass sie nun erwägen mit einer US-Rakete zu starten um US-Aufträge abzugreifen. Es soll ja auch noch andere Satelliten im GEO-Orbit geben die man nachfüllen kann und die sind noch erheblich teurer als Kommunikationssatelliten. Mich wundert nur das SpaceX noch keinen Whale-Tanker anbietet oder die Refülling-Dragon … Aber das kommt sicher noch nächstes Jahr….

Auch sonst gibt es noch Konservatismus. EADS Bremen konstruiert derzeit die massivsten Oberstufen der Raumfahrtgeschichte. Verwendung von Composite Materialen, Lithium-Aluminiumlegierungen oder Innendruckstabilisierung? No, da scheint man die alten V-2 Pläne ausgegraben zu haben. Mich würde nicht wundern, wenn man nach der Rückbesinnung auf LOX/Kerosin bei vielen neuen Trägern als nächstes wieder auf Schießpulver zurückgreift…

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